Schwangerschaft und psychische Erkrankung: Risiken und Auswirkungen

Die Geburt eines Kindes ist ein lebensveränderndes Ereignis, das meist freudig erwartet wird. Die Zeit der Schwangerschaft und das erste Lebensjahr des Kindes ist für viele Frauen einer der intensivsten Abschnitte ihres Lebens. Für einige Mütter gestaltet sich dieser Lebensabschnitt aber gar nicht so rosig, wie sie sich das vorgestellt haben. Diese Mütter entwickeln in der Schwangerschaft oder postpartal eine Depression oder Angsterkrankung.

Vor allem bei Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft an einer psychischen Erkrankung gelitten haben, besteht ein höheres Risiko, während der Schwangerschaft und der Stillzeit neuerlich zu erkranken. Bei Kinderwunsch oder spätestens bei Eintritt der Schwangerschaft sollten Sie daher unbedingt fachärztlichen Rat einholen und eine regelmäßige psychiatrische Betreuung anstreben. Eine bislang eingenommene Medikation sollte nicht selbstständig abgesetzt werden, da das Beenden der Therapie das Risiko für einen Krankheitsrückfall deutlich erhöhen kann.

Stress in der Schwangerschaft und seine Auswirkungen

Bis zu einem gewissen Maß schadet Stress in der Schwangerschaft dem Ungeborenen nicht. Starke mütterliche Ängste und großer Stress können sich aber ungünstig auf die kindliche Entwicklung auswirken. Mögliche Folgen sind Frühgeburt und ein zu geringes Geburtsgewicht. Auch kindliche Spätfolgen wie Depressionen oder Asthma können durch starke psychische Belastungen in der Schwangerschaft entstehen. Jeder kennt Stress: Hohe Anforderungen im Berufsleben, Zeitmangel, existenzielle Sorgen, Auseinandersetzungen in der Partnerschaft, Lärm und Hektik fordern jedem Einzelnen viel ab. Auch Schwangere können sich dem Alltagsstress häufig nicht entziehen. Viele Frauen sorgen sich zusätzlich um den Verlauf ihrer Schwangerschaft, das Wohl des Ungeborenen, die Geburt und die Zeit danach.

In einer Stresssituation schüttet der Körper vermehrt verschiedene Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin oder Vorstufen des Hormons Cortisol aus. Als Folge erhöhen sich Herzfrequenz und Blutdruck, die Atmung wird schneller und flacher, die Muskulatur spannt sich an und die Verdauungstätigkeit wird herabgesetzt. Diese Veränderung wirken sich auch auf das im Mutterleib heranwachsende Kind aus. So beschleunigt sich beispielsweise der kindliche Herzschlag.

Sind die seelischen Belastungen der werdenden Mutter zu stark, kann sich dies negativ auf die Mutter wie auch auf die kindliche Entwicklung auswirken. So beeinflusst pränataler Stress (also Stress vor der Geburt) das Risiko für kindliche Störungen. Dazu gehören Frühgeburt, ein zu geringes Geburtsgewicht, neurologische und emotionale Entwicklungsstörungen wie ADHS oder verminderte geistige Fähigkeiten sowie spätere körperliche Beschwerden wie Asthma oder Übergewicht. Zudem reagieren Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft stark gestresst waren, später in der Regel sensibler auf Stress. Sie neigen außerdem zu Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen.

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Seelische Belastungen und ihre Folgen

Auch seelische Belastungen, die häufig in Zusammenhang mit Stress in der Schwangerschaft stehen, können sich negativ auf das Kind auswirken. Dazu gehören beispielsweise:

  • Depression
  • Ängste, auch schwangerschaftsbezogene Ängste
  • Trauerfall
  • Problematische Lebensumstände wie Probleme in der Partnerschaft, seelische oder körperliche Gewalt
  • Andere traumatische Erlebnisse wie Überfälle, Terroranschläge oder Naturkatastrophen

Allerdings kommen auch viele Kinder gesund auf die Welt, deren Mütter in den vorhergehenden neun Monaten unter starken seelischen Belastungen litten. Das heißt: Starker Stress in der Schwangerschaft kann, muss aber keine gesundheitlichen Folgen für das Kind haben.

Psychopharmaka in der Schwangerschaft

Frauen mit psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolarer Störung, Angststörungen oder einer Zwangserkrankung werden in der Regel medikamentös behandelt. Werden sie schwanger, sollten sie die Behandlung nicht abrupt abbrechen. Es ist bisher von nur wenigen Psychopharmaka bekannt, dass sie fruchtschädigend sind (beispielsweise manche Antiepileptika). Sprechen Sie sich daher gut mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ab, welche Medikamente Sie trotz Schwangerschaft nehmen dürfen und welche sicherheitshalber abgesetzt beziehungsweise gegen ein alternatives Präparat ausgetauscht werden sollten.

