Max-Planck-Institut für Psychiatrie: Forschung für eine personalisierte Psychiatrie

Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) in München ist eine renommierte Forschungseinrichtung, die sich der Erforschung psychischer Erkrankungen und der Entwicklung neuer Therapieansätze widmet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Depression und der personalisierten Medizin.

Forschung und Entwicklung von Antidepressiva

Die Entdeckung der Antidepressiva in den 1950er Jahren durch die Schweizer Psychiater Roland Kuhn und Jules Angst war ein Triumph des medizinischen Fortschritts. Erstmals konnte Patienten mit Depression gezielt ein Medikament mit guter Aussicht auf Therapieerfolg angeboten werden. Die typischen trizyklischen Antidepressiva der ersten Generation besitzen allerdings zahlreiche Nebenwirkungen, die ihre Anwendung einschränken.

Konkret bedeutet dies: Ein Patient kann sich mit dem Medikament, das seine Depression bekämpfen soll, das Leben nehmen. Dies und andere Nachteile haben zur Entwicklung neuer Moleküle geführt, die besser waren, allerdings nur auf der Ebene der Nebenwirkungen. Die klinische Wirksamkeit der ersten Generation der Antidepressiva steht der jetzt im Einsatz befindlichen in nichts nach.

Für den behandelnden Arzt und seinen Patienten ist diese Situation dagegen weniger befriedigend: Antidepressiva brauchen zu lange, bis sie wirken, oft muss acht bis zwölf Wochen gewartet werden, bis ein befriedigendes Ergebnis erzielt wird. Zu wenige Patienten erreichen volle Beschwerdefreiheit, und etwa jeder fünfte Patient spricht nur mäßig oder gar nicht an. Die Nebenwirkungen sind heute zwar nicht mehr so bedrohlich wie bei der ersten Generation der Antidepressiva, aber für viele Patienten doch sehr belastend.

Personalisierte Depressionstherapie

Zukünftige Verbesserungen in der Depressionsbehandlung erfordern die Abkehr vom „Einheitsantidepressivum“ und die Etablierung der personalisierten Therapie, gestützt auf die individuelle Biosignatur des Patienten: Diese besteht aus Labordaten und umfasst Befunde aus der Genetik sowie zustandsabhängige Biomarker, wie Messungen der Genaktivität, der quantitativen Proteomik und Metabolomik, sowie komplexe Daten aus EEG-Messungen, der Neuroendokrinologie und der Bildgebung.

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Hierdurch können der klinischen Diagnose die krankheitsverursachenden Mechanismen zugeordnet und mit spezifisch wirkenden Medikamenten kann gezielt interveniert werden. Dieses Zukunftskonzept wird am Beispiel der CRHR1-Antagonisten und dem ABCB1-Gehirnschrankentest demonstriert. Von diesen Projekten sind die ersten Erfolge in der personalisierten Depressionstherapie zu erwarten.

Diagnostik und Biomarker

Im Gegensatz zu allen anderen medizinischen Fachrichtungen werden in der Psychiatrie ärztliche Entscheidungen nicht auf objektive Laboruntersuchungen gestützt. Somit verfehlen psychiatrische Diagnosen ihren Hauptzweck. Die richtige Schlussfolgerung wäre gewesen: Die fehlregulierte Stresshormonsekretion ist ein objektivierbares Laborergebnis, das bei vielen offiziellen Diagnosen zu finden ist.

Patienten mit affektiven Störungen und Angsterkrankungen haben Veränderungen in der Hormonregulation der Hirnstromtätigkeit im Schlaf und in bildgebenden Verfahren wie der Kernmagnetresonanztomographie (MRI). Die für künftige Entscheidungen wichtige Erkenntnis ist: Depressionen und Angststörungen sind pathophysiologisch heterogene Erkrankungen.

Stratifizierung von Diagnosegruppen mit Biomarkern

Die genetische und systembiologische Forschung werden in Zukunft eine Biosignatur des einzelnen Patienten generieren, die - komplementär zur Psychopathologie - dem Arzt wichtige Entscheidungshilfen an die Hand gibt. Dies betrifft zunächst die optimierte Anwendung bestehender Antidepressiva und Antipsychotika. Dabei wird zwischen Gentestergebnissen, die ein konstantes Merkmal (trait) darstellen, und Biomarkern (state) unterschieden.

Ein „Wächtermolekül“ in der Blut- Hirn-Schranke bestimmt das Eindringen von Antidepressiva in das Gehirn: Das Gehirn ist - von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen - ein postmitotisches Organ, das von Substanzen, die seine Zellen gefährden könnten, geschützt ist. Das P-Glykoprotein wird beim Menschen von einem Gen, abgekürzt ABCB1, kodiert. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie fanden eine beachtliche Variabilität in der DNA-Sequenz dieses Gens und prüften, ob unterschiedliche Varianten das Therapieergebnis beeinflussen können.

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Tatsächlich gibt es DNA-Sequenzvarianten, die mit erheblich besserem Ansprechen auf gängige Antidepressiva verbunden sind. Mit dem ABCB1-Gentest steht dem Arzt ein auf Genomforschung basierter Labortest zur Verfügung, der ihm eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Auswahl und Dosierung des Antidepressivums bietet. Große Studien auch anderer klinischer Forscher haben die Befunde bestätigt, ferner untermauert eine Metaanalyse das Ergebnis.

Wenn der behandelnde Arzt oder die Ärztin den ABCB1-Gentest eingesetzt hatte, war der stationäre Aufenthalt am Max- Planck-Institut für Psychiatrie kürzer und das Therapieergebnis besser.

