Neurofeedback bei ADHS: Studien und Erkenntnisse

Neurofeedback ist ein spezielles Gehirntraining, mit dem man lernen kann, die Aktivität des eigenen Gehirns willentlich zu regulieren und gezielt zu steuern. Mittels Neurofeedback können NutzerInnen lernen, bestimmte Gehirnaktivierungsmuster bewusst zu steuern.

Die Gehirnaktivität wird von neurowissenschaftlichen Methoden wie dem Elektroenzephalogramm (EEG) oder anderen bildgebenden Verfahren, wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) oder der Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS), aufgezeichnet, von Computeralgorithmen in Echtzeit verarbeitet und dann in Form von visuellem, auditorischem oder taktilem Feedback an die Neurofeedback-NutzerInnen zurückgemeldet.

In einem ersten Schritt wird die Hirnaktivität mithilfe von Elektroden auf der Kopfhaut aufgezeichnet. Diese EEG-Signale werden von einem Computer in einem nächsten Schritt umgewandelt und in Echtzeit als graphisches Objekt z.B. als ein Fisch auf dem Trainingsmonitor dargestellt.

In einen weiteren Schritt lernt die Person nun das Objekt nur mithilfe ihres Gehirns in eine bestimmte Richtung zu bewegen, indem sie ihre Hirnaktivität willentlich steigert oder senkt (den Fisch nach oben oder nach unten schwimmen zu lassen). Nach erfolgreichen Durchgängen erhält der Trainee positives Feedback (das Symbol einer Sonne), wie in einem Videospiel.

Die häufigsten klinischen Anwendungen von Neurofeedback sind die Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Epilepsie. Dazu gibt es auch am meisten empirische Forschung.

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Neurofeedback wird aber von verschiedensten AnbieterInnen auch für die Behandlung vieler anderer Erkrankungen eingesetzt, sogar zur Leistungssteigerung im Sportbereich oder um die kognitive Leistung zu erhöhen, wozu es jedoch noch nicht genug empirische Evidenz gibt, die dessen Wirksamkeit mit guten experimentellen Designs bestätigt.

Ein Ziel unserer Forschung ist es, die Wirkmechanismen von Neurofeedback zu untersuchen und Fragen auf den Grund zu gehen, warum manche Personen es schaffen, mittels Neurofeedback-Training ihre eigene Gehirnaktivierung in eine gewünschte Richtung zu lenken und andere wiederum nicht?

Welche Effekte haben psycho-soziale, neuronale, oder technische Variablen auf den Neurofeedback-Erfolg und was muss man bei der Durchführung von Neurofeedback-Messungen neben Artefakten noch alles beachten?

Wir versuchen auch auf die Grenzen von Neurofeedback aufmerksam zu machen, aber auch auf die potentiellen Möglichkeiten, wie etwa dem Einsatz von Neurofeedback in der neurologischen Rehabilitation. Unser Arbeitsbereich spezialisiert sich auf den Einsatz von Neurofeedback in neurologischer Rehabilitation (z.B. nach einem Schlaganfall, Multipler Sklerose), auf NIRS-basiertes Neurofeedback zur Behandlung von Dysphagie und Heim-basierte Neurofeedback-Systeme im Sinne einer Telerehabilitation.

Meta-Analyse zur Wirksamkeit von Neurofeedback bei ADHS

In dieser Meta-Analyse wurde die Wirksamkeit von Neurofeedback auf die ADHS Hauptsymptome Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität untersucht. Aus: Arns, de Ridder, Strehl, Breteler & Coenen. (2009) Efficacy of neurofeedback treatment in ADHD: the effects on inattention, impulsivity and hyperactivity: a meta-analysis. Clinical EEG and Neuroscience, 2009, Vol. 40, No.

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Bei den 15 ausgewählten Neurofeedback Studien wurden Theta/Beta, SMR-Training und SCP Training (slow cortical potentials) durchgeführt. Beim Theta/Beta Training lernten die Probanden Theta-Wellen (Tagträumen) zu reduzieren und Beta (Konzentration) zu erhöhen. Beim SMR Training war das Ziel eine ruhiger, achtsamer Zustand zur Reduktion der Impulsivität und Hyperaktivität.

Die Ergebnisse der Meta-Analyse ergaben eine deutliche Verbesserung bei allen Symptomen der ADHS. Es kam zu großen Effekten und Verbesserungen von Aufmerksamkeit von Impulsivität und mittleren Effekten bei Hyperaktivität.

