Die Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird immer häufiger diagnostiziert - auch, weil Ärzt*innen ADHS heute bei Mädchen und Erwachsenen besser erkennen. ADHS betrifft oft Kinder, aber auch Erwachsene - viel häufiger, als man früher dachte.
Was ist ADHS?
ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung. Generell gilt: ADHS kann sehr unterschiedlich ausfallen, Symptome können von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Außerdem wird ADHS gemeinhin als Spektrum gesehen, auf dem sich sehr viele Menschen bewegen, deren Leben aber ganz unterschiedlich davon beeinflusst wird. Menschen mit ADHS haben deswegen oft Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Das Syndrom bringt dann Probleme in der Schule oder im Berufsleben, im Haushalt und in Beziehungen mit sich.
Was ist ADS?
Eine Variante ist ADS, also das Aufmerksamkeitsdefizits-Syndrom ohne Hyperaktivität.
Neurodiversität und ADHS
Neurodiversität ist ein Begriff, der in den 1990er Jahren entstanden ist. Damals ging es darum, eine neue Sicht auf Autismus zu etablieren, heute wird Neurodiversität auch für ADHS angewandt. Der Kern dieser Sichtweise: Menschen sind neurologisch unterschiedlich und das ist ganz normal. Autismus und ADHS sind Varianten in der neurologischen Entwicklung, die unsere Gesellschaft bereichern - sie tragen zur Vielfalt bei und sind keine Krankheiten, die es zu beseitigen gilt.
Ernährung und ADHS
Welche Rolle die Ernährung dabei spielt, wird in der Wissenschaft noch diskutiert - es gibt aber bereits einige spannende Erkenntnisse. Die Ernährung ist ziemlich sicher nicht die Hauptursache für ADHS - es gibt aber Wissenschaftler*innen, die vermuten, dass die Ernährungsweise zur Entstehung beitragen kann, vor allem bei Kindern. Ungesunde Ernährung mit hochverarbeiteten Lebensmitteln und Fast Food scheint das ADHS-Risiko zu erhöhen. In anderen Untersuchungen erwiesen sich Süßgetränke als besonders problematisch, generell steht Zucker im Verdacht, Hyperaktivität zu fördern. Allerdings kamen nicht alle Studien zu diesem Schluss - einige ergaben zum Beispiel gar keinen Zusammenhang zwischen ADHS und Zucker.
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Ernährungsgewohnheiten bei ADHS
Tatsächlich scheint auch ADHS einen starken Einfluss auf die Ernährung haben zu können. Studien zeigen, dass es ADHS-Kindern schwerer fällt, gesunde Essgewohnheiten einzuhalten und eher dazu neigen, Zucker, Snacks und Fast Food zu konsumieren.
Nährstoffversorgung im Blick behalten
Bei ADHS scheint es also besonders sinnvoll zu sein, die Nährstoffversorgung im Blick zu behalten. Welche Lebensmittel gut oder schlecht sind, ist individuell sehr unterschiedlich. Wichtig ist, dass Menschen mit ADHS herausfinden, welche Lebensmittel sie gut vertragen und worauf sie mit Allergien und Unverträglichkeiten reagieren. Gleichzeitig gilt, was für alle Menschen gilt: Gesünder ist es, mehr frisches Gemüse zu essen, selbst zu kochen und keine zu großen Portionen zu verspeisen. Nur gelegentlich sollten Sie Süßigkeiten, Frittiertes, rotes Fleisch und Alkohol zu sich nehmen.
Nahrungsergänzungsmittel und ADHS
Wissenschaftler*innen untersuchen auch, ob bestimmte Nährstoffe oder Nahrungsergänzungsmittel dabei helfen können, besser mit ADHS zu leben oder die Symptome zu lindern. Generell scheint es so zu sein: Nahrungsergänzungsmittel sind bei ADHS eher dann wirksam, wenn Betroffene einen Nährstoffmangel haben, den sie damit ausgleichen.
Omega-3-Fettsäuren
Gesunde Fette - auf die Mischung kommt es an. Omega-3-Fettsäuren werden schon länger als begleitende Therapiemaßnahme bei ADHS gehandelt und in Studien untersucht. In einigen Untersuchungen beeinflusste die Omega-3-Fettsäure EPA die Symptome und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen mit ADHS. Unter anderem wirkten sich Omega-3-Präparate positiv auf Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeit und Kurzzeitgedächtnis aus. Dass Menschen zu wenig von den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA bekommen, ist allerdings recht häufig. Beide stecken fast nur in fettem Seefisch.
