Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die als Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) bezeichnet werden. Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind komplexe Entwicklungsstörungen, die insbesondere die Fähigkeit betreffen, in Beziehung mit anderen zu treten und zu kommunizieren. Darüber hinaus sind Interessen und Verhaltensweisen betroffener Menschen eingeschränkt und repetitiv.
Laut der internationalen Klassifikation von Erkrankungen der WHO gehört Autismus zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und wird derzeit unter dem Oberbegriff „Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS) zusammengefasst. Der Begriff „Spektrum“ weist darauf hin, dass einzelne Personen in sehr unterschiedlichem Ausmaß und Schweregrad betroffen sein können. Häufig ist das Entwicklungsprofil nicht ausgeglichen, sondern es gibt ausgeprägte Spitzen und Täler.
Derzeit gibt es keine vollständige Heilung. Aktuelle Studien gehen von einer Häufigkeit von 1:100 Personen aus, d.h. 1% der Bevölkerung. Studienergebnisse weichen jedoch voneinander ab, da teils unterschiedliche Definitionskriterien herangezogen und Erfassungsmethoden verwendet werden.
Formen von Autismus-Spektrum-Störungen
Darunter fallen drei verschiedene Hauptformen von Autismus:
- Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom)
- Asperger-Syndrom (Asperger-Autismus)
- Atypischer Autismus
Die Einteilung in diese Unterformen von Autismus wird es künftig nicht mehr geben: Die neue (11.) Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) sieht nur noch den Oberbegriff "Autismus-Spektrum-Störungen" vor. Wann die ICD-11 die derzeitige Version ICD-10 (mit den Unterformen Frühkindlicher Autismus etc.) endgültig ablösen wird, steht noch nicht fest.
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Das Erscheinungsbild bei Autismus ist je nach Form und Schweregrad der Störung individuell sehr unterschiedlich. Manche Betroffene entwickeln nur einen leichten Autismus, der ihr Alltagsleben nur wenig beeinflusst. Andere sind schwer behindert.
Unter anderem sind Intelligenz und Sprachfähigkeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt: Der größere Teil der Autisten ist geistig eingeschränkt. Es gibt aber auch normal und sogar hochbegabte Betroffene. Teilweise gehen die verschiedenen Autismusformen auch fließend ineinander über.
Laut offiziellen Leitlinien wird, unter Berücksichtigung des Großteils aller weltweiten Studien seit dem Jahr 2000, insgesamt von einer Häufigkeit der ASS von etwa einem Prozent in der Bevölkerung ausgegangen.
Asperger-Syndrom
Das Asperger-Syndrom ist eine Entwicklungsstörung, die dem Krankheitsspektrum des Autismus angehört und in der Kindheit beginnt. Das Asperger-Syndrom ist eine genetisch bedingte Entwicklungsstörung aus dem autistischen Spektrum bei der es zu einer veränderten Informationsverarbeitung von Außenreizen kommt.
Menschen mit Asperger-Syndrom zeichnen sich oft auch durch sehr spezielle und intensive Interessen aus. Ein Asperger-Symdrom macht sich in erster Linie durch Auffälligkeiten in sozialen Interaktionen bemerkbar. Betroffene haben Schwierigkeiten, soziale Situationen intuitiv richtig zu erfassen und sich in ihnen zurecht zu finden. Schwierigkeiten sich in andere hineinzuversetzen und soziale Signale korrekt zu deuten.
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Nachgewiesen wurde beispielsweise, dass Asperger-Betroffene häufig Schwierigkeiten haben, Gesichter zu erkennen. Sie haben einen anderen Blickverlauf als Nicht-Asperger.
Im Jugend- und Erwachsenenalter kann dieses Verhalten teils kompensiert werden, viele Betroffene haben jedoch auch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Teilweise fällt es ihnen schwer, im Alltag Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und sich an neue Situationen anpassen.
Symptome
Erste Symptome, die auf eine autistische Entwicklung hinweisen, sind zumeist unscheinbar, weil das Kind bestimmte erwartbare Verhaltensmuster nicht oder vermindert zeigt. Zeigt das Kind „So-tun-als-ob-Spiel“ (z.B. NACH DEM 2. Verhaltensmuster, die in der Entwicklung ungewöhnlich sind, und deshalbstärker auffallen, treten häufig erst später - nach dem 2. Tut das Kind bestimmte Dinge häufig und in immer derselben Weise (z.B.
Ein Asperger-Symdrom macht sich in erster Linie durch Auffälligkeiten in sozialen Interaktionen bemerkbar:
- Schwierigkeiten sich in andere hineinzuversetzen und soziale Signale korrekt zu deuten.
- Blickkontakt: Betroffene meiden teilweise den direkten Blickkontakt bzw.
- Interessen: Meist liegen intensive, tw. ausgefallene Interessen vor, wobei häufig eine Präferenz für faktisches Wissen (z.