Biomarker und Gentests helfen bei der Repositionierung spezifisch wirkender Antidepressiva: Das wichtigste Stresshormon im peripheren Blutkreislauf ist Cortisol, im Gehirn spielt ein komplementäres Stresshormon das Corticotropin- freisetzende Hormon (CRH) eine zentrale Rolle. Von vielen depressiven Patienten wissen wir, dass ihre Erkrankung im Zusammenhang mit erhöhter Stressbelastung entstanden ist.

Stressforschung am Max-Planck-Institut für Psychiatrie

„Ohne Stress wäre unser Leben ziemlich langweilig“, sagt der Biologe Mathias V. Schmidt vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Hält Stress zu lange an, kann unser Stoffwechsel nicht mehr in den Normalzustand zurückkehren. Ein solcher Dauerstress kann krank machen und psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen auslösen.

Mathias V. Schmidt untersucht unter anderem an Mäusen, wie verschiedene Arten von Stress auf Säugetiere wirken. Sozialer Stress macht Mäuse vor allem dann krank, wenn er sich nicht kontrollieren lässt und unerwartet auftritt. Auch beim Menschen wirkt vor allem jener Stress besonders stark, der unkontrollierbar und unberechenbar ist, zum Beispiel bei Mobbing, das Menschen auf Dauer krank machen kann.

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Anhaltender, unkontrollierbarer Stress und traumatische „Stresserlebnisse“ können also zu einer Depression führen. Tatsächlich können Depressionen viele verschiedene biologische Auslöser haben. Etwa ein Drittel des Risikos, an einer Depression zu erkranken, ist auch genetisch bedingt - Genomanalysen von Menschen mit Depressionen haben gezeigt, dass viele Gene an der Entstehung einer Depression beteiligt sind.

Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Psychiatrie ist genau dieser Frage nachgegangen, welche genetischen Varianten an der Reaktion auf Stress und dem Risiko, eine psychiatrische Störung zu entwickeln, beteiligt sein könnten.

Die Genetik hat also einen Einfluss auf die Empfindlichkeit unserer Reaktion auf Stress. Der molekulare Mechanismus könnte erklären, warum belastende Lebensereignisse mal mehr oder weniger mit psychiatrischen Störungen korrelieren“, fasst Binder die Ergebnisse zusammen.

In zahlreichen Forschungsprojekten wird nach neuen Therapieansätzen für psychiatrische Störungen gesucht. Eine wichtige Schaltstelle in diesem System ist der Glukokortikoid- Rezeptor. Er kommt in nahezu allen Zellen vor und reguliert dort die Genexpression.

Chaperone sind ein hochinteressanter, potenzieller Angriffspunkt (engl. target) für neue Medikamente und damit verbunden die Therapie depressiver Menschen. Derzeit werden erste Chaperon-Antagonisten entwickelt, die die Aktivität der Chaperone oder deren Biosynthese hemmen.

Tatsächlich spielen auch epigenetische Prozesse eine zentrale Rolle: Sie verändern beispielsweise das Muster der Methylgruppen an der DNA und damit die Aktivierbarkeit bestimmter Gene in bestimmten Zellen oder Organen. So gehen belastende Kindheitserfahrungen mit einem doppelt so hohen Risiko für depressive Störungen und einem 2,7-fach erhöhten Risiko für Angststörungen im Erwachsenenalter einher.

Um die Entwicklung psychiatrischer Erkrankungen zu verstehen, müssen somit neben den genetischen Analysen auch die epigenetischen Kodierungen identifiziert werden. Damit tun sich viele neue Wege für Therapien auf.

Umfangreiche Psychotherapie-Studie

Mit einer umfangreichen Studie will das Max-Planck-Institut (MPI) für Psychiatrie die biologische Wirksamkeit von Psychotherapien im Körper nachweisen. Dafür sollen acht Jahre lang rund 1.000 Patienten untersucht werden. Nach MPI-Angaben ist die Untersuchung die größte Psychotherapie-Studie weltweit.

Kooperation mit HMNC-Brain Health

HMNC-Brain Health arbeitet zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie, um den Therapieerfolg bei Depressionen verbessern möchte. Der Test von HMNC-Brain Health und des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie analysiert Genvarianten, die die Blut-Hirn-Schranke beeinflussen und so den Übergang von Antidepressiva ins Gehirn entweder einschränken oder erleichtern können.

Forschung an NS-Opfern

Die deutsche Max-Planck-Gesellschaft (MPG) finanziert ein Projekt zur Geschichte der Hirnforschung an Opfern des NS-Regimes im Rahmen der MPG und ihrer Vorgängergesellschaft. Ziel ist es, die Opfer namentlich zu identifizieren, ihre Geschichte zu dokumentieren und die von ihnen stammenden Präparate beizusetzen.

Hilfe bei Angstzuständen

Prof. Angelika Erhardt leitet die psychiatrische Ambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Sie erklärt, was zu tun ist, wenn man in einer Angstspirale feststeckt, warum soziales Engagement gegen Katastrophendenken wirkt und wie man Kindern helfen kann.

Eine hohe Medienexposition kann durchaus eine negative Auswirkung haben, sowohl auf die Stimmung als auch auf das Angstniveau. Darum sollte man nicht zu viel Zeit damit verbringen. Gerade in Krisenzeiten gibt Struktur Halt: Alltagsroutinen, ganz alltägliche Aufgaben sind immer gut, um akute Stressoren auszugleichen. Auch, dass Sie sich nicht ständig mit der Situation auseinandersetzen. Hilfreich ist außerdem alles, was Stress abbaut: sportliche Aktivitäten und Entspannungsverfahren. Vor allem auch der Austausch mit Freunden und Familie.

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