Vitamine D und A
Der Zusammenhang zwischen den beiden Vitaminen D und A und ADHS wurde ebenfalls in einigen Studien beleuchtet. In einer anderen Studie schienen Vitamin-D-Präparate die ADHS-Symptome leicht verbessern zu können.
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Auslassdiäten
Es gibt verschiedene Auslassdiäten, die dabei helfen können, herauszufinden, ob es Lebensmittel gibt, die Sie nicht vertragen und die Ihre Symptome verstärken, zum Beispiel wegen einer unbekannten Lebensmittelallergie. Auslassdiäten wie die oligoantigene Diät werden genutzt, um herauszufinden, ob bestimmte Lebensmittel ADHS-Symptome verschlimmern. Weil sie anfangs sehr streng ist und Sie viele Lebensmittel weglassen sollen, sollten Sie die oligoantigene Diät nur mit der Unterstützung von Ernährungsfachkräften und Ärzt*innen durchführen.
Im Rahmen der Diät verzichten Sie für 4-5 Wochen auf Lebensmittel, die häufig Allergien und Unverträglichkeiten verursachen. Während dieser Zeit können Betroffene und ihre Ärzt*innen und Ernährungsberater*innen beobachten, ob sich ADHS-Symptome bessern - ein Hinweis darauf, dass bestimmte Lebensmittel eine Rolle spielen. Anschließend werden Lebensmittel nach und nach wieder in die Ernährung eingeführt. So finden einige Betroffene heraus, was sie essen können und was nicht, um Symptome zu lindern und den Alltag besser bewältigen zu können. Wichtig: Eliminationsdiäten zeigen nicht bei allen Menschen mit ADHS eine Wirkung. Besprechen Sie mit Ihren Ärzt*innen und Therapeut*innen, ob eine Ernährungsumstellung für Sie oder Ihr Kind sinnvoll sein könnte.
Selektives Essverhalten und Mangelernährung
Nur Milch oder nur Pudding oder einfach nur eine kleine Auswahl an Lebensmitteln - selektives Essverhalten kann bei Kindern zu einem schweren Vitaminmangel führen. „Es tritt oft in Zusammenhang mit Wahrnehmungsstörung bei Autismus, seltener auch bei Kindern mit ADHS auf, weil die Kinder entweder keine Ausdauer beim Essen haben und sehr sensibel sind, unter anderem auch, was das Gefühl im Mund betrifft“, erklärt Oberärztin Dr.in Veronika Pilshofer. Eine weitere Ursache für das wählerische Essverhalten kann ADHS sein, von dem etwa fünf bis sieben Prozent der Kinder in Österreich betroffen sind. „Nur ein sehr kleiner Teil dieser Patientinnen und Patienten leiden auch an Mangelernährung, meist weil sie keine Ausdauer beim Essen haben und vor allem zu Kohlenhydraten und Zucker greifen“, erklärt Dr.in Veronika Pilshofer.
Symptome und Therapie bei Mangelernährung
Die Folgen von selektiver Ernährung können massiver Eisenmangel sein, der sich mit Müdigkeit, Blässe, Entwicklungsverzögerung und erhöhter Infektanfälligkeit zeigt. Ein extremer Vitamin-D-Mangel verursacht vor allem Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, sowie rachitische Knochenveränderungen im Bereich der Wachstumsfugen. Schwerer Vitamin C-Mangel bedeutet Schmerzen in den Gelenken und Muskeln, blaue Flecken, Zahnfleischblutungen, rissige Lippen und erhöhte Reizbarkeit. „Die Kinder weinen oft viel und das anstrengende Verhalten aufgrund von Autismus oder ADHS wird noch verstärkt. Für die Familien ist das eine extreme Herausforderung“, sagt Dr.in Pilshofer.Bei der Therapie im Fall einer Mangelernährung werden zuerst die Vitamin-Speicher wieder aufgefüllt - wenn nötig auch intravenös. Mit Logopädie und Ergotherapie wird an der Verbesserung der Sensibilität und an der Wahrnehmung gearbeitet.
3 Tipps für Eltern:
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- Für alle Kinder ist abwechslungsreiche, gesunde und vitaminreiche Kost wichtig für die Entwicklung.
