Eine Bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung, bei der die Stimmung zwischen zwei entgegengesetzten Extremen schwankt. Bei dieser wechseln die Stimmungen zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“. Die Kennzeichen einer Bipolaren Störung können sehr vielschichtig sein.
Bei Menschen mit einer Bipolaren Störung treten extreme Stimmungsschwankungen auf. Betroffene erleben dabei wechselnde Phasen, die sich durch manische und depressive Episoden kennzeichnen. Ausprägung und Verlauf können sehr unterschiedlich sein.
In extremen Hochphasen (Manie) sind Menschen mit einer Bipolaren Störung unter anderem überschwänglich, extrem aktiv, reizbar, sprunghaft und unruhig. Diese Hochphasen wechseln sich mit extremen Tiefphasen ab (Depression). In diesen fühlen sich Betroffene unter anderem sehr niedergeschlagen, antriebslos und ihr Selbstwertgefühl nimmt stark ab. Die depressiven Phasen überwiegen gewöhnlich. Es gibt auch Mischformen, bei denen depressive und manische Symptome gleichzeitig auftreten. Zudem kann es vorkommen, dass die Manie nicht so stark ausgeprägt ist. Man spricht dann von Hypomanie.
Die auffälligste Form der „manisch-depressiven Störung“, ist die, die wir als „Bipolar I“ bezeichnen, mit sehr ausgeprägten Symptomen in der Manie und starkem Rückzug, bzw. In meiner Wahrnehmung sind allerdings die Formen mit leichteren, weniger auffälligen Symptomen häufiger.
Die Dauer der Krankheitsepisoden bei einer Bipolaren Störung kann zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und in sehr seltenen Fällen einige Jahre betragen. Durchschnittlich dauert eine Krankheitsepisode unbehandelt zwischen vier und zwölf Monaten. Manische, depressive oder gemischte Phasen können dabei auch ineinander übergehen.
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Zwischen einzelnen Episoden können mehrere Monate oder Jahre liegen - im Durchschnitt zwei bis drei Jahre. In diesen kann die Patientin/der Patient beschwerdefrei sein oder zumindest eine stabile Stimmung aufweisen. Die Anzahl der Episoden kann sehr stark schwanken. Während manche Menschen ein oder zwei Episoden in ihrem Leben haben, erkranken andere deutlich häufiger. Im Durchschnitt kommt es bei Menschen mit Bipolaren Störungen zu etwas vier Episoden innerhalb der ersten zehn Jahre der Erkrankung. Je nach Art und Häufigkeit der Episoden richtet sich auch die Behandlung danach.
Bei der bipolaren Störung können verschiedene Episoden auftreten wie depressive, manische, hypomanische und gemischte Phasen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass zwischen Episoden auch eine beschwerdefreie Phase liegt.
Symptome einer Manie
Klassische Anzeichen einer Manie sind ein übermäßiges und unbegründetes Hochgefühl, das mit einem übersteigerten Selbstwertgefühl, einer maßlosen Aktivität, Rastlosigkeit und der Gefahr, sich selbst und anderen Schaden zuzufügen, einhergeht. Dieser Zustand schlägt häufig innerhalb weniger Sekunden in Gereiztheit um.
Während manischer Episoden kann die Stimmung der Betroffenen von sorgloser Heiterkeit bis hin zu unkontrollierbarer Erregung gekennzeichnet sein.
Die Vorstufe zur Manie wird - mit abgeschwächten Beschwerden - auch als Hypomanie bezeichnet.
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Der manischen Episode geht oft eine Phase voraus, in der sich die Manie ankündigt: Das Energielevel steigt, das Schlafbedürfnis sinkt und die/der Betroffene fühlt sich zunehmend aufgewühlt.
Manische Phase Manie: Symptome
Die Symptome sind jenen der hypomanischen Episode sehr ähnlich. Sie sind allerdings stärker ausgeprägt. Dies führt unter anderem auch zu sozialen Schwierigkeiten sowie Problemen im Arbeitsleben und in Beziehungen. Es fällt zunehmend schwer, die Folgen des eigenen Verhaltens einzuschätzen, bis dies schließlich nicht mehr möglich ist. Das kann auch zu gefährlichen Situationen führen.
In exzessiven Hochstimmungsphasen (Manie) haben Betroffene große Probleme mit der eigenen Wahrnehmung. Sie zeigen oft ein rücksichtsloses Verhalten zu ihrer Umwelt.
Weitere Symptome
- Gefühl, durch nichts zu stoppen zu sein und alles zu können.
- leichtsinniges oder verantwortungsloses Verhalten (z.B.
Ursachen und Risikofaktoren
Wie es zu Bipolaren Störungen kommt, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. In der Fachwelt wird angenommen, dass mehrere Faktoren dabei eine Rolle spielen. Weiters dürften Umwelteinflüsse und Eigenschaften der Persönlichkeit eine Rolle spielen.
