Psychiatrie: Kritik an "Tod statt Hilfe" – Zweifel an Unabhängigkeit und Zwangsmassnahmen

Die Psychiatrie steht zunehmend in der Kritik, insbesondere im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie und den Einsatz von Zwangsmassnahmen. Der Menschenrechtsverein Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e. V. (KVPM) fordert eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen.

Unheilige Allianz zwischen Psychiatrie und Pharmaindustrie?

Die KVPM kritisiert den Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) als Marketingveranstaltung und fordert Konsequenzen. Der Kongress wurde von der Ärztekammer Berlin als medizinische Fortbildung anerkannt, obwohl er massiv von Pharmaunternehmen gesponsert wurde - allein mit 1,2 Millionen Euro.

Bernd Trepping, Vorstand der KVPM Deutschland e. V., betont: "Die Unabhängigkeit ärztlicher Meinungsbildung ist nicht mehr gewährleistet, wenn Psychiatrie-Kongresse von der Industrie finanziert und trotzdem als medizinische Fortbildung anerkannt werden."

Im Vorfeld des DGPPN-Kongresses hatte die KVPM eine Beschwerde an die Ärztekammer Berlin gerichtet und die Aberkennung des Fortbildungsstatus gefordert. Eine Reaktion darauf steht bis heute aus.

Zustimmung aus Fachkreisen

Die Kritik der KVPM wird auch von Fachleuten geteilt. Ein Psychiater und Vorstand eines medizinethischen Fachverbands hält die Forderung nach mehr Transparenz bei der Finanzierung psychiatrischer Kongresse für "absolut richtig und unterstützenswert".

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Wanderausstellung "Psychiatrie: Tod statt Hilfe"

Zeitgleich zum DGPPN-Kongress protestierte die KVPM mit der internationalen Ausstellung "Psychiatrie: Tod statt Hilfe". Auf 14 Stellwänden wird die Chronologie psychiatrischer Missstände von den Anfängen bis zur Gegenwart dokumentiert. An drei Tagen strömten über 500 Besucher:innen in die Ausstellung, darunter zahlreiche Psychiater, Pflegekräfte und Psycholog:innen.

Eine Referentin des DGPPN-Kongresses forderte die Teilnehmenden in ihrem Fachvortrag auf, die Ausstellung zu besuchen, um sich ein vollständigeres Bild von den Menschenrechtsverletzungen in der Psychiatrie zu machen. Zahlreiche Psychiater äußerten sich lobend über die Ausstellung, und auch Dr. Fritz Reimers, langjähriges Vorstandsmitglied der DGPPN, unterstützte die Forderung der KVPM, die Rolle der Psychiatrie im Nationalsozialismus müsse konsequent aufgearbeitet werden.

Die Ausstellung "Psychiatrie: Tod statt Hilfe" wurde bereits in 25 deutschen Städten gezeigt und zählt über 130.000 Besucher:innen.

Kritik an Zwangsmassnahmen und Forderung nach einem Verbot von Elektroschocks

Am 29. November 2024 demonstrierten Menschenrechtler:innen gemeinsam mit der KVPM in Berlin gegen die Anwendung von Elektroschockbehandlungen (EKT). Die Aktivisten fordern ein gesetzliches Verbot dieser Methode sowie das Ende von psychiatrischem Zwang, Fesselungen und der erzwungenen Gabe von Psychopharmaka.

Die KVPM beruft sich auf die neuen Leitlinien der WHO und der Vereinten Nationen vom 9. Oktober 2023, in denen Zwangspraktiken in der Psychiatrie als beendet erklärt werden.

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Die Rolle der Bürgerkommission für Menschenrechte

Die Bürgerkommission für Menschenrechte (CCHR) setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte in der Psychiatrie ein. Sie kritisiert Zwangspraktiken und fordert ein Umdenken in der psychiatrischen Behandlung.

Untätigkeit der Berliner Ärztekammer

Die KVPM kritisiert die bisherige Untätigkeit der Berliner Ärztekammer als gravierendes Versäumnis. "Gerade angesichts der neuen WHO- und UN-Leitlinien gegen psychiatrische Zwangsmaßnahmen ist es unverantwortlich, bestehende Abhängigkeiten von Industrieinteressen nicht zu hinterfragen", so Trepping. Man werde die Ärztekammer erneut zur Stellungnahme auffordern - und das Thema auch auf internationaler Ebene weiterverfolgen.

Psychiatrische Gutachten im Kreuzfeuer der Kritik

Oberstaatsanwalt a.D. Hofrat Dr. Seystock äußerte sich kritisch über die Seriosität psychiatrischer Gutachter. Am Beispiel der Fälle des Grazer Amokfahrers und dem Mord an der 7-jährigen Hadishat G. zeigten sich Widersprüche in den Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit der Täter.

Dr. Seystock betonte, dass das psychiatrische Gutachten eine reine "Meinungswissenschaft" sei und verwies auf den Fall des ehemaligen Gerichtsgutachters und Kinderpsychiaters Dr. Gross, dem die Lizenz als Gerichtsgutachter entzogen wurde.

Auch bei den forensischen Fällen gab es massive Kritik an den oft "copy und paste" Gutachten der Psychiater. Die Allmacht der psychiatrischen Meinung habe verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der im Maßnahmenvollzug Untergebrachten.

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