- Schnelle Kohlenhydrate wie Zucker, Schokolade, süße Getränke können nicht nur bei Kindern mit ADHS und Autismus für mehr Gereiztheit und eine geringere Aufmerksamkeitsspanne sorgen. Aufputschende Getränke verstärken zudem die Hyperaktivität.
- Eltern sollten auf sensorisches Missempfinden achten. Säuglinge mit Wahrnehmungsstörungen unterschiedlichster Ursachen können sensibel und ablehnend auf den Beginn der Beikost reagieren.
Behandlung von ADHS
ADHS ist nicht heilbar, aber die Symptome können durch eine individuell angepasste Behandlung gelindert beziehungsweise stabilisiert werden. Eine bewährte Methode ist die Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapie und Elterntraining.
Bausteine für eine erfolgreiche ADHS-Behandlung
Folgende Bausteine sind grundsätzlich für eine erfolgreiche ADHS-Behandlung bei Kindern wichtig:
- Aufklärung und Beratung der Eltern, des Kindes/Jugendlichen und des Erziehers beziehungsweise des Klassenlehrers
- Zusammenarbeit mit Erziehern und Lehrern (Kindergarten, Schule)
- Elterntraining, Miteinbeziehen der Familie (einschließlich Familientherapie), um die Symptomatik im familiären Umfeld zu vermindern
- Kognitive Verhaltenstherapie des Kindes/Jugendlichen (ab dem Schulalter): Impulsives und unorganisiertes Verhalten kontrollieren lernen und Selbstmanagement lernen (Umgang mit Problemverhalten)
- Medikamente (meist Amphetamine wie Methylphenidat), um Symptome in der Schule, im Kindergarten, im Familienkreis oder in anderen Umgebungen zu vermindern
ADHS-Behandlung je nach Alter
Die ADHS-Behandlung wird an das Alter des Betroffenen angepasst.
Therapie im Vorschulalter
Im Vorschulalter stehen vor allem das Elterntraining sowie die Aufklärung des Umfeldes über die Störung im Vordergrund. Eine kognitive Therapie ist in diesem Alter noch nicht möglich. Haben die Kinder Schwierigkeiten, längere Zeit bei einer Sache zu bleiben, kann ein Spieltraining diese Fähigkeit fördern. Einige Kliniken bieten eine spezielle Mutter-Kind-Kur an. ADHS wird in diesen Kliniken unter anderem mit einer Kombination aus Lerntraining und Beziehungsarbeit behandelt. Experten warnen davor, bereits Vorschulkinder mit Medikamenten gegen ADHS zu behandeln. Für den Einsatz von Methylphenidat bei Kindern unter sechs Jahren liegen bisher nur wenige Erfahrungen vor. Es ist unklar, wie sich Medikamente wie Methylphenidat auf die kindliche Entwicklung auswirken. Manche Fachleute befürchten, dass ADHS-Medikamente die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.
Therapie im Schul- und Jugendalter
Im Schul- und Jugendalter sind die Aufklärung und Beratung der Kinder und Eltern sowie das Elterntraining die Grundlage der Therapie. Eine wichtige erste Maßnahme ist das sogenannte Selbstinstruktionstraining. In einer sprachlichen Selbstanweisung geben sich die Kinder ihre nächsten Handlungsschritte vor. Das Motto „Erst Handeln, dann Denken" wird so umgekehrt zu „Erst denken, dann Handeln“. Die Fähigkeit, sich selbst konkrete Anweisungen zu geben, stärkt die Selbstkontrolle und hilft, das eigene Verhalten zu überdenken.
In fünf Schritten lässt sich die Selbstinstruktion zur Behandlung von ADHS erlernen:
- Der Therapeut oder Erzieher spricht die "Selbstanweisungen" modellhaft vor und handelt auch entsprechend.
- Das Kind handelt nach den gerade gehörten Anweisungen des Lehrers (externe Verhaltenssteuerung).
- Das Kind lenkt sein Verhalten durch eigene Selbstanweisungen mit lautem Sprechen (offene Selbstinstruktion) .
- Das Kind flüstert die Selbstanweisung (ausgeblendete Selbstinstruktion).
- Das Kind soll lernen, sich durch das Einüben der verinnerlichten Selbstinstruktion selbst zu steuern (verdeckte Selbstinstruktion).