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Mögliche Gründe für die Entstehung einer bipolaren Störung sind auf multifaktorielle Aspekte zurückzuführen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei biologisch-genetische Faktoren sowie zusätzlich soziale und psychische Faktoren. Außerdem können Umwelteinflüsse und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften die Entwicklung einer bipolaren Störung beeinflussen.
Zurzeit wird die Ursache für eine Manie vor allem in einer Störung der Botenstoffe im Gehirn vermutet. Diese sogenannten Neurotransmitter sind für die Weitergabe von Nervenimpulsen verantwortlich. Bei einer Manie liegt in den meisten Fällen ein Ungleichgewicht dieser Transmitter vor. Die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin sind in höherer Konzentration als bei einem gesunden Menschen vorhanden.
Zudem beeinflussen mehrere Genveränderungen die Entstehung einer bipolaren Störung mit manischen Episoden. Allerdings sind diese Gene auch bei vielen gesunden Menschen verändert, sodass sie nicht als alleinige Ursache einer Manie infrage kommen. Selbst bei einer Veränderung dieser Gene müssen also weitere Faktoren hinzukommen, damit sich eine Manie entwickelt.
In vielen Fällen gehen einer manischen Episode Veränderungen oder bedeutsame Ereignisse im Leben der betroffenen Personen oder naher Angehöriger voraus. Das sind zum Beispiel Ereignisse wie:
- Jobwechsel
- Arbeitslosigkeit
- Das Ende einer Beziehung
- Trauerfall
- Umzug
Es ist aber auch möglich, dass eine Manie ohne ein auslösendes Ereignis entsteht.
Diagnose
Die Diagnose und Behandlung einer Bipolaren Störung erfolgt durch die Fachärztin/den Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Für Jugendliche unter 18 Jahren stehen auch spezialisierte Kinder- und Jugendpsychiaterinnen/Jugendpsychiater zur Verfügung. In die Diagnose bzw. Therapie werden meist weitere Gesundheitsberufe wie Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten, klinische Psychologinnen/klinische Psychologen oder Ergotherapeutinnen/Ergotherapeuten miteinbezogen.
Obwohl es so scheint, als wäre es leicht, anhand der geschilderten Symptome eine Diagnose einer „bipolaren Störung“ zu stellen, ist oft nicht einfach. Ganz häufig kommt es vor, dass bipolare Störungen erst nach vielen Jahren als solche erkannt bzw. diagnostiziert werden. Es werden derzeit vier Typen und mehrere Untertypen von bipolaren Erkrankungen unterschieden.
Die Bipolare Störung ist nicht leicht zu diagnostizieren, weil sie mit anderen psychischen Störungen wie einer klassischen Depression oder Schizophrenie verwechselt werden kann. Da die manische Phase von den Angehörigen und Betroffenen oft als lediglich aufgedrehte Stimmung interpretiert wird, dauert es oft Jahre, bis eine richtige Diagnose gestellt wird.Vor allem die Bipolar-II-Störung und die Zyklothymia sind schwer zu erkennen, da die Symptome hier schwächer ausgeprägt sind als bei der Bipolar-I-Störung.
Die Ärztin/der Arzt erhebt eine ausführliche Krankengeschichte (Anamnese). Es erfolgt eine allgemeine körperliche sowie neurologische Untersuchung. Gegebenenfalls sind eine Erhebung von Laborbefunden bzw. weitere Untersuchungen zur Abklärung der Beschwerden (z.B. Von der Bipolaren Störung abzugrenzen sind eine alleinige Depression sowie die Zyklothymie.
In den seltensten Fällen nehmen Betroffenen die Symptome der Manie selbst wahr. Manische Phasen werden eher als befreiend und bereichernd empfunden. Während einer manischen Episode fehlt meist jegliche Krankheitseinsicht. In der symptomfreien Zeit plagen die Betroffenen zwar häufig Schuld- und Schamgefühle, aber die Krankheit als solche anzuerkennen fällt den meisten sehr schwer. In der Regel sind es Angehörige, die zur Abklärung der Symptome motivieren.
Obwohl die Manie eine manifeste und ernstzunehmende Erkrankung ist, wird sie nicht mit körperlichen Untersuchungen diagnostiziert. Eine Diagnose der Manie erfolgt durch Gespräche mit einem Hausarzt oder einem Psychiater sowie durch eine eingehende Befragung des Betroffenen und seiner Angehörigen. Für die Diagnosestellung ist es hilfreich, wenn Personen, bei denen eine Manie vermutet wird, ein Gefühlstagebuch oder einen Stimmungskalender führen.
Behandlung
Bei der Akutbehandlung steht die Linderung der Symptome im Vordergrund. Ziel der meist anschließenden sogenannten Phasenprophylaxe ist die Reduktion bzw. Vermeidung von weiteren Episoden.
