Ergotherapeutische Diagnostik in der Psychiatrie: Methoden und Ansätze

Die Ergotherapie ist ein wichtiger Teil eines ganzheitlichen Behandlungskonzeptes und kommt in vielen medizinischen Fachbereichen vor: in der Psychiatrie, in der Neurologie (z.B. nach Schlaganfällen), in der Orthopädie, in der Pädiatrie (Kinderheilkunde), in der Geriatrie (Altersheilkunde) und in der Handchirurgie. Die Ergotherapie kann stationär, teilstationär und ambulant stattfinden.

Ergotherapie begleitet, unterstützt und befähigt Menschen jeden Alters, die in ihren alltäglichen Fähigkeiten eingeschränkt oder von Einschränkungen bedroht sind, die für sie bedeutungsvollen Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer Umwelt durchführen zu können. Ziel der Ergotherapie ist es, durch den Einsatz von angepassten Aktivitäten, dem Menschen eine größtmögliche Handlungsfähigkeit in seinem Alltag zu ermöglichen. Die Ergotherapie geht davon aus, dass Handeln und konkretes Tun heilend auf den Menschen wirkt.

Der Bereich der Ergotherapie befasst sich mit der Handlungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen, welche in ihrer körperlichen, kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung beeinträchtigt sind und dadurch Probleme haben, ihren Alltag zu bewältigen. Dazu gehören auch Spielentwicklung, Lernverhalten, Umgang mit Ängsten, Aggressionen und Abwehrverhalten.

Fünf Grundbereiche sind für erfolgreiches Handeln notwendig:

  • Motorik (z.B. Feinmotorik)
  • Sensorik (z.B. Tastsinn)
  • Kognition (z.B. Konzentration)
  • Emotion (z.B. Selbstregulierung)
  • Soziale Interaktion (z.B. Regelverständnis)

Diese Kompetenzen bewirken Zufriedenheit bei der Bewältigung von Alltag, Produktivität (Arbeit, Schule) und Freizeit.

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Ablauf der Ergotherapie

Grundsätzlich gliedert sich der Therapieprozess der Ergotherapie in drei Schritte:

  1. Evaluation (Befunderhebung und Definieren eines Ziels)
  2. Intervention (Planung einer Behandlung und deren Durchführung)
  3. Outcome (Bewertung der Therapieergebnisse)

Beim Erstgespräch werden Probleme, Möglichkeiten und Ziele des Kindes oder des Jugendlichen erfasst. Danach erfolgt eine ergotherapeutische Befundung mittels standardisierter, teilstandardisierter Tests und in der freien Beobachtung beim Spiel. Darauf aufbauend wird die Therapie abgestimmt.

Lernen und Entwicklung entsteht durch verschiedene Methoden: im Spiel, dem Training von Alltagshandlungen, Handwerk und kreativen Tätigkeiten. Das Kind oder der Jugendliche wird unterstützt, eigene Strategien zu entwickeln und Lösungen zu finden. Die damit verbundenen Erfolgserlebnisse stärken das Selbstbewusstsein. Tätigkeiten werden sicherer ausgeführt. Die ergotherapeutische Arbeit umfasst auch Beratungs-und Vernetzungstätigkeiten. Ergotherapie wird im Einzel- und Gruppensetting angeboten.

Verschiedene Methoden der Ergotherapie

Hat der Ergotherapeut die Situation des Patienten bewertet und gemeinsam mit ihm die Therapieziele vereinbart, wählt er eine für die Intervention geeignete Therapiemethode. Dabei stehen ihm folgende Ansätze zur Verfügung:

  • kompetenzzentriert
  • alltagsrelevant
  • subjektbezogen
  • ausdruckszentriert
  • interaktionell
  • wahrnehmungsbezogen
  • handlungsorientiert

Kompetenzzentriert alltagsrelevante Methoden

Die kompetenzzentrierte Ergotherapie ist eine der häufigsten Ansätze. Der Patient soll sich dabei verloren gegangene Fertigkeiten mit Unterstützung des Ergotherapeuten wieder erarbeiten. Dazu gehören handwerkliche Tätigkeiten wie Sägen, Nähen und Korbflechten, aber auch Tätigkeiten zur Alltagsbewältigung und Freizeitgestaltung wie Kochen, Spiele oder Behördengänge. Des Weiteren kommen Übungen und Spiele, die die Gedächtnisleistung trainieren zum Einsatz.

