Nach der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen definiert man Panikattacken als plötzlich auftretende Angstanfälle (Panik), die mit einer Vielzahl körperlicher Symptome einhergehen. Die Angstzustände, die Betroffene dabei empfinden, beschränken sich oft nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände und sind deshalb auch nicht vorhersehbar.
Was ist eine Panikstörung?
Jeder Mensch kann im Verlauf des Lebens in eine Situation kommen, die eine Panikattacke auslöst. Diese als sehr stark empfundene Angst geht oft mit schweren körperlichen Symptomen wie Herzrasen oder Schweißausbrüchen einher. Sie verblasst im Allgemeinen jedoch, sobald der Grund für die Panikattacke nicht mehr besteht. Treten Panikattacken jedoch innerhalb eines Monats wiederholt, überraschend und ohne ersichtlichen Grund auf, stellen sie ein Symptom der Panikstörung dar. Frauen sind anfälliger für diese Form der Angststörung und sind etwa doppelt so häufig wie Männer von ihr betroffen. Das Risiko für diese psychische Erkrankung liegt bei circa fünf Prozent.
Wann treten Panikstörungen auf?
Oft tritt eine Panikattacke einmalig oder nur vereinzelt auf. Manche Betroffene erleben jedoch immer wieder heftige Angstanfälle, die ihr Leben stark beeinträchtigen. In diesem Fall sprechen Mediziner von einer Panikstörung (auch Paniksyndrom), die zu den sogenannten Angststörungen gehört. Laut der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen liegt eine Panikstörung jedoch erst vor, wenn die Panikattacken immer wieder auftreten (mindesten einmal im Monat) und die Angst vor einer erneuten Attacke über mindestens einen Monat anhält.
Agoraphobie mit Panikstörung
Panikattacken treten auch häufig gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen auf. Vor allem Menschen mit Agoraphobie ("Platzangst") sind häufig von Panikattacken betroffen. Sie haben Angst vor öffentlichen Plätzen, Menschenmengen bzw. Angst, alleine oder weit weg zu reisen. Viele wagen es nicht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, ein Kino oder ein Theater zu besuchen oder im Supermarkt einkaufen zu gehen. Sie machen daher nach Möglichkeit einen Bogen um Orte, die ihnen Angst machen (Vermeidungsverhalten). Mediziner sprechen dann von einer "Agoraphobie mit Panikstörung". Diese kommt häufiger vor als eine reine Panikstörung.
Auch andere Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) treten oft gemeinsam mit einer Panikstörung auf.
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Panikattacken bei Kindern
Auch bei Kindern und Jugendlichen treten Panikattacken auf, allerdings weitaus seltener als bei Erwachsenen. Bei Jugendlichen sind Panikstörungen zudem verbreiteter als bei jüngeren Kindern. Mädchen treffen sie etwa doppelt so häufig wie Jungen.
Die Auslöser für die Panikanfälle sind vielfältig. Oft haben die Kinder Angst, vor anderen Menschen zu sprechen oder fürchten sich vor Tieren oder der Dunkelheit beim Einschlafen.
Meist haben Kinder und Jugendliche Panikattacken, wenn auch ihre Eltern unter einer Panikstörung leiden. Sie übernehmen oft das ängstliche Verhalten ihrer Eltern. Gerade kleine Kinder imitieren ihre Eltern, um zu lernen. Auch bei besonders schüchternen und zurückhaltenden Kindern zeigt sich eine Panikstörung im Erwachsenenalter häufiger.
Stress ist ein möglicher Auslöser. Vor allem bei Schulkindern ruft oft Leistungsdruck Panikattacken hervor. Zudem erleben auch Kinder mit Trennungsangst häufiger Angstattacken. Bei ihnen ist das Risiko zudem erhöht, später als Erwachsene eine Panikstörung zu entwickeln.
Daher ist es wichtig, Kinder möglichst frühzeitig zu behandeln. Meist ist es sinnvoll, die Eltern in die Therapie miteinzubeziehen. Auf diese Weise lernen die Eltern, wie sie ihre Kinder am besten unterstützen.
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Unbehandelt kann die psychische Erkrankung chronisch verlaufen und sich negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken. Vor allem wichtige soziale Erfahrungen fehlen diesen Kindern dann häufig, da sie sich aus Angst immer weiter zurückziehen.
