Kräuter gegen depressive Verstimmung: Wirkung und Anwendung

Viele Menschen durchleben im Laufe ihres Lebens Phasen der Traurigkeit oder des Energiemangels. Es ist wichtig zu beachten, dass diese vorübergehenden Zustände nicht mit einer klinischen Depression zu verwechseln sind. Eine Depression ist eine ernsthafte Erkrankung, die professionelle Hilfe erfordert.

Als Paracelsus 1525 schrieb, das „Sanct Johanniskraut“ helfe gegen Fantasien, die den Menschen in Verzweiflung bringen, deutete er bereits die antidepressive Wirkung des Johanniskrautes an.

Johanniskraut: Das Sonnenkraut gegen Trübsal

Jetzt beginnt das Johanniskraut zu blühen. Das Johanniskraut ist eine Pflanze des Mittsommers und beginnt um den Johannistag, den 24. Juni zu blühen. Das Johanniskraut wurde daher seit jeher mit der Sonne assoziiert. In den Augen der Germanen besaß die Sonne die Macht, alles Dunkle und Kranke zu bannen. Das irdische Pendant des leuchtenden Himmelskörpers sahen sie im Johanniskraut.

Das Johanniskraut ist eine Pflanze der sonnigen Hänge und trockenen Wiesen. Es wächst auch an Waldrändern und in lichten Waldwiesen in ganz Europa. Mit seinen leuchtend goldgelben Blüten zählt es sicher zu den schönsten Pflanzen unserer Flora.

Die Zauberpflanze Johanniskraut

Pflanzen, die zur Sommersonnenwende zu blühen beginnen, galten in früheren Zeiten nicht nur als besonders heil-, sondern vor allem auch als zauberkräftig. Der rote Saft, der beim Zerdrücken der Blüten austritt, wurde als Blut Christi oder auch als das Blut des enthaupteten Johannes, des Täufers, gedeutet. So ein „Blutkraut“ musste dem Teufel besonders zuwider sein. Teufelsbanner, Teufelsfuchtel waren daher auch Namen für das Johanniskraut.

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Der Glaube an die antidämonische Kraft der Pflanze spiegelt sich auch in vielen Sagen wider. Fast immer handelt es sich dabei um brave Mädchen, die den Verführungskünsten des Teufels fast erlegen waren. Doch wenn der Böse kam, um sie zu holen, verlor er seine Macht, wenn sich die unglückliche Maid auf einen Buschen Johanniskraut setzte.

Anwendung und Wirkung von Johanniskraut

In der Volksmedizin wird das Johanniskraut schon lange gegen seelische Probleme wie Schwermut, Melancholie und Niedergeschlagenheit verwendet. Aber auch gegen Bettnässen der Kinder, Schüchternheit und Alpträume wird es empfohlen. Eine moderne Volkskrankheit ist „Mobbing“. Auch wenn man am Ärger mit dem Chef oder manchen Kollegen erkrankt, kann das Johanniskraut nervenstärkenden Beistand leisten.

Das Johanniskraut gehört zu den bestuntersuchten Heilpflanzen und seine stimmungsaufhellende Wirkung konnte auf Grund vieler klinischer Studien bestätigt werden. Man kennt zwar die verschiedenen Inhaltsstoffe, doch wie bei allen Heilpflanzen ist es die Gesamtheit der Wirkstoffe, die die tatsächliche Wirkung ausmacht. Die Wissenschaft sieht aber im Vordergrund der relevanten Wirkung den roten Farbstoff Hypericin und das Hyperforin, auch wenn neuerdings vermutet wird, dass auch Flavonoide wie Rutin und Xanthone an der Wirkung beteiligt sind. Daher werden moderne Fertigpräparate auf diese beiden Wirkstoffe hin standardisiert.

Bestätigt ist, dass die Wirkstoffe des Johanniskrautes eine starke Auswirkung auf die Bildung der Botenstoffe im Gehirn haben. Untersuchungen depressiver Menschen ergaben, dass bei ihnen ein Defizit an bestimmten Botenstoffen besteht: Dopamin-Mangel erzeugt Antriebslosigkeit, Noradrenalin-Mangel führt zu Entschlusslosigkeit und Serotonin-Mangel ist die Hauptursache von depressiven Verstimmungszuständen.

Die Wirkstoffe des Johanniskrautes führen dazu, dass die Bildung dieser wichtigen stimmungsaufhellenden Botenstoffe im Gehirn nicht gebremst wird. Somit konnte wissenschaftlich bestätigt werden, was die Volksmedizin aus der Erfahrung schon immer wusste: Johanniskraut hat eine positive Wirkung bei leichten bis mittelschweren Depressionen, Angstzuständen, nervöser Unruhe und nervös bedingter Schlaflosigkeit.

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Tee oder Fertigpräparat?

