Manie durch Antidepressiva: Ursachen und Behandlungsansätze

Die bipolare Störung, auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet, ist eine psychische Erkrankung, die durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist. Bei dieser schwankt die Stimmung zwischen zwei entgegengesetzten Extremen. In extremen Hochphasen (Manie) sind Menschen mit einer Bipolaren Störung unter anderem überschwänglich, extrem aktiv, reizbar, sprunghaft und unruhig.

Diese Hochphasen wechseln sich mit extremen Tiefphasen ab (Depression). In diesen fühlen sich Betroffene unter anderem sehr niedergeschlagen, antriebslos und ihr Selbstwertgefühl nimmt stark ab. Die depressiven Phasen überwiegen gewöhnlich. Es gibt auch Mischformen, bei denen depressive und manische Symptome gleichzeitig auftreten. Zudem kann es vorkommen, dass die Manie nicht so stark ausgeprägt ist. Man spricht dann von Hypomanie.

Wie es zu Bipolaren Störungen kommt, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. In der Fachwelt wird angenommen, dass mehrere Faktoren dabei eine Rolle spielen. Weiters dürften Umwelteinflüsse und Eigenschaften der Persönlichkeit eine Rolle spielen. Betroffene erleben dabei wechselnde Phasen, die sich durch manische und depressive Episoden kennzeichnen. Ausprägung und Verlauf können sehr unterschiedlich sein.

Die Diagnose und Behandlung einer Bipolaren Störung erfolgt durch die Fachärztin/den Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Für Jugendliche unter 18 Jahren stehen auch spezialisierte Kinder- und Jugendpsychiaterinnen/Jugendpsychiater zur Verfügung. In die Diagnose bzw. Therapie werden meist weitere Gesundheitsberufe wie Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten, klinische Psychologinnen/klinische Psychologen oder Ergotherapeutinnen/Ergotherapeuten miteinbezogen.

Ursachen und Risikofaktoren

Mögliche Gründe für die Entstehung einer bipolaren Störung sind auf multifaktorielle Aspekte zurückzuführen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei biologisch-genetische Faktoren sowie zusätzlich soziale und psychische Faktoren. Außerdem können Umwelteinflüsse und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften die Entwicklung einer bipolaren Störung beeinflussen.

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Die größten Hoffnungen legen Wissenschafter in die laufenden Genomanalysen. Die Untersuchung der Erbanlagen soll diejenigen Genvarianten ermitteln, die Menschen für bestimmte Erkrankungen anfällig machen. Diese Studien, so die Hoffnung, könnten die zugrunde liegenden Mechanismen der bipolaren Störung enthüllen und damit neue Möglichkeiten zum Entwickeln von Medikamenten erschließen. Die Untersuchungen könnten endlich Aufschluss geben über den biologischen Hintergrund der Erkrankung.

Harvard-Forscher Gary Sachs: "Ich glaube, diese Genomstudien werden tatsächlich die Brücke zu besseren Therapien sein." Risikofaktoren für eine Depression - ob alleine oder als Episode im Rahmen einer Bipolaren Erkrankung - finden Sie unter Depression: Entstehung, Schutz und Risikofaktoren.

Symptome und Diagnose

Bei der bipolaren Störung können verschiedene Episoden auftreten wie depressive, manische, hypomanische und gemischte Phasen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass zwischen Episoden auch eine beschwerdefreie Phase liegt. Die depressive Episode einer bipolaren Störung unterscheidet sich nicht von schweren Stadien einer unipolaren Depression.

In exzessiven Hochstimmungsphasen (Manie) haben Betroffene große Probleme mit der eigenen Wahrnehmung. Sie zeigen oft ein rücksichtsloses Verhalten zu ihrer Umwelt. Während manischer Episoden kann die Stimmung der Betroffenen von sorgloser Heiterkeit bis hin zu unkontrollierbarer Erregung gekennzeichnet sein. Die Vorstufe zur Manie wird - mit abgeschwächten Beschwerden - auch als Hypomanie bezeichnet.

