Chester Bennington: Der Kampf des Linkin Park Sängers mit Depressionen

Der Sänger der US-Band Linkin Park starb an Chris Cornells Geburtstag. Chester Bennington ist gestorben, er war nur 41 Jahre alt.

»If they sayWho cares if one more light goes out?In a sky of a million starsIt flickers, flickersWho cares when someone's time runs out?If a moment is all we areWe're quicker, quickerWho cares if one more light goes out?Well I do«

Aus dem Song One more light.

Seine harte Stimme war lange Markenzeichen der US-Band Linkin Park, beim letzten Album wurde sie aber durchaus heller, sanfter: Erst im Mai hatte die Band das Album mit dem Titel "One More Light" auf den Markt gebracht.

"I don't like my mind right now, Stacking up problems that are so unnecessary", singt Bennington in der Single "Heavy". Und fragt: "Why is everything so heavy?".

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Linkin Park-Sänger Chester Bennington ist nach Angaben der Gerichtsmediziner durch Suizid aus dem Leben geschieden. Chester Bennington wurde in seinem Haus in Palos Verdes Estates in Kalifornien tot aufgefunden.

Seine Leiche wurde in seinem Haus in Los Angeles gefunden, der Todesfall wird von der Rechtmedizin "wie ein möglicher Suizid behandelt.

Mit nur 41 Jahren hatte sich der Musiker erhängt, nachdem er als Kind jahrelang sexuell missbraucht und geschlagen worden war - und in der Folge zeitlebens mit Depressionen und Sucht kämpfte.

Soundgarden-Sänger Chris Cornell, ein Freund Benningtons, hatte sich Mitte Mai das Leben genommen. Benningtons Todestag am 20. Juli war zugleich der Geburtstag Cornells. Den Suizid beging der sechsfache Vater Bennington an jenem Tag, an dem sein Freund Cornell 53 Jahre alt geworden wäre.

Beide verband eine enge Freundschaft und ein tragisches Datum: Am 20. Juli 2017 nahm sich Linkin Park-Sänger Chester Bennington das Leben - am Geburtstag von Soundgarden-Frontmann Chris Cornell, der nur wenige Wochen früher gestorben war.

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Bei der Beisetzung Cornells hatte Bennington Leonard Cohens Klassiker „Hallelujah“ gesungen.

Der Gitarrist und Songwriter von Linkin Park, Mike Shinoda, sagte, Bennington habe bei einem Soundcheck für die bevorstehende Tournee die Selbstbeherrschung verloren. „Chester kam nicht mehr durch den Song“, sagte Shinoda. „Als er die Hälfte geschafft hatte, geriet er aus der Fassung.“

Bennington hatte nach dem Tod Cornells gesagt, der Soundgarden-Frontmann habe ihn „in vielerlei Hinsicht so sehr inspiriert, dass man es sich gar nicht vorstellen kann“.

Bennington war sechsfacher Vater und verheiratet. Linkin Park haben heuer auch beim Nova Rock in Nickelsdorf gespielt.

Im Jahr 2000 hatte die Band mit dem Debütalbum "Hybrid Theory" großen Erfolg: Es wurde rund 15 Millionen Mal verkauft. Zu den größten Hits der Band zählen die Lieder "Faint" und "In the End".

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"One More Light" war bereits das siebte Studioalbum der 1996 in Los Angeles gegründeten Band. Balladen ("One More Light") stehen neben eingängigem Poprock ("Talking To Myself") oder gefühliger Akustikgitarre ("Sharp Edges").

Die Rock-Band schlug damit sanftere Töne an als in früheren Jahren. Erstmals hat die Band die Aufnahmen nicht mit musikalischen Proben begonnen, sondern mit Gesprächen, hatte der Sänger erzählt.

„Worüber mache ich mir Gedanken? Was ist für mich gerade am wichtigsten?“, seien Fragen dieser Gespräche gewesen, aus denen sich die Ideen für neue Lieder ergeben hätten: Depression und Tod, aber eben auch das manchmal banale Familienleben mit Kindern. Hast du die Zähne geputzt? Wo ist dein Rucksack? „Das ist ein typischer Tag, wenn du Kinder hast“, sagte Bennington. Aber dies seien auch Themen, die vor 15 Jahren niemand in der Band verstanden hätte. „Es kommt darauf an, wo wir im Leben stehen.“

Bennington hatte in der Vergangenheit offen über Depressionen und Suchtprobleme gesprochen - seine Kindheit und Jugend sei von Missbrauch und Drogen geprägt gewesen. Bereits in seiner Jugend hatte Bennington nach eigenen Angaben begonnen, Alkohol zu trinken und harte Drogen zu nehmen.

Vor einigen Jahren machte Bennington öffentlich, dass er während seiner Kindheit von einem Freund seiner Eltern vergewaltigt wurde, zum ersten Mal im Alter von sieben Jahren. Der Missbrauch habe sein „Selbstvertrauen zerstört“, sagte der Sänger 2014 der britischen Musikseite Team Rock.