Die Behandlung der Manie setzt sich meist aus zwei Bausteinen zusammen: der medikamentösen Behandlung und einer Psycho- oder Verhaltenstherapie.
Akuttherapie: Im Vordergrund steht die Verminderung der depressiven bzw. (hypo-)manischen Symptome. Phasenprophylaxe: Darunter versteht man eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden. Das Auftreten von neuen Episoden sowie Einschränkungen der psychischen Funktion und Lebensqualität sollen dadurch vermieden werden.
Es werden immer wieder neue Behandlungsmethoden entwickelt. Aus meiner Sicht als Arzt und Psychotherapeut ist es sehr wichtig, dass die oder der Betroffenen einen oder zwei fixe, professionelle Ansprechpartner hat.
Medikamentöse Behandlung
Um die akuten Symptome einer Manie zu mildern und neuen manischen Episoden vorzubeugen, werden Medikamente wie Lithiumpräparate, Antiepileptika oder atypische Neuroleptika verabreicht. Sie beeinflussen die Transmitteraktivität im Gehirn und lindern die Symptome. In der Akutphase der Manie kommen außerdem Sedativa zum Einsatz. Sie dämpfen die Rastlosigkeit und gesteigerte Unruhe der Betroffenen.
Welches Medikament bei einer Bipolaren Störung verschrieben wird, hängt vom jeweiligen Verlauf der Erkrankung ab. Vor einer medikamentösen Therapie sollten Laborwerte erhoben werden, die für die Verlaufsbeobachtung wichtig sind.
Stimmungsstabilisierer (auch Phasenprophylaktika genannt): Dazu zählen etwa Lithium sowie die Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin etc. und Antipsychotika. Antidepressiva: Diese sollen bei einer Bipolaren Störung nur in Zusammenhang mit Stimmungsstabilisierern und nicht in einer gemischten Episode zur Anwendung kommen.
Im Bereich der Phasenprophylaxe ist Lithium nach wie vor der Goldstandard und sollte in jedem Fall als erste medikamentöse Option in Betracht gezogen werden. Vorteile von Lithium sind die einzigartige positive Wirkung auf Lebensüberdruss und Suizidgedanken (vermutlich durch eine verbesserte Impulskontrollsteuerung), die gute Messbarkeit der Dosierung mittels Spiegelkontrollen und die positive Wirkung auf akute depressive Symptome an sich.
Die Ärztin/der Arzt bespricht mit Ihnen die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Die Einnahme von Medikamenten sollte immer mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Halten Sie sich an den verordneten Therapieplan - auch wenn eine längere Behandlung erforderlich ist. Damit können Sie Ihre Genesung maßgeblich unterstützen und Rückfällen vorbeugen.
Psychotherapie
Begleitend zur medikamentösen Behandlung erfolgt bei einer Manie eine Psycho- oder Verhaltenstherapie. Dabei lernen Betroffene, Frühwarnzeichen einer manischen Episode bei sich zu erkennen, stimulierende Reize während einer Manie zu vermeiden und mit einer akuten Krankheitsphase richtig umzugehen.
Psychotherapie ergänzt und unterstützt die medikamentöse Behandlung bei Bipolaren Störungen. Die Therapieziele werden gemeinsam mit der Patientin/dem Patienten festgelegt. Zum Beispiel: Symptome zu verstehen und zu mildern, die Lebensqualität zu steigern und Rückfälle zu verhindern.
Die sogenannte Psychoedukation ist ein wichtiger Baustein der Behandlung. Bei dieser soll das Verständnis für die Störung gefördert und der Bezug zum Alltag erläutert werden. Betroffene können so unter anderem auch lernen, ihr Verhalten, Fühlen und Denken besser zu verstehen und zu beobachten sowie bei nahenden Episoden so gut wie möglich gegenzusteuern.
Weitere Therapiemöglichkeiten
Neben der medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung gibt es noch weitere Therapiemöglichkeiten, die je nach Bedarf eingesetzt werden können:
- Lichttherapie
- Wachtherapie
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
- Sport/Bewegungstherapie
- Entspannungsmethoden
- Ergotherapie
- Musiktherapie
- Klinisch-psychologische Behandlung
Auch soziale Kompetenzen können dabei erweitert werden.
Hilfreich sind zudem ein guter Tagesrhythmus und eine ausgewogene Balance zwischen Anforderungen im Alltag und Erholungsmöglichkeiten. Zudem ist ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus empfehlenswert. Alkohol und Drogen hingegen verschlimmern die Erkrankung. Auch Stimmungstagebücher können unterstützend sein. Darin werden die Stimmung, wichtige Tagesereignisse, Therapiemaßnahmen etc. festgehalten. In einer Selbsthilfegruppe können sich Betroffene zudem austauschen und voneinander lernen. Zudem bieten psychosoziale Dienste Unterstützung für den Alltag.