Eine ADHS beginnt in den meisten Fällen im Kindes- und Jugendalter. Bei vielen Betroffenen nehmen die Symptome mit zunehmendem Alter ab. Jungen bzw. Männer sind häufiger betroffen als Mädchen bzw. Frauen. Bei manchen dauern die Symptome jedoch bis ins Erwachsenenalter an. Manchmal wird ADHS auch erst im Erwachsenenalter als Diagnose gestellt.
Erwachsene mit der Diagnose ADHS müssen sich nicht unbedingt behandeln lassen. Ist die Störung allerdings ausgeprägt und beeinträchtigt sie mehrere Lebensbereiche (Beruf, Freizeit, Paarbeziehung), ist eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie oft sinnvoll.
Diagnose von ADHS
Die Ärztin/der Arzt erhebt die Krankengeschichte (Anamnese) und fragt nach Beschwerden. Um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen, werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Unter anderem klärt die Ärztin/der Arzt ab, ob andere psychische Erkrankungen (z.B. bipolare Störung) bzw. eine Persönlichkeitsstörung (vor allem dissoziale Persönlichkeitsstörung und emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) vorliegen oder ausgeschlossen werden können.
Bildgebende Verfahren (CT, MRT) und EEG können zum Ausschluss neurologischer Erkrankungen zum Einsatz kommen. Ebenso kann klinisch-psychologische Diagnostik ergänzend hilfreich sein (z.B. mittels Selbst- und Fremdeinschätzungsfragebögen).
Die Verhaltensauffälligkeiten bestehen seit der Kindheit. Es gibt mindestens sechs Anzeichen dafür, dass Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder Hyperaktivität vorhanden sind. Nähere Informationen zu diesen Anzeichen finden Sie unter ADHS bei Kindern/Jugendlichen: Diagnose & Therapie.
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Es gibt in mehr als einem Lebensbereich Schwierigkeiten. Das soziale Leben und der berufliche Alltag sind stark beeinträchtigt.
Behandlung von ADHS bei Erwachsenen
Die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter richtet sich nach der persönlichen Lebenssituation und den bestehenden Symptomen bzw. Problemen. Sie wird gemeinsam mit Ärztin/Arzt bzw. auch etwa Psychotherapeutin/Psychotherapeut besprochen und sollte gut für Betroffene annehmbar sein. Erwachsene suchen sich auch häufig eigene Bewältigungsstrategien, um mit ADHS umzugehen.
Nach heutigem Wissensstand lässt sich ADHS nicht heilen. Manchmal bilden sich die Beeinträchtigungen aber mit den Jahren teilweise zurück. Einige Betroffene entwickeln zudem Bewältigungsstrategien, mit denen sie Alltag und Beruf erfolgreich meistern.
Vor allem Schwierigkeiten mit der Arbeitsorganisation sowie der beruflichen und privaten Kommunikation sind gut verhaltenstherapeutisch behandelbar. Durch ein sogenanntes Selbstinduktionstraining lernen ADHS-Patienten, wie sie ihre Impulsivität besser kontrollieren können. Einzeln und in der Gruppe werden Verhaltensweisen eingeübt, die den Alltag mit den Kollegen, der Familie oder dem Partner erleichtern.
Medikamentöse Behandlung
Bei ausgeprägten Symptomen im Erwachsenenalter verordnen Ärzte mitunter Medikamente gegen ADHS. Wie bei Kindern stehen auch Erwachsenen zwei verschiedene Wirkstoffe (Methylphenidat und Atomoxetin) zur Verfügung. Sie heilen nicht die Erkrankung, tragen aber dazu bei, die Lebensqualität zu verbessern.
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Die Medikamente wirken gegen die Hauptsymptome von ADHS (Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Impulsivität). Es kommt dabei vor allem der Wirkstoff Methylphenidat zum Einsatz. Wurde der Wirkstoff Lisdexamfetamin bereits im Jugendalter eingenommen, kann die Behandlung damit bei Bedarf auch im Erwachsenenalter fortgesetzt werden. Kommt es mit den genannten Medikamenten nicht zum Therapieerfolg, kann auch der Wirkstoff Atomoxetin verschrieben werden.
Vor Beginn der Therapie erfolgt eine genaue körperliche Untersuchung sowie ggf. eine Blutabnahme. Es erfolgen regelmäßig Kontrolluntersuchungen. Treten Nebenwirkungen auf, sollen Betroffene dies der Ärztin/dem Arzt mitteilen.
