Für Menschen, die an Schizophrenie leiden, ist die konsequente Einnahme von Medikamenten enorm wichtig. Täglich eine Tablette einzunehmen empfinden viele als mühsam, die Therapietreue sinkt. Aber: "Oft genug passiert das nicht, und das ist eines der größten Hindernisse in der Versorgung", weiß Leslie Citrome, Psychiater am New York Medical College.
Symptome und Behandlungsziele bei Schizophrenie
Bei einer Schizophrenie kommt es zu Phasen von akuten Psychosen. In diesen nehmen Betroffene ihre Umwelt und auch sich selbst anders wahr als sonst. Sie hören zum Beispiel Stimmen oder fühlen sich verfolgt. Ungefähr einer von 100 Menschen erkrankt im Laufe des Lebens an einer Schizophrenie. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen daran.
Typische Symptome der Schizophrenie
- Halluzinationen: Wahrnehmung von etwas, das in der Realität nicht da ist.
- Wahn: Fehlbeurteilung der Wirklichkeit, die zu festen Überzeugungen führt.
- Beeinträchtigung der Sprache: Schwierigkeiten, Sätze richtig zu formulieren.
- Denkstörungen: Durcheinanderes und wirres Denken.
- Ich-Störung: Gefühl, dass andere Menschen das Erleben und Denken steuern oder Gedanken lesen.
- Bewegungsauffälligkeiten: Zilloser Bewegungsdrang oder Erstarren in ungewöhnlichen Körperhaltungen.
- Auffällige Gefühle: Innere Leere, fehlende Gefühle oder depressive Verstimmung.
- Eingeschränkte Denkleistung: Gestörte Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis.
- Sozialer Rückzug: Starker Rückzug vom sozialen Leben.
Neben mangelnder Adhärenz, reduzierter Krankheitseinsicht und Dauer der unbehandelten Psychose stellen Negativsymptome und kognitive Störungen wichtige Prädiktoren für die Rückfallhäufigkeit bei Schizophrenie dar.
Negativsymptome und kognitive Beeinträchtigungen
Negativsymptome und kognitive Beeinträchtigungen sind ein zentrales Merkmal der Schizophrenie. In den letzten Jahrzehnten hat das Interesse an Negativsymptomen und Kognition zugenommen. Eine moderne klinische Testung mit für diese Symptomatik spezifischen Messmethoden trägt zu einer angemessenen Diagnostik bei. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass die Negativsymptomatik und die Kognition das psychosoziale Funktionsniveau, das Funktionieren im realen Leben, stark beeinträchtigen, insbesondere wenn sie primär und anhaltend sind. Trotz der Therapie der Schizophrenie mit Antipsychotika stellen Beeinträchtigungen der Alltagsfunktion immer noch ein großes Behandlungsproblem dar. Die Therapie der Negativsymptome und der Kognition ist zu einem vorrangigen Behandlungsziel bei Schizophrenie geworden.
Im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen DSM‑5 zählt die Negativsymptomatik zu den charakteristischen Symptomen der Schizophrenie. Das Konzept der Negativsymptome wird in den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Psychiatrie (European Association of Psychiatry, EPA) umfangreich dargestellt. Als einzelne Bereiche werden Avolition, Affektverflachung, Asozialität und Alogie definiert.
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Es kann zwischen primären und sekundären Negativsymptomen unterschieden werden. Primäre Negativsymptome sind durch den schizophrenen Krankheitsprozess bestimmt. Sekundäre Negativsymptome können depressive Symptome sein, Nebenwirkungen von Antipsychotika oder psychotische Symptome. Sie können auch durch soziale Deprivation und Substanzgebrauch verursacht sein. Bei fortbestehender Negativsymptomatik sind zuerst sekundäre Negativsymptome auszuschließen.
Kognitive Störungen sind ein zentrales Merkmal der Schizophrenie. „Kognitive Defizite bei Schizophrenie sind häufig und stehen in engem Zusammenhang mit beruflichen und funktionellen Beeinträchtigungen. Diese Defizite können folgende Bereiche betreffen: deklaratives Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Sprachfunktionen und exekutive Funktionen sowie die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit. Diese Beeinträchtigungen bleiben häufig auch dann bestehen, wenn Positivsymptome abgeklungen sind.
Medikamentöse Behandlung der Schizophrenie
Zur Behandlung der Schizophrenie können - je nach Form und Ausprägung der Symptome - unterschiedliche Medikamentengruppen zum Einsatz kommen:
- Neuroleptika (Antipsychotika): Sie reduzieren Spannungs- und Angstzustände, Wahnvorstellungen und Halluzinationen.
- Atypische Neuroleptika: Diese wirken besser und haben weniger Nebenwirkungen.