- Hohes Bedürfnis nach Routinen und Struktur: z.b haben Betroffene Schwierigkeiten sich auf spontane Planänderungen einzulassen bzw.
Diagnose
Die Diagnose Asperger-Syndrom stellt die Fachärzt:in anhand spezieller Kriterien, die von Fachgesellschaften erstellt wurden (ICD-10 und DMS-5). Für die Diagnosestellung ist daher eine ausführliche ärztliche Untersuchung notwendig. Für das Asperger-Syndrom bei Kindern ist ein Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie zuständig. Der Experte für Asperger-Syndrom bei Erwachsenen ist ein Facharzt für Psychiatrie oder Psychotherapie.
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Zu einer ausführlichen Untersuchung bei Verdacht auf Asperger-Syndrom gehören:
- Gespräch mit Patient und Angehörigen
- Informationen über frühere oder aktuelle Erkrankungen
- Berichte und Befunde anderer Ärzte
- Informationen von anderen Personen, die den Patienten kennen (Lehrer, Freunde, Erzieher, Therapeuten etc.)
- gründliche körperliche, psychiatrische, neurologische und labormedizinische Untersuchungen
Im Gespräch und während der Untersuchungen achtet der Arzt beim Patienten auf typische Anzeichen für Asperger-Autismus. So spielen Kinder mit Asperger-Syndrom oft weniger fantasievoll als Gleichaltrige. Mimik und Sprachmelodie sind monoton, der Sprachstil geschliffen und ausgefeilt. Die Kinder können sehr detailliert von Erlebnissen erzählen, trennen dabei aber nicht das Wichtige vom Unwichtigen. Auf ein Lächeln oder emotionale Bemerkungen reagieren Kinder mit Asperger-Autismus seltener. Direkten Blickkontakt und auch Körperkontakt vermeiden sie oftmals.
Asperger-Syndrom-Test
Verschiedene Screening-Fragebögen und Beurteilungsskalen unterstützen die Diagnose Asperger-Syndrom. Für Kinder gibt es zum Beispiel die "Australian Scale for Asperger's Syndrome" (ASAS) und die "Autism Diagnostic Observation Schedule" (ADOS). Die ASAS ist ein Fragebogen, der für Kindern im Grundschulalter gedacht ist. Er dient der Erfassung von Verhaltensweisen und Fertigkeiten, die typisch für das Asperger-Syndrom in diesem Alter sind. Bei der ADOS dagegen werden verschiedene Situationen für das Kind geschaffen, die zu einer sozialen Interaktion auffordern. Der Beurteiler schätzt ein, inwieweit das Kind dieser Aufforderung nachkommt.
Bei Erwachsenen werden etwa der "Autismus Spektrum Quotient" (AQ), der "Adult Asperger Assessment" (AAA) und der "Empathie-Quotient" (EQ) herangezogen, um die Diagnose von Asperger-Syndrom zu unterstützen. Es handelt sich dabei um Selbstbeurteilungsinstrumente - der Betroffene füllt die Fragebögen also selbst aus. Es gibt aber auch Fremdbeurteilungsinstrumente wie die "Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom" (MBAS).
Wichtig: Jeder Asperger-Syndrom-Test dient nur einer Grobeinschätzung. Allein auf Basis des Testergebnisses kann keine Diagnose gestellt werden!
Diagnose bei Erwachsenen
Asperger-Syndrom bei Erwachsenen zu diagnostizieren ist viel schwieriger als bei Kindern. Die problematischen Verhaltensweisen sind nämlich im Kindesalter meist ausgeprägter und verändern sich oftmals mit dem Heranwachsen. Zudem können sich viele Betroffene an die Schwierigkeiten im Kindesalter nicht mehr erinnern.
Darüber hinaus entwickeln viele Erwachsene mit Asperger-Syndrom Bewältigungsstrategien, um so "normal" wie möglich zu erscheinen. Dadurch können sie oft ein unauffälliges Leben führen, einen Beruf ausüben sowie einen Partner und Kinder haben. Meist gehen sie dann nur wegen Folgeerkrankungen zum Arzt, etwa wegen Depressionen, Angst, Zwangs- oder Essstörungen. Bei guter Kenntnis der Symptome kann der Arzt aber auch dann das Asperger-Syndrom bei Erwachsenen als ursächliche Grunderkrankung diagnostizieren.
Therapie
Das Asperger-Syndrom ist nicht heilbar, es gibt aber Möglichkeiten, um Betroffenen das Leben zu erleichtern. Das Asperger-Syndrom lässt sich bislang nicht heilen. Man kann nur versuchen, die Betroffenen in ihrem Alltag mit der richtigen Förderung zu unterstützen und ihnen zum Beispiel bei der Verbesserung sozialer Kompetenzen zu helfen. Allerdings besitzt nicht jedes Asperger-Syndrom "Krankheitswert" und muss behandelt werden. Entscheidend hierfür sind das Ausmaß der Symptome und der Leidensdruck des Betroffenen.
