Die Generalisierte Angststörung (GAS) ist vergleichsweise häufig. Im Vergleich zu anderen Angststörungen können hier die Betroffenen ihre Angst nicht konkret bestimmen. Vielmehr sind es viele verschiedene Bedrohungen, die (vermeintlich) überall lauern. So leben die Betroffenen in einer endlosen Spirale aus Sorgen und Ängsten. Hilfe suchen sich sie meist wegen der körperlichen Folgeprobleme wie Schlafstörungen.
Kennzeichnend für die Generalisierte Angststörung ist, dass die Betroffenen die meiste Zeit des Tages von Sorgen verfolgt werden. Sie haben etwa Angst vor Krankheit, Unfällen, Zuspätkommen oder davor, Arbeiten nicht bewältigen zu können. Die negativen Gedanken schaukeln sich auf. Betroffene spielen die befürchteten Szenarien im Kopf immer wieder durch, ohne eine Lösung für das Problem zu finden.
Je länger der Prozess dauert, desto stärker werden die Ängste. Suchen sich Betroffene keine Hilfe, können die Ängste mit der Zeit in immer mehr Lebensbereiche eindringen. Die ständige Anspannung wirkt sich auch auf den Körper aus - körperliche Beschwerden gehören daher zum Erscheinungsbild der Generalisierten Angststörung dazu.
Wie verbreitet ist die Generalisierte Angststörung?
Angststörungen allgemein zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Laut internationaler Studien liegt das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Angststörung zu erkranