Psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Dauerhafte Belastungen, wie z.B. Misserfolge in der Schule, Konflikte oder Beziehungsprobleme, können das psychosoziale Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen und das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen.
Psychische Auffälligkeiten und Krankheiten werden von individuellen Aspekten und verschiedenen externen Faktoren beeinflusst. Das Regenbogenmodell von Dahlgren & Whitehead (1991) stellt anschaulich dar, dass die individuelle Gesundheit nicht nur von persönlichen Ressourcen und Verhaltensweisen beeinflusst wird, sondern auch soziale, wirtschaftliche, kulturelle und natürliche Umweltfaktoren eine Rolle spielen.
Häufige psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen
Zu den häufigsten Krankheitsbildern bei Kindern und Jugendlichen zählen Angststörungen, Entwicklungsstörungen, depressive Störungen, Aufmerksamkeits- und Essstörungen. Studien wie die HBSC-Studie und die MHAT-Studie liefern Informationen über die psychosoziale Gesundheit von österreichischen Schülerinnen und Schülern. Einschlafschwierigkeiten, schlechte Laune, Gereiztheit oder Nervosität belasten fast ein Drittel der befragten Schülerinnen und Schüler.
Die Rolle der Schule für die psychische Gesundheit
Die Lebensbedingungen in der Schule können die psychosoziale Gesundheit von Schülerinnen und Schülern maßgeblich beeinflussen. Fühlen sich Kinder und Jugendliche in der Schule gerecht behandelt, unterstützt und akzeptiert, wirkt sich das positiv auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden aus. Fehlende Wertschätzung, Schikanen und häufige Konflikte gelten hingegen als Risikofaktoren.
Förderung der psychosozialen Gesundheit in der Schule
Ob aus gegebenen Anlass oder präventiv - die Förderung psychosozialer Gesundheit in der Schule ist ein wichtiger Aspekt schulischer Gesundheitsförderung. Die Förderung psychosozialer Gesundheit hat vielfältige Aspekte. Schulen und Lehrpersonen bieten sich viele Möglichkeiten, wo sie ansetzen oder weiterarbeiten können.
Lesen Sie auch: Erfahrungen in der Psychiatrischen Tagesklinik Braunschweig
Im Schulalltag lassen sich Konflikte oft nicht verhindern. Zu den häufigsten Vorkommnissen zählen Meinungsverschiedenheiten, Beschimpfungen, Beleidigungen oder das Wegnehmen von persönlichen Gegenständen. Konflikte beeinträchtigen den schulischen Alltag und erfolgreiches Lehren und Lernen. Kommunikationsfördernde und gewaltpräventive Initiativen, auf Klassenebene oder in der ganzen Schule, können dazu beitragen, das Klassen- bzw. Schulklima zu verbessern. Sie wirken dann am besten, wenn sie langfristig ausgelegt und dauerhaft in den schulischen Alltag integriert werden.
Mobbing und Cybermobbing
Der Ausdruck „Mobbing“ wird heute in so vielfältigen Zusammenhängen verwendet, dass eine Begriffsklärung hilfreich scheint. Mobbing sind negative Handlungen, die vorsätzlich von einer oder mehreren Personen ausgeübt werden und sich gegen eine Person richten. Die Handlungen kommen dabei über einen längeren Zeitraum vor. Zwischen Opfer und Täter(n) herrscht ein Ungleichgewicht der Kräfte. Die Betroffenen fühlen sich hilflos.
Eine spezielle Form ist Cybermobbing. Darunter versteht man systematisches Belästigen, Kränken und Bloßstellen im virtuellen Raum. Besondere Merkmale des Cyber-Mobbings sind die Anonymität, das unsichtbare Publikum, die mögliche Beteiligung von fremden Personen und fehlende Rückzugsmöglichkeiten. Cybermobbing hat verschiedene Erscheinungsformen- etwa beleidigende Kommentare und wiederholtes Zusenden von verletzenden Nachrichten, Verbreitung von Gerüchten und Unwahrheiten, Bloßstellung durch Verbreitung von peinlichen oder persönlichen Inhalten wie z.B. Fotos, Videos, und gezieltes Ausgrenzen einer Person aus Online-Communities. Für Betroffene ist Cyber-Mobbing deswegen so problematisch, weil sie sich nicht so leicht entziehen können.
