Phobie vor Menschenansammlungen: Ursachen, Symptome und Behandlung

Angst gehört wie Freude, Lust, Wut und Trauer zu den Grundgefühlen des Menschen. Sie kann in kritischen Situationen lebensrettend sein, tritt sie jedoch ohne Grund und so stark auf, dass sie nicht kontrolliert werden kann sowie die Lebensqualität beeinträchtigt, ist sie als krankhaft einzustufen. Angststörungen gehören neben Depressionen und Alkoholabhängigkeit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Was ist Angst?

Angst ist ein normales Gefühl, das vor gefährlichen Situationen schützt bzw. hilft, diese zu vermeiden. Sie ist ein normaler Bestandteil des Lebens und hat einen großen Stellenwert im Alltag. Angst dient als biologisch angelegtes Verhaltensmuster der Wahrnehmung von Gefahren, der Reaktion darauf sowie auch der Vermeidung von gefährlichen Situationen. Wenn die Angst jedoch übermäßig stark wird und den Alltag einschränkt, kann das auf eine Angststörung hinweisen.

Angststörungen: Ein Überblick

Als Angststörung werden intensive, lang anhaltende Angstzustände bezeichnet. Die Angst ist dabei so groß, dass sie für die meisten außenstehenden Personen nicht nachvollziehbar erscheint. Die Angststörung schränkt die psychische und soziale Funktionsfähigkeit ein. Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Spezifische Ängste - sogenannte Phobien (z.B. vor Höhe oder Spinnen) - treten am häufigsten auf.

Angststörungen können sich stark auf das Alltagsleben auswirken. Sie erhöhen zudem das Risiko für eine Depression sowie Abhängigkeitserkrankungen (z.B. Alkoholabhängigkeit). Angststörungen können das Suizidrisiko erhöhen. Frauen sind häufiger als Männer von Angststörungen betroffen. Die Gründe dafür sind allerdings unklar. Es ist möglich, dass Frauen häufiger Hilfe suchen und daher bei ihnen Angststörungen öfter statistisch erfasst werden. Getrennt lebende, geschiedene oder verwitwete Personen leiden meist häufiger unter Angststörungen als verheiratete oder ledige. Traumatische Erlebnisse können ein Risikofaktor für eine Panikstörung mit Panikattacken sein.

Ursachen von Angststörungen

Es gibt derzeit noch kein allgemein anerkanntes und umfassend erklärendes Modell, wie Angststörungen entstehen. Allerdings existieren verschiedene Theorien. Diese versuchen die Ursachen aus der jeweiligen wissenschaftlichen Perspektive zu klären. Zugrunde liegt das sogenannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Dieses geht davon aus, dass es Risikofaktoren gibt.

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Wie ängstlich ein Mensch ist, scheint multifaktoriell begründet. Veranlagung und Erfahrungen in der frühen Kindheit prägen die Angstbereitschaft. Von einer Erkrankung spricht man erst, wenn die Angst entweder grundlos ständig vorhanden ist oder einen ohne Anlass überfällt. Die Corona-Pandemie samt Lockdowns und Einschränkung des sozialen Lebens, der Ukraine-Krieg, die gegenwärtige Inflation und Teuerung, alles Situationen, die Ängste schüren und bestehende verschlechtern können. Die Übergänge zwischen gesunder Furcht und krankhafter Angst sind fließend. Studien zeigen, dass vor allem bei Jugendlichen und jungen Menschen Angststörungen in den letzten Jahren zugenommen haben.

Verursachende Faktoren:

  • Änderungen im Gehirnstoffwechsel: Akute Belastungen führen zur Ausschüttung von vermehrten „Stresshormonen“
  • Innere Konflikte: Übermäßige Angst kann die Folge eines (unbewussten) inneren Konfliktes sein.
  • Bestimmte Denk- und Lernvorgänge: Dabei spielen Erfahrungen, die Ängste hervorrufen, und Vermeidungsverhalten eine Rolle. Oder auch das sogenannte Lernen am Modell: Menschen im Umfeld zeigen Angstverhalten. Dieses wird von Betroffenen - teilweise verstärkt - übernommen. Auch nicht direkt erlebte Situationen können Ängste auslösen.
  • Integrative Modelle gehen davon aus, dass biologisch-körperliche, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken.

Auslösende Faktoren: Sind verursachende Faktoren vorhanden, können Auslöser die Angststörung „aktivieren“. Dazu zählen z.B. Angst kann auch auf tatsächlicher Gefährdung beruhen - etwa bei psychischer oder körperlicher Gewalt.

