Psychische Erkrankungen: Gefährlichkeit und Statistik in Deutschland und Österreich

Psychische Erkrankungen stellen eine erhebliche Belastung für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft dar. Sie können nicht nur die Lebensqualität stark beeinträchtigen, sondern in manchen Fällen auch lebensbedrohlich sein. Dieser Artikel beleuchtet die Gefährlichkeit psychischer Erkrankungen anhand von Statistiken und Forschungsergebnissen in Deutschland und Österreich.

Prävalenz psychischer Erkrankungen

Laut einer Statistik des Bundesgesundheitsamts aus dem Jahr 2004 erkrankt etwa jeder dritte Bundesbürger pro Jahr an einer psychischen Störung. Eine aktuelle Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert, dass Depressionen bis zum Jahr 2030 die häufigste Erkrankung in Industrieländern sein werden. Schätzungen zufolge leidet schon heute etwa jeder 20. Deutsche an dieser Gemütskrankheit.

In Österreich gewinnen psychische Aspekte im ArbeitnehmerInnenschutz kontinuierlich an Bedeutung. Die Krankenstandstage aufgrund psychischer Diagnosen haben im letzten Jahrzehnt zugenommen: „Wurden 2010 6,9 % aller Krankenstandstage durch psychische Erkrankungen verursacht, erhöhte sich dieser Anteil innerhalb von zehn Jahren auf 11,4 % im Jahr 2021“ (WIFO, 2022, S.2). Tendenz steigend.

Die gefährlichsten psychischen Krankheiten

Einige psychische Erkrankungen sind mit einer besonders hohen Sterberate verbunden:

Anorexia Nervosa (Magersucht)

Anorexia Nervosa ist die psychische Erkrankung mit der höchsten Sterberate überhaupt. Schätzungen zufolge sind etwa 100.000 Menschen in Deutschland an Magersucht erkrankt - in zehn bis 15 Prozent der Fälle endet die Krankheit tödlich. Ab einem BMI (Body-Mass-Index) von 17,5 kg/m² oder weniger spricht man von einer Magersucht. Betroffen sind vor allem junge Frauen zwischen 15 und 35 Jahren, deren gesunde Körperwahrnehmung massiv gestört ist. Die gesundheitlichen Folgen des extremen Fastens jedoch sind verheerend: Sie reichen von Mangelerscheinungen über Hormon- und Durchblutungsstörungen bis hin zu Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Herztod.

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Depression

Forschern zufolge sind mehr als die Hälfte der 9.451 im Jahr 2008 begangenen Suizide auf Depressionen zurückzuführen. Symptome wie Schlaf- und Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche, mangelnder Antrieb, Ängstlichkeit, Pessimismus und Selbstmordgedanken sind charakteristisch für diese Krankheit. Mit gezielten Psychotherapien und/oder Psychopharmaka lassen sich Depressionen in der Regel gut und erfolgreich behandeln.

Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)

Etwa sechs Prozent der Jugendlichen in Deutschland leiden unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Diese schwere psychische Krankheit ist durch eine unkontrollierbare Instabilität und Impulsivität gekennzeichnet. Die Betroffenen haben große Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen, können gleichzeitig aber auch nicht alleine sein, sie leiden unter intensiven Gefühlsschwankungen wie unter einer schweren Störung des Selbstwerts, was zu Selbstverletzungen bis hin zu Suizidversuchen führen kann.

Münchhausen-Syndrom und Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom

Patienten, die an dem Münchhausen-Syndrom leiden, erfinden und täuschen Krankheiten vor, um dadurch Aufmerksamkeit und Mitleid zu erlangen. Eine Abart des Münchhausen-Syndroms stellt das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom dar, wobei vornehmlich Mütter Krankheiten bei ihren Kindern vortäuschen oder sie mit zum Teil grausamen Methoden künstlich auslösen. Rund 15 Prozent der Kinder überleben diese Torturen nicht.

Body Integrity Identity Disorder (BIID)

Betroffene leiden unter einer extrem verzerrten Selbstwahrnehmung und haben das überwältigende Bedürfnis, Gliedmaßen, die sie als fremd und nicht ihrem Körper zugehörig empfinden, amputieren zu lassen. Da aber eine Amputation durch Ärzte in Deutschland nicht durchgeführt wird, wenn kein medizinischer Grund vorliegt, greifen Patienten in ihrer Not regelmäßig zu drastischen und lebensgefährlichen Maßnahmen.