Sind Kinder / Jugendliche trotz Therapien und Training extrem unruhig oder aggressiv, können zusätzlich Medikamente sinnvoll sein.
Verhaltenstherapie bei ADHS
Die Verhaltenstherapie umfasst die Zusammenarbeit mit den Kindern, deren Eltern und auch der Schule. Die Kinder lernen, ihren Alltag zu strukturieren und ihr Verhalten besser zu kontrollieren. In vielen Fällen ist es sinnvoll, dass ein professioneller Helfer die Kinder einige Zeit auch in der Schule unterstützt. Auch das Üben in Modellsituationen kann hilfreich sein. Im Rahmen von Rollenspielen, zum Beispiel unter Gleichaltrigen, üben ADHS-Kinder in einer praxisnahen Situation ein Verhalten, das sie später auch zu Hause oder in der Schule anwenden können. Erleben sie dabei Anerkennung, werden sie das neue Verhaltensmuster schnell in ihr Repertoire aufnehmen.
Elterntraining bei ADHS
Ein wichtiger Bestandteil der ADHS-Therapie ist das Elterntraining. Um ihre Sprösslinge besser zu unterstützen, lernen die Eltern einen konsequenten, aber liebevollen Erziehungsstil. Dazu gehören unter anderem:
- klare Strukturen vorgeben, sich unmissverständlich ausdrücken
- eigenes Verhalten mit den Anweisungen in Übereinstimmung bringen
- Ablenkungen von einer gerade anstehenden Aufgabe vermeiden
- Rückmeldung geben, ob sie das Verhalten des Kindes positiv oder negativ finden
- erwünschtes Verhalten deutlich erkennbar belohnen
Viele Eltern suchen auch Hilfe bei Elterninitiativen. Der Austausch mit anderen hilft ihnen aus der Isolation und kann mögliche Schuldgefühle reduzieren. Oft schaffen Eltern von ADHS-Kindern es erst dank des Rückhalts durch die Gruppen, ihr hyperaktives Kind so zu akzeptieren, wie es ist.
Medikamente bei ADHS
Medikamente zur Behandlung von ADHS können bei stark ausgeprägten ADHS-Symptomen helfen, die sonst erhebliche Schwierigkeiten im Alltag verursachen. Sie wirken meist schnell und gut. Bei starken Verhaltensproblemen schaffen sie oft erst die Voraussetzung für eine Verhaltenstherapie. In weniger ausgeprägten Fällen sollten ADHS-Kinder erst dann Medikamente erhalten, wenn eine verhaltenstherapeutische Behandlung nicht ausreicht. Wichtig ist: Medikamente können ADHS nicht heilen, aber Symptome lindern. Dafür müssen sie regelmäßig eingenommen werden. Viele Betroffene nehmen die Medikamente über Jahre, manchmal auch bis ins Erwachsenenalter ein.
Mindestens einmal im Jahr sollte der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin den Verlauf der Störung überprüfen und feststellen, ob Wirkstoff und Dosis für den Betroffenen noch optimal sind. Haben sich die ADHS-Symptome über einen längeren Zeitraum deutlich gebessert, können die Medikamente möglicherweise abgesetzt werden (in ärztlicher Absprache). ADHS-Medikamente sollten nicht auf eigene Faust abgesetzt werden!
Methylphenidat
Das am häufigsten eingesetzte Medikament zur Behandlung von ADHS ist Methylphenidat. Es ist vor allem unter den Handelsnamen Ritalin und Medikinet bekannt. Der Wirkstoff ist kein Beruhigungsmittel, sondern ein sogenanntes Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine. Als solches fördert er die Aktivität. Dies scheint zunächst widersprüchlich, da Kinder mit ADHS ohnehin hyperaktiv sind. Sein Einsatz macht aber dennoch Sinn: Methylphenidat erhöht die Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin im Gehirn. Dieser spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen, ist aber auch wichtig für den psychischen Antrieb und die Konzentrationsfähigkeit. Bei den meisten ADHS-Kindern mindert Methylphenidat auf diese Weise Unaufmerksamkeit und Ruhelosigkeit und verbessert ihre Konzentration. Manchen Kindern ermöglicht Methylphenidat überhaupt erst die Teilnahme am Unterricht und erleichtert erheblich die sozialen Kontakte.
