Psychiatrie verlassen auf eigenen Wunsch – Voraussetzungen

Das Recht auf persönliche Freiheit ist ein Menschenrecht. Dazu gehört auch das Recht auf Bewegungsfreiheit. Eine Freiheitsbeschränkung dient dazu, die Bewegungsfreiheit einer Person gegen oder ohne ihren Willen zu beschränken. Freiheitsbeschränkungen sind ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Menschen.

Freiheitsbeschränkungen und ihre Voraussetzungen

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen können bzw. angeordnet und wieder aufgehoben werden. Für Kinder und Jugendliche gelten die gleichen Bedingungen wie für Erwachsene. Das heißt, eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist nur auf Basis von Gesetzen möglich. Eine Freiheitsbeschränkung bei Kindern und Jugendlichen liegt dann vor, wenn die Beschränkung der Bewegungsfreiheit altersuntypisch ist.

Altersuntypisch wäre z.B. die Leiterin bzw. die Vertreterin bzw. der Vertreter der Betroffenen (z.B.). Unabhängige Bewohnervertreterinnen und -vertreter kümmern sich um die Wahrung des Rechts auf größtmögliche Bewegungsfreiheit. Sie werden von den Sachwalter-Vereinen ausgebildet. Ihre Aufgabe ist es, den Bewohnerinnen und Bewohnern zur Seite zu stehen und zwischen ihnen und dem Betreuungsteam zu vermitteln. Sie besuchen die betroffenen Menschen, sprechen mit dem Betreuungsteam und nehmen Einsicht in die Betreuungs- und Pflegeunterlagen. Ziel ist es, gemeinsam zu beurteilen, ob die Freiheitsbeschränkung notwendig ist oder ob es im speziellen Fall Alternativen gibt. Bewohnervertreter:innen können die Einrichtung auch unangemeldet aufsuchen. Wenn nötig, stellen sie beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Überprüfung der Freiheitsbeschränkung.

Im Rechtsinformationssystem des österreichischen Bundeskanzleramtes finden Sie den Gesetzestext des Heimaufenthaltsgesetzes.

Unterbringung ohne eigenes Verlangen

Gegen den Willen eines Kranken (“Unterbringung ohne eigenes Verlangen,“ §§ 8-11 UbG) ist eine Unterbringung grundsätzlich nur dann möglich, wenn von einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder Polizeiarzt bestätigt wird, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen den Patienten in einer psychiatrischen Anstalt nach § 49 B-KAG unterzubringen. Zu diesem Zweck kann der Betroffene von der Polizei dem Arzt vorgeführt werden. Grundlage ist § 46 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetz Sicherheitspolizeigesetzes.

Lesen Sie auch: Informationen zur Psychiatrie

Voraussetzung ist, dass der Patient einsichts- und urteilsfähig ist, d. h. den Grund und die Bedeutung der Unterbringung einsehen und seinen Willen nach dieser Einsicht selbst bestimmen kann. Bei einem Minderjährigen müssen auch die Erziehungsberechtigten die Unterbringung verlangen und der gesetzliche Vertreter Eltern, Vormund zustimmen. Das Verlangen auf Unterbringung muss schriftlich vor dem Abteilungsleiter oder einem Vertreter Facharzt für Psychiatrie gestellt werden. Es kann jederzeit in jeder beliebigen Form, auch schlüssig, widerrufen werden.

Rechte und Verfahren bei Unterbringung

Allen ohne eigenen Wunsch untergebrachten Patienten ist kraft Gesetzes ein “Patientenanwalt“ als Rechtsbeistand gesetzlicher Vertreter für dieses Verfahren beigestellt, der die Rechte des Patienten parteilich zu vertreten hat. Die Patientenanwälte werden von einem Verein, dessen Eignung die Bundesministerin für Justiz festgestellt hat und der nach der Lage der psychiatrischen Abteilung örtlich zuständig ist, ausgebildet, für die besonderen Verhältnisse in Unterbringungssachen geschult und namhaft gemacht.