Aufrechterhaltende Faktoren: Dazu gehören etwa Vermeidungsverhalten, die Angst fördernde Denkmuster, fehlende Kontrolle über die Gefühle, Hemmung von Gefühlen, Verdrängung von Konflikten sowie soziale ungünstige Einflüsse.

Arten von Angststörungen

Es gibt unterschiedliche Arten von Angststörungen. Von einer Panikstörung bis zu spezifischen Ängsten - etwa vor Höhe oder Spinnen. Im Rahmen von Angststörungen können auch körperliche Symptome auftreten. Diese müssen medizinisch abgeklärt werden, um körperliche Ursachen auszuschließen. Ebenso müssen verursachende Medikamente oder Substanzen (z.B. Alkohol, Drogen) als Ursache ausgeschlossen werden.

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Generalisierte Angst (Lebensangst), Phobien und Panikattacken sind die häufigsten Angsterkrankungen:

Panikattacken

Diese überfallen jemanden plötzlich, können allerorts und zu jeder Zeit auftreten. Bis zu 5 % der Österreicher:innen leiden irgendwann im Leben einmal daran. Eine Attacke dauert meist nur einige Minuten lang, kann aber auch mehrmals hintereinander auftreten. Da sie mit Symptomen einhergeht, die einem Herzinfarkt ähnlich sind, nämlich Druck und Schmerzen in der Brust, Herzrasen, Blutdruck, der in die Höhe schnellt, Übelkeit und Todesangst, muss genau abgeklärt werden, was die Ursache des Zustandes ist.

Bei der Panikattacke kommt die Angst vor der Angst dazu. Die Betroffenen fürchten zum Beispiel mit dem Auto zu fahren, sofern sie während des Fahrens schon einmal eine Attacke hatten. Panikattacken treffen nicht vorsätzlich die Überängstlichen, sondern eher Menschen, die psychischer Belastung oder Stress ausgeliefert sind.

Von einer Panikstörung spricht man erst, wenn plötzliche Panikattacken über mehr als vier Monate auftreten. Die Panikattacken treten nicht unter bestimmten Situationen oder Bedingungen auf. Sie erreichen nach ca. zehn Minuten ihren Höhepunkt.

Generalisierte Angststörung

Sorgen, Ängste und/oder Grübeln werden ohne Auslöser zum ständigen Begleiter. Man spricht auch von Lebensangst. Das diffuse Angstgefühl geht oftmals mit einer vegetativen Übererregbarkeit mit Folgen wie Schwindel, Schlafstörungen, Bauchweh, Herzklopfen etc. einher. Betroffene quält beispielsweise ständig Existenzangst oder sie fürchten, dass ihnen oder Angehörigen etwas Schlimmes passieren kann; reale Gefahren etwa im Straßenverkehr werden extrem überschätzt.

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Bei einer generalisierten Angststörung kommt es zu andauernder starker Angst und Sorgen über den Alltag und die Zukunft. Die Betroffenen leiden unter anderem unter innerlicher Anspannung, Konzentrationsproblemen, Schlaflosigkeit sowie Muskelverspannungen.

Phobien

Phobien sind die häufigste Angststörung und definiert als irrationale Angst vor bestimmten Situationen, Aktivitäten oder Tieren wie etwa die Phobie vor Spinnen, vor dem Fliegen, vor Höhe, Menschenansammlungen ohne Fluchtmöglichkeit, geschlossenen Räumen, Spritzen oder Bakterien/Viren. Angst vor Spinnen oder Hunden haben viele Menschen, von einer Phobie spricht man erst, wenn man angesichts des Tieres handlungsunfähig wird.

Zu den sogenannten spezifischen Phobien zählen Ängste vor ganz konkreten Tatsachen.

Bekannt ist auch die Sozialphobie, bei der Betroffene Angst haben, sich vor anderen zu blamieren, dass sie negativ beurteilt werden oder etwa vor anderen reden müssen. Solche Menschen schränken oftmals soziale Kontakte ein und isolieren sich.

Die Corona-Pandemie mit Homeschooling und fehlenden Sozialkontakten war bei manchen Kindern/Jugendlichen der Auslöser für eine massive Schulangst.

