Kann man Depression im Blut nachweisen? Aktuelle Forschung und Möglichkeiten

Viele Menschen wissen, dass Serotonin im Blut messbar ist und eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielt. Einige nehmen an, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Serotonin-Wert im Blut und dem Schweregrad ihrer Depression gibt. Doch stimmt das wirklich?

Die Serotonin-Hypothese und ihre Grenzen

Die "Serotonin-Hypothese", die vor etwa 50 Jahren aufgestellt wurde, ist vielen bekannt. Frühere Annahmen, dass Depressionen nur auf einem Serotonin-Mangel beruhen, werden heutzutage jedoch als nicht richtig angesehen. Obwohl Störungen bei der Neurotransmission und neurohormonalen Regulation gezeigt wurden, gelten die ursprünglichen Annahmen als obsolet.

Häufig werden Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) als medikamentöse Therapie bei depressiven Patienten eingesetzt. Serotonin selbst ist ein Hormon und Neurotransmitter, das auch die Blutgerinnung beeinflussen kann. Obwohl viele denken, dass sich Serotonin hauptsächlich im Gehirn befindet, befinden sich beim Menschen etwa 95% im Magen-Darm-Trakt. Serotonin kann man im Serum bestimmen, was bei vielen Patienten zu der Annahme führt, dass man dadurch seine "Depression" bemessen könnte.

Serotonin-Bestimmung im Blut - Wozu dient sie wirklich?

Die Bestimmung des Serotonin-Wertes wird medizinisch bei Verdacht auf einen Karzinoid-Tumor angeordnet. Denn überschüssiges Serotonin, welches von den Thrombozyten nicht aufgenommen wurde, wird zu 5-Hydroxyindolessigsäure (HIES) metabolisiert und über die Niere ausgeschieden. Ein erhöhter HIES-Wert im Urin wird als Hinweis auf einen Karzinoid-Tumor gesehen.

Karzinoide sind Tumore des neuroendokrinen Systems, die übermäßig Serotonin sowie andere hormonartige Stoffe produzieren können, was zum typischen Karzinoid-Syndrom führt. Das häufigste Symptom ist eine "Flush-Symptomatik" (plötzliche rote bis violette Verfärbung von Gesicht, Hals und manchmal des Oberkörper-Bereiches). Ein niedriger Serotonin-Wert hat derzeit klinisch keine Bedeutung. Außerdem kann man den Serotonin-Wert nicht zur Beurteilung des Schweregrades einer Depression nutzen.

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Die Suche nach Biomarkern für Depressionen

In der Forschung sucht man jedoch weiterhin nach möglichen Biomarkern, welche beim Vorliegen einer Depression vorkommen und zur Diagnostizierung einer Depression helfen können. Biomarker sind biologische Merkmale, welche objektiv gemessen werden können und auf eine Unterscheidung zwischen einem normalen und krankhaften biologischen Prozess hinweisen. Diese können Gene, Proteine, aber auch Enzyme oder Hormone sein.

Aktuell untersucht eine Forschungsgruppe an der Universität Innsbruck Blutproben von Patient:innen mit Depressionen, die eine Elektrokonvulsionstherapie (EKT) erhalten. Ziel des Projektes ist es, im Blut sogenannte Biomarker zu finden, sprich messbare Hinweise darauf, wie gut eine Behandlung wirkt. Dabei kommen modernste biomedizinische Analysemethoden zum Einsatz, um Veränderungen im Stoffwechsel und den Immunzellen zu erkennen. Die Ergebnisse werden mit dem psychischen Zustand der Patient:innen verglichen, um besser zu verstehen, wie das Immunsystem und depressive Symptome zusammenhängen.

Studie der MedUni Wien: Bluttest zur Vorhersage der Netzwerkaktivität im Gehirn

ForscherInnen der MedUni Wien haben die Möglichkeit eines Bluttests zum Nachweis einer Depressionserkrankung nachgewiesen. Der Serotonintransporter (SERT) ist ein Protein der Zellmembran, das den Transport des Nervenbotenstoffs Serotonin in die Zelle ermöglicht. Im Gehirn reguliert der Serotonintransporter neuronale Depressionsnetzwerke. Depressive Verstimmungen lassen sich neurochemisch häufig auf einen Mangel an Serotonin zurückführen.

Der Serotonintransporter kommt aber auch in großer Menge in zahlreichen anderen Organen wie dem Darm bzw. Blut vor. Studien der vergangenen Jahre wiesen nach, dass der Serotonintransporter im Blut genauso funktioniert wie im Hirn. Dort sorgt er an Blutplättchen für die notwendige Serotoninkonzentration im Blutplasma.

