Eine bipolare affektive Störung ist eine schwere psychische Erkrankung. Menschen, die darunter leiden, erleben ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Zeitweise fühlen sich die Betroffenen sehr niedergeschlagen, dann wiederum sind sie euphorisch, aufgedreht, hyperaktiv und überschätzen sich.
Was ist eine Manie?
Eine Manie ist eine psychische Störung, bei der die Gefühlswelt, das Erleben und die Äußerung der Gefühle einer Person gestört sind. Sie zählt zu den affektiven Störungen. Betroffene Personen leben phasenweise in einem intensiven, aber unbegründeten Hochgefühl, begleitet von übermäßig guter Laune und einem gesteigerten Selbstwertgefühl.
Eine Manie tritt meist phasenweise auf, den symptomatischen Zeitraum bezeichnen Mediziner als manische Episode. In den Phasen zwischen zwei Episoden zeigen Betroffene keine Anzeichen der Manie.
Manien im Kindes- und Jugendalter sind selten. Bei den meisten Betroffenen stellt sich die erste manische Episode bis zum 25. Lebensjahr ein.
Die Manie tritt manchmal in Kombination mit den Krankheitszeichen einer Schizophrenie auf. Mediziner sprechen dann von einer schizoaffektiven Psychose.
Lesen Sie auch: Manie: Symptome und Verlauf
Wenn sich manische mit depressiven Phasen abwechseln, sprechen Ärzte von einer manisch-depressiven Erkrankung oder bipolaren Störung.
Hypomanie
Eine abgeschwächte Form der Manie, bei der die Stimmungsschwankungen aber immer noch deutlich über dem Normalzustand liegen, wird als Hypomanie bezeichnet. Nicht immer ist eine Hypomanie behandlungsbedürftig. Werden Betroffene und ihr näheres Umfeld durch die Symptome einer Hypomanie nicht grundlegend beeinträchtigt, ist keine Therapie notwendig.
Zustände, die einer Hypomanie ähneln, werden auch häufig von Personen berichtet, die unter Schlafmangel leiden, wie beispielsweise von Menschen mit Nacht- oder Schichtdienst.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der Manie sind nicht vollständig geklärt. Zurzeit wird die Ursache für eine Manie vor allem in einer Störung der Botenstoffe im Gehirn vermutet. Diese sogenannten Neurotransmitter sind für die Weitergabe von Nervenimpulsen verantwortlich. Bei einer Manie liegt in den meisten Fällen ein Ungleichgewicht dieser Transmitter vor. Die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin sind in höherer Konzentration als bei einem gesunden Menschen vorhanden.
Zudem beeinflussen mehrere Genveränderungen die Entstehung einer bipolaren Störung mit manischen Episoden. Allerdings sind diese Gene auch bei vielen gesunden Menschen verändert, sodass sie nicht als alleinige Ursache einer Manie infrage kommen. Selbst bei einer Veränderung dieser Gene müssen also weitere Faktoren hinzukommen, damit sich eine Manie entwickelt.
Lesen Sie auch: Bipolare Störung und Manie
In vielen Fällen gehen einer manischen Episode Veränderungen oder bedeutsame Ereignisse im Leben der betroffenen Personen oder naher Angehöriger voraus. Das sind zum Beispiel Ereignisse wie:
- Jobwechsel
- Arbeitslosigkeit
- Das Ende einer Beziehung
- Trauerfall
- Umzug
Es ist aber auch möglich, dass eine Manie ohne ein auslösendes Ereignis entsteht.
Diagnose
In den seltensten Fällen nehmen Betroffenen die Symptome der Manie selbst wahr. Manische Phasen werden eher als befreiend und bereichernd empfunden. Während einer manischen Episode fehlt meist jegliche Krankheitseinsicht. In der symptomfreien Zeit plagen die Betroffenen zwar häufig Schuld- und Schamgefühle, aber die Krankheit als solche anzuerkennen fällt den meisten sehr schwer. In der Regel sind es Angehörige, die zur Abklärung der Symptome motivieren.
Obwohl die Manie eine manifeste und ernstzunehmende Erkrankung ist, wird sie nicht mit körperlichen Untersuchungen diagnostiziert. Eine Diagnose der Manie erfolgt durch Gespräche mit einem Hausarzt oder einem Psychiater sowie durch eine eingehende Befragung des Betroffenen und seiner Angehörigen. Für die Diagnosestellung ist es hilfreich, wenn Personen, bei denen eine Manie vermutet wird, ein Gefühlstagebuch oder einen Stimmungskalender führen.
Behandlung
Die Behandlung der Manie setzt sich meist aus zwei Bausteinen zusammen: der medikamentösen Behandlung und einer Psycho- oder Verhaltenstherapie.
Lesen Sie auch: Was sind die Ursachen einer Manie?
