Psychedelika-assistierte Therapie: Ein Hoffnungsschimmer bei Depressionen?

Psychedelika-assistierte Therapie (PAT), also der Einsatz von psychedelisch wirkenden Substanzen in der Psychotherapie, könnte ein Gamechanger werden. Nach einem fast 50-jährigen Dornröschenschlaf erleben Psychedelika nun eine Renaissance, nachdem sie bereits in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Therapie verwendet wurden, um psychische Leidenszustände zu lindern.

Die Renaissance der Psychedelika

Alkoholabhängigkeit, Depressionen und auch Angstzustände wurden da behandelt, mit ziemlich erfolgversprechenden Ergebnissen. Die Zahl der Klinischen Studien zu dem Thema nimmt exponentiell zu, und eine Zulassung als offizielles Medikament scheint für einzelne Substanzen in greifbarer Nähe.

Peyote-Kakteen, Aga-Kröten, Kahlkopfpilze: Die Natur hat zahlreiche Lebewesen hervorgebracht, die halluzinogene Substanzen produzieren. Substanzen also, die intensive und komplexe Bewusstseinsveränderungen hervorrufen können. Seit Jahrtausenden werden sie von Menschen genutzt, um spirituelle Erfahrungen zu eröffnen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die damals noch junge Psychologie die Stoffe zunehmend in den Blick genommen. Die Idee: Die bewusstseinsverändernden Substanzen könnten psychische Heilungsprozesse unterstützen.

Vom Verbot zur Renaissance

Der Forschung in die Quere kamen ausgerechnet die Hippies. Sie riefen „Make love, not war!“, probierten alternative Lebenskonzepte, gingen gegen den Vietnamkrieg auf die Straße - und konsumierten halluzinogene Drogen wie LSD. Dem politischen Establishment waren sie ein Dorn im Auge, was auch die klassischen Halluzinogene (Psychedelika) diskreditierte. 1966 kam das Verbot in den USA, andere westliche Länder folgten. Damit war auch die medizinische Forschung auf diesem Gebiet für Jahrzehnte lahmgelegt.

Doch nun erlebt die Wissenschaft der halluzinogenen Trips eine Renaissance: Überall in Europa und den USA sprießen Forschungsprojekte aus dem Boden. Psychiaterinnen und Psychologen wollen herausfinden, wie psychedelische Erfahrungen Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen helfen können.

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Schweiz - Vorreiter der psychedelischen Therapie

Eine von ihnen ist Dr. Katrin Preller. Sie arbeitet am Klinikum der Universität Zürich an einer Studie, in der sie Menschen mit Depressionen mit dem Magic-Mushroom-Wirkstoff Psilocybin behandelt. Dass die Schweiz zu den Vorreitern der psychedelischen Therapie gehört, sei kein Zufall: „Wir haben hier eine lange Tradition“, berichtet die Psychologin im Gespräch mit netDoktor. Schließlich war es der Schweizer Chemiker Albert Hofmann, der 1943 erstmals LSD isolierte - und seine Wirkung per unfreiwilligem Selbstversuch entdeckte. Schon seit den 1990er-Jahren forschen Schweizer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wieder an der Psychotherapie mit Psychedelika-Unterstützung. Und wer seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, kann sich auch außerhalb von Studien mit Psilocybin behandeln lassen.

Prellers Studie mit 52 Betroffenen ist zwar klein, die Ergebnisse sind aber bemerkenswert: Die an einer Depression erkrankten Patientinnen und Patienten hatten anschließend im Schnitt nur noch leichte Beschwerden. Allerdings funktionierte die Reise in einen anderen Bewusstseinszustand nicht für alle - dafür waren andere dank der psychedelischen Therapie nahezu beschwerdefrei.

„Eine neue Perspektive entwickeln“

Ausgeschlossen sind Menschen mit einer persönlichen oder familiären Vorgeschichte von Schizophrenie und anderen psychotischen Erkrankungen. Denn diese können durch halluzinogene Drogen angestoßen werden. Auch Herzpatienten können nicht teilnehmen, denn durch den Wirkstoff Psilocybin steigt der Blutdruck.

Die Behandlung beginnt mit medizinischen Untersuchungen und psychologischen Tests, gefolgt von zwei bis drei Vorbesprechungen. „Wir versuchen, mit den Patienten vorab Probleme zu identifizieren, an denen sie mithilfe der Psilocybin-Erfahrung arbeiten können“, erklärt die Schweizer Psychologin. Ziel könnte beispielsweise sein, eingefahrene negative Denkmuster abzustreifen oder die Selbstwertschätzung zu stärken. „Wir hoffen, dass Psilocybin hilft, eine neue Perspektive zu entwickeln“, sagt die Wissenschaftlerin.