In der Abteilung muss der Abteilungsleiter oder ein anderer Facharzt für Psychiatrie einen eingelieferten Patienten unverzüglich untersuchen. Wenn er schriftlich bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung erfüllt sind, ist der Patient zunächst wirksam untergebracht und darf in eine geschlossene Abteilung gelegt oder am Verlassen einer offenen Abteilung gehindert werden. Auf Verlangen des Patienten, seines Vertreters oder des Abteilungsleiters muss ein weiterer Facharzt den Patienten spätestens am Vormittag des auf dieses Verlangen folgenden Werktags untersuchen und ein weiteres Zeugnis über das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung ausstellen.

Gerichtliche Überprüfung der Unterbringung

Die Abteilung für Psychiatrie muss von jeder Unterbringung ohne eigenes Verlangen unverzüglich das Bezirksgericht verständigen, in dessen Sprengel die Abteilung liegt. Binnen vier Tagen ab Kenntnis von der Unterbringung muss ein Richter den Patienten in der Krankenanstalt besuchen, ihn über Grund und Zweck des Verfahrens informieren und sich einen persönlichen Eindruck von dessen Gesundheitszustand verschaffen §§ 19, 20 UbG.

Nach Einsicht in die Krankengeschichte sowie Anhörung Einholung einer Stellungnahme des Abteilungsleiters bzw. seines Vertreters, des Kranken selbst und des Patientenanwaltes entscheidet der Richter, ob die Unterbringung vorläufig für zulässig erklärt wird. Wird die Unterbringung vorläufig für zulässig erklärt, muss spätestens vierzehn Tage nach Anhörung des Patienten eine mündliche Verhandlung in der Krankenanstalt abgehalten werden. Zu deren Vorbereitung ist zwingend ein schriftliches Gutachten eines Sachverständigen für Psychiatrie einzuholen. Als Sachverständiger darf nur ein Facharzt für Psychiatrie herangezogen werden, der nicht selbst in der Anstalt tätig ist §§ 22-25 UbG.

Lesen Sie auch: Umfassende Inhalte zur Dualen Reihe Psychiatrie

In der mündlichen Verhandlung wird anhand des Sachverständigengutachtens, aber auch auf Grund des aktuellen Gesundheitszustandes des Patienten geprüft, ob die Unterbringungsvoraussetzungen immer noch vorhanden sind. Auch an dieser Verhandlung nehmen ein Vertreter des Abteilungsleiters, der Patient, der Patientenanwalt oder ein sonstiger Vertreter des Patienten und der Sachverständige, der sein Gutachten erläutert und gegebenenfalls ergänzt, teil. Am Ende der mündlichen Verhandlung hat das Gericht mit Beschluss über die Zulässigkeit der Unterbringung zu entscheiden § 26 UbG.

Liegen nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist die Unterbringung für unzulässig zu erklären. Wird die Unterbringung nach Anhörung oder nach mündlicher Verhandlung für nicht zulässig erklärt, kann der Abteilungsleiter Rekurs erheben. Er oder sein Vertreter muss das Rechtsmittel sofort mündlich anmelden d. h. erklären, dass er Rekurs erhebt und im Fall der Anhörung binnen drei, im Fall der Verhandlung binnen acht Tagen schriftlich ausführen.

Auch über diese Rekurs entscheidet das Landesgericht als zweite Instanz. Gegen die Entscheidung des Landesgerichtes ist ein Rekurs an den Oberster Gerichtshof|Obersten Gerichtshof als dritte Instanz Revisionsrekurs nach den allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes grundsätzlich zulässig. Voraussetzung ist allerdings, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von besonderer Bedeutung für die Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung abhängt.

Liegen am Ende der vom Gericht festgesetzten Frist die Voraussetzungen für eine Unterbringung ohne eigenes Verlangen immer noch vor, muss der Abteilungsleiter das Gericht spätestens vier Tage vor Fristende davon verständigen. Die weitere Unterbringung kann für bis zu sechs Monate für zulässig erklärt werden. Nach Verlängerung um maximal zwölf Monate müssen bei der nächsten Überprüfung Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden; die Unterbringung kann dann bis zu einem Jahr weiter für zulässig erklärt werden.

Wann darf man in Österreich einen Menschen gegen seinen Willen in die Psychiatrie einweisen?

