Nicht nur bei körperlichen Notfällen ist Erste Hilfe wichtig, sondern auch bei psychischen Krisen. Oft hilft schon ein Gesprächsangebot. Menschen in psychischen Krisen brauchen unverzüglich, unbürokratisch und professionell Hilfe.
Psychosoziale Krise vs. Psychiatrischer Notfall
Bei der Entstehung einer psychosozialen Krise spielen belastende Situationen eine tragende Rolle, die für die betroffene Person momentan nicht bewältigbar erscheinen. Dabei ist es wesentlich, um welche Art von Belastung es sich handelt und wie schwer die Herausforderungen zu bewältigen sind. Es kann sich zum Beispiel um einen Verlust - etwa den Tod einer nahe stehenden Person - oder um eine andere einschneidende Lebensveränderung handeln. Im Rahmen einer psychosozialen Krise kann es auch zu Suizidgedanken kommen.
Im Vergleich zu einer psychosozialen Krise liegt einem psychiatrischen Notfall meist eine akute psychische Erkrankung oder ein akutes körperliches Leiden zugrunde, das zu psychiatrischen Symptomen führen kann. Bei einem psychiatrischen Notfall ist rasche medizinische Hilfe unerlässlich!
Wann liegt ein psychiatrischer Notfall vor?
Bei einem psychiatrischen Notfall tritt eine psychiatrische Störung akut auf oder verschlimmert sich bis hin zu einem medizinischen Notfall. Auch ein akutes körperliches Leiden (z.B. Gehirnblutung, Stoffwechselstörung) kann zu psychiatrischen Symptomen führen. Dabei kommt es zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit der betroffenen Person (sowie ggf. auch seiner Umgebung).
Symptome und Anzeichen für einen psychiatrischen Notfall können sein:
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- Hochgradige Erregung (z.B. schwere Vergiftungen, die psychiatrische Symptome auslösen (z.B.
- Störungen des Bewusstseins (z.B.
- Störung des Realitätsbezugs: Wahrnehmung, Denken und Handeln sind nicht realitätsnah und wirken „komisch“, z.B. überflutende Gefühle, z.B.
- Ankündigung von selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten (z.B.
- „Nervenzusammenbruch“ (akute Belastungsreaktion) etc.
Bei einem psychiatrischen Notfall droht Lebensgefahr (z.B. bei Gefahr der Selbstschädigung oder eskalierender Gewalt). Eine akute Verschlechterung eines Krankheitszustandes mit unter Umständen nicht rückgängig zu machenden Folgen ist möglich. Daher ist bei einem psychiatrischen Notfall rasche medizinische Hilfe unumgänglich!
Erste Hilfe Maßnahmen
Die Situation einschätzen: Wie verhält sich die betroffene Person?
- Auf eine ruhige Umgebung und Schutz vor Störungen achten, z.B. vor unerwünschten anderen Personen.
- Aus der eigenen Perspektive sprechen. Dafür eignen sich sogenannte Ich-Botschaften, z.B.
- Nach Unterstützungsmöglichkeiten im nahen Umfeld fragen, zum Beispiel im Freundeskreis oder in der Familie.
- Professionelle Anlaufstellen suchen und die betroffene Person darauf hinweisen, dass es Hilfe gibt. Möchte das die Person nicht, können Sie fragen, warum das so ist.
Es kann sein, dass die betroffene Person nicht über das Problem sprechen möchte. Das ist meist nicht gegen jemanden persönlich gerichtet. Sie können dann sagen, dass Sie da sind, wenn die Person doch darüber reden möchte.
Was man vermeiden sollte
- Die Situation der betroffenen Person verharmlosen, z.B.
- Auch gut gemeinte Ratschläge unterstützen nicht, z.B.
Verhaltensweisen im Umgang mit Betroffenen
- Ruhe bewahren und die Lage erfassen.
- Die betroffene Person ansprechen.
- Betroffene sollten Raum bekommen, selbst zu erzählen, wie es Ihnen geht. In jedem Fall ist die Privatsphäre der Person zu akzeptieren.
- Rufen Sie die Rettung unter 144 oder die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung.
- In Kontakt bleiben bis die Rettung kommt: Versuchen Sie die Betroffene/den Betroffenen nicht alleine zu lassen! Bleiben Sie wenn möglich mit ihr/ihm in Kontakt, ermöglichen Sie jedoch auch einen Rückzugsraum.
- Vermeiden Sie Zurechtweisungen. Versuchen Sie diejenige/denjenigen zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen.
- Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst, stellen Sie diese nicht in Frage.
Die Rettungsleitstelle kann Ihnen auch über das Telefon Anweisungen geben, die Sie befolgen sollten. Es ist manchmal schwierig, selbst einen klaren Kopf in dieser Situation zu bewahren. Gefühle wie Ohnmacht und Verzweiflung können so stark mitempfunden werden, dass man selbst fast handlungsunfähig wird. Vor allem, wenn man zu der betreffenden Person ein nahes Verhältnis hat.
Diskutieren Sie jedoch nicht lange - holen Sie Hilfe. Manchmal kann es sein, dass das Hilfsangebot abgewiesen wird. Das gilt in den wenigsten Fällen Ihnen persönlich. Holen Sie dennoch Hilfe!