Am Morgen der Drogenreise nehmen die Patientinnen und Patienten dann die Substanz ein - oder, da es sich um eine Studie handelt, ein Placebo. Anders als bei anderen Medikamententests merken die Teilnehmenden in der Regel, dass sie keinen Wirkstoff erhalten haben. „Interessanterweise gibt es aber auch Personen, die das dennoch glauben - oder umgekehrt, die Substanz einnehmen, aber sich in der Placebogruppe wähnen“, berichtet Preller.

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Nach dem Trip beginnt die Arbeit

Anschließend passiere äußerlich betrachtet nicht viel. „Vor allem ermutigen wir die Patientinnen und Patienten, sich auf den Trip einzulassen“, sagt Preller. Diese ruhen währenddessen auf einer Liege, hören beruhigende Musik. Dabei werden sie konstant von Therapeuten oder Therapeutinnen begleitet. In der Regel treten dann Halluzinationen auf, die sich zunehmend intensivieren. Trotz der traumartigen Bilder, Gerüche, Geräusche bleiben die Probanden immer bei vollem Bewusstsein. Nach rund vier Stunden klingt die Wirkung ab.

Am nächsten Tag beginnt dann die eigentliche therapeutische Arbeit: „Welche Erfahrungen kann man in den Alltag integrieren? Sind vielleicht neue Lösungswege zu Problemen aufgetaucht? Gibt es Erlebnisse, die eingeordnet werden müssen?“, erklärt Preller. All diese Fragen werden in drei bis vier therapeutischen Sitzungen aufgearbeitet.

Was genau passiert im Gehirn?

Wie genau Psilocybin eine anhaltende Wirkung entfaltet, ist noch ungeklärt. Zwar weiß man, dass der Wirkstoff im Gehirn an die Andockstellen (Rezeptoren) des Nervenbotenstoffes Serotonin bindet. „Bei der Frage, warum es den Leuten langfristig besser geht, stehen wir aber noch am Anfang“, sagt die Wissenschaftlerin. Immerhin gibt es dazu verschiedene Hypothesen. Unter anderem könnte sich unter Psilocybin die Neuroplastizität verbessern, also die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und neu zu vernetzen.

Aus früheren Untersuchungen weiß man, dass diese bei Menschen mit Depressionen herabgesetzt ist. „Psilocybin könnte die Neuroplastizität wieder verbessern und es so erleichtern, positive Denkmuster zu festigen - oder auch dysfunktionale Muster zu überwinden“, so Preller.

Um mögliche Veränderungen der Hirnstruktur festzustellen, scannt das Forschungsteam die Teilnehmenden vor und nach dem Trip per funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Aber auch das intensive Verbundenheitsgefühl, von dem viele Personen nach einem Psilocybin-Trip berichten, könnte positive Veränderungen anstoßen. Die Offenheit und Aufgeschlossenheit, die nach dieser Erfahrung oft lange nachhallen, könnten die sozialen Beziehungen verbessern. „Und das sorgt wiederum dafür, dass es den Patienten besser geht“, erklärt Preller.

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Die Auflösung des Ichs

Vor allem ist es aber die Triperfahrung selbst, die den eigentlichen Unterschied machen könnte. „Manche Patienten berichten über tiefe Einsichten, die sie durch das Erlebnis gewonnen haben“, so die Forscherin. Personen, die Psychedelika ausprobiert haben, erleben nicht nur Halluzinationen: Sie berichten von einer Auflösung des Ichs und einem Gefühl der Verschmelzung mit der Natur oder dem Universum.

Experimente des Psychiaters und Neurowissenschaftlers Judson Brewer von der Universität Yale untermauern solche Erfahrungen wissenschaftlich: Brewer hat herausgefunden, dass die Hirnaktivitäten erfahrener Meditierender denen von Personen auf einem Psilocybin-Trip gleichen. In beiden Fällen fährt das Gehirn die Aktivität im sogenannten Default-Mode-Network oder Ruhenetzwerk zurück. Dieses Netzwerk wird aktiv, wenn der Mensch keine äußeren Reize verarbeitet, beispielsweise beim Tagträumen oder Pläne schmieden.

Wo das Ich im Hirn verankert ist

Es scheint aber auch der Sitz des Ich-Gefühls zu sein - der Ort im Gehirn, an dem der Mensch die eigene Erzählung darüber speichert, wer er ist. Menschen, deren Hirnscans eine stark reduzierte Default-Netzwerk-Aktivität zeigten, berichteten nach dem Psilocybin-Trip von einer Auflösung des Ich-Gefühls und einer Verschmelzung mit der Umwelt - was wohl dem Zustand der Transzendenz entspricht, der beim Meditieren angestrebt wird.