Weitere Arten von Angststörungen

  • Bei einer Panikstörung tritt akut große Angst auf (Panikattacke). Begleitend leiden Betroffene unter depressiven Symptomen und haben ein erhöhtes Risiko für Abhängigkeitserkrankungen (z.B. Alkoholabhängigkeit). Oft kommt es im Rahmen von Panikstörungen zu einer sogenannten Agoraphobie. Dabei hat die betroffene Person Angst vor öffentlichen Plätzen.
  • Bei einer Sozialphobie haben Betroffene intensive Angst beim Zusammentreffen mit anderen Menschen. Als Folge davon versuchen sie, diese Situationen zu vermeiden. Die Angst kann sich unterschiedlich zeigen, z.B. Ähnliche Symptome können auch bei einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung auftreten.
  • Angst und Depression gemischt: Dabei treten eher leichte Ängste und depressive Beschwerden auf.
  • Trennungsangststörung: Diese kennzeichnet sich durch anhaltende, intensive und nicht dem Alter entsprechende Trennungsangst von wichtigen Bezugspersonen. Eine Trennungsangststörung kann im Kindes- und im Erwachsenenalter auftreten.

Symptome von Angst

Angst mobilisiert in gefährlichen Situationen alle Reserven, die für Flucht oder Kampf notwendig sind. Daher geht große Furcht auch mit körperlichen Symptomen einher.

Dazu gehören zum Beispiel:

  • Herzrasen, beschleunigter Puls
  • Schweißausbruch
  • Zittern
  • Beschleunigte Atmung
  • Schwindel
  • Mundtrockenheit
  • Enge und Schmerzen in Brust

Diagnose von Angststörungen

Am Beginn der Diagnosestellung steht die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Dabei spielen auch Informationen über Beginn, Art und Ausmaß der Ängste eine große Rolle. Bevor die Diagnose einer Angststörung möglich ist, muss eine Ärztin/ein Arzt körperliche Ursachen ausschließen. Zum Beispiel Erkrankungen der Lunge, des Herz-Kreislauf-Systems oder neurologische Erkrankungen. Zudem wird abgeklärt, ob noch eine weitere psychische Erkrankung vorliegt.

Die Ärztin/der Arzt führt eine körperliche Untersuchung durch und veranlasst eine Laboruntersuchung (vor allem Blutbild und Schilddrüsenhormone). Zudem gibt ein EKG Aufschluss über mögliche Funktionsstörungen des Herzens. Je nach bisheriger Krankengeschichte, Symptomen oder auch bereits bestehenden Erkrankungen finden zusätzliche abklärende Untersuchungen statt (z.B. Lungenfunktionstest, EEG, MRT).

Behandlung von Angststörungen

Die Behandlung einer Angststörung besteht meist aus Psychotherapie und Medikamenten. Je nach Ausprägung der Erkrankung kann zudem eine klinisch-psychologische Behandlung hilfreich sein. Die Symptome können durch eine Behandlung gemildert werden bzw. auch komplett wegfallen. Es kann jedoch zu Rückfällen (Rezidiven) kommen. Ein wesentlicher Aspekt der Therapie ist der Umgang mit der Erkrankung. Dabei lernt die Patientin/der Patient, mit Angst viel besser umzugehen. Tritt neben der Angststörung noch eine andere psychische Erkrankung auf (z.B. Depression, Zwangsstörung oder Sucht), berücksichtigt die Ärztin/der Arzt dies für eine maßgeschneiderte Therapie.

Psychotherapie

Der Psychotherapie kommt in der Behandlung von Angststörungen ein großer Stellenwert zu. Der Aufbau einer therapeutischen Beziehung ist dabei wesentlich. In vertrauensvollem Rahmen können Betroffene über ihre Ängste und Lebenssituation sprechen. Verhaltenstherapeutische Ansätze etwa haben sich in der Behandlung von Angststörungen sehr bewährt. Ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist die Psychoedukation. Diese kommt auch bei der Psychotherapie zur Anwendung. Bei dieser erhalten Betroffene detaillierte Informationen rund um das Krankheitsgeschehen und die Behandlung. Sie lernen zudem, wie sie sich selbst helfen können. Im Rahmen einer Psychotherapie können Betroffene auch Entspannungstechniken erlernen.

Bei spezifischen Phobien (z.B. Höhenangst, Angst vor Spinnen) ist zudem eine sogenannte Exposition hilfreich. Dabei stellen sich Betroffene in sicherem Rahmen schrittweise auch im Alltag Situationen, die Ängste auslösen. So können sie Lösungsstrategien im Umgang damit finden.

Viele gelingt es langsam ihre irrationale Angst zu relativieren.