Für eine Einweisung muss noch nichts „passiert“ sein, es handelt sich um einen rein vorsorglichen Freiheitsentzug - unter der Annahme, es könnte etwas geschehen. Das ist eine heikle Angelegenheit, denn persönliche Freiheit ist ein Grundrecht. Deshalb sind klare gesetzliche Regeln wichtig.

Lesen Sie auch: Leistungen der Asklepios Klinik Brandenburg

Eine Einweisung gegen den Willen der betroffenen Person ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich:

  1. Erstens muss die Person psychisch erkrankt sein,
  2. zweitens muss deswegen eine ernste und erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit der Person selbst oder für andere drohen, z.B. kündigt jemand einen Suizidversuch an oder könnte andere verletzen.
  3. Drittens ist die Einweisung nur zulässig, wenn es keine alternative Betreuungsmöglichkeit gibt.

In welchen Konstellationen wäre z.B. eine Einweisung nicht zulässig?

Zum Beispiel ist jemand zwar psychisch erkrankt, es liegt aber keine ernste und erhebliche Gefahr vor. Das ist ja meistens der Fall, weil eine psychische Erkrankung nur selten mit einer Gefährdung einhergeht. Anderes Beispiel: Jemand verhält sich aggressiv oder legt ein „seltsames“ Verhalten an den Tag. Wenn er:sie aber keine psychische Erkrankung hat, ist auch in solchen Fällen keine Einweisung angezeigt.

Wie läuft eine Einweisung konkret ab?

In erster Linie ist die Polizei zuständig. Die herbeigerufenen Polizist:innen beurteilen, ob eine Einweisung in Frage kommt. Im Regelfall wird ein:e Amtsärzt:in angefordert, der:die prüft, ob die Voraussetzungen (Erkrankung, Gefahr, fehlende Alternativen) wirklich vorliegen. Falls ja, bringt ein Rettungswagen die Person ins Krankenhaus. Dort wird man nochmal ärztlich untersucht. Die zuständigen Ärzt:innen entscheiden dann, ob eine Unterbringung gegen den Willen der Person auf der psychiatrischen Station nötig ist. Auch ein freiwilliger Aufenthalt ist ja als Alternative möglich, wenn sich z.B. die akute Situation entspannt hat und die Person zustimmt, sich behandeln zu lassen, oder eine stationäre Aufnahme ist aus ärztlicher Sicht gar nicht notwendig.

„Untergebracht“ - was heißt das genau?

„Unterbringung“ heißt, dass man das Krankenhaus bzw. in der Regel die psychiatrische Station vorerst nicht mehr verlassen darf. Auch weitere Rechte können beschränkt werden. Wird jemand untergebracht, muss das Krankenhaus dies unverzüglich an die Patientenanwaltschaft von VertretungsNetz melden bzw. in Vorarlberg an das Institut für soziale Dienste. Unsere Aufgabe ist der Rechtsschutz bei Zwangsmaßnahmen. Die Mitarbeiter:innen besuchen die Patient:innen so bald wie möglich und unterstützen bzw. vertreten sie gegenüber dem Krankenhaus.

Welche Rechte der Patient:innen darf das ärztliche Personal im Rahmen einer Unterbringung zusätzlich einschränken?

Zusätzlich zu einer Unterbringung sind sogenannte „weitergehende Beschränkungen“ möglich. Das betrifft z.B. Einschränkungen auf ein Zimmer, sedierende Medikamente oder Gurtsysteme zur Beschränkung am Bett. Das kommt nicht selten vor. Ca. ein Drittel der Patient:innen wird im Rahmen des Psychiatrieaufenthalts auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes beschränkt. Rund ein Viertel wird mit Gurten am Bett fixiert. Solche Maßnahmen müssen immer ärztlich angeordnet, dokumentiert und an die Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Wir sprechen dann mit den Patient:innen, schauen uns die Dokumentation an und reden mit dem Personal. Die Maßnahmen können auf Antrag der Patient:innen oder der Patientenanwaltschaft vom Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Das ist übrigens auch bis zu drei Jahre nach einem Psychiatrieaufenthalt möglich.

Muss eine Fixierung durch Personal überwacht werden?