In der Medizin ist seit jeher die Verwendung von Johanniskraut als Tee üblich gewesen. Dazu verwendet man das blühende Kraut und der Tee wird im Aufguss zubereitet (zehn Minuten ziehen lassen). Da man aber nunmehr die Wirkung primär einzelnen Wirkstoffen zuschreibt, ist man dazu übergegangen, Fertigpräparate (in Form von Kapseln, etc.), die auf einen bestimmten Wirkstoffgehalt von Hypericin oder Hyperforat hin standardisiert werden, anzubieten. Dies hat zu bislang unbekannten Nebenwirkungen geführt, da es zu Interaktionen mit anderen Medikamenten kommen kann.

Hoch dosiertes Johanniskraut führt zur Bildung von Abbauenzymen in der Leber, die Abbaurate einer Vielzahl von Wirkstoffen steigt somit an und sie können ihre Wirkung verlieren. Man sollte also auf Johanniskrautpräparate verzichten, wenn man hormonsubstituierende Medikamente verwendet und auch bei der Anti-Baby-Pille könnte es zu Störungen führen. Es bestehen auch Wechselwirkungen mit bestimmten Aids-Medikamenten, Antibiotika, und einigen Antidepressiva.

Auch Immunsuppressiva, die zum Beispiel nach Transplantationen verwendet werden müssen, um die Abstoßungsreaktionen des Körpers zu verhindern, können in ihrer Wirkung gestört werden. Weiters gibt es Wechselwirkungen mit bestimmten Herzglykosiden, thrombosevorbeugenden Medikamenten des Cumarintyps und auch anderen Medikamenten. Man sollte sich also in der Apotheke oder vom Arzt beraten lassen, wenn man frei verkäufliche Johannispräparate einsetzen will.

Ob diese Wechselwirkungen auch bei der Anwendung des Tees, der ja eher niedrig dosiert ist, zu befürchten sind, ist wissenschaftlich noch nicht abgeklärt. Exakte Studien gibt es nur über einen Zeitraum von 14 Tagen, wo es zu keinen Abbaureaktionen in der Leber kam.

Hilfe gegen Winterdepression

Die seit je her bekannte Nebenwirkung des Johanniskrautes, nämlich lichtempfindlich zu machen, ist eigentlich ein Teil seiner tatsächlichen Wirkung. Licht ist eine essenzielle Energiequelle für die Nerven. Wer zu wenig aus dieser Quelle schöpfen kann, weil das Lichtangebot durch anhaltend trübe Witterung, finstere Winterzeit oder künstlich beleuchtete Räume vermindert ist, wird sicher leichter trübsinnig oder depressiv.

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Hier hilft das Johanniskraut, durch seine „Nebenwirkung“, die Lichtstrahlen besser auszuwerten und in Bildung von positiven Botenstoffen wie Serotonin im Gehirn umzusetzen. Das ist auch der Grund, weshalb Hypericum-Präparate vor allem gegen die Winterdepression empfohlen werden. Daher sollte man in einem sonnenstrahlenden Sommertag nicht ohne Sonnenhut ins Freie gehen, wenn man Johanniskrauttee trinkt oder auch Fertigpräparate schluckt.

Johanniskrautöl für Massage

Wenn man die Johanniskrautblüten in Öl ansetzt (die Blüten in ein Glas geben, mit Distel- oder Olivenöl bedecken und drei Wochen in der Sonne stehen lassen, dann abfiltern und in dunkle Fläschchen abfüllen) färbt es sich leuchtend rot. Dieser Ölauszug bringt dann sozusagen Sonnenkraft, sprich Wärme und Durchblutungsförderung ins Gewebe. Johanniskrautöl ist ein fantastisches Massageöl für alle Muskelschmerzen, vor allem für Verspannungen der Rückenmuskulatur und auch zur Nachbehandlung von Prellungen und Zerrungen.

Johanniskrautöl kann, da es ebenfalls lichtempfindlich macht, vor einem Sonnenbad aufgetragen, mit Sicherheit zu einem Sonnenbrand führen.

Weitere Heilpflanzen zur Stimmungsaufhellung

Neben Johanniskraut gibt es auch andere Heilpflanzen, die bei depressiven Verstimmungen unterstützend wirken können:

  • Königskerze: Sorgt für gute Laune und hellt Gedanken und Stimmung auf.
  • Lindenblüte: Wirkt beruhigend und entspannend, kann bei Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit helfen.
  • Mariendistel: Die Samen können geröstet und über das Müsli gestreut werden, um die Stimmung zu heben.
  • Rosmarin: Das Einreiben der Fußsohlen mit Rosmarinöl sorgt für einen fitten Start in den Tag.

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Auch in der chinesischen traditionellen Medizin hat die Lilie eine lange medizinische Geschichte, zum Teil spezifisch zur Behandlung von Depressionen.

Manche Lilienarten, wie beispielsweise die aus der westlichen Naturheilkunde bekannte Traubensilberkerze (Cimicifuga), enthalten eine dem Glückshormon Serotonin ähnliche Substanz, das Methylserotonin.

