Psychische Auswirkungen nach Abtreibung: Eine umfassende Analyse

Die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft ist für viele Frauen sehr schwer zu treffen. Manchmal kommt dann auch die Angst hinzu, dass eine Abtreibung gesundheitliche und / oder psychologische Folgen haben könnte:Schadet eine Abreibung meinem Körper?Kann ich wieder schwanger werden?Werde ich darunter leiden?Es ist ganz natürlich, dass Ängste oder beunruhigende Gedanken hochkommen, wenn etwas Unerwartetes oder Ungewolltes eintritt und frau nicht weiß, was auf sie zukommen wird.

In der Forschung gilt das Thema als besonders kontrovers: Kann eine Abtreibung die seelische Gesundheit von ungewollt Schwangeren schützen? Oder gibt es einen Zusammenhang zwischen Abtreibung und psychischen Folgeproblemen bei Frauen? Dazu nimmt eine Studie des Wiener Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) Stellung.

Im Rahmen eines 12-monatigen Forschungsprojektes analysierte ein interdisziplinäres Wissenschaftsteam relevante Übersichtsarbeiten und Einzelstudien, die zwischen 2008 und 2018 erschienen sind und sich mit Schwangerschaftsabbruch und psychischen Gesundheitsfolgen befassen. Laut Kummer wolle man mit dieser „umfassenden Analyse relevanter Studien" dazu beitragen, "die Debatte um die psychischen Folgen nach Abtreibung auf eine sachliche Ebene zu heben“.

Die Ängste der Frau werden oft von Abtreibungsgegner verwendet, um gegen Schwangerschaftsabbrüche zu wetteifern. Vor allem das Post-Abortion-Syndrom (PAS) wird gerne als Grund verwendet, um Frauen eine Abtreibung auszureden. Jedoch ist die Existenz dieses Syndroms nicht medizinisch anerkannt. Es wird somit weder im ICD-11 der WHO (Internationale Klassifikation der Krankheiten von der Weltgesundheitsorganisation) noch im DSM-5 der APA (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders von der American Psychological Association) als Störung klassifiziert. Ebenso wurden in mehreren Metaanalysen (wissenschaftliche Übersichtarbeiten) bestätigt, dass dieses Syndrom nicht existiert.

Uneinheitliche Studienlage und methodische Herausforderungen

„Die Studienlage stellt sich als uneinheitlich dar“, erklärt IMABE-Direktorin und Co-Autorin Susanne Kummer. „Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen“, erklärt der Pharmakologe und Internist Johannes Bonelli. Dabei werden Stärken und Schwächen der einzelnen Publikationen aufgezeigt.

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Als übereinstimmende Erkenntnis fällt auf, dass es keine wissenschaftlich valide Methode gibt, um einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen einer Abtreibung und späteren psychische Folgen sicher auszuschließen oder nachzuweisen. „Wir haben da ein methodisches Problem: Man müsste, so wie etwa bei einer Medikamentenprüfung, eine Gruppe von Frauen mit völlig gleichen Voraussetzungen und nach dem Zufallsprinzip entweder einer ‚Abtreibungsgruppe‘ oder einer ‚Geburtsgruppe‘ nach ungeplanter/ungewollter Schwangerschaft zuweisen, ohne dass die Frau oder der Arzt wissen, wer welcher Gruppe zugeordnet wurde.

Die Rolle von Störfaktoren

Mit dem Begriff Störgrößen (Confounder) bezeichnet man Risikofaktoren, die nur indirekt, aber nicht kausal mit dem untersuchten Ereignis zusammenhängen. Im Falle der Abtreibungsstudien können Störfaktoren praktisch nie ganz ausgeschlossen werden. Dazu gehören:

  • die Heterogenität der zu vergleichenden Frauengruppen;
  • mögliche Voreingenommenheit bei den Studienteilnehmerinnen;
  • eine unzureichende Bewertung der medizinischen Vorgeschichte der Frauen, insbesondere in Bezug auf ihre psychische Gesundheit;
  • die unterschiedlichen Kontexte, in denen ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wurde, und mögliche Verzerrungen bei der Interpretation der Daten, die insbesondere durch die ideologischen Merkmale der Personen oder Institutionen, die die Studie durchgeführt haben, bedingt sind.

Sofern überhaupt eine Kontrollgruppe in einer Studie zur Frage der psychischen Folgen einer Abtreibung vorhanden ist, wird diese als eine dichotome Variable (Schwangerschaft geplant oder nicht geplant, Schwangerschaft gewollt oder nicht gewollt) definiert. So ist das dichotome Begriffspaar ‚ungewollt - ungeplant‘ ambivalent und dynamisch.

Außerdem bewirken vielfältige heterogene Faktoren (sog. ‚Kovarianzen‘), die in einer Studie kaum zu erfassen oder zu berücksichtigen sind, dass viele Studien zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen.