Medikamentöse Behandlung
Um die akuten Symptome einer Manie zu mildern und neuen manischen Episoden vorzubeugen, werden Medikamente wie Lithiumpräparate, Antiepileptika oder atypische Neuroleptika verabreicht. Sie beeinflussen die Transmitteraktivität im Gehirn und lindern die Symptome. In der Akutphase der Manie kommen außerdem Sedativa zum Einsatz. Sie dämpfen die Rastlosigkeit und gesteigerte Unruhe der Betroffenen.
Zur langfristigen Therapie einer Manie und vor allem zur Vermeidung eines Rückfalls (Rezidiv) nehmen die Betroffenen meist auch in der symptomfreien Zeit Medikamente wie beispielsweise Lithiumcarbonat ein.
Psychotherapie
Begleitend zur medikamentösen Behandlung erfolgt bei einer Manie eine Psycho- oder Verhaltenstherapie. Dabei lernen Betroffene, Frühwarnzeichen einer manischen Episode bei sich zu erkennen, stimulierende Reize während einer Manie zu vermeiden und mit einer akuten Krankheitsphase richtig umzugehen.
Betroffene werden dazu angehalten, ihren gewohnten Tagesablauf beizubehalten, normalen Tätigkeiten strukturiert nachzugehen und einen festen Schlafrhythmus zu behalten. So lassen sich während einer akuten Episode die Symptome verringern. Für das Umfeld wird der Umgang mit Betroffenen einfacher.
Vorbeugung
Es ist nicht möglich, der Entstehung einer Manie vorzubeugen. Dennoch lassen sich Rückfälle und wiederholte manische Episoden durch eine gut eingestellte medikamentöse Therapie sowie die kontinuierliche Psycho- und Verhaltenstherapie vermeiden oder in ihrer Intensität abschwächen.
Bipolare Störung: Die verschiedenen Formen
Bei einer Bipolaren Störung wechseln sich in unregelmäßigen Abständen Phasen oder Episoden mit gedrückter (depressiver) Stimmung und solche mit auffälligem Stimmungshoch oder gereizter Stimmung (manische Phasen) ab. Nichtsdestotrotz handelt es sich nicht um ein einheitliches Krankheitsbild. Vielmehr gibt es verschiedene Erscheingunsformen einer Bipolaren Störung, darunter vor allem folgende:
- Bipolar-I-Störung: Depression und Manie wechseln einander ab. Eine depressive Episode dauert mindestens zwei Wochen an, eine manische Episode mindestens sieben Tage. Letztere ist stark ausgeprägt (Unterschied zu Bipolar-II-Störung).
- Bipolar-II-Störung: Hier kommt es zu depressiven Episoden und mindestens einer hypomanischen Epidsode. Letztere unterscheidet sich von manischen Episoden in der Mindestdauer (mindestens vier Tage) und im Vorliegen bestimmter Symptome (z.B. verstärkt Konzentrationsschwierigkeiten statt Gedankenrasen oder Ideenflucht; weniger Selbstüberschätzung und tollkühnes Verhalten etc.).
- Rapid Cycling: Diese Sonderform ist durch einen besonders schnellen Wechsel zwischen depressiven und manischen Episoden gekennzeichnet (innerhalb von zwölf Monaten mindestens vier voneinander abgrenzbare Episoden). Sie betrifft bis zu 20 Prozent aller Patienten mit Bipolarer Störung, und zwar vor allem Frauen.
- Zyklothymia: Hier besteht über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren eine instabile Stimmung. Sie ist aber nicht so stark ausgeprägt, dass die Kriterien einer Manie oder einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode erfüllt wären. Daher wird die Zyklothymia manchmal zu den anhaltenden affektiven Störungen statt zu den bipolaren affektiven Störungen gezählt.
Bipolare Störung: Untersuchungen und Diagnose
Die Bipolare Störung ist nicht leicht zu diagnostizieren, weil sie mit anderen psychischen Störungen wie einer klassischen Depression oder Schizophrenie verwechselt werden kann. Da die manische Phase von den Angehörigen und Betroffenen oft als lediglich aufgedrehte Stimmung interpretiert wird, dauert es oft Jahre, bis eine richtige Diagnose gestellt wird.
Vor allem die Bipolar-II-Störung und die Zyklothymia sind schwer zu erkennen, da die Symptome hier schwächer ausgeprägt sind als bei der Bipolar-I-Störung. Es ist daher besonders wichtig, dem Arzt oder Therapeuten Erleben, Stimmungen und Gefühle detailliert zu beschreiben.
Der richtige Ansprechpartner
Bei Verdacht auf eine Bipolare Störung kann zuerst der Hausarzt kontaktiert werden. Aufgrund der schwierigen Diagnose und der erhöhten Suizidgefahr ist es aber ratsam, sofort den Kontakt zu einer Klinik aufzunehmen oder einen Facharzt für Psychiatrie aufzusuchen. Häufig sehen Betroffene allerdings keine Notwendigkeit für ärztliche Hilfe - vor allem während ihrer manischen Phase.