Umgang mit sexueller Vielfalt
Die vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt an Schulen ist wichtiger Beitrag zur gesunden (psychosozialen) Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Abwertendes und diskriminierendes Verhalten gegenüber jeglicher Form sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität gilt es zu vermeiden.
Im (schulischen) Alltag trifft man immer häufiger auf Begriffe wie LGBTQ*. Doch was steckt hinter diesen Kurzformen für Vielfalt in der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentitäten? Diskriminierung vermeiden: Abstammung, ethnische Herkunft, Glaube, Behinderung oder sexuelle Identität sind nur einige Beispiele, warum Menschen abgewertet und diskriminiert werden.
Lesen Sie auch: Psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege
Viele Menschen zögern jahrelang, sich zu ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität zu bekennen. Ein Coming out kann erleichternd sein, aber auch Schwierigkeiten wie z.B. Bullying mit sich bringen. Kinder und Jugendliche kommen auf verschiedenen Ebenen (z.B. in der Schule, in den Sozialen Medien …) mit Begriffen rund um die Thematik LGBTQ* in Kontakt.
Psychische Belastungen und Erkrankungen bei Jugendlichen
Psychische Belastungen und Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet, werden aber oft noch immer tabuisiert oder nicht ernst genommen. Auch Kinder und Jugendliche sind häufig von psychischen Problemen betroffen, sodass es nicht unwahrscheinlich ist, dass Lehrpersonen, Schulleitungen und andere an der Schule tätigen Personen auf psychisch belastete Schüler:innen treffen. Die Ergebnisse der letzten WHO-HBSC-Erhebung 2018 (PDF) zeigen, dass das emotionale Wohlbefinden der Schüler:innen mit zunehmendem Alter, vor allem ab Beginn der Pubertät, abnimmt. Etwa 12% der Burschen und ca. 24% der Mädchen zeigten bei dieser Erhebung so schlechte Werte, dass sie möglicherweise an einer depressiven Verstimmung litten.
Neurologische Entwicklungsstörungen (z.B. Stimmungsschwankungen und Gefühlsturbulenzen sind in der Pubertät normal. Das macht es Bezugspersonen nicht leicht einzuschätzen, ob Jugendliche in einem vorübergehenden emotionalen Tief stecken oder eine ernsthafte psychische Krise erleben. Lehrpersonen sollten vorsichtig sein, von Verhaltensveränderungen oder wahrgenommenen psychischen Problemen sofort auf eine psychische Erkrankung zu schließen. Nicht in jeder psychischen Krise ist eine professionelle Hilfe notwendig. Oft schafft man es allein oder mit der Unterstützung von nahestehenden Menschen eine mentale Krise zu bewältigen.
Sprechen Sie mit der Schülerin, dem Schüler unaufgeregt und neutral. Hören Sie zu und zeigen Sie, dass Sie sich Gedanken über sie bzw. ihn machen und ihre bzw. Fragen Sie nach, wie Sie die Schülerin, den Schüler konkret unterstützen können. Vermeiden Sie, sofort von Therapie oder der Notwendigkeit von professioneller Hilfe zu sprechen. Schulen, denen die psychosoziale Gesundheitsförderung am Herzen liegt und die hier nachhaltig Angebote setzen, tragen wesentlich zur gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei.
Selbstverletzendes Verhalten
Von Selbstverletzendem Verhalten ohne suizidale Absicht, umgangssprachlich oft auch als Ritzen bezeichnet, spricht man, wenn sich Menschen selber freiwillig und wiederholt Verletzungen an der Körperoberfläche zufügen. Neben Schneiden, sind auch Methoden wie Schlagen, Verbrennen oder Kratzen weit verbreitet. Die Gründe für so ein Verhalten sind vielfältig. Ein Großteil der Betroffenen nutzen Selbstverletzung als Mittel, um mit intensiven negativen Gefühlen, wie z.B. Trauer, Wut, Stress, umzugehen und sich durch die Tat zumindest kurzfristig Erleichterung zu verschaffen.