Risikofaktoren für psychische Probleme nach Abtreibung

Die APA Task Force identifizierte (2008) 15 heterogene Risikofaktoren, um jene Frauen zu identifizieren, bei denen nach einer Abtreibung ein höheres Risiko für psychische Probleme besteht:

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  • Abbruch einer gewollten oder sinnvollen Schwangerschaft
  • empfundener Druck von anderen, eine Schwangerschaft zu beenden
  • wahrgenommener Widerstand gegen die Abtreibung durch Partner, Familie und/oder Freunde
  • Mangel an wahrgenommener sozialer Unterstützung durch andere
  • geringes Selbstwertgefühl
  • pessimistischer Ausblick
  • gering wahrgenommene Kontrolle
  • eine Vorgeschichte von psychischen Gesundheitsproblemen vor der Schwangerschaft
  • Gefühle der Stigmatisierung
  • Wahrgenommenes Geheimhaltungsbedürfnis
  • Aussetzung an Anti-Abtreibungs-Streikposten
  • Anwendung von Vermeidungs- und Verleugnungs-Bewältigungsstrategien
  • Gefühle der Verbundenheit mit der Schwangerschaft
  • Ambivalenz über die Abtreibungsentscheidung
  • gering wahrgenommene Fähigkeit, den Schwangerschaftsabbruch vor dem Schwangerschaftsabbruch zu bewältigen

Ergebnisse und Schlussfolgerungen verschiedener Studien

Es findet sich in der Literatur eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Frage nach psychischen Folgen nach Abtreibung beschäftigen. Der Großteil dieser Studien hat einen Evidenzgrad III, wobei vor allem auch Störfaktoren zu wenig bzw.

Einig ist sich ein erheblicher Teil der methodisch gut gemachten internationalen Studien darin, dass ein Schwangerschaftsabbruch mit einem erhöhten Risiko für psychische Gesundheitsprobleme verknüpft ist oder bereits bestehende psychische Probleme verstärkt. So ist eine Abtreibung statistisch gesehen mit einem erhöhten Risiko für Suizide und Suizidversuche, Sucht, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Depression und Angstzustände verbunden. Mehrfach-Abtreibungen und bereits bestehende psychische Vorerkrankungen erhöhen die Risiken statistisch signifikant.

Die IMABE-Studie ergibt zudem, dass die Hypothese, wonach eine Abtreibung einen positiven Effekt auf die Psyche der Frau habe, durch keine wissenschaftlichen Beweise gestützt wird. Die Beendigung einer unerwünschten Schwangerschaft durch Abtreibung reduziere nicht das Risiko für psychische Probleme, sondern erhöhe es.

Vor allem zwei Übersichstarbeiten aus dem Jahr 2008, die unabhängig voneinander von der American Psychological Association (APA) und der Johns-Hopkins-Universität durchgeführt wurden, beschäftigten sich mit dem psychischen Befinden von Frauen nach einer Abtreibung. So konnte festgestellt werden, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine psychischen Probleme verursache.

Laut dem Bericht von APA resultieren die Risikofaktoren für eine psychische Störung eher von der wahrgenommenen Stigmatisierung als von dem Eingriff selbst. Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer psychischen Störung können eine geringe soziale Unterstützung, ein niedriges Selbstwertgefühl, vermeidende Bewältigungsstrategien und vorangegangene psychische Probleme sein.

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Es gibt zwar auch Studien, die besagen, dass das Risiko für eine Depression oder einer Angststörung nach einem Schwangerschaftsabbruch erhöht ist, wobei hier das Ausmaß an sozialer Unterstützung, Bewältigungsstrategien und psychische Vorerkrankungen berücksichtigt werden muss.

David M. Fergusson et al. Ziel der Studie war es, die Zusammenhänge zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und der psychischen Gesundheit im Alter von 15 bis 25 Jahren zu untersuchen. Diejenigen, die einen Schwangerschaftsabbruch hatten, wiesen eine erhöhte Rate an anschließenden psychischen Problemen auf, darunter Depressionen, Angstzustände, suizidales Verhalten und Drogenkonsum.

Das "Post-Abortion-Syndrom"

Der Begriff „Post-Abortion-Syndrom“ sei, so Co-Autor Bonelli, nicht korrekt, da es kein einheitliches Syndrom als Krankheitsbild nach Abtreibung gibt. „Nach einer Abtreibung kann man zwar in einer Reihe von Studien eine Vielzahl von verschiedenen Einzelsymptomen feststellen, die aber nicht im Sinne eines Syndroms als einheitliche Gruppe miteinander auftreten, sondern vielfältig variieren“, erklärt Bonelli.

Die psychischen und psychosomatischen Symptome, die nach einer Abtreibung auftreten können, werden unter dem Begriff „Post Abortion Syndrom“ zusammengefasst.