ForscherInnen der Medizinischen Universität Wien haben nun mittels funktioneller Magnetresonanztomographie des Gehirns und pharmakologischer Untersuchungen nachgewiesen, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Serotoninaufnahmegeschwindigkeit an Blutplättchen und der Funktion eines Depressionsnetzwerks im Gehirn besteht. Dieses Netzwerk wird "Default Mode Network (deutsch: Ruhezustandsnetzwerk)" bezeichnet, weil es vor allem in Ruhe aktiv ist und Inhalte mit starkem Selbstbezug verarbeitet. Erkenntnisse der vergangenen Jahre konnten zudem zeigen, dass es während komplexer Denkaufgaben aktiv unterdrückt wird, was unabdingbar für eine ausreichende Konzentrationsleistung ist.

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„Dies ist die erste Studie, die die Aktivität eines bedeutenden Depressionsnetzwerkes im Gehirn mittels eines Bluttests vorhersagen konnte. Während Bluttests für psychische Erkrankungen bis vor kurzem noch für unmöglich gehalten wurden, zeigt diese Studie deutlich, dass ein Bluttest zur Depressionsdiagnostik prinzipiell möglich und in greifbarer Nähe ist“, erklärt Studienleiter Lukas Pezawas von der Abteilung für Biologische Psychiatrie an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien.

Objektivierung der Diagnose durch Bluttests?

Die Diagnose einer Depression basiert derzeit auf der subjektiven Schilderung der Symptome durch den Patienten und der Einschätzung des Arztes. Dies kann zu einer verzögerten Diagnose und einer erschwerten Behandlung führen. Ein objektiver biologischer Test könnte hier Abhilfe schaffen.

Eine Studie der Northwestern University in Chicago untersuchte 64 Probanden, von denen 32 an einer Depression erkrankt waren. Im Blut der Depressiven und nicht Depressiven zeigten sich vor der Behandlung deutliche Unterschiede bei neun Biomarkern. Am Ende waren die Unterschiede nur noch bei drei davon messbar, und zwar dann, wenn die Therapie gewirkt hatte. Laut den Forschern macht das deutlich, dass bestimmte Anlagen eine Rolle spielen - sie bleiben auch dann bestehen, wenn die Patienten gesund sind. Zudem lieferte das Blutbild laut Studie auch Anhaltspunkte dafür, ob ein Betroffener auf eine Therapie ansprechen wird.

Ein solcher Test wäre sehr wünschenswert, um die Wirksamkeit einer Therapie zu überprüfen und den Krankheitsverlauf zu erfassen. Wohlbefinden oder depressive Stimmung? Das Auftreten jedes Menschen wird nach diesen Parametern bewertet, allzu oft entscheidet es über Erfolg oder Misserfolg.

Allerdings betonte Lukas Pezawas von der MedUni Wien, dass es noch eine Weile dauern wird, bis ein praxistauglicher Test verfügbar ist: "Die Depression ist - wie viele andere - eine Erkrankung mit heterogenen biologischen Ursachen. Derartige Studien können nur statistische Zusammenhänge ausmachen, die dann erst auf die Einzelperson umgelegt werden müssen." Das heißt unter anderem, sobald man einen Indikator gefunden hat, muss man noch sämtliche andere Einflüsse untersuchen, zum Beispiel den der Lebensführung.

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Fazit

Obwohl die Serotonin-Bestimmung im Blut nicht zur Diagnose oder Beurteilung des Schweregrades einer Depression geeignet ist, gibt es vielversprechende Forschungsansätze zur Entwicklung von Bluttests, die auf anderen Biomarkern basieren. Diese könnten in Zukunft eine objektivere und schnellere Diagnose ermöglichen und die Behandlung von Depressionen verbessern.

Überblick über die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen von Bluttests bei Depressionen
Aspekt Aktuelle Situation Zukunftsperspektiven
Serotonin-Bestimmung Nicht geeignet zur Diagnose oder Beurteilung des Schweregrades einer Depression Keine
Biomarker-Forschung Laufende Forschung zur Identifizierung von Biomarkern im Blut, die mit Depressionen in Verbindung stehen Möglichkeit einer objektiveren und schnelleren Diagnose
Bluttests zur Vorhersage der Netzwerkaktivität im Gehirn Erste Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse Entwicklung von Bluttests zur Vorhersage des Therapieerfolgs

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