Tatsächlich haben frühere Untersuchungen Veränderungen im Default-Netzwerk bei Personen mit Depressionen gefunden. Vorstellbar wäre, dass ein Psilocybin-Trip wie ein Neustart dieses Systems wirkt und die Störung beseitigt.

Psychedelika - der Schlüssel zur Heilung?

Bewusst zu erleben, wie das eigene Ego verschwindet, könnte demnach der Schlüssel zur Heilung sein. Wie eine Raupe, deren Körper sich während der Verpuppung in ihrem Kokon erst einmal fast vollständig in alle Bestandteile verflüssigt und dann neu zusammensetzt, könnte die Auflösung des Ichs ein Momentum bergen, sich psychisch neu auszurichten und einen neuen Blick auf sich selbst und die eigene Situation zu gewinnen. Wer einmal erlebt, dass das eigene Ego gar nicht so wichtig ist, kann sich befreien.

Daran ist nichts Magisches. Tatsächlich versuchen auch Psychotherapien, den in seinen Denkprägungen gefangenen Geist neu zu strukturieren. Tiefenpsychologische Ansätze gehen dazu in die Kindheit zurück, in der negative Muster geprägt wurden, um diese nachträglich neu zu bewerten. Die Verhaltenstherapie wiederum arbeitet in der Gegenwart, deckt ungünstige Prägungen auf und versucht, sie nach und nach durch neue Gedanken und Verhaltensweisen zu überschreiben. Beides ist mühevoll, zeitaufwendig und oft schmerzhaft. Und es gelingt nicht immer.

Hier könnte ein psychologisch begleiteter Drogentrip helfen - nicht als Ersatz für eine Therapie, sondern zu deren Unterstützung. „Für Freud waren Träume der Weg ins Unterbewusstsein. Psychedelika sind wie die Autobahn dahin“, erklärt Wissenschaftsautor Pollan.

Neues Werkzeug im therapeutischen Handwerkskoffer

Dass Prellers kleine Studie ebenso wie andere internationale Forschungsarbeiten so positive Ergebnisse liefern, ist ermutigend. Zwar hat man bei vielen Medikamentenstudien, die ja unter Idealbedingungen ablaufen, die Erfahrung gemacht, dass die Wirkstoffe später im therapeutischen Alltag weniger gut funktionierten. Ein Wundermittel ist also auch der Wirkstoff aus den Zauberpilzen nicht. Psilocybin könnte aber vor allem jenen Menschen helfen, bei denen die derzeit vorhandenen Therapien nicht ausreichend anschlagen. Bei jeder dritten Person, die an Depressionen leidet, versagen sowohl Antidepressiva als auch eine Psychotherapie. In der Suchtbehandlung ist diese Quote noch höher. Und auch Angststörungen und Traumata sind oft schwer zu behandeln.

Psychedelika könnten in naher Zukunft ein zusätzliches Werkzeug im therapeutischen Handwerkskoffer sein. Ein Werkzeug, das dringend benötigt wird. Psychedelika haben, glaubt man jüngsten Studien und Teilen der Wissenschaft, das Potenzial, die Behandlung von psychischen Störungen zu revolutionieren. In Nordamerika ist der Markt bereits aufbereitet, eine klinische Zulassung in Sichtweite.

MDMA-unterstützte Therapie bei PTBS

Die Zeitschrift „Nature Medicine“ berichtete über die Ergebnisse einer Phase-III-Studie zu Wirksamkeit und Sicherheit einer MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin)-unterstützten Therapie bei der Behandlung von Patienten mit schwerer posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS).

In der Studie wurden 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit schwerer und chronischer PTBS nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bekam während der Therapiesitzungen MDMA verabreicht, die andere ein Placebo. Im Verlauf der 18-wöchigen Studie stellten die Wissenschaftler eine „signifikante und anhaltende Abschwächung der PTBS-Symptome“ innerhalb der ersten Gruppe fest - deutlich stärker als bei den Personen aus Gruppe zwei.

Zwei Monate nach der Behandlung erfüllten 67 Prozent der Studienteilnehmer aus der MDMA-Gruppe nicht mehr die Diagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung, verglichen mit 32 Prozent in der Placebo-Gruppe.

MDMA verursachte der Studie zufolge keine ernsthaften unerwünschten Nebenwirkungen. Bei einigen Teilnehmern traten vorübergehend leichte Symptome wie Übelkeit und Appetitlosigkeit auf.