So wirkt Methylphenidat: Methylphenidat blockiert die Wiederaufnahme von den Botenstoffen Dopamin und Noradrenalin in die Nervenzelle. Die freien Botenstoffe können so vermehrt an passende Rezeptoren binden und so die Konzentrationsfähigkeit verbessern.
- Schneller Wirkeintritt: Methylphenidat wirkt schnell. Schon nach einer Stunde spüren die Anwender eine deutliche Wirkung.
- Individuell angepasste Dosierung: Zu Beginn der Therapie ermittelt der Arzt oder die Ärztin die niedrigste Methylphenidat-Dosis, die bei der Patientin oder beim Patienten wirksam ist. Dazu fängt man mit einer ganz niedrigen Dosis an und steigert diese nach ärztlicher Anweisung langsam - so lange, bis sich der gewünschte Effekt einstellt.
Für ADHS-Kinder, die eine ganztägige Stabilisierung brauchen, eignen sich Retard-Tabletten, die einmalig morgens eingenommen werden. Sie setzen den Wirkstoff kontinuierlich über den ganzen Tag frei. Die regelmäßige Tabletteneinnahme wird nicht so leicht vergessen. Auch Schlafstörungen treten seltener auf.
Gesetzliche Regelung: Methylphenidat fällt unter das Betäubungsmittelgesetz (Deutschland, Schweiz) beziehungsweise das Suchtmittelgesetz (Österreich). Um Missbrauch zu verhindern, dürfen Mediziner solche Medikamente nur für einen begrenzten Zeitraum und nur auf einem speziellen Rezeptformular (Betäubungsmittel- beziehungsweise Suchtgiftrezept) verschreiben.
Atomoxetin
Ein neuerer Wirkstoff zur Behandlung von ADHS ist Atomoxetin. Er wirkt tendenziell etwas weniger gut als Methylphenidat, bietet aber eine Alternative. Atomoxetin steigert vor allem die Konzentration des Nervenbotenstoffes Noradrenalin im Gehirn, indem es dessen Abbau verlangsamt. Der Botenstoff bleibt so länger aktiv und verbessert so die Signalübertragung im Gehirn. Anders als Methylphenidat fällt Atomoxetin nicht unter das Betäubungsmittel- beziehungsweise Suchtgiftgesetz. Es ist ab einem Alter von sechs Jahren für die Behandlung von ADHS zugelassen.
Vergleich von Methylphenidat und Atomoxetin:
| Substanz | Methylphenidat | Atomoxetin |
|---|---|---|
| Wirkungsweise | Wirkt auf den Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn, erhöht Dopaminkonzentration | Beeinflusst Noradrenalin(NA)-Stoffwechsel, NA wird langsamer in die Zelle wiederaufgenommen und wirkt so länger |
| Wirksamkeit | Hilft in der Mehrheit der Fälle | Effektivität eher geringer als die von Methylphenidat, kann bei Patienten wirksam sein, die nicht auf Methylphenidat ansprechen |
| Wirkdauer | 1 bis 3 Gaben pro Tag, neuere Retardpräparate gewährleisten Wirkdauer von 6 bzw. 12 Stunden | Kontinuierliche Wirkung über den gesamten Tag |
| Erfahrung | Seit mehr als 50 Jahren | Seit den 2000er Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassen. Studienerfahrung seit 1998 |
| Nebenwirkungen | In der Anfangsphase für 2-3 Wochen: - Kopfschmerzen - Magenbeschwerden - verstärkte Reizbarkeit - Übelkeit und Erbrechen Häufig: - Appetitlosigkeit - Gewichtsabnahme - Benommenheit - Muskelzucken/Tics - Allergische Hautreaktionen Selten: - Anstieg von Blutdruck und Puls - Seltene Berichte über ein Ansteigen der Leberwerte oder Leberentzündungen (Hepatitis) - Bremst das Längenwachstum und die Gewichtszunahme der Kinder | Vor allem in der Anfangsphase: - Kopfschmerzen - Mundtrockenheit (Erwachsene) - Bauchschmerzen - verminderter Appetit - Übelkeit und Erbrechen - Verstopfungen - Müdigkeit - Stimmungsschwankungen Häufig: - verminderter Appetit - Gewichtsabnahme - leichter Anstieg von Blutdruck und Puls Gelegentlich: - allergische Reaktionen Selten: - zusätzliche Verhaltensstörungen mit aggressiver Komponente - Sehr seltene Berichte über ein Ansteigen der Leberwerte, Gelbsucht oder Leberentzündungen (Hepatitis) - Bremst das Längenwachstum und die Gewichtszunahme der Kinder wohl nur vorübergehend |