Umfangreiche Befragung
Zur Abklärung einer möglichen Bipolaren Störung wird sich der Arzt zuerst ausführlich mit dem Patienten unterhalten, um die Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Folgende Fragen könnte der Arzt oder Therapeut dabei stellen:
- Haben Sie sich in den letzten Wochen niedergeschlagen oder antriebslos gefühlt?
- Hatten Sie Schwierigkeiten, morgens aufzustehen?
- Hatten Sie Schwierigkeiten, nachts durchzuschlafen?
- Hatten Sie einen guten Appetit?
- Welche Gedanken haben Sie momentan? Was beschäftigt Sie?
- Haben Sie manchmal Gedanken an den Tod oder daran, sich das Leben zu nehmen?
- Waren Sie in den letzten Wochen ungewöhnlich aufgedreht?
- Hatten Sie das Gefühl, Sie stehen unter Strom?
- Hatten Sie den Eindruck, dass Sie mehr und schneller geredet haben als sonst?
- War Ihr Schlafbedürfnis verringert?
- Waren Sie sehr aktiv und haben viele Dinge innerhalb kürzester Zeit erledigt?
- War Ihre Stimmung in letzter Zeit wechselhaft?
- Sind in Ihrer Familie Fälle von manisch-depressiver Erkrankung bekannt?
Sehr sinnvoll ist es, wenn neben dem Patient auch Angehörige vom Arzt befragt werden (und später in die Behandlung mit einbezogen werden). Besonders wenn der Betroffene keine Krankheitseinsicht hat, sind die Beobachtungen und Mithilfe von nahestehenden Personen extrem wichtig. Denn Angehörige können die verschiedenen Stimmungsphasen des Betroffenen oft gut einschätzen. Die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Betroffenen, Angehörigen und Professionellen (Therapeuten), wie sie die moderne Psychiatrie vorsieht, nennt sich "Trialog".
Zum Einsatz kommen bei der Diagnostik einer Bipolaren Störung auch klinische Fragebögen. Einige dienen der Beurteilung manischer Symptome, andere die der Einschätzung depressiver Symptome. Außerdem gibt es solche Fragebögen sowohl für die Selbstbeurteilung als auch für die Fremdbeurteilung (etwa durch den Partner).
Differenzialdiagnosen
Bei der Diagnosefindung muss der Arzt vor allem auf die Unterscheidung zwischen Manie und Schizophrenie achten, was nicht immer leicht ist. Auch andere psychische Erkrankungen können anstelle von Bipolarer Störung für die Symptome des Patienten verantwortlich sein. Zu diesen Differenzialdiagnosen zählen etwa die Borderline-Persönlichkeitsstörung und ADHS.
Ebenso muss der Arzt diverse organische Erkrankungen als mögliche Ursachen für manische bzw. depressive Symptome ausschließen, bevor er die Diagnose Bipolare Störung stellen kann. Zu diesen Erkrankungen gehören zum Beispiel Epilepsie, Hirntumoren, Multiple Sklerose, Schilddrüsenerkrankungen, Alkohol-, Drogen- oder Medikamentensucht, Neurosyphilis (Entzündungen im Nervensystem als Folge von Syphilis), Frontotemporale Demenz, Parkinson, Morbus Cushing und Morbus Addison. Diverse körperliche Untersuchungen helfen dabei, solche organischen Erkrankungen nachzuweisen beziehungsweise auszuschließen.
Begleiterkrankungen
Diagnostiziert der Arzt eine Bipolare Störung, muss er auch sorgfältig eventuelle Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) erfassen. Solche sind bei Bipolarer Störung nicht selten und können deren Verlauf und Prognose beeinflussen. Das muss der Arzt bei der Therapieplanung berücksichtigen.
Viele Menschen mit Bipolarer Störung leiden etwa noch an anderen psychischen Erkrankungen. Zu den häufigsten zählen Angst- und Zwangsstörungen, Alkohol- oder Drogensucht, ADHS, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen.
Außerdem haben Bipolare oft noch eine oder mehrere organische Erkrankungen, darunter vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Migräne sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates (Muskulatur und Skelett).
ICD-Codes
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. F31
Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über einige der genannten Medikamente und ihre Anwendung bei der Behandlung von Manie:
| Medikament | Wirkung | Hinweise |
|---|---|---|
| Lithium | Stimmungsstabilisierend | Regelmäßige Blutkontrollen erforderlich |
| Valproinsäure | Antimanisch, stimmungsstabilisierend | Schnelle Aufsättigung möglich |
| Carbamazepin | Antimanisch, stimmungsstabilisierend | Kann Wirksamkeit anderer Medikamente beeinflussen |
| Atypische Antipsychotika (z.B. Aripiprazol, Quetiapin, Risperidon) | Antimanisch, stimmungsstabilisierend | Geringeres Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen |
tags: #Manie #Therapie #Leitlinien