SSRI (Serotoninreuptake-Inhibitoren - eine Gruppe der Antidepressiva) gehören zu den Mitteln der Wahl bei therapiebedürftigen Depressionen in der Schwangerschaft. Die gut untersuchten und in der Schwangerschaft im Allgemeinen gut verträglichen Mittel Sertralin und Citalopram sollten bei einer Neueinstellung bevorzugt werden. Bei Patientinnen, die unter Therapie mit einem anderen SSRI schwanger wurden, sollte die Medikation unverändert fortgesetzt werden, um keine für Mutter und Kind bedrohlichen Krisen zu provozieren.

Postpartale Depression

Als präpartale Depression werden alle schweren länger dauernden behandlungsbedürftigen depressiven Erkrankungen vor der Geburt und als postpartale Depression die depressiven Erkrankungen im ersten Jahr nach einer Entbindung bezeichnet. Es wird hier zwischen der Gruppe der Anpassungsstörungen (ca. 70% der PPD) und den schweren depressiven Erkrankungen differenziert.

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Symptome der postpartalen Depression:

  • Müdigkeit, Erschöpfung, Energiemangel
  • Traurigkeit, Weinerlichkeit
  • Leeregefühl
  • Zweifel daran eine gute Mutter zu sein, Schuldgefühle, Überforderungserleben
  • Schlafstörungen
  • Appetitlosigkeit
  • Ängste, Zwangsgedanken (z.B. als sehr belastend erlebte Gedanken sich selbst oder dem Baby etwas anzutun)
  • "Ich habe mir das alles ganz anders vorgestellt"

15 % der Mütter entwickeln nach der Geburt eine postpartale Depression, 0,1% eine postpartale Psychose. Eine unbehandelte psychische Erkrankung der Mutter kann negative Auswirkungen auf die Beziehungsentwicklung und auf das Bindungserleben zum Ungeborenen oder Neugeborenen haben. Dies fördert die Entwicklung von Unsicherheiten im Wahrnehmen der eigenen mütterlichen Kompetenzen und kann zur Folge haben, dass der Kontakt zum Baby aus Schuldgefühlen vermieden wird.

Risikofaktoren für postpartale Depression

Welche Risikofaktoren spielen jetzt bei der Entwicklung einer Depression eine Rolle?

Frauen, die schon früher an einer psychischen Erkrankung, an einer Depression oder Angstzuständen gelitten haben, zeigen peripartal ein deutlich erhöhtes Depressionsrisiko. Sollte eine Frau schon einmal ein Kind geboren haben und in dieser Zeit psychisch erkrankt gewesen sein, dann besteht das Risiko einer Wiedererkrankung sogar bis zu 60%. Frauen, die auf wenig soziale Unterstützung und Anerkennung zählen können, die einen niedrigen Selbstwert haben oder die Schwierigkeiten in ihrer Partnerschaft haben, gehören ebenfalls zu einer großen Risikogruppe, die sicher ein spezielle Förderung in dieser Zeit durch ein professionelles Netzwerk brauchen.

Unterstützungsmöglichkeiten

Sollten Sie an starken Ängsten oder Stress in der Schwangerschaft leiden oder können Sie ein traumatisches Erlebnis nicht überwinden, nehmen Sie ärztliche oder therapeutische Hilfe in Anspruch. In der Praxis erhalten Sie auch Empfehlungen, wenn Sie Unterstützung für die Zeit während und nach der Schwangerschaft benötigen. Viele erwarten sich, dass die Zeit rund um die Geburt die glücklichste Zeit im Leben ist. Sie schämen sich dafür, wenn das nicht so ist. Wer sich in so einer Situation befindet, sollte jedoch Folgendes wissen: Verstecken Sie sich nicht, wenn es Ihnen nicht gut geht. Akzeptieren Sie, wenn Sie deprimiert, angespannt, zornig oder verwirrt sind. Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie sich hilflos fühlen. Psychische Krankheiten wie eine postpartale Depression kann man oft nicht alleine bewältigen.

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Was kann man tun?

  • Psychotherapeutische Gespräche: Umgang mit der Mutterrolle, Bewältigung begleitender Ängste und Unsicherheiten, Bewältigung einer traumatisch erlebten Geburt, Information zu Unterstützungsangeboten im häuslichen Umfeld, Umgang mit ungewollter Schwangerschaft, Begleitung nach Fehlgeburten
  • Psychopharmakologische Beratung: Sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit ist es möglich Psychopharmaka einzunehmen, wenn diese dringend indiziert sind.

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