Wie bei vielen anderen psychischen Erkrankungen gilt auch hier: je früher Hilfe in Anspruch genommen wird, umso einfacher ist es für die Betroffenen damit aufzuhören. Besteht der Verdacht, dass eine Schülerin, ein Schüler sich selbst verletzt, sollte nicht gezögert werden, mit der/dem vermeintlich Betroffenen ein Gespräch zu führen. Mit fachkundiger Unterstützung, z.B. durch das Einbeziehen des Vertrauenslehrers, der Vertrauenslehrerin, eines Mitarbeiters, einer Mitarbeiterin der Schulpsychologie oder externen Fachleuten, lassen sich solche Situationen leichter bewältigen.
Trauma und Flucht
Kinder und Jugendliche, die aus ihrem Heimatland flüchten mussten, haben dort oft Schlimmes erlebt und müssen mit belastenden Fluchterfahrungen, mit dem Verlust ihres vertrauten Umfelds und möglicherweise enger Bezugspersonen sowie mit Ängsten und Unsicherheit bezüglich der Zukunft zurechtkommen. Die Schule ist eine soziale Lebenswelt, die diesen Kindern und Jugendlichen Stabilität, Verlässlichkeit und Orientierung zurückgeben und sich damit positiv auf ihre psychische Gesundheit auswirken kann.
Mit Abstand zum traumatischen Erlebnis können sich körperliche und psychische Reaktionen teilweise von allein zurückentwickeln. Daher ist es besonders wichtig, nicht zu sehr auf Defizite (z.B. Achten Sie auf Dinge und Situationen, die Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung triggern könnten. Unterrichtseinheiten oder Gespräche über Krieg und Flucht können andere Schüler:innen (z.B. Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan) an eigene traumatische Erlebnisse erinnern.
Universitätsklinik Ulm: Forschung und Behandlung
Die Universitätsklinik Ulm engagiert sich in Forschung und Behandlung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im Jahr 2018 startete das Projekt STAR (Self-Injury, Treatment, Assessment, Recovery), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Projekt bündelt innovative Ansätze, um neue Erkenntnisse zu den Auslösern und Gründen der Beendigung von selbstverletzendem Verhalten zu erlangen. Zudem wird eine neuartige Online-Therapie beforscht.
„Selbstverletzendes Verhalten betrifft viele Jugendliche in Deutschland. Mit dem STAR-Projekt schaffen wir erstmals einen Mehr-Ebenen-Zugang, der Grundlagenforschung mit therapeutischen Angeboten und Schulungsmaßnahmen vereint“, sagt Projektleiter Paul Plener, der an der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie forscht.
Als wichtiger Bestandteil des Forschungsvorhabens wird Jugendlichen mit selbstverletzendem Verhalten zudem eine innovative Onlinetherapie angeboten. Im Zuge von STAR werden ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen Kurse und ein von der Ärztekammer zertifiziertes E-Learning-Programm angeboten. „Für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnnen und -therapeuten in der Erstversorgung stellt selbstverletzendes Verhalten oft eine große Herausforderung dar. Unser Projekt hat zum Ziel, Fachkräften, die oft dafür entscheidend sind, ob ein Jugendlicher bereit ist, weitere Hilfen in Anspruch zu nehmen, evidenzbasiertes Wissen zur Thematik zur Verfügung zu stellen.
Jugendliche und junge Erwachsene, die in der Nähe eines der Zentren in Ulm, Heidelberg, Mannheim, Landau oder Neuruppin/Berlin leben, sind auch eingeladen, vor Ort an einer zusätzlichen Erhebung von selbstverletzendem Verhalten teilzunehmen, die eine zusätzliche Untersuchung neurobiologischer Grundlagen umfasst.
Der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie an der Uniklinik Ulm bilanzierte: "Wir brauchen Schnittstellen in diese Welt hinein, und die müssen von den Krankenkassen auch legal möglich sein. Und es muss Möglichkeiten geben, wie ich von der einen Welt in die andere gelenkt werden kann."
tags: #psychiatrische #uniklinik #ulm #informationen