Gelingt es Ihnen nicht, Ihrem Kind durch Gespräche und Zuwendung die Angst zu nehmen, ist es ratsam, sich Hilfe bei einem Kinder- und Jugendpsychiater zu holen.
Panikattacken bei Schwangeren
Bei manchen Frauen sind hormonelle Veränderungen während der Schwangerschaft Auslöser von Panikattacken. Die Angst vor der Geburt und vor dem Muttersein verstärken diese oft zusätzlich. Vor allem wenn Frauen bereits eine schwierige Schwangerschaft hinter sich haben oder unter einer bestehenden psychischen Erkrankung leiden, kann sich eine Panikstörung entwickeln. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Schwangere bei anhaltenden Ängsten möglichst frühzeitig Hilfe bei einem Frauenarzt, Hausarzt, Psychiater oder Therapeuten suchen.
Wie häufig treten Panikattacken auf?
Vereinzelte Panikattacken sind relativ häufig. Bis zu 20 Prozent der Menschen erleiden mindestens einmal in ihrem Leben eine Panikattacke. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Doch macht eine einzelne Attacke noch keine Panikstörung aus.
Panikstörung - Symptome, Ursache und Behandlung
Eine Panikstörung zeichnet sich durch gehäufte Panikattacken aus, die plötzlich und ohne einen erkennbaren Grund auftreten. Typische Symptome sind Atemnot oder Herzrasen. Die Panikstörung lässt sich mit der kognitiven Verhaltenstherapie behandeln. Betroffene lernen hier, ihre Körpersignale richtig zu interpretieren. Das ist wichtig, um beispielsweise zu verhindern, dass bei harmlosem, verstärktem Herzklopfen und beschleunigtem Atem nach dem Treppensteigen Angst vor einem bedrohlichen Ereignis wie einem Herzinfarkt aufkommt. Die Verhaltenstherapie kann bei schweren Symptomen mit Medikamenten wie Antidepressiva kombiniert werden. Oft sind vertraute Personen eine gute Stütze dabei, sich den Ängsten zu stellen.
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Was sind die Symptome einer Panikstörung?
Typisch für eine Panikstörung sind Panikattacken, d.h. wiederholte Panikattacken ohne einen für Außenstehende nachvollziehbaren Auslöser. Panikattacken treten in der Regel spontan, ohne Grund, an beliebigen Orten und unabhängig von der Situation auf. Dies führt möglicherweise dazu, dass sich eine betroffene Person vor einem bestimmten Ort zu fürchten beginnt, an dem sie eine Panikattacke erlebt hat, zum Beispiel in einem fahrenden Auto. Aus Angst davor, ein solches Ereignis nochmals zu erleben, können Menschen mit Panikstörungen ein Vermeidungsverhalten entwickeln. Aus diesem entsteht eine Agoraphobie.
Wie entsteht eine Panikstörung?
Wissenschaftler gehen davon aus, dass die genetische Veranlagung eine Panikstörung begünstigen kann, denn Angststörungen häufen sich in bestimmten Familien. In der Regel wirken bei dieser psychischen Erkrankung jedoch verschiedene Faktoren zusammen. Beeinflusst wird die Entstehung einer Panikstörung beispielsweise von bestimmten Denk- und Verhaltensmustern: Neigt ein Mensch von Natur aus dazu, die Signale seines Körpers stets zu beobachten, intensiviert er nach einer Panikattacke möglicherweise diese Verhaltensweise. Normale Körpersignale wie der Herzschlag, die Atmung oder Darmgeräusche werden dann oft stärker, schneller oder lauter wahrgenommen und als nicht normal empfunden.
Belastungen in der Kindheit, einschneidende Erlebnisse wie Unfälle oder der Verlust eines geliebten Menschen können ebenso hinter einer Panikstörung stecken wie Lebenskrisen. Sozioökonomische oder auch psychische Belastungen und Erkrankungen wie Stress beziehungsweise Depressionen lösen unter Umständen ebenfalls solche heftigen Reaktionen aus. Das Gleiche gilt für Beschwerden an Herz und Lunge oder hormonelle Störungen. So kann zum Beispiel auch ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn zu einer Panikattacke führen.