- Antidepressiva: Sinnvoll bei Schizophrenie-Patienten, die gleichzeitig depressiv gestimmt sind.
- Beruhigungsmittel (Benzodiazepine): Können bei belastender Unruhe und Schlafstörungen vorübergehend helfen, sollten aber wegen des Abhängigkeitsrisikos nur kurzfristig eingesetzt werden.
Antipsychotika: Atypische vs. typische Substanzen
Für die antipsychotische Wirkung ist eine Blockade von Dopamin-D2-Rezeptoren im zentralen Nervensystem für typische wie für atypische AP obligat. Typische Substanzen gehen mit dem Risiko einher, abhängig von ihrer dopaminergen Wirksamkeit unerwünschte extrapyramidal-motorische Symptome (EPS) zu verursachen.
Die atypischen AP unterscheiden sich in ihrem Rezeptorprofil und somit auch hinsichtlich ihrer unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die besondere therapeutische Wirkung von kombinierten D2-/5-HT2A-Blockern wird als Folge einer Blockade sowohl limbischer D2-Rezeptoren als auch kortikaler 5-HT2-Rezeptoren angesehen. Man vermutet, dass die kortikale 5-HT2-Blockade im präfrontalen Cortex zu einer höheren D1-Aktivierung führt, die sich positiv auf die Negativsymptomatik und die kognitiven Funktionen auswirkt.
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Antipsychotika zeigen eine deutliche Wirkung bei den Positivsymptomen der Schizophrenie. Vergleichsweise schwächer sind die Auswirkungen auf Negativsymptome und kognitive Defizite. Im Allgemeinen werden von einem Antipsychotikum folgende Eigenschaften erwartet, um eine bestmögliche kognitive Funktion zu erreichen: ein geringes anticholinerges Potenzial, eine geringe EPS-Inzidenz und ein geringes Sedierungspotenzial. Antipsychotika mit diesen Eigenschaften sind in der Regel solche mit hoher 5‑HT2A-Affinität und einer dopaminergen Aktivität im präfrontalen Kortex.
Aripiprazol
Aripiprazol ist Vertreter der Antipsychotika der dritten Generation. Die Ergebnisse der ESCAPE-Studie zeigten die Wirksamkeit von Aripiprazol auf verbale Fähigkeiten. Dieses wurde auf seinen partiellen D2- und 5‑HT1A-Agonismus zurückgeführt.
Cariprazin
Cariprazin hat ein spezifisches Rezeptorprofil. Eine Metaanalyse von 21 Studien (n = 3451) ergab, dass bei prädominanter Negativsymptomatik (ohne relevante Positivsymptome, die das Ergebnis beeinflussen können) lediglich niedrig dosiertes Amisulprid signifikant besser war als Placebo, Olanzapin besser war als Haloperidol und Cariprazin signifikant besser war als Risperidon. Die Wirkung von Cariprazin auf die Negativsymptomatik und die kognitive Beeinträchtigung könnte mit seiner D3-antagonistischen und partiellen D3-agonistischen Aktivität zusammenhängen, die möglicherweise dopamininduzierte kortikal-striatale Anomalien stabilisiert.
Depotmedikation
Jenes Medikament, das sich in der Akuttherapie bewährt hat, sollte zur Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe verwendet werden. Dieser Umstand muss bei der Auswahl des Antipsychotikums für die Akutbehandlung berücksichtigt werden. Medikamentenwechsel sind mit Rezidivrisiken verbunden. Für die Langzeittherapie ist das Nebenwirkungsprofil von besonderer Bedeutung, weshalb atypischen AP der Vorzug gegeben werden soll. Das Risiko metabolischer Veränderungen sollte sehr ernst genommen werden.
Gerade nach der Erstmanifestation einer Schizophrenie ist die Beeinflussung des Verlaufs durch eine Depotmedikation sinnvoll, hier sind die Unterschiede in der Wirkung zwischen Depot-Therapie (Rückfallrate nach einem Jahr: acht Prozent) und oraler Gabe derselben Substanz (Rückfallrate nach einem Jahr: 50 Prozent) offenbar besonders stark. In Österreich sind Risperidon, Paliperidon (Ein-Monats- Injektion sowie Drei-Monats-Injektion), Aripiprazol und Olanzapin als atypische AP in Depotform erhältlich.
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Nebenwirkungen von Antipsychotika
- Frühdyskinesien
- Parkinsonoid
- Akathisie, Tasikinesie
- Spät- oder tardive Dyskinesie (TD)
- Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS)
- Endokrinologische Nebenwirkungen
- Antiadrenerge Nebenwirkungen
- Antihistaminerge Nebenwirkungen
- Anticholinerge Nebenwirkungen
- Weitere Nebenwirkungen: Erhöhungen der hepatischen Transaminasen, Cholestase und Ikterus, eine erhöhte Thrombosegefahr, ein generalisiertes Exanthem, Pigmenteinlagerungen an der Haut und Fotosensibilisierung, Eintrübungen von Hornhaut und Linse (Katarakt), Pigmenteinlagerungen an der Netzhaut sowie Kardiomyopathien unter Clozapin.