Medikamente

Bei Angststörungen verschreibt die Ärztin/der Arzt unter anderem Medikamente, die auch zur Behandlung von Depressionen zur Anwendung kommen.

Beispiele für Medikamente:

  • Panikstörungen und Agoraphobie: Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin oder auch Venlafaxin. Wenn diese Medikamente nicht wirken, kann Clomipramin zum Einsatz kommen.
  • Generalisierte Angststörung: Escitalopram, Paroxetin, Venlafaxin, Duloxitin, Buspiron oder Pregabalin.
  • Sozialphobie: Paroxetin, Sertralin, Escitalopram oder Venlafaxin. Oder auch Betablocker in ausgewählten stressigen Situationen.

Bei spezifischen Phobien (z.B. Höhenangst, Angst vor Spinnen) werden keine Medikamente von der medizinischen Fachwelt empfohlen, sondern wie oben genannt eine sogenannte Exposition im Rahmen einer Psychotherapie. Bei allen Angststörungen kann in begründeten Ausnahmefällen oder in einer Akutsituation die Anwendung eines Beruhigungsmittels (Benzodiazepine) kurzfristig hilfreich sein. Die Anwendung muss dabei engmaschig ärztlich begleitet werden, um Abhängigkeit von Benzodiazepinen zu verhindern.

Selbsthilfe

Zu Beginn lernen die Betroffenen, wie sie mit ihrer Angst leichter umgehen können. Dadurch entwickelt sich eine positive Spirale. Je mehr man schafft, desto mehr Selbstvertrauen bekommt man. Je mehr man sich zutraut, desto mehr schafft man dann auch. Parallel dazu werden in der Psychotherapie auch andere Probleme, die mit der Angst zusammenhängen, bearbeitet.

Sinnvoll ist es auf jeden Fall eine Entspannungstechnik zu erlernen, denn Angst und Entspannung sind Gefühlszustände, die sich einander ausschließen.

Gesunder Lebensstil kann die Angst positiv beeinflussen. Regelmäßige Bewegung baut Stress ab und verhilft zu besserem Schlaf, ausgewogene Kost gibt Energie. Das wirkt sich positiv auf die psychische Stabilität und Widerstandskraft aus.

Was kann ich selbst tun?

  • Sport im Sinne von Ausdauertraining.
  • Mögliche Verstärker der Angst beobachten und vermeiden (z.B. negativer Stress, Medikamentenmissbrauch, Koffein etc.).
  • Der Besuch einer Selbsthilfegruppe.

Oft ist die Hemmschwelle groß, Hilfe bei starken Ängsten zu suchen. Professionelle Helferinnen/Helfer sind jedoch damit vertraut, zeigen dafür Verständnis und können kompetent weiterhelfen. Sie können zudem zuerst Ihre Ärztin/Ihren Arzt für Allgemeinmedizin kontaktieren und über diese/diesen gezielte Ansprechstellen finden. Auch klinische Psychologinnen/Psychologen können in die Diagnose und Behandlung mit einbezogen sein. Ist die Krankheit sehr stark ausgeprägt, ist mitunter ein stationärer Krankenhausaufenthalt oder eine Rehabilitation notwendig.

Phobie muss nicht zwingend behandelt werden, wenn die Lebensqualität nicht darunter leidet. Therapiert wird sie mit Psychotherapie. Auch Selbsthilfegruppen können helfen, die Selbstabwertung zu verringern und den Selbstwert zu stärken sowie Situationen realistischer einzuschätzen.

Menschen mit isolierter Angst etwa vor Spinnen, Hunden, geschlossenen Räumen oder Höhe können in der Konfrontationstherapie den Umgang mit den Angstauslösern trainieren.

Entspannungstechniken helfen die körperlichen Symptome zu reduzieren. Training der sozialen Kompetenzen und Verbesserung des Selbstbewusstseins und der Selbstsicherheit können helfen, die Angst zu minimieren.

Erreicht die Angst ein belastendes Ausmaß, sich professionelle Hilfe holen und primär an die Hausärzt:innen und in weiterer Folge, wenn notwendig, mit Überweisung an Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen oder Psychiater:innen wenden. Prognose und Behandlungsmöglichkeiten sind gut.

Eine Phobie muss nicht zwingend behandelt werden, wenn die Lebensqualität nicht darunter leidet.

Parallel dazu werden in der Psychotherapie auch andere Probleme, die mit der Angst zusammenhängen, bearbeitet.

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