Psychische Erkrankungen im österreichischen Maßnahmenvollzug

Nach einem leichten Rückgang der Prävalenz der im Maßnahmenvollzug untergebrachten Patienten kam es 2016 zu einem neuerlichen Anstieg, sodass zwischenzeitlich 777 psychisch Kranke stationär in Justizeinrichtungen oder in geschlossenen Abteilungen von psychiatrischen Krankenhäusern behandelt werden. Dieser Trend zeigt sich allerdings nicht nur in Österreich, sondern findet sich ähnlich in der ganzen westlichen Welt.

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Die Feststellung der Zurechnungs(un)fähigkeit und der gegebenenfalls erforderlichen Einweisung in eine vorbeugende Maßnahme folgt einem vom österreichischen Strafgesetzbuch (öStGB) vorgegebenen Algorithmus. Psychisch Kranke, die mit mehr als einem Jahr Strafe bedrohte Taten begangen haben, können von den Gerichten in den Maßnahmevollzug eingewiesen werden. Dazu wird allerdings vom Gesetzgeber eine schlechte Kriminalprognose verlangt.

Im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 1 öStGB sind Patienten, die an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis leiden, mit mehr als 70 Prozent deutlich am häufigsten vertreten. Bei den zurechnungsunfähigen schizophrenen Straftätern besteht eine (unterschiedlich enge) Verbindung zwischen Delikt und Erkrankung.

36,7 Prozent der 2016 in der Justizanstalt Göllersdorf behandelten Patienten haben einen Migrationshintergrund, die Mehrheit (32,2 Prozent) wurde im Ausland geboren. Ganz anders in der Justizanstalt Wien-Mittersteig; hier waren nur 15,7 Prozent der zurechnungsfähigen Maßnahmepatienten Nicht-Österreicher.

Arbeitsbedingte psychische Erkrankungen

Arbeitsbedingte psychische Erkrankungen sind trotz vielfältigster Präventionsbemühungen weit verbreitet und gehören zu den häufigeren arbeitsbedingten Erkrankungen. Von arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen können wir sprechen, wenn die Erkrankung direkt von arbeitsbezogenen Risikofaktoren negativ beeinflusst wird. Arbeitsstressoren können eine auslösende Wirkung haben.

Die gängigsten arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen sind:

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  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Burnout-Syndrom (Einstufungsdiagnose)

Gängige arbeitsbedingte Einflussfaktoren sind beispielsweise:

  • „Job Strain“ (Hohe Anforderung bei zu geringem Tätigkeitsspielraum)
  • Geringe soziale Unterstützung
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • Gewalt
  • Geringe Bedeutsamkeit der Arbeit
  • Schwierige Emotionsarbeit

Die psychische Gesundheit hängt mit den psychosozialen Arbeitsbedingungen kausal zusammen. Gleichzeitig haben die Krankenstandstage aufgrund psychischer Diagnosen im letzten Jahrzehnt zugenommen.

Die Ergebnisse der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria (2022, Zahlen aus 2020), zeigen: 60 % der Erwerbstätigen fühlen sich am Arbeitsplatz mindestens einem psychischem Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Als größtes arbeitsbezogenes Gesundheitsrisiko wird am häufigsten starker Zeitdruck bzw. Arbeitsüberlastung angegeben: 38,3 % berichten, in ihrer Arbeit unter starkem Zeitdruck zu leiden bzw. überlastet zu sein.

Arbeitgeber:innen haben eine Schutzverpflichtung für die Arbeitnehmer:innen. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) stellt klar: Auch die arbeitsbedingte psychische Belastung ist Teil der betrieblichen Arbeitsplatzevaluierung. Arbeitgeber:innen müssen beeinträchtigende Arbeitsbedingungen ermitteln, beurteilen und durch wirksame Schutzmaßnahmen ausschalten oder zumindest reduzieren.

Veränderung Krankenstandstage 1994 zu 2023 (gerundet auf Tausend)

Krankheits-gruppen 1994 2023 Veränderung absolut Veränderung in %
insgesamt 40.211.000 56.088.000 + 15.877.000 + 39,5%
Psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen 1.063.000 5.776.000 + 4.713.000 + 443,4%

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