Arzneimittelinteraktionen
Arzneimittelinteraktionen treten bei typischen Neuroleptika und atypischen AP auf und sind immer dann zu bedenken, wenn zwei Substanzen eingenommen werden, die vom gleichen Isoenzym metabolisiert werden, es also als Substrat benutzen und dadurch langsamer abgebaut werden. Bei Kombinationsbehandlungen von atypischen AP muss insbesondere das Interaktionspotenzial mit diversen SSRIs beachtet werden.
Psychotherapie bei Schizophrenie
Die Psychotherapie gewinnt in der Behandlung der Schizophrenie immer mehr an Bedeutung. Sie kann sich langfristig positiv auf den Verlauf der Krankheit auswirken. Meist wird eine kognitive Verhaltenstherapie gewählt. Wichtige Elemente der psychotherapeutischen Behandlung sind:
- Abbau von Ängsten durch Informationen
- Umgang mit Stress und belastenden Situationen
- Verarbeitung beängstigender Erlebnisse
- Frühwarnzeichen erkennen
Unterstützung nach dem Klinikaufenthalt
Nach einem stationären Aufenthalt brauchen die Erkrankten meist auch zu Hause Unterstützung. Diese Aufgabe übernehmen Sozialpädagogen. Sie helfen den Betroffenen, sich im Alltag wieder zurechtzufinden.
Besondere Schwierigkeiten bereiten vielen Patienten und Patientinnen, dass ihre Konzentrationsfähigkeit, ihr Arbeitsgedächtnis und die Fähigkeiten, vorauszuplanen, durch die Krankheit leiden. Dann hilft eine kognitive Rehabilitation. Sie arbeitet mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen sowie einem speziellen Training am Computer. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Wiedereinstieg in den Beruf. Außerdem werden Krankheitseinsicht und Therapietreue gestärkt.
Fallbeispiel: Herr Markus D.
Herr Markus D., ein 52-jähriger Patient mit bekannter Schizophrenie, wurde im Juni 2021 auf Cariprazin-Monotherapie umgestellt. Unter dieser Medikation kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Antriebsstörung und Motivation. Er verbesserte sich auch in der Konzentrationsfähigkeit, sodass er erneut Stellenbewerbungen verfasste und Vorstellungsgespräche absolvierte. Die Planungsfähigkeit nahm zu, er konnte familiäre Verpflichtungen und Alltagsaufgaben besser bewältigen.
Die Negativsymptomatik verbesserte sich deutlich. Es kam besonders in den Bereichen Affekt und Avolition zu einer deutlichen positiven Veränderung (Tab. 1). Der Patient äußerte im Rahmen der Kontrolluntersuchung, dass er sich insgesamt motivierter fühle, soziale Kontakte zu haben. Er könne seine Gefühle besser erkennen und zum Ausdruck bringen. Er habe mehr Energie. Er könne seine Alltagsaktivitäten besser bewältigen und freue sich, zu einem Vorstellungsgespräch bezüglich einer beruflichen Tätigkeit eingeladen worden zu sein.
| Bereich | Vor Therapie | Nach 6 Monaten Therapie |
|---|---|---|
| Affekt | [Wert vor Therapie] | [Wert nach Therapie] |
| Avolition | [Wert vor Therapie] | [Wert nach Therapie] |
| Gesamtwert Negativsymptomatik | [Wert vor Therapie] | 9 (Cut-off-Wert: 7) |
Im Screeningtest zur Kognition (SCIP-G) fand sich zu Beginn der Behandlung mit Cariprazin ein Gesamtwert von 62 Punkten. Der Gesamtwert für die Kognition lag nach der Therapie bei 76. Es zeigte sich vor allem eine deutliche Besserung in den kognitiven Bereichen Arbeitsgedächtnis (Verbesserung von 17 Punkten auf 23) und verbale Sprachfertigkeit (Verbesserung von 6 Punkten auf 12 Punkte) (Tab. 2).
| Kognitiver Bereich | Vor Therapie | Nach Therapie |
|---|---|---|
| Gesamtwert Kognition | 62 | 76 |
| Arbeitsgedächtnis | 17 | 23 |
| Verbale Sprachfertigkeit | 6 | 12 |
| Verbales Lernen | 25 | [Wert nach Therapie] |
| Verzögertes Lernen | 6 | [Wert nach Therapie] |
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