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Subjektbezogen ausdruckszentrierte Methoden

Bei diesem Therapieansatz soll der Patient lernen, innere Empfindungen gestalterisch auszudrücken und sich selbst für sein Befinden zu sensibilisieren. Der Ergotherapeut lässt die Patienten hier malen oder basteln, entweder alleine oder in einer Gruppe. Meist gibt er dazu auch ein Thema vor. So bittet er zum Beispiel einen depressiven Patienten, ein Bild mit Farben zu gestalten, die für ihn Freude bedeuten.

Interaktionelle Methoden

Dieser Therapieansatz wird eingesetzt, um Patienten anzuregen, sich mit anderen Mitmenschen auseinanderzusetzen und das Miteinander in einem sozialen Gefüge zu fördern. Die interaktionelle Ergotherapie findet daher natürlicherweise in Partner- oder Gruppenarbeit statt. Der Ergotherapeut stellt hier der Gruppe eine Aufgabe, zum Beispiel ein gemeinsames handwerkliches Projekt oder ein Rollenspiel. Dann beobachtet er die Gruppe in der Arbeitsphase: Wie werden Konflikte gelöst? Wer sucht sich welche Rolle in der Gruppe? Wie kommunizieren die Patienten miteinander? Im Anschluss reflektiert der Therapeut den Arbeitsprozess gemeinsam mit den Patienten und arbeitet ihn auf.

Wahrnehmungsbezogen handlungsorientierte Methoden

Hier vermittelt der Ergotherapeut dem Patienten seine Sinnes- und Körperwahrnehmungen. Hilfreich sind ganz einfache Übungen wie zum Beispiel das Massieren der Hände mit einem „Igelball“, das Tasten und Erkennen von Materialien, Vibrationsempfindungen oder Wärme- und Kälteerlebnisse im Wasserbad. Durch diese neuen Erfahrungen soll der Patient lernen, bewusst Sinneserlebnisse aufzunehmen und richtig einzuordnen. Dieser Therapieansatz wird vor allem bei psychiatrischen Patienten oder Kindern mit Entwicklungsstörungen eingesetzt.

Ergotherapeutische Gruppenbehandlungen

Manche Maßnahmen der Ergotherapie werden in Rahmen von Gruppenbehandlungen durchgeführt. Dabei können beispielsweise Inhalte, die in der Einzeltherapie erarbeitet wurden, in der Gruppe ausprobiert und trainiert werden. Dazu gehören etwa Übungen von Alltagskompetenzen, aber auch Übungen zum Hirnleistungstraining für Menschen mit entsprechenden Störungen oder Demenzerkrankungen.

Trainiert werden:

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  • Sozialkompetenz
  • Konfliktlösung
  • Stressbewältigung
  • Planungsfähigkeit
  • Wahrnehmungsschulung
  • Konzentration
  • Gedächtnis

Weitere Therapieformen

Ergotherapie ist nicht die einzige Therapieform. Im Folgenden werden noch einige genannt.

Kunsttherapie

In der Kunsttherapie wird ermöglicht, eigenen Themen Ausdruck zu verleihen. In der Kunsttherapie wird nicht nur auf die Gestaltung, sondern auf den Gesamtprozess Wert gelegt. Bei wiederholter Teilnahme kann der Klient gestalterisch, kreativ experimentieren und auf die daraus entstandenen Bilder zurückgreifen.

Musiktherapie

Musiktherapie ist Begegnung mit anderen Menschen mit Hilfe des Mediums Musik. Sie ist eine nonverbale Ausdrucksmöglichkeit, über die man in Beziehung treten kann. Die Rolle der Musik ist dabei vielfältig. Der Patient wird in seiner emotionalen, kognitiven und motorischen Entwicklung unterstützt.

Es wird hierfür kein musikalisches Können verlangt oder vorausgesetzt. Man unterscheidet zwischen rezeptiver und aktiver Musiktherapie. In der aktiven Musiktherapie werden Instrumente eingesetzt, die für jeden leicht spielbar sind und nicht erlernt werden müssen; z. B. diverse Trommeln, Glockenspiel, Oceandrum, Shanti, Monochord, Kalimba, u. v. a. . Im aktiven Spiel erlebt sich der Patient als Urheber, der gestalten und mitentwickeln kann.

Kernstück der Musiktherapie ist die Improvisation; frei oder thematisch gebunden. Der musikalische Ausdruck kann innere Zustände und Verhaltensweisen verdeutlichen, bewusst machen und somit ggf. das Finden neuer Zugänge zu den eigenen Gedanken und Emotionen bereiten. Die rezeptive Musiktherapie ist das aktive Hören von Musik: Musik von einer CD oder vom Therapeuten gespielt. Sie wird eingesetzt bei zu großen Hemmungen des Patienten gegenüber dem Instrumentarium oder auch zur Entspannung oder Beruhigung; z. B. mit Klangschalen.

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