Wie stellt der Arzt die Diagnose Panikstörung?
Bei gehäuften Panikattacken führt der Weg als erstes in die hausärztliche Praxis. Da sie häufig mit körperlichen Symptomen einhergehen, versucht der Arzt zunächst, sich ein möglichst genaues Bild über die Erkrankung zu machen. Nach dem Anamnesegespräch setzt der Arzt möglicherweise weitere Untersuchungen an, um körperliche Auslöser für die Panikattacken auszuschließen. Lassen sich keine finden, empfiehlt er unter Umständen eine Psychotherapie. Denn im Falle einer Panikstörung ist es wichtig, diese möglichst schnell zu behandeln. Wie sich die Psychotherapie gestaltet, hängt von der vorliegenden Angststörung oder Phobie ab. In der Regel bildet die kognitive Verhaltenstherapie die Basis dieses Behandlungsansatzes. Patienten erhalten weitere Informationen über Selbsthilfe-Maßnahmen entweder aus Büchern oder über digitale Angebote.
Wie behandelt der Arzt eine Panikstörung?
Die Therapie stützt sich in erster Linie auf die Psychotherapie. Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich dabei als Methode der Wahl etabliert: Bei ungefähr 80 Prozent der Menschen lassen sich die Panikattacken durch sie beheben. Während der Behandlung wird der betroffene Mensch dabei unterstützt, sich aktiv mit der eigenen Angst auseinanderzusetzen (Konfrontationstherapie). Wenn die Symptome schwer ausfallen, lässt sich die Psychotherapie mit Medikamenten (Pharmakotherapie) wie Antidepressiva kombinieren.
In der medikamentösen Therapie kommen vor allem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) mit Wirkstoffen wie Citalopram, Escitalopram oder Paroxetin zum Einsatz. Venlafaxin ist ein weiteres Mittel, das als Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) bezeichnet wird. Diese Wirkstoffe vermindern den Rücktransport des jeweiligen Botenstoffs (Neurotransmitter) Serotonin oder Noradrenalin in die Nervenzellen. Bei akuten schweren Panikattacken ist es häufig notwendig, den Patienten zunächst medikamentös zu beruhigen. Dazu verabreichen Ärzte zumeist Beruhigungsmittel (Sedativa), zum Beispiel Benzodiazepine wie Lorazepam.
Medikamentöse Behandlung von Angststörungen
Medikamentös stehen in der Therapie je nach Typ der Angststörung unterschiedliche Substanzgruppen zur Auswahl. Mittel der Wahl sind Wirkstoffe aus den Klassen der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Sertralin sowie selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin und Duloxetin. Bei bestehender Unverträglichkeit oder Wirkungslosigkeit können den Patient:innen Wirkstoffe aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva (TZA) verschrieben werden. Vertreter dieser Substanzklasse weisen als Nebenwirkung häufig Gewichtszunahme auf. Das Antiepileptikum Pregabalin kann bei einer generalisierten Angststörung verordnet werden, wobei mit unerwünschten Effekten wie Schwindel oder Benommenheit zu rechnen ist. Weitere Arzneistoffe wie Buspiron, Moclobemid oder „off label“ Quetiapin können bei erfolglosen Therapien der bereits genannten Substanzen eingesetzt werden.
Bei der Einnahme von SSRI ist auf eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, den Vitaminen B2, B3, B6, B12 sowie Folsäure zu achten. SNRI zeigen ebenfalls eine bessere Wirksamkeit in Kombination mit den genannten B-Vitaminen. Bei Gabe von TZA ist eine Supplementierung mit Coenzym Q10, Magnesium sowie den erwähnten B-Vitaminen empfehlenswert. Phytotherapeutisch lohnt sich der Versuch einer Therapie von Angstzuständen mit Präparaten, die als Inhaltstoff Lavendelöl aufweisen.
Wirkung und Nebenwirkungen von Antidepressiva
Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen mit einer Angststörung spezifische Veränderungen in den chemischen Botenstoffen des Gehirns (Serotonin, Noradrenalin und Dopamin) aufweisen. Wie bei allen anderen Medikamenten können bei der Einnahme von Antidepressiva einige Nebenwirkungen auftreten. Einige dieser Nebenwirkungen sind nur von kurzer Dauer, aber es gibt dennoch Möglichkeiten, diese zu verringern. Auch haben die heutzutage verwendeten Medikamente wesentlich bessere Wirksamkeit bei geringeren Nebenwirkungen als frühere.