Es wäre aus unserer Sicht fachgerecht, dass bei einer Fixierung eine 1:1-Betreuung sichergestellt ist. Patient:innen in einer Fixierung sollten sich jederzeit mitteilen können, falls sie etwas brauchen, z.B. auf die Toilette müssen. Man sollte versuchen, die Würde der Patient:innen auch in solchen Situationen zu wahren. Außerdem ist es wichtig, die Vitalparameter im Auge zu behalten. Jemand, der zwangsweise fixiert wird, erhält oft begleitend sedierende Medikamente. In Kombination mit der Rückenlage ist das nicht ungefährlich. Außerdem muss alles unternommen werden, eine derart einschneidende Maßnahme rasch wieder zu beenden. Dafür ist der Kontakt mit der betroffenen Person überaus wichtig.

Darf man mir auf der Psychiatrie auch persönliche Gegenstände, wie z.B. das Handy abnehmen?

Ja, es gibt im Ausnahmefall „Beschränkungen von sonstigen Rechten. Z.B. werden persönliche Gegenstände oder die Privatkleidung abgenommen. Seit 2023 müssen solche Maßnahmen ebenfalls an die Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Davor wurden sie lediglich dokumentiert und manchmal haben wir sie auf Wunsch der Patient:innen vom Gericht überprüfen lassen. Auch der Kontakt mit der Außenwelt kann beschränkt werden. Hauptsächlich geht es da um die Abnahme von Mobiltelefonen. Besuche könnten ebenfalls eingeschränkt werden, das wird aber wirklich sehr selten gemacht.

Gelten für Kinder und Jugendliche in Bezug auf Smartphones zusätzliche Regeln, z.B. aus pädagogischen Gründen?

Grundsätzlich nicht. Auf vielen Stationen für Kinder und Jugendliche gibt es allgemeine Regeln für die Smartphone-Zeiten, z.B. ist die Nutzung während der Therapiezeiten nicht erlaubt. Der Kontakt zur Außenwelt generell darf aber nur beschränkt werden, wenn ansonsten eine Gefährdung zu erwarten ist. Wenn Jugendliche sich mittels Smartphone in Online-Gruppen bewegen, wo z.B. Selbstverletzung propagiert wird, dann wird ihnen das Gerät abgenommen, aufgrund der vorliegenden psychischen Erkrankung und Gefahr. Das Klinikpersonal ist aber nicht dazu berechtigt, Handyzeiten aus pädagogischen Gründen zwangsweise zu regeln, etwa als „Strafmaßnahme“ für nicht erwünschtes Verhalten. Wenn Patient:innen den Eindruck haben, da passt etwas nicht im Umgang mit dem Thema, können sie sich jederzeit an den:die Patientenanwält:in vor Ort wenden.

Darf man ins Freie, wenn man untergebracht ist oder bleibt man auf die Innenräume beschränkt?

Grundsätzlich gilt, dass man sich auch im Freien aufhalten darf. In der Praxis hängt das aber von den baulichen Gegebenheiten ab, also z.B. ob man über den Garten das Krankenhaus verlassen kann. Das Personal möchte natürlich wissen, an welchem Ort die Patient:innen sind. Normalerweise wird im Einzelfall am Stützpunkt entschieden, ob ein:e Patient:in in einen Außenbereich gehen darf. Wird der Zugang zu Außenbereichen auf weniger als eine Stunde pro Tag eingeschränkt, dann muss das ärztlich angeordnet und an uns gemeldet werden.

Wie wird entschieden, wie lange eine Unterbringung dauert?

Spätestens vier Tage, nachdem eine Person untergebracht wurde, muss ein:e Richter:in im Rahmen einer Erstanhörung entscheiden, ob die Unterbringung weiterhin zulässig ist. Solche Gerichtstermine finden direkt im Krankenhaus statt. Eine wichtige Aufgabe der Patientenanwält:innen ist es, die Patient:innen auf diese Termine vorzubereiten und dabei ihre Interessen zu vertreten. Meist ist es entlastend, wenn die Patient:innen verstehen, dass nicht sie selbst vor Gericht stehen, sondern dass das Gericht überprüft, ob das Krankenhaus sich an die gesetzlichen Regeln hält.