| Spätfolgen | Keine erhöhte Rate von Spätfolgen, Befürchtungen wegen Parkinson-Erkrankung oder Hirnschäden nicht belegbar. | Spätfolgen noch nicht absehbar |
| Suchtgefahr | Richtig angewendet keine erhöhte Suchtgefahr; wird bei ADHS sogar reduziert (Verlaufsstudien). | Keine Suchtgefahr |
| Gegenanzeigen | - epileptische Anfallsleiden - Angst und Anspannung - erhöhter Augeninnendruck - Tourette-Syndrom - gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen - Schilddrüsenüberfunktion - schwere Angina pectoris - Herzrhythmusstörungen - Schwerer Bluthochdruck - schwere Depressionen - Magersucht - Psychosen - Tic-Störungen - Medikamentenmissbrauch - Alkohol- oder Drogenmissbrauch - Schwangerschaft und Stillzeit | - Prostatavergrößerung - kürzlich aufgetretener Schlaganfall - gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen - erhöhter Augeninnendruck (Engwinkelglaukom) |
| Verordnung | Betäubungsmittel- / Suchtgift-Rezept, für Reisen ins Ausland Bestätigung des behandelnden Arztes erforderlich. | Normales Rezept |
Weitere Medikamente
Wenn Methylphenidat und Atomoxetin nicht ausreichend wirken, können auch verschiedene Neuroleptika, Antidepressiva, Beruhigungsmittel und weitere Amphetamine sowie Fenetyllin und Pemolin verordnet werden.
ADHS-Therapie am Computer - Neurofeedback
Das Neurofeedback ist ein Verfahren auf verhaltenstherapeutischer Basis. Dabei lernt man, die eigenen Hirnaktivitäten positiv zu beeinflussen. Die Methode kann bei Kindern über sechs Jahren und Jugendlichen eingesetzt werden, wenn andere, wirkungsvollere Therapien dadurch nicht verzögert oder behindert werden. Beim Neurofeedback werden Elektroden auf die Kopfhaut eines Patienten geklebt, die seine Gehirnströme ablesen, sodass sie auf einem Monitor sichtbar werden. Diese Messung nennt sich auch Elektroenzephalografie (EEG). Durch Konzentration gelingt es dem Patienten, seine Gehirnaktivität auf einem bestimmten Level zu halten. Bei längerem Training lässt sich die erlernte Fähigkeit dann auch im Alltag, in der Schule oder im Beruf anwenden. Für viele Kinder und Jugendliche ist das Neurofeedback eine effektive Methode zur Konzentrationssteigerung. Es umfasst mindestens 25 bis 30 Sitzungen mit Überprüfungen des Erfolgs durch das Kind / den Jugendlichen und die Eltern. Nach neuesten Untersuchungen hält der Erfolg eines Neurofeedback-Trainings auch nach sechs Monaten unverändert an.
Homöopathie bei ADHS
Es gibt auch alternative Versuche zur Behandlung von ADHS. Sie können die schulmedizinische Therapie ergänzen. Eine der alternativen Heilmethoden, die bei ADHS Anwendung finden, ist die Homöopathie. Manche Betroffene beziehungsweise deren Eltern berichten von einer Verbesserung der ADHS-Symptome bei Einnahme von Homöopathika. Die Auswahl an homöopathischen Mitteln, die hier in Betracht komen, ist groß. Abhängig von den Symptomen verwendet man Globuli auf Basis von Kalium phosphoricum (soll die Konzentrationsfähigkeit fördern...
Das Syndrom ist eine "ganz besondere Art zu sein", sagt eine Expertin. Bei AD(H)S kann das Gehirn die einstürmenden Reize nicht filtern. Es fällt schwer zu priorisieren und unwichtige Dinge auszublenden. Das kann positiv sein, weil man viel mehr mitbekommt. Konzentrationsprobleme, schlechtes Zeitmanagement, unendlicher Bewegungsdrang, unüberlegtes Handeln. Aber auch tiefe Konzentration und ein enormes kreatives Potenzial. All das sind Eigenschaften von Menschen mit AD(H)S. Sie können ihre Mitmenschen - und manchmal auch sich selbst - ordentlich herausfordern.