Wie bei anderen Medikamenten hängt die Dauer der Einnahme davon ab, wie schwer die Krankheit ist und wie die Patientin beziehungsweise der Patient auf die Behandlung anspricht. Manche Personen müssen sie nur für eine kurze Zeit einnehmen, andere hingegen brauchen sie dauerhaft, um ihr Befinden zu regulieren. Antidepressiva sind sicher, effektiv und machen nicht abhängig. Manchmal wollen Patientinnen beziehungsweise Patienten die Antidepressiva schnell absetzen, weil sie besorgt sind, abhängig zu werden.
Benzodiazepine
Benzodiazepine ist eine Gruppe von Arzneimitteln, die gewöhnlich für eine kurze Dauer verschrieben werden, damit Menschen Angststörungen und Panikattacken bewältigen können. Benzodiazepine wirken beruhigend, ohne schläfrig zu machen. Sie sind aber nicht für die lang andauernde Einnahme geeignet, da sie zu Abhängigkeit führen. Für eine kurze Zeitdauer (zwei bis drei Wochen) können sie nützlich sein, ebenso innerhalb eines weiteren Behandlungsprogramms mit Unterbrechungen.
Was können Sie selbst bei einer Panikstörung tun?
Häufig sorgen Ängste dafür, dass die Betroffenen den Situationen, vor denen sie sich fürchten, ausweichen. Das trägt jedoch nur dazu bei, dass sich die Ängste davor verstärken. Versuchen Sie daher, sich nach Möglichkeit Ihrer Angst zu stellen und sich bewusst zu machen, dass Ihnen in der Situation nichts Schlimmes passieren kann. Es ist hilfreich, sich einer nahestehenden Person anzuvertrauen, die im Umgang mit der Erkrankung unterstützen kann. Wenn Sie keine Angehörigen oder nahestehenden Personen haben, bieten Selbsthilfegruppen oft Halt. Hier finden Gleichgesinnte zusammen und sprechen über ihre Ängste. Experten empfehlen Menschen mit einer Panikstörung zudem, Sport zu treiben. Das können Sie in Gruppen oder auch allein tun.
Weitere Selbsthilfetipps
- Sport im Sinne von Ausdauertraining.
- Mögliche Verstärker der Angst beobachten und vermeiden (z.B. negativer Stress, Medikamentenmissbrauch, Koffein etc.).
- Der Besuch einer Selbsthilfegruppe.
Psychotherapie als wichtiger Baustein
Für die unterschiedlichen Angststörungen stehen verschiedene psychotherapeutische und psychopharmakologische Möglichkeiten zur Verfügung. Häufig ist eine Kombination aus beidem angezeigt. Im Rahmen der Psychotherapie ist es wichtig, eine gute therapeutische Beziehung aufzubauen. Bei den phobischen Störungen haben sich vor allem verhaltenstherapeutische Verfahren als besonders wirksam erwiesen.
Wichtig für die Patient:innen ist es, im Rahmen der Psychoedukation die eigene Angststörung zu verstehen, um die Grundlage für das Selbstmanagement zu ermöglichen (Themen der Psychoedukation: Teufelskreis der Panikattacke, Angst-Stress-Modell).
Entspannungsverfahren können auch bei anderen, ungerichteten Angststörungen eingesetzt werden. Besonders bewährt hat sich die progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder sogenannte „Skills“ zur Emotionsregulation.
Eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie ist die metakognitive Therapie. Menschen mit einer generalisierten Angststörung setzen das „Sich-Sorgen“ als vorherrschende Strategie ein, um zukünftige Probleme zu antizipieren und Möglichkeiten der Bewältigung zu entwickeln. Ausschlaggebend für den Übergang zur generalisierten Angststörung sind vor allem die negativen metakognitiven Überzeugungen über die Unkontrollierbarkeit des Sich-Sorgens und über die Schädlichkeit des Sich-Sorgens (= Typ-II-Sorgen).
Wichtiger Hinweis
Wichtig ist die Vermeidung einer Suchtentwicklung bei Tranquilizern.
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