„MDMA ist ein erfahrungsbasiertes Therapeutikum und benötigt daher das richtige Setting, um Veränderung und Genesung wirklich anzuleiten“, sagte Jennifer Mitchell, Hauptautorin der Studie und Neurologin an der University of California, San Francisco, der „NYT“.

Glaubt man den Autoren der Publikation, könnte diese auch das Potenzial von MDMA zur Behandlung anderer schwerer psychischer Erkrankungen aufzeigen, von Depressionen, Opioidabhängigkeit und Anorexie bis hin zu sozialen Phobien bei autistischen Erwachsenen und den Ängsten von Sterbenskranken. Und: Auch die Forschung zu anderen derzeit noch verbotenen Psychedelika wie LSD, Meskalin und Psilocybin könnte an Fahrt aufnehmen.

Psilocybin bei Depressionen

Mitte April erschien eine Studie im „New England Journal of Medicine“, in der die Vorteile der Behandlung von Depressionen mit Psilocybin, dem psychoaktiven Inhaltsstoff von „Magic Mushrooms“ (Zauberpilzen), gegenüber jener mit dem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Escitalopram hervorgehoben wurden. Eine kürzlich durchgeführte Studie an der Johns Hopkins University - die ein eigenes Forschungszentrum zu Psychedelika eröffnet hat - zeigte, dass zwei Dosen Psilocybin, zusammen mit einer Psychotherapie, „signifikante, schnelle und anhaltende“ Effekte bei Menschen mit schweren Depressionen hatten.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen britische Forscher bereits in Studien aus den Jahren 2016 und 2018, wie das deutsche Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ berichtete: Auch hier konnte eine zweimalige Gabe von Psilocybin im Abstand weniger Tage Depressionen erheblich lindern. Bei fast der Hälfte der Patienten verschwanden die Symptome für drei bis sechs Monate. „Je intensiver die psychedelische Wirkung war, umso stärker war der Effekt. Man vermutet, dass Psilocybin zu einer Art ‚Reset‘ im Gehirn führte.“

Stillstand bei Therapie

Seit ihrer Entdeckung in den 1950er Jahren hat sich die medikamentöse Behandlung von Depressionen kaum verändert. Herkömmliche Antidepressiva - die auf Serotonin, einen Neurotransmitter, der die Stimmung beeinflusst, abzielen - zeigen längst nicht bei allen Menschen Wirkung.

„Nach 50 Jahren werden diese Substanzen wieder als Therapeutika in Betracht gezogen“, sagte die Neurowissenschaftlerin Mitchell, „für die Forschung ist das ein großer Schritt.“

Die Gefolgsleute der Revolution

Die von der „NYT“ titulierte „psychedelische Revolution“ hat in den letzten Jahren eine wachsende Zahl von Akteuren angezogen. Die besten US-Universitäten haben einschlägige Forschungszentren eingerichtet, Investoren finanzieren Start-ups mit Millionen von Dollar, Kliniken, die „psychedelische Therapien“ anbieten, werden mehr. Groß im Geschäft ist etwa Field Trip Health aus Toronto, das an der kanadischen Börse gehandelt wird. 150 Millionen Dollar hat das zwei Jahre alte Unternehmen aufgebracht, um bis 2024 ein Netzwerk von 75 Kliniken aufzubauen.

Im vergangenen Jahr legalisierte Oregon als erster US-Staat die therapeutische Verwendung von Psilocybin. Städte wie Denver, Oakland und Washington DC haben die Droge entkriminalisiert, und mehrere Staaten, darunter Kalifornien, denken über ähnliche Gesetze nach.

In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass klassische Psychedelika wie Ecsatsy und Psilocybin nicht süchtig machen und selbst in hohen Dosen keine Organschäden verursachen. Dennoch sind beide derzeit in den USA von der Drug Enforcement Administration (DEA) als Schedule-1-Drogen gelistet, also als Substanzen ohne legitimen medizinischen Zweck mit hohem Missbrauchspotenzial.

Seit Jahren versuchen Wissenschaftler, diesen Status zu kippen - 2016 schließlich bezeichnete die FDA MDMA als „breakthrough therapy“ („Durchbruchstherapie“) für PTBS, solange es in Verbindung mit Psychotherapie verwendet wird. Inzwischen gilt Selbiges für Psilocybin bei der Behandlung von Depressionen. Die Einstufung als „breakthrough therapy“ bedeutet, dass die Entwicklung eines Arzneimittels ausdrücklich Priorität hat. Die Kommunikation zwischen Behörden und Entwicklern soll ebenso erleichtert werden wie die diesbezügliche Forschung.