Bei einer gemischten Episode treten manische und depressive Symptome gleichzeitig auf. Dies zeigt sich z.B. in gesteigertem Antrieb trotz depressiver Stimmung. Zu Beginn wird eine ausführliche Krankengeschichte (Anamnese) und Probleme der Patient:in erhoben (z.B. Gefühl, durch nichts zu stoppen zu sein und alles zu können).

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Es erfolgen genaue klinische Unterscheidungen zur Abklärung der Beschwerden (z.B. Klinisch-psychologische Diagnostik, CT/MRT, EEG). Die Zyklothymie zeigt anhaltende Stimmungsschwankungen zwischen leichter Depression und leichter Euphorie. Zudem können bestimmte Medikamente, insbesondere Antidepressiva, ähnliche Symptome wie Manie oder Hypomanie auslösen.

Behandlungsmöglichkeiten

Bei der Akutbehandlung steht die Linderung der Symptome im Vordergrund. Ziel der meist anschließenden sogenannten Phasenprophylaxe ist die Reduktion bzw. Vermeidung von weiteren Episoden.

Welche Medikamente bei einer Bipolaren Störung verschrieben wird, hängt vom jeweiligen Verlauf der Erkrankung ab. Vor einer medikamentösen Therapie sollten Laborwerte erhoben werden, die für die Verlaufsbeobachtung wichtig sind.

Akuttherapie: Im Vordergrund steht die Verminderung der depressiven bzw. (hypo-)manischen Symptome. Die Akuttherapie erfolgt meist in einem Krankenhaus, ggf. auch in einer Tagesklinik. Je nach Episode kommen Medikamente zum Einsatz sowie begleitende Therapien (z.B. Psychotherapie). Die Therapieziele sollten gemeinsam von Patientin/Patient und Ärztin/Arzt festgelegt werden.

Phasenprophylaxe: Darunter versteht man eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden. Das Auftreten von neuen Episoden sowie Einschränkungen der psychischen Funktion und Lebensqualität sollen dadurch vermieden werden.

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Es finden engmaschige Kontrollen bei der Fachärztin/dem Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) statt, um die aktuellen Ziele der Behandlung zu besprechen, den Verlauf zu kontrollieren und ggf. auch Behandlungsalternativen anzubieten.

Medikamentöse Behandlung

Welche Medikamente kommen zum Einsatz?

  • Stimmungsstabilisierer (auch Phasenprophylaktika genannt): Dazu zählen etwa Lithium sowie die Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin etc. und Antipsychotika.
  • Antidepressiva: Diese sollen bei einer Bipolaren Störung nur in Zusammenhang mit Stimmungsstabilisierern und nicht in einer gemischten Episode zur Anwendung kommen.

Die Ärztin/der Arzt bespricht mit Ihnen die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Die Einnahme von Medikamenten sollte immer mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Halten Sie sich an den verordneten Therapieplan - auch wenn eine längere Behandlung erforderlich ist. Damit können Sie Ihre Genesung maßgeblich unterstützen und Rückfällen vorbeugen.

Psychotherapie

Psychotherapie ergänzt und unterstützt die medikamentöse Behandlung bei Bipolaren Störungen. Die Therapieziele werden gemeinsam mit der Patientin/dem Patienten festgelegt. Zum Beispiel: Symptome zu verstehen und zu mildern, die Lebensqualität zu steigern und Rückfälle zu verhindern.

Im Mittelpunkt stehen die therapeutische Beziehung, der Austausch und das Gespräch zwischen der Psychotherapeutin/dem Psychotherapeuten und der Patientin/dem Patienten über Gedanken, Gefühle, Beschwerden, Probleme im Alltag oder etwa die bisherige Lebensgeschichte. Diverse Übungen - je nach psychotherapeutischer Methode - können diesen Austausch unterstützen bzw. festigen. Auch soziale Kompetenzen können dabei erweitert werden.