Aktuelle Forschungsergebnisse und Studien

Eine Studie von 2019 (Van Doren et al.) untersuchte die Nachhaltigkeit von Neurofeedback-Therapie sowie die Wirksamkeit von Neurofeedback-Therapie im Vergleich zu anderen Therapien bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS. Van Doren, J., Arns, M., Heinrich, H., Vollebregt, M. A., Strehl, U., & K Loo, S. (2019). Sustained effects of neurofeedback in ADHD: a systematic review and meta-analysis. European child & adolescent psychiatry, 28(3), 293-305.

Hierfür wurden die Ergebnisse von 10 kontrollierten randomisierten Studien (RCTs), welche Neurofeedback-Therapie durchführten, herangezogen, als auch 9 Studien, welche als Kontrollgruppe dienten. Diese beinhalteten insgesamt 506 Teilnehmer*innen. Die Neurofeedback-Therapien fokussierten sich auf die Reduktion von Theta-Wellen (langsame Wellen, die für gedankliches Abdriften und Tagträumen stehen) und die Steigerung von Beta-Wellen (schnelle Wellen, welche Konzentration und Aufmerksamkeit widerspiegeln) und des sensomotorischen Rhythmus (Wellen, die vorhanden sind, wenn motorische Ruhe gegeben ist).

Gemessen wurden die Hauptsymptome von ADHS, nämlich Unaufmerksamkeit sowie Impulsivität/Hyperaktivität, welche von den Eltern mithilfe einer validierten ADHS Rating-Skala berichtet wurden. Es zeigten sich signifikante Verbesserungen in der Unaufmerksamkeit als auch in der Impulsivität/Hyperaktivität.

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Die Effekte sind von einer mittleren Größe (d= 0.64 und d= 0.5), was nachhaltigen Effekten entspricht. Die Verbesserungen dieser Symptome zeigten sich nicht nur direkt nach der Neurofeedback-Therapie, sondern auch noch zu einem Follow-up-Zeitpunkt (2-12 Monate nach der Therapie), wobei die Effektgrößen hier mittel bis groß waren (d= 0.8 und d= 0.61).

Im Vergleich zu nicht aktiven Therapien (jene, welche sich bei ADHS als nicht wirksam erwiesen haben) konnte eine signifikante Überlegenheit der Neurofeedback-Therapie bei allen Symptomen festgestellt werden. Wurde die Neurofeedback-Therapie mit anderen aktiven Therapien (Einnahme des Stimulantiums Methylphenidat und Selbst-Management-Therapien) verglichen, zeigte sich für die Unaufmerksamkeit eine Überlegenheit der aktiven Therapien, wobei diese zu späteren Zeitpunkten nicht mehr feststellbar war. Bei den Symptomen Impulsivität/Hyperaktivität wurden keine signifikanten Unterschiede gefunden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Neurofeedback nachhaltige Effekte sowohl auf die Unaufmerksamkeit als auch auf die Impulsivität/Hyperaktivität hat und diese Effekte mittel bis groß sind. Außerdem ist die Neurofeedback-Therapie nicht-aktiven Therapien überlegen.

Neue Erkenntnisse und kritische Stimmen

Neurofeedback, auch Biofeedback genannt, wird häufig genutzt, um ADHS-Symptome langfristig zu lindern. Auch bei Schlafstörungen oder Ängsten kommt die Methode zum Einsatz.

Eine Arbeitsgruppe, die sich aus Forschenden des King's College London, der Universität Southampton und der Universität Zürich zusammensetzte, analysierte 38 Studien, die sich mit der Auswirkung von Neurofeedback auf die Symptome sowie die kognitiven Fähigkeiten von ADHS-Betroffenen beschäftigten. Daten von fast 2500 Betroffenen wurden analysiert. In die Übersichtsarbeit flossen die Daten von insgesamt 2472 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 5 und 40 Jahren ein.

Die Metaanalyse der Wissenschaftler ergab, dass Neurofeedback die Kernsymptome der psychischen Störung - wie Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Konzentrationsprobleme und Impulsivität - nicht zu verbessern scheint. Auf die kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen hatte die Neurofeedback-Therapie ebenfalls keinen Einfluss. Eine positive Veränderung zeigte sich lediglich bei der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung.