Warnung vor Glauben an „Wunderpille“

Doch selbst Wissenschaftler, die sich für eine psychedelisch unterstützte Therapie einsetzen, mahnen zu Vorsicht und Geduld: Der Drang zur Kommerzialisierung der Drogen in Kombination mit einem Hang zur Liberalisierung bestehender Verbote könnte sich als riskant erweisen, insbesondere für Menschen mit schweren psychiatrischen Störungen. Die Ergebnisse kleiner klinischer Studien würden nicht ausreichen, Forschungen zu potenziellen Nebenwirkungen seien weiter notwendig. Dass Psychedelika ohne dazugehörige Therapie „Wunderpillen“ seien, sei ein gefährlicher Irrglaube.

Charles S. Grob, Professor für Psychiatrie an der medizinischen Fakultät der University of California, der jahrzehntelang Halluzinogene erforscht hat, mahnte zur Etablierung strenger Protokolle und der Ausbildung von Fachleuten für psychedelische Medizin. „Wir müssen sehr auf die Sicherheitsparameter achten, denn wenn die Bedingungen nicht richtig eingehalten werden, besteht die Gefahr, dass einige Menschen psychologisch aus der Bahn geraten“, sagte er. „Und wenn der primäre Motivator die Gewinnerzielung ist, ist das Feld meiner Meinung nach anfälliger für Pannen.“

Neuland in Österreich

In Österreich ist vom Vormarsch der psychedelischen Drogen auf wissenschaftlicher Ebene nichts zu bemerken. „Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurden in Österreich keine klinischen Studien zu Psilocybin oder MDMA eingereicht oder genehmigt“, hieß es auf Anfrage in einem knappen Statement des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG).

Der Innsbrucker Pharmakologe Hans-Günther Knaus sieht für die nähere Zukunft großes Potenzial beispielsweise in einer „LSD-assistierten Psychotherapie“. Die Anwendung der Substanzen - auch „Magic Mushrooms“ oder allgemein Psilocybin und DMT fallen in diese Kategorie - müsse selbstverständlich „unter der Supervision eines Psychiaters stattfinden“, betonte Knaus. Knaus ging von einem Zeithorizont von „mehreren Jahren“ aus, bis eine solche Therapie auch in Österreich Realität werden könnte. „Noch braucht es aber noch einige größere klinische Studien dazu“, kündigte er an. In den USA und Kanada sei man diesbezüglich schon deutlich weiter.

Psychodelika wirken vor allem deshalb positiv, weil sie die „Rezeptoren“, also Zellen im Körper, die bestimmte Signale und Reize empfangen können, beeinflussen. „Durch die Substanzen und durch ihre Einwirkung verändert sich die eigene Wahrnehmung und es kommt zu einem regelrechten Zerreißen einer Depression oder eines Suchtverhaltens“, beschrieb er den Wirkungsprozess bildhaft. Dadurch entkomme der Patient im besten Fall der eigenen „gedanklichen Einengung“ und der Fokussierung „auf die persönliche Misere oder den Alkohol als einziges Ziel.“

„Es kommt dabei wieder zu einer Art emotionalen Öffnung, man betrachtet sich quasi wie von außen und sieht sich und die Welt danach wieder anders, klarer und weiter“, erläuterte Knaus. Dadurch habe man auch einen möglichen, aber entscheidenden Vorteil gegenüber „Standardtherapien“ zur Hand, bei denen oftmals mit der Hilfe von Antidepressiva versucht werde „die Depression abzudämpfen“, führte der Pharmakologe aus.

Die Psychodelika-basierte Therapie sei allerdings „kein Allheilmittel für jedermann“, räumte der Wissenschafter ein. „Man muss diese Therapie vielmehr als sinnvolle Ergänzung oder Alternative zu herkömmlichen Therapien sehen.“ Vor allem aber scheiden Patienten mit schizophrenen Erkrankungen oder mit „psychotischen Episoden“ sowohl bei Studien als auch bei künftigen Therapien von vornherein aus.

Substanz Wirkung Anwendungsbereich Status
Psilocybin Psychoaktiv, bewusstseinsverändernd Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen In einigen Ländern legal für therapeutische Zwecke, in vielen Ländern illegal
MDMA Empathie- und Mitgefühlsteigernd, angstlösend Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Depressionen In einigen Studien vielversprechend, in vielen Ländern illegal
LSD Psychoaktiv, bewusstseinsverändernd Potenzial für verschiedene psychische Erkrankungen wird erforscht In den meisten Ländern illegal

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