Entscheidet der:die Richter:in, dass die Unterbringung vorerst zulässig ist, findet innerhalb der nächsten 14 Tage eine mündliche Verhandlung statt. Dafür wird ein:e Sachverständige:r einbezogen. Wichtig zu wissen ist: Eine Unterbringung muss jederzeit von den Ärzt:innen aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderlich ist. Viele Unterbringungen werden sogar schon in den ersten vier Tagen aufgehoben, also bevor der:die Richter:in ins Krankenhaus kommt.

Werden Patient:innen manchmal zu schnell entlassen?

Ja, diesen Eindruck haben wir immer wieder. Vor allem stationäre Aufenthalte auf freiwilliger Basis werden häufig nur deswegen frühzeitig beendet, weil keine Betten zur Verfügung stehen. In solchen Fällen ist dann die Nachbetreuung oft nicht ausreichend sichergestellt. Vor allem im Kinder- und Jugendbereich beobachten wir das regelmäßig.

Neu seit 2023 ist das Recht für Patient:innen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen. Was ist deren Funktion?

Die Vertrauensperson unterstützt vor allem emotional. Patient:innen können sich vielleicht leichter beruhigen, wenn ein vertrauter Mensch anwesend ist, demnach können Vertrauenspersonen zu Entlastung und Deeskalation beitragen. Das Recht darauf, eine Vertrauensperson zu benennen, ist auf jeden Fall wichtig, weil einzelne Stationen früher vertraute Personen manchmal abgewiesen haben.

Warum ist Videoüberwachung von Patient:innen problematisch zu sehen?

Die Videoüberwachung von Patient:innenzimmern ist rechtlich gesehen eine Beschränkung sonstiger Rechte und dürfte nur im Einzelfall, nach sorgfältiger Abwägung zum Einsatz kommen. Sie ist nur zulässig, wenn sie im lebensnotwendigen Interesse der Person unvermeidlich ist. Videoüberwachung wird in den letzten Jahren jedoch immer öfter und immer unreflektierter eingesetzt, weil die Träger sie stark forcieren. Sie glauben, damit für mehr Sicherheit zu sorgen, aber letztlich tun sie das nicht. Über einen Monitor sieht man oft gar nicht, dass es den Patient:innen somatisch schlecht geht. Die Überwachung verleitet zudem dazu, dass das Personal den persönlichen Kontakt zu den Patient:innen reduziert, das kann sehr gefährlich werden.

Wer entscheidet über medizinische Behandlungen in der Psychiatrie, falls nicht Gefahr in Verzug ist?

Wer entscheidungsfähig ist, entscheidet selbst über eine Behandlung, auch während einer Unterbringung. Wenn jemand nicht entscheidungsfähig ist, entscheidet die Erwachsenenvertretung, wenn es eine gibt. Ansonsten entscheidet in erster Linie das ärztliche Personal, muss aber versuchen, die Entscheidungsfähigkeit des:der Betroffenen durch Aufklärung und Beiziehung von unterstützenden Personen herzustellen. Seit der Gesetzesnovelle 2023 haben Patient:innen und Ärzt:innen zusätzlich das Recht, vor einer medizinischen Behandlung eine gerichtliche Überprüfung zu verlangen, sofern nicht Gefahr in Verzug ist.

Wird das oft gemacht? Was zeigen die Erfahrungen?

Ja, das kommt durchaus in der Praxis an. Über 600 Behandlungen wurden 2024 bereits gerichtlich entschieden, die Mehrheit der Anträge wurde von Ärzt:innen eingebracht. Die meisten Behandlungen hat das Gericht genehmigt. Es fühlt sich für Patient:innen aber trotzdem anders an, wenn sie auf Augenhöhe ihre Wünsche äußern können, als wenn einfach über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Das führt dazu, dass Behandlungen besser angenommen werden und damit nachhaltiger sind. Andererseits beobachten wir, dass sich Ärzt:innen mehr Gedanken darüber machen, ob ein Medikament in einer bestimmten Dosierung wirklich notwendig ist und ob nicht eine andere Vereinbarung mir den Patient:innen geschlossen werden kann, welche diese besser akzeptieren können.

tags: #Psychiatrie #verlassen #auf #eigenen #Wunsch #Voraussetzungen