Mögliche psychische Folgen einer Abtreibung sind auf die traumatischen Erlebnisse zurückzuführen, die oft mit Schwangerschaftsabbrüchen einhergehen. Die mit der Abtreibung einhergehende Stresssituation kann zu posttraumatischen Symptomen führen, die von Betroffenen wie folgt beschrieben werden:

  • Albträume: “Schreckliche Albträume quälen mich seither jede Nacht. Darüber darf ich aber nicht sprechen. Tote Kinder - wohin ich sehe.” (P.S.)
  • Depressionen bis hin zu Selbstmordversuchen: „Das ist ja noch gar nichts“, hatten Arzt und Beraterin gesagt. Dass es doch etwas gewesen war, merkte ich zu spät, als sich mein Kind wie ein Schatten auf meine Seele legte. Das Trauma der Abtreibung zerstörte mein Leben.” (B.G.)
  • Stimmungsschwankungen, Weinkrämpfe, hysterische Anfälle: “Bei jeder Menstruation werde ich an das Kind erinnert und das ganze Theater wiederholt sich: Migräne, Angst, Schmerzen, endloses Weinen! Ich krieg’ s einfach nicht in den Griff.” (H.R.)
  • Angstzustände, Schlaflosigkeit, Schuld- und Reuegefühle, Selbstvorwürfe, Absterben des Gefühlslebens (‘Roboter-Syndrom’): “Ich komme mir wie ein Roboter vor und tue mechanisch meine Arbeit. Mich freuen oder lachen - aber auch weinen kann ich nicht mehr.

Umgang mit den psychologischen Auswirkungen

Eine Abtreibung ist eine bedeutende Entscheidung die viele Emotionen hervorrufen kann. Es ist wichtig die psychologischen Auswirkungen zu verstehen und zu wissen wie man damit umgeht.

Frauen können nach einer Abtreibung eine Vielzahl von Gefühlen erleben. Diese können von Erleichterung und Zufriedenheit bis hin zu Traurigkeit und Schuldgefühlen reichen.

  • Akzeptanz der Gefühle: Erkennen Sie an dass es normal ist nach einer Abtreibung eine breite Palette von Emotionen zu erleben.
  • Sprechen Sie darüber: Gespräche mit einem vertrauenswürdigen Freund Familienmitglied oder Therapeuten können helfen die Emotionen zu verarbeiten.
  • Selbstfürsorge: Achten Sie auf Ihre körperliche und emotionale Gesundheit. Gönnen Sie sich ausreichend Ruhe gesunde Ernährung und Bewegung.
  • Professionelle Unterstützung: Nutzen Sie die Angebote von Beratern und Psychologen die auf post-abortion care spezialisiert sind.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Frauen die ähnliche Erfahrungen gemacht haben kann sehr unterstützend sein.

Die meisten Frauen bewältigen die emotionalen Auswirkungen einer Abtreibung gut und ohne langfristige psychische Probleme. Eine positive Einstellung und die richtige Unterstützung können wesentlich dazu beitragen.

Die psychologischen Auswirkungen einer Abtreibung sind individuell und vielfältig.

Politische und ethische Dimension

Diese Ergebnisse haben nicht nur eine medizinethische, sondern auch eine politische Dimension: So ist in vielen Ländern ein Schwangerschaftsabbruch mit der Begründung straffrei, dass damit ein „schwerer Schaden für die seelische Gesundheit der Schwangeren“ abgewendet werden könne. Auch in Österreich und Deutschland besteht diese Indikation seit nunmehr fast 50 Jahren.

Dem Schwangerschaftsabbruch wird damit ein therapeutischer Benefit (Schutz der psychischen Gesundheit) unterstellt. In der Wissenschaft ist allerdings umstritten, ob ein solcher Effekt hypothetisch ist oder tatsächlich existiert und ob er wissenschaftlich nachweisbar ist.

In Austria, Germany, and Switzerland, legislation allows for late-term abortions if the birth of the child poses a serious threat to the woman’s mental health. Abortion is thus assumed to have a therapeutic benefit: the protection of mental health. Scientifically, however, it is disputed whether such an effect is hypothetical or factual, and whether it can be scientifically proven.

In praktischer Konsequenz schlussfolgern die Forscher, dass betroffene Frauen im Schwangerschaftskonflikt über alternative Angebote (z.B. Adoption) und Hilfen beraten werden sollten, die ihnen ermöglichen, ihr Kind zur Welt zu bringen. Frauen mit psychischen Vorerkrankungen oder bereits mehreren Abtreibungen in der Vorgeschichte stellen eine besondere Risikogruppe dar, die wahrgenommen werden müsse.

Aus Public-Health-Perspektive sollten sich die Bemühungen darauf konzentrieren, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu reduzieren.

Es ist somit wichtig zu beachten, dass jeder Fall individuell ist und dass die psychischen Auswirkungen eines Schwangerschaftsabbruchs von vielen Faktoren abhängen können, einschließlich der Gründe für den Abbruch und der Unterstützung, die die Frau danach erhält.

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