Die sogenannte Psychoedukation ist ein wichtiger Baustein der Behandlung. Bei dieser soll das Verständnis für die Störung gefördert und der Bezug zum Alltag erläutert werden. Betroffene können so unter anderem auch lernen, ihr Verhalten, Fühlen und Denken besser zu verstehen und zu beobachten sowie bei nahenden Episoden so gut wie möglich gegenzusteuern.

Es wird dabei unter anderem besprochen welche Warnzeichen früh erkannt werden könnten, welche Lebensstilfaktoren hilfreich oder hindernd sein können und wie man mit Rückschlägen oder Stimmungsschwankungen umgehen kann.

Weitere Therapiemöglichkeiten

  • Lichttherapie: Bei einer depressiven Episode - vor allem mit deutlicher Wiederkehr in den Wintermonaten - kommt diese Methode zum Einsatz.
  • Wachtherapie: Diese Behandlungsform eignet sich ebenso für depressive Episoden.
  • Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Bei der EKT (früher auch Elektrokrampftherapie genannt) wird ein generalisierter Krampfanfall künstlich durch elektrische Erregung des Gehirns erzeugt.
  • Sport/Bewegungstherapie: Sportliche Aktivität bzw. Bewegung wirkt sich positiv auf die psychische Befindlichkeit aus.
  • Entspannungsmethoden: Durch das Erlernen und Ausüben von Entspannungstechniken unter professioneller Anleitung wird gelernt, mit Belastungen besser umzugehen und zur Ruhe zu kommen (z.B. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson).
  • Ergotherapie: Mittels Ergotherapie soll es Betroffenen möglich gemacht werden, wieder mehr am Leben teilzunehmen.

Wirkungsweise von Antidepressiva

Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) sind klinisch wirksam und derzeit die am häufigsten verschriebenen Medikamente zur Behandlung depressiver Störungen.

Serotonin (5-Hydroxytryptamin [5-HT]) wird aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan synthetisiert und kann in der Zirbeldrüse zu Melatonin weiterverarbeitet werden. Serotonin vermittelt seine Wirkungen im Körper durch 15 unterschiedliche Rezeptortypen, die in sieben große Familien gruppiert werden. Die Rezeptorfamilien werden von 5‑HT1 bis 5‑HT7 durchnummeriert.

Mit Ausnahme des 5‑HT3-Rezeptors, der ein ligandengesteuerter Ionenkanal ist, sind alle Serotoninrezeptoren an das G‑Protein gekoppelt. Am serotoninergen Gleichgewicht sind Autorezeptoren wie die 5‑HT1A-, 5‑HT1B- und 5‑HT1D-Rezeptoren beteiligt.

Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren inhibieren also zunächst den SERT, erhöhen die Menge endogenen Serotonins im synaptischen Spalt und sind somit indirekte Agonisten postsynaptischer Serotoninrezeptoren.

Tatsächlich erhöht sich nach Gabe einer serotoninergen Substanz rasch die Konzentration des Serotonins im synaptischen Spalt. Dieser unmittelbare Effekt steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass eine etwaige antidepressive Wirkung erst nach frühestens einigen Tagen zu beobachten ist.

Auch die Transmittersysteme von Serotonin und Dopamin sind miteinander verknüpft: Serotonin hemmt den dopaminergen Tonus, eine SSRI-Gabe kann also die dopaminerge Funktion beeinträchtigen.

Wichtige Hinweise

  • Achten Sie auf mögliche Warnsignale und schulen Sie die Selbstwahrnehmung, um Krankheitsepisoden früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern bzw. zu helfen.
  • Eine Miteinbeziehung von nahen Angehörigen in die Therapie von Betroffenen mit Bipolarer Störung ist meist hilfreich, vorausgesetzt die Patientin/der Patient ist damit einverstanden.
  • Bei einem psychiatrischen Notfall (z.B. Suizidgefahr) ist rasche medizinische Hilfe unumgänglich. Rufen Sie in diesen Fällen sofort die Rettung unter 144!

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