Die Etymologie der Verlegenheit: Eine psychologische Betrachtung

Verlegenheit bezeichnet eine Gemütsbewegung, die mit Befangenheit und Unsicherheit einhergeht und in der Regel aus einer fehlenden Handlungskompetenz oder einem Eingriff in die Intimsphäre resultiert. Weiterhin meint Verlegenheit auch die situativen Umstände, die die emotionale Befindlichkeit auslösen und die als unangenehm wahrgenommen werden wie öffentliche Beschimpfung, Bloßstellung, Fauxpas in Gesellschaft. Der Betroffene glaubt dann, „sein Gesicht zu verlieren“.

Etymologische Ursprünge

Das Adjektiv verlegen für ‘befangen, beschämt, verwirrt, unsicher’ entstand in der heutigen Bedeutung im 18. Jahrhundert aus dem Althochdeutschen firlegan ‘schwerfällig, träge, ehebrecherisch’, mhd. auch verlegen ‘durch zu langes Liegen, durch Nichtstun, durch Tändelei in Trägheit versunken, verdorben’, zum ahd. firliggen ‘Ehebruch treiben’ im 8. Jahrhundert, mhd. verligen ‘durch Liegen Schaden nehmen, durch zu langes Liegen in Untätigkeit, Trägheit versinken, erschlaffen, untauglich werden’.

Die Bedeutungsentwicklung führte von ‘untätig’ über ‘ratlos, unschlüssig’ zu ‘befangen, beschämt’, wovon sich im 18. Jahrhundert Verlegenheit (mhd. „1. der aus der Ungewißheit, wie man in einem gegebenen Falle handeln u. sich benehmen soll, hervorgehende, mit einem lästigen, bisweilen bis zum Seelenschmerz sich steigernden Gefühl von Unsicherheit u. Befangenheit verbundene Zustand; 2. - Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S.

Verlegenheit im Kontext psychologischer Theorien

Verlegenheit, Peinlichkeit und Scham werden teilweise synonym verwendet, wobei ein Unterscheidungsmerkmal in der Intensität der Gefühle liegen könnte. Verlegenheit kann aus Sicht von Emotionsforschern wie Paul Ekman zur Emotionsfamilie „Scham“ gezählt werden. Das bedeutet, dass Verlegenheit eine Variation von Scham darstellt. Während Scham durchgestanden werden muss, zeigt Verlegenheit einen Weg auf, mit dieser Situation umzugehen.

Der amerikanische Psychologe David Buss zählt Verlegenheit und Scham zu den sogenannten sozialen Ängsten. Verlegenheit tritt dann auf, wenn eine Person glaubt, einen sozialen Fehler begangen zu haben, der in der Öffentlichkeit bemerkt wurde, wie beispielsweise unpassend zu einem Schulfest gekleidet zu sein.

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Der Psychologe Jonathan Haidt zählt Verlegenheit wie Scham zur Gruppe der moralischen Emotionen mit dominanzhierachischer Funktionalität, wobei die Scham tiefer geht. Er stellte die These auf, dass Verlegenheit dazu dient, Unterwerfung und Besänftigung zu fördern.

Körpersprachliche Indikatoren

Körpersprachliche Indikatoren von Verlegenheit lassen sich entwicklungspsychologisch bei Kindern gegen Ende des zweiten Lebensjahres beobachten. Es erfolgt ein Wechsel aus Hin- und Wegschauen oder Senken des Blicks nach (meist seitlich links) unten. Der Kopf wird schräg geneigt bzw. Nach dem Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung von Erik H. Erikson befindet sich das Kind im Kleinkindalter.

Auslöser von Verlegenheit

Auslöser („Trigger“) von Verlegenheit sind im Wesentlichen durch Verletzungen von sozialen Konventionen gekennzeichnet. Verstärkt wird dies durch Akte der Beschämung durch andere Menschen: Gesten der Rangverminderung, Relevanzmissachtung, Distanzlosigkeiten und Grenzüberschreitungen, deren Opfer jemand wird. Hieraus resultiert der Wunsch sich zu verstecken. Die soziale Präsenz sinkt. Hier ist die Anwesenheit von mindestens einer anderen Person erforderlich.

Ob eine Alltagssituation Verlegenheit auslöst oder nicht, hängt von der subjektiven Bewertung desjenigen ab, der sich in dieser Situation befindet. Auslöser von Verlegenheit können ebenso (vermeintlich unverdientes) Lob oder Komplimente sein, sofern hiermit vom Gesprächspartner (bewusst oder unbewusst) ein latent vorhandenes Bewusstsein eigener Mängel angesprochen wird.

Tabelle: Unterschiede zwischen Verlegenheit, Scham und Peinlichkeit

Merkmal Verlegenheit Scham Peinlichkeit
Intensität Geringer Mittel bis Hoch Variabel
Fokus Sozialer Fehler Selbstwert Soziale Normen
Umgang Entschuldigung, Beschwichtigung Innere Auseinandersetzung Vermeidung, Humor

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