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Einfühlsam zu sein und gleichzeitig konsequent Hilfe zu organisieren, muss kein Widerspruch sein. Versuchen Sie zudem, bei Menschen, die aggressiv sind, ruhig zu bleiben und sorgen Sie für Ihre Sicherheit, halten Sie Abstand. Zeigen Sie klar Ihre Grenzen.
Professionelle Hilfe und Anlaufstellen
Bei Bedarf ist bei einem psychiatrischen Notfall der Notruf 144 von Ersthelfer:innen zu rufen. Krisenhotlines können gegebenenfalls auch Ersthelfer:innen bei dem weiteren Vorgehen und bei Entscheidungen helfen.
Sozialpsychiatrischer Notdienst (SND) Wien
Der Sozialpsychiatrische Notdienst (SND) steht rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer 01 31330 zur Verfügung:
- Täglich von 0.00 bis 24.00 Uhr telefonisch erreichbar
- 365 Tage im Jahr
- flächendeckend für ganz Wien
- Terminvereinbarung nach telefonischer Voranmeldung
Das Leistungsangebot reicht von Beratungs- und Entlastungsgesprächen, Hilfe und Rat für Angehörige, medizinischen Akut-Interventionen, über medikamentöse Unterstützung bis zu psychosozialer und psychotherapeutischer Kurzbetreuung.
PsyNot - Das psychiatrische Krisentelefon für die Steiermark
Seit 1. Dezember 2022 gibt es das steiermarkweite Krisentelefon, bei dem unter 0800/44 99 33 rund um die Uhr geschulte Fachkräfte jeden Anruf beantworten. Die 24-Stunden-Notfall-Hotline „PsyNot“ ist anonym, für alle Anrufer*innen niederschwellig und kostenfrei zugänglich. Sie ist die erste Anlaufstelle, um akute Gefahrensituationen zu deeskalieren, zu stabilisieren und das entsprechende Hilfsangebote zu vermitteln. Es kann sowohl von Betroffenen als auch von Angehörigen genutzt werden, etwa bei akuter Suizidgefahr, schwerer Depressionen, Vereinsamung, Gefahr von Gewaltausbrüchen usw.
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Medikamentöse Behandlung bei Psychose
Psychosen werden mit sogenannten typischen Antipsychotika wie Haloperidol behandelt. Diese Arzneimittel wirken sehr gut gegen Halluzinationen und Wahnvorstellungen, haben jedoch starke Nebenwirkungen. Um diese Nebenwirkungen zu vermeiden, werden mittlerweile oft neu entwickelte sogenannte atypische Antipsychotika verschrieben. Sie sind meist besser verträglich, führen jedoch im Einzelfall ebenfalls zu Müdigkeit und Gewichtszunahme.
Trotz der möglichen Nebenwirkungen ist es ganz wichtig, dass der Patient die verschriebenen Antipsychotika konsequent einnimmt - so lange, wie vom Arzt verordnet. Das verhindert Rückfälle. Manche Patienten werden ihr Leben lang medikamentös behandelt.
Patienten, deren Psychose auf einer bipolaren Störung beruht, werden zusätzlich mit Stimmungsstabilisatoren wie Lithium behandelt. Geht die Psychose mit einer Depression einher, helfen Antidepressiva.
Psychotherapie bei Psychose
Ergänzend zur medikamentösen Behandlung stabilisiert oft eine Psychotherapie die Patienten zusätzlich. Für die Psychosetherapie sind zwei psychotherapeutische Methoden besonders geeignet: die Psychoedukation und die kognitive Verhaltenstherapie.
Psychoedukation
Die Diagnose "Psychose" führt oft dazu, dass Patienten und Angehörige stark verunsichert und geängstigt sind. Die gezielte, umfassende Aufklärung über die Erkrankung (Psychoedukation) hilft den Betroffenen, ihre Ängste zu bewältigen sowie Vorurteile, falsche Vorstellungen und Schuldgefühle abzubauen. Außerdem werden Patienten und Angehörige darin geschult, erste Anzeichen einer Psychose zu erkennen, um auf eventuell auftretende Rückfälle frühzeitig aufmerksam zu werden.
Kognitive Verhaltenstherapie
Dabei erlernen Patienten spezielle Techniken, mit denen sich Wahnvorstellungen kontrollieren sowie depressive Symptome, Ängste und Stress abbauen lassen. Denn auch Medikamente schützen nicht immer vor einem erneuten Schub. Außerdem trainieren die Patienten ihre sozialen Fähigkeiten, um Stress abzubauen, soziale Kontakte zu stärken und gelassener mit belastenden Situationen umzugehen.
Weitere Informationen und Kurse
Erste Hilfe bei psychischen Krisen sollte genauso zur Selbstverständlichkeit und Bürgerpflicht werden wie die Hilfe bei physischen Notfällen. Wenn Sie Suizidgedanken haben oder jemanden kennen, der betroffen ist, holen Sie sich Hilfe.
Im Seminar „Erste Hilfe für die Seele Erwachsener“ werden von dafür geschulten Instruktor:innen in insgesamt 12 Stunden (exkl. Pausen) Grundwissen zu psychischen Erkrankungen vermittelt sowie konkrete Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Problemen und Krisen erlernt und geübt. Erste Hilfe bei Krisensituationen wird im Verlauf des Seminars ebenso besprochen und geübt, wie die Ansprache und Unterstützung von Menschen, bei denen sich erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung zeigen.