Die Asperger-Syndrom-Therapie setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Sie wird an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst. Eine Rolle spielen dabei vor allem das Alter des Betroffenen, der Schweregrad des Asperger-Autismus mit den individuellen Symptomen sowie eventuelle Begleiterkrankungen oder -störungen.
Allgemein anerkannt sind verhaltenstherapeutische Verfahren bei Asperger-Syndrom. Solche wurden vor allem für Kinder entwickelt. Ideal ist eine Frühförderung, also eine individuell angepasste Verhaltenstherapie schon in jungen Jahren.
Auch andere Therapiemaßnahmen können hilfreich sein, zum Beispiel das Trainieren sozialer und kommunikativer Fähigkeiten in der Gruppe. Die Betroffenen können dabei soziale Regeln trainieren, die Gesprächsführung üben und allgemein soziale Erfahrungen machen.
Gelegentlich können auch Verfahren wie Ergotherapie und Physiotherapie sinnvoll sein. Manche Eltern berichten auch, dass ihr Asperger-Syndrom-Kind von einer Reittherapie oder einer aktiven (eventuell unterstützten) Freizeitgestaltung profitiert. Letzteres kann zum Beispiel die Mitgliedschaft in einem Schachverein, Sporttraining, Musizieren oder Tanzen sein.
Eine Psychotherapie kann bei begleitenden Erkrankungen oder Störungen helfen, etwa bei Angst oder Zwangsstörung. Bei solchen Komorbiditäten kann manchmal auch die Gabe von Medikamenten angezeigt sein. Das können zum Beispiel antidepressive Wirkstoffe, Mittel gegen Hyperaktivität oder gegen Zwangshandlungen sein. Die Medikation muss aber immer Teil eines umfassenden Therapiekonzeptes sein.
Weitere Therapieansätze:
- Ergotherapie: Die Ergotherapie hilft, sensomotorische Probleme zu behandeln. Asperger-Betroffene zeigen häufig Beeinträchtigungen in der Grob- und Feinmotorik.
- Musiktherapie: Musik eignet sich gut, um Gefühle auszudrücken, die Betroffene nicht in Worte fassen können.
- soziales Kompetenztraining: Asperger-Betroffene haben oft Schwierigkeiten, mit anderen in Kontakt zu treten oder soziale Regeln zu verstehen.
Verlauf und Prognose
Wie sich eine autistische Störung im Einzelfall entwickelt, lässt sich nicht vorhersagen. Der Verlauf hängt unter anderem von der Form des Autismus sowie eventuellen Begleiterkrankungen (wie Depressionen) ab.
Beispielsweise bleiben beim Frühkindlichen Autismus die typischen Symptome ein Leben lang bestehen, also etwa die Probleme bei der sozialen Interaktion und beim Aufbau von Beziehungen sowie die Sprachbeeinträchtigungen. In der Kindheit sind die Symptome meist am stärksten ausgeprägt. Bei manchen Betroffenen verbessert sich das Verhalten dann im Jugend- und frühen Erwachsenenalter.
Es gibt aber auch Menschen, bei denen die autistische Störung bis ins Erwachsenenalter unverändert bleibt oder bei denen nach anfänglicher Verbesserung die Symptome wieder zunehmen.
Der Großteil der Autisten weist eine geistige Behinderung auf, die die Intelligenz einschränkt. Manche leiden zudem unter Schlafstörungen, Ängsten oder teilweise aggressivem Verhalten.
Rund 75 Prozent der Autisten sind ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. Die meisten autistischen Jugendlichen wachsen heute in ihren Familien auf. Sie erhalten Fördermaßnahmen und werden intensiv betreut.
Es gibt aber auch Menschen mit leichterem Autismus, die gut alleine zurechtkommen. Sie sind in der Lage, sich ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz anzutrainieren. Einige Autisten üben zudem anspruchsvolle Berufe aus. Besonders Inselbegabungen (wie eine große Rechenbegabung) können oft effektiv im Beruf genutzt werden.
Es ist schwierig, vorherzusagen, wie sich das Asperger-Syndrom individuell entwickelt. Vorhandene Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Erkrankung stabil verläuft. Bei den meisten Betroffen zeigen das Kontakt- und Sozialverhalten mit der Zeit eine leichte Verbesserung. Die grundlegenden Störungen bleiben aber erhalten. Manche Asperger-Autisten können kein eigenständiges Leben führen. Andere dagegen haben eine stabile Partnerschaft und einen Beruf, wo sie eventuell sogar ihr Spezialinteresse vorteilhaft einbringen können. Der Kontakt zu Kollegen bleibt aber mitunter schwierig.
Einen großen Einfluss auf die Prognose beim Asperger-Syndrom haben eventuelle Begleiterkrankungen oder -störungen. Sie können den weiteren Verlauf und die Entwicklungsmöglichkeiten des Betroffenen deutlich beeinträchtigen. Deshalb sollten sie frühzeitig und fachgerecht behandelt werden.