Zahlreiche Wegbegleiter äußerten sich bestürzt. Band-Kollege Mike Shinoda beschrieb in einem Tweet seine Gefühle nach der Todesnachricht als „Schockiert und untröstlich“.

„Man wird ihn schrecklich vermissen.“ In einer Mitteilung würdigte die Recording Academy, die alljährlich die Grammy-Trophäen verleiht, die Verdienste des zweifachen Grammy-Preisträgers. Er sei ein "Held des Hard Rock" mit einer enormen Stimmbreite und einer starken Bühnenpräsenz gewesen.

Mike Shinoda: Anfangs habe ich darüber gar nicht nachgedacht. In der ersten Woche nach Chesters Tod habe ich mich nur daheim verkrochen. Ich konnte keine Linkin-Park-Songs hören und auch selbst keine Musik machen. Ich habe dann zuerst gemalt, Bilder, die jetzt im Booklet von „Post Traumatic“ zu sehen sind. Erst nach einem Monat habe ich wieder angefangen, im Heimstudio Ideen aufzunehmen. Aufarbeitung ergeben.

Ich wollte diese Momente so pur und authentisch festhalten, weil sie mir einmalig erschienen. Nein, nichts. Es wäre völlig unpassend gewesen, diese Texte allgemeiner zu gestalten. Denn es erlebt zwar jeder den Verlust eines geliebten Menschen, aber die Version, die ich erfahren musste, war etwas anders.

Im ersten Song „Place To Start“ singen Sie: „Ich bin auch ein Bösewicht“. Nein, das kommt von Dingen, die man irgendwann gesagt hat, die man später bereut, was auch so eine typische Phase der Trauer ist. Schuldgefühle hatte ich nicht. Denn es liegt an der Person selbst, die depressiv oder süchtig ist, was oft ja Hand in Hand geht, das zu tun, was notwendig ist. Man kann immer wieder sagen: „Geh und hol dir Hilfe!“ Aber du kannst niemanden dazu zwingen.

Ich glaube fest, dass es für den schlimmsten Süchtigen und den depressivsten Menschen Hoffnung gibt, das unter Kontrolle zu bekommen. Aber das Traurige ist, dass es eine Menge harter und schmerzhafter Therapie-Arbeit braucht, diese extremen Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten. Das sind die allerersten Botschaften, die ich danach bekam. Ich wollte damit zeigen, dass das eine reale Story ist.

Sie sagten, Sie wussten nicht, ob sie weiter Musik machen können. Woher diese Unsicherheit? Ja, schon. Aber zuerst habe ich nur daran gedacht, wie es mit der Band weitergehen könnte. Schon alleine der Gedanke, wie ich ohne Chester einen neuen, tollen Song zustande bringen sollte, hat mich deprimiert. Er war ein so großartiger, legendärer Sänger und Performer.

Ich war gewohnt, ihn als diese machtvolle Waffe zu haben, einen Song zu schreiben, den ich ihm geben konnte, und er würde ihn unglaublich machen. Das war die Definition unserer Band. Ich bin während der Arbeit an „Post Traumatic“ draufgekommen, dass ich ganz automatisch für Chesters Stimme und seine Tonlage geschrieben habe, dass es aber auch natürlich klingt, wenn ich für meine Stimmlage schreibe. Klar kann man meinen Gesang nicht mit Chesters Stimme vergleichen.

Die kann ich immer noch nicht beantworten. Wir sehen einander regelmäßig, sprechen viel über die Ereignisse. Aber es sind so viele Fragen offen. Wir haben lauter so liebe, intelligente und kreative Leute in der Band, die alle noch nicht fertig damit sind, das aufzuarbeiten und herauszufinden, wie ihr weiterer Weg aussehen könnte. Und wir sind alle noch nicht bereit dafür, wieder Linkin-Park-Shows zu spielen.

Manchmal tun sie das, ja. Aber weil ich liebe, was ich tue, ist es auch sehr, sehr schön, wieder auf der Bühne zu stehen - und zu sehen, dass ich das auch als Individuum und nicht nur als Teil einer Band kann.

Reaktionen und Tribut

Chester-Bennington-Tribute: „Der Sänger von Linkin Park, Chester, ist gestorben. Und wir wollen etwas Liebe verbreiten für jemanden, der so viel für die Musikindustrie getan hat“, hieß es auf der Bühne. 40.000 Menschen sangen auf dem Parookaville-Festival „In The End“, als das niederländische DJ-Duo Showtek den Song als Gedenken an den verstorbenen Musiker spielte. Gänsehaut-Stimmung pur.

Freunde verwiesen auf die Querverbindungen zum Suizid des Musikerkollegen Chris Cornell, der sich im Mai erhängt hatte. Die Tournee der US-Band wurde abgesagt.

„Wirklich das eindrucksvollste Talent, das ich jemals live gesehen habe. Stimmenbestie", schrieb Sängerin Rihanna auf Instagram über Bennington. Die Band Imagine Dragons trauerte: "Keine Worte. So untröstlich."