Ob Neurofeedback als alleinige Therapiemaßnahme - und nicht in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung - bei ADHS helfen kann, ist nach Auswertung der Daten also weiterhin fraglich.

Dennoch schließen die Forschenden nicht aus, dass die Therapie im Einzelfall hilfreich sein kann. Dafür müssen jedoch weitere Studien folgen.

Funktionsweise der Neurofeedback-Therapie

Bei der Neurofeedback-Therapie misst man mithilfe eines EEG-Gerätes (Elektroenzephalogramm) die Hirnaktivität und macht sie auf einem Monitor für den Patienten oder die Patientin als Bild sichtbar. So wird zum Beispiel ein Flugzeug gezeigt, das steigt und sinkt. Diese Bewegungen spiegeln die Aktivität des Gehirns wider.

Der Patient oder die Patientin versucht dann, dieses Bild zu steuern - also beispielsweise das Flugzeug zu bewegen. Dabei trainieren die Betroffenen, wie sie verschiedene Hirnfunktionen beeinflussen können, etwa Konzentration, Gedächtnis oder Entspannung. Das soll ihnen helfen, auch im Alltag aktiv Einfluss auf ihre Hirnaktivität zu nehmen, um belastende Symptome zu lindern.

Klinische Anwendungen von Neurofeedback

Klinische Anwendungen von Neurofeedback umfassen z. B. die Regulation neuronaler Fehlfunktionen (Gehirnstromaktivitäten) wird mittels Neurofeedback trainiert. Diese verhaltensmedizinische Methode, lehrt PatientInnen, Ihre Gehirnaktivitäten zu kontrollieren, indem sie erlernen ihre neuronale Erregung und Hemmung bewusst zu steuern.

Bei der Neurofeedback-Therapie zeichnet ein EEG (Elektroenzephalographie) die Gehirnstromaktivitäten auf und meldet sie zurück (Feedback). Dieses Echtzeit-Feedback wird für die/den PatientIn auf einen Bildschirm graphisch verständlich dargestellt. Das Feedback kann auch akustisch (Töne oder Melodie) erfolgen, um die Gehirnstromaktivitäten bewusst zu machen.

Vor dem Beginn einer Neurofeedback-Therapie wird zur Diagnostik eine EEG-Frequenzbandanalyse durchgeführt. Dabei werden die Leistungsverhältnisse der Gehirnstromaktivitäten in und zwischen unterschiedlichen Frequenzbändern (üblicher Weise 1-35 Hz) analysiert. Diese sogenannte vegetative Diagnostik des zentralen Nervensystems (Gehirn) ist die Grundlage der Neurofeedback-Therapie.

Wird z. B. eine Fehlfunktion innerhalb eines Frequenzbandes festgestellt, kann dieses Frequenzband durch ein variierendes Balkendiagramm dargestellt werden. Auf- oder Abwärtsbewegungen des Balkendiagramms zeigen eindeutig jede Veränderungen der Gehirn(strom)aktivitäten. Mit Hilfe dieses Feedbacks kann die/der PatientIn erlernen, Fehlfunktionen durch Hemmung (abwärts) oder Aktivierung (aufwärts) selbst zu regulieren.

Neurofeedback bei Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

Eine Studie am ABC BRAIN LAB der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien/AKH Wien untersucht weltweit erstmals, ob Neurofeedback (der langsamen kortikalen Potentiale; eine spezielle Form des Neurofeedbacks) auch für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ebenso gute, nachweisbare Effekte erzielt, wie sie schon aus Studien bei Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bekannt sind.

„Unsere Forschungsbemühungen zielen darauf ab, die Versorgungsangebote für Menschen mit ASS zu erweitern und moderne Behandlungsmöglichkeiten zu etablieren, da sich bislang keine Therapie - weder medikamentös, noch psychotherapeutisch - als nachhaltig wirksam hinsichtlich der Kernsymptome von ASS bewährt hat“, erklärt Studienleiterin Lilian Konicar.

Sportler, Piloten, Top-Manager, Chirurgen oder Künstler nutzen es, um die Aktivität ihres Gehirns selbstständig zu steigern oder zu senken um damit ihre individuelle Leistung zu verbessern. Auch Menschen mit mentalen Problemen können eine Verbesserung der Symptomatik durch Neurofeedback-Training erreichen.

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