Methylphenidat
Methylphenidat ist das am häufigsten verwendete Medikament zur Behandlung von ADHS. Es ist unter den Handelsnamen Ritalin und Medikinet bekannt. Methylphenidat ist kein Beruhigungsmittel, sondern ein Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine. Es fördert die Aktivität im Gehirn, insbesondere die Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin. Dopamin spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Bewegungen und der Konzentrationsfähigkeit.
Methylphenidat wirkt schnell, oft schon innerhalb einer Stunde. Die Dosierung wird individuell angepasst, beginnend mit einer niedrigen Dosis, die nach Bedarf gesteigert wird. Methylphenidat unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und wird nur auf speziellen Rezepten verschrieben. Es hat keine körperlich süchtigmachende Wirkung bei sachgemäßer Anwendung. Missbrauch kann jedoch gesundheitsschädlich sein, etwa bei Verwendung als "Gehirn-Doping".
Atomoxetin
Ein neuerer Wirkstoff für ADHS ist Atomoxetin, das weniger stark wirkt als Methylphenidat, aber eine Alternative bietet. Atomoxetin erhöht den Noradrenalinspiegel im Gehirn, indem es dessen Abbau verlangsamt. Es fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und ist ab sechs Jahren zugelassen.
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Weitere Medikamente
Weitere mögliche Medikamente bei ADHS sind Neuroleptika, Antidepressiva, Beruhigungsmittel und andere Amphetamine. Fenetyllin und Pemolin können ebenfalls verordnet werden, wenn Methylphenidat und Atomoxetin nicht ausreichend wirken.
Weitere Behandlungsansätze
Bewältigung psychosozialer Probleme (z.B. die Behandlung von möglichen weiteren psychischen Erkrankungen (z.B. Dabei kommt Psychoedukation ein wichtiger Stellenwert zu. Zudem kommt auch klinisch-psychologische Behandlung zum Einsatz (z.B. Erinnerungshilfen einsetzen (z.B. Routinen festlegen (z.B. Gegenstände immer am gleichen Ort hinlegen, feste Abläufe in der Früh oder am Abend). Für jede/jeden Betroffenen kann es unterschiedliche Strategien geben, die hilfreich sind. Mit der Zeit, können diese herausfinden, was wirklich guttut.
Besonderheiten in Österreich
Diese Informationen richten sich vor allem an jene, die gerade nach Österreich übersiedelt/gezogen/gezügelt sind oder vorhaben, dies zu tun, und weiterhin Rezepte für ihre ADHS-Medikamente brauchen. Die Gesundheitssysteme in der EU sind historisch gewachsen und trotz verschiedener Harmonisierungen weitgehend Sache der einzelnen Staaten.
In Österreich legt die Bundesverfassung fest, "dass die Sozialversicherung nach dem Prinzip der Selbstverwaltung durchzuführen ist. In Österreich steht nur der kleinere Teil der niedergelassenen Ärzteschaft in einem Vertragsverhältnis mit den Krankenkassen. Diese Ärzt*innen sind "Kassenärzt*innen". Sie rechnen die erbrachten Leistungen direkt mit den Krankenkassen ab. Ärzt*innen ohne Kassenvertrag arbeiten als "Wahlärzt*innen". Die Leistungen sind privat zu bezahlen, Rezepte teilweise auch, wenn sie nicht zu „Kassenrezepten umgeschrieben“ werden können.
Die Kasse erstattet ("refundiert") nach Einreichung der Belege einen Anteil von in der Regel 80% des Tarifs, den die Kasse für eine Leistung in der Honorarordnung festgelegt hat. Besteht eine private "Zusatzversicherung", wird der Eigenanteil je nach Vertragsbedingungen mehr oder weniger vollständig übernommen. Wenn Sie eine solche Karte haben, können Sie Leistungen bei Kassenärzt*innen in Anspruch nehmen, müssen aber vorher verschiedene Formalitäten erledigen.
Im vertragsärztlichen Bereich hat im Jahr 2005 eine grüne Chipkarte, die e-Card, den Krankenschein als Versicherungsnachweis abgelöst. Für einen Teil der Medikamente ist die Verordnung "bewilligungspflichtig". Dies betrifft alle ADHS-Medikamente mit Ausnahme der nicht retardierten Methylphenidat-Tabletten (Ritalin®- und Medikinet®-Tabletten).