US-Medien berichteten, dass Fans Stunden nach der Todesmeldung Blumen vor dem Haus des Sängers abgelegt haben. Auch Bandkollegen seien vorgefahren. Die Musiker waren demnach am Donnerstag für ein Fotoshooting in Hollywood verabredet. Sie wollten Ende des Monats auf Tournee gehen und hatten noch am Morgen ein Musikvideo zu ihrem Song "Talking To Myself" veröffentlicht.

no words. so heartbroken. So sorry to hear the news about Chester Bennington. Gracious, kind & humble. A rare combination in Rock & Roll. Deeply saddened... "When life leaves us blind, love keeps us kind." - Chester Bennington. Rest easy sir.

In der kommenden Woche sollte die neue Tour der Band starten. Geplant war unter anderem ein Auftritt im New Yorker Citi-Field-Baseballstadion mit Bands wie Blink-182 und dem Wu-Tang Clan. Der Veranstalter Live Nation sagte die Konzerte ab und stellte eine Rückerstattung der Kosten für die Tickets in Aussicht.

Chester was one of the kindest men I've had on my show. My heart breaks for his family and friends.

Our heartfelt condolences go out to Chester Bennington’s family, friends, collaborators, and all who have been impacted by his work.

Oh dear God.

Einfluss und Vermächtnis

Das im Jahr 2000 erschienene Debütalbum von Linkin Park, „Hybrid Theory“, wurde allein in den USA mehr als zehn Millionen Mal verkauft. Titel wie „In the End“ und „Crawling“ wurden zu Hits. Auch in Deutschland fuhr die Band immer wieder Chart-Erfolge ein, unter anderem mit dem Stück „Numb/Encore“, das die Musiker gemeinsam mit dem US-Rapper Jay-Z aufnahmen.

Linkin Park wurden Ende der 1990er-Jahre durch eine Mischung aus Nu-Metal, Rock, Rap-Klängen und elektronischen Sounds bekannt und gehören zu den erfolgreichsten Rock-Bands der Welt. Ihr Debütalbum "Hybrid Theory" verkaufte sich mehr als 11 Millionen Mal.

Der Band-Name Linkin Park ist der Überlieferung zufolge eine Verballhornung des Lincoln Parks in Santa Monica. Nach den ersten Nachrichten vom Tod Benningtons bildete sich eine Bürgerinitiative, die die Umbenennung des Parks in Linkin Park forderte.

„Die Musik von Linkin Park hat vielen aus meiner Generation, die sich entfremdet fühlten, dabei geholfen, ihre Stimme und ihre Kraft wiederzufinden“, sagte Sarah Rose, die die Initiative anführt.

Crawling in my skin.These wounds, they will not heal.Fear is how I fall.

Mit seiner Band zählte Chester zu den Pionieren des Nu Metal. Doch er war mehr als ein Genre-Vertreter! Seine Texte berührten Millionen von Menschen, seine Stimme fuhr uns durch Mark und Bein - ob leise, oder laut. Lange Zeit kämpfte Chester Bennington mit der Depression. Er sprach oft und offen über seine Krankheit und versuchte sie in seinen Songs zu verarbeiten - vergebens.

2024 wäre Chester Bennington 49 Jahre alt geworden.

Bennington also commented on the meaning of “Crawling” by stating it was inspired by his own battles with substance abuse.

Die Rolle der Selbstkontrolle bei Suizidalität

Zunächst möchte ich anmerken, dass suizidales Verhalten weitaus komplexer und tiefer verwurzelt ist, als meine folgenden Darstellungen. Ich kannte Chester auch nicht persönlich, daher kann ich nicht beurteilen wie es um seine Selbst-Kontrolle tatsächlich stand und was seinem Suizid zugrundeliegt.

Nichtsdestotrotz habe ich seine Songzeile von damals mit aktueller psychologischer Forschung abgeglichen. Wieso? Self-Control als psychologisches Konzept ist eine Thematik mit welcher ich mich aufgrund meines Studiums (Self-control spielt eine sehr große Rolle in der Psychologie) als auch aufgrund meiner Berufswahl (Self-Control ist auch für SpitzensportlerInnen extrem entscheidend) sehr vertiefend auseinandergesetzt habe.

Ob ein Mangel an Self-Control (Anmerkung: self-control wird auch in wissenschaftlichen Abhandlungen auch Synonym mit Selbstregulation, Selbstdisziplin bzw. Ganz ehrlich, viel gefunden habe ich nicht, doch immerhin etwas: Die Fachzeitschrift Deviant Behaviour veröffentlichte 2016 eine Studie von Stacey Nofziger von der University of Akron. In ihrer Studie untersuchte sie die Rolle der Selbstkontrolle auf die Vorhersagekraft von Suizid.

Die Studie konnte zeigen, dass ein Mangel Selbstkontrolle unabhängig von Depressionen (wurde dabei teststatistisch kontrolliert) suizidale Tendenzen bei Kindern und Jugendlichen verstärkt. Erwachsene wurden nicht untersucht. Zu diesen suizidalen Tendenzen zählen suizidale Gedanken sowie suizidales Verhalten. Und diese Tendenzen sind häufige Vorboten vom tatsächlichen Selbstmord.

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