Zur Behandlung der Depression wird in der TCM häufig die Lilie mit anderen Kräutern kombiniert. In dieser Studie wurden die Samen der Wilden Dornkirsche, auch Stacheljujubesamen oder Brustbeerbaumsamen genannt, in einer Mischung mit Lilienknolle, untersucht.

Die Studie fand, dass der Kräuterextrakt aus der Lilienpflanze mit dem Ziziphi spinosae-Samen die Symptome der chronisch depressiven Ratten verbesserte. Die Genussfähigkeit der Tiere steigerte sich: so konsumierten alle behandelten Ratten mehr Zucker als nach der Stressphase. Die unbehandelten Tiere dagegen blieben desinteressiert gegenüber den Süßigkeiten.

Die Wirkung der Kräutermedizin war dabei vergleichbar zur Fluoxetinbehandlung. Auch im offenen Feld zeigten die behandelten Ratten offenbar ihre verbesserte Stimmung und rannten mehr umher als die Kontrolltiere.

Infolge der Behandlung mit sowohl Fluoxetin als auch dem Kräuterextrakt erhöhte sich auch die Konzentration sowohl an 5-HT als auch 5-HIAA in Blut beziehungsweise Gehirn der behandelten im Vergleich zu den unbehandelten Tieren.

Damit demonstrierten die Wissenschaftler in dieser kleinen Studie, dass zumindest bei depressiven Ratten die TCM-Behandlung mit Extrakten aus der Lilienknolle und den Ziziphi spinosae-Samen durchaus mit der klassischen Antidepressiva-Behandlung mithalten konnte.

Weitere Heilpflanzen und ihre Wirkung

Eine Auswahl weiterer Heilpflanzen, die bei depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen eingesetzt werden können:

  • Baldrian: Fördert die Schlafbereitschaft und verkürzt die Einschlafdauer.
  • Hopfen: Wirkt schlaffördernd, beruhigend und krampflösend.
  • Lavendel: Hilft bei Einschlafstörungen und Unruhezuständen.
  • Melisse: Beruhigt, löst Stresszustände und hilft bei nervösen Magen- und Darmstörungen.
  • Passionsblume: Wirkt leicht beruhigend, fördert die Schlafbereitschaft und ist krampflösend.
  • Ginseng: Hilft bei depressiven Verstimmungen oder Erschöpfungszuständen und wirkt angstlösend.

Adaptogene Heilpflanzen

Adaptogene Heilpflanzen wie Rosenwurz, Ginseng und Taigawurzel können vorbeugend eingenommen werden, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress zu steigern und dessen negative Folgen zu lindern.

Besonders die Rosenwurz hat in der europäischen Heilkunde eine lange Tradition als adaptogene Heilpflanze. Der antidepressive Effekt kann durch eine hemmende Wirkung auf MAO-A und MAO-B erklärt werden.

Schlafbeere (Ashwagandha)

Die Wurzel der Schlafbeere (Withania somnifera) ist ein sehr beliebtes Heilmittel im Ayurveda und der TCM und hat in diesen traditionellen Heilsystemen eine entsprechend lange Tradition. Doch anders als Ginseng wirkt die Schlafbeere nicht nur adaptogen, sondern auch beruhigend. Man kann diese deshalb auch bei Schlaflosigkeit, Angsterkrankungen und Unruhe einsetzen.

Zusammenfassung klinischer Studien

Affektive Erkrankungen und Angststörungen zählen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen weltweit. Psychopharmakotherapie und Psychotherapie repräsentieren die Hauptpfeiler in der Behandlung psychisch Erkrankter, wobei unzureichendes Therapieansprechen und Therapieabbrüche leider nicht unüblich sind.

Tatsächlich wird jedoch pflanzlichen Substanzen in der medizinischen Versorgung von Depressionen und Angststörungen meist nur ein sehr geringer bis gar kein Stellenwert eingeräumt.

Ein systematischer Cochrane Review von Linde et al., in welchem die Ergebnisse von 29 randomisierten, doppelblinden Studien mit Hypericum perforatum bei Major Depression zusammengefasst wurden, zeigte jedoch, dass Hypericum-Extrakte bei Depression Placebo überlegen und ebenso wirksam wie Standard-Antidepressiva mit weniger unerwünschten Nebenwirkungen sind.

Unter Einbeziehung aktueller Studien wurde in einer 2010 publizierten Übersichtsarbeit die überlegene antidepressive Wirkung von Hypericum perforatum im Vergleich zu Placebo sowie eine vergleichbare Wirkung bei besserer Tolerabilität im Vergleich zu synthetischen Antidepressiva bei leichter bis mittelgradiger Depression erneut bestätigt.

Wichtiger Hinweis

Die hier dargestellten Informationen dienen lediglich der Information und ersetzen keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Apotheker. Bei anhaltenden Beschwerden oder schwerwiegenden Symptomen sollte immer ein Arzt konsultiert werden.

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