Der Bewilligungsprozess wird seit 2005 fast ausschließlich direkt in der Kassenordination über das elektronische Gesundheitsnetz der Sozialversicherung abgewickelt (bis dahin musste das Rezept grundsätzlich zur Krankenkasse gebracht und dort vorgelegt und abgestempelt werden). Inzwischen sind größere wahlärztliche Ordinatinen ebenfalls verpflichtend an das Netz angeschlossen. Die Daten über die beabsichtigte Verordnung werden mit einer medizinischen Begründung an die Gegenstelle bei der Sozialversicherung übermittelt, wo deren Ärzt*innen dann die meisten Verordnungen genehmigen oder zunächst Rückfragen stellen.
Methylphenidat in Tablettenform und verzögert freigesetzt (Ritalin®/Ritalin-LA®, Medikinet®/Medikinet retard® (entspricht Medikinet adult® in D), Concerta® u. Rezepte für jegliche Form von Methylphenidat und Amphetaminsulfat sind Suchtgiftrezepte. Sie mussten und müssen zum Teil auch weiterhin mit einer nummerierten Suchtgiftvignette versehen werden ("grünes Pickerl"). Die elektronische Verschreibung mit ihren Sicherheitsmerkmalen wird der Vignette inzwischen gleich gehalten.
Rezepte für abgepackte Präparate aus dem Heilmittelverzeichnis können seit 1. Juli 2023 elektronisch ausgestellt werden. Diese Rezepte können mit Ihrer e-Card in jeder Apotheke im Inland abgerufen und ausgefolgt werden. Rezepte für magistraliter anzufertigende Mittel (z. B. Kapseln mit Amphetaminsulfat) können allerdings derzeit nicht elektronisch verschrieben werden.
Da es fast überall längere Wartezeiten für fachärztliche Termine in Kassenordinationen gibt, ist es auf jeden Fall sinnvoll, wenn Sie möglichst einen Vorrat Ihrer Medikamente an Ihren neuen Wohnort mitnehmen. Bei Fachärzt*innen, die keinen Vertrag mit Ihrer Krankenkasse haben, können Sie manchmal rascher einen Termin bekommen (siehe oben, "Wahlarztsystem").
Immer mehr Hausärzt*innen verschreiben inzwischen auch Erwachsenen fachärztlich verordnete ADHS-Medikamente weiter und tun dies auf Anfrage vielleicht auch für Sie, selbst wenn Sie Ihren vereinbarten psychiatrischen Ersttermin vor Ort noch nicht hatten, wenn Sie die bisherige Verordnung nachweisen können. Spätestens nach diesem Termin brauchen Allgemeinärzt*innen aber einen aktuellen fachärztlichen Befund in Form eines Arztbriefes. Bringen Sie auf jeden Fall einen Nachweis über Ihre ADHS-Diagnose und/oder frühere Verordnungen (z.B.
Medikation von ADHS im Jahr 2012 in Österreich
Den Analysen liegen pseudonymisierte Abrechnungsdaten der 13 großen österreichischen Krankenversicherungsträger zugrunde, deren Anspruchsberechtigte mehr als 97% der Bevölkerung inkludieren. Sämtliche von diesen Trägern erstatteten Verordnungen von Methylphenidat oder Atomoxetin sind in den deskriptiven Analysen enthalten.
Die Analyse enthält 9.120 Patienten mit ADHS-Medikation im Jahr 2012 (22% weiblich). 1% sind in der Alterskohorte unter 6 Jahren, 47% zwischen 6 und 13 Jahren, 22% zwischen 14 und 17 und 30% sind Erwachsene (18+).
Das Verhältnis von definierter Tagesdosis (DDD) zu verschriebener Tagesdosis (PDD) zeigt, dass 86% aller Kinder und Jugendlichen weniger als eine definierte Tagesdosis pro Tag erhalten und nur 1% mehr als zwei definierte Tagesdosen pro Tag. Während die Varianz der verschriebenen Tagesdosen pro Patient bei Kindern und Jugendlichen relativ einheitlich ist, erhöht sich die Streuung im Erwachsenenalter deutlich. Dies könnte ein Hinweis auf Überversorgung oder Missbrauch sein.
Die folgende Tabelle fasst die Altersverteilung der Patienten mit ADHS-Medikation im Jahr 2012 zusammen:
Altersgruppe | Anteil |
---|---|
Unter 6 Jahren | 1% |
6 - 13 Jahre | 47% |
14 - 17 Jahre | 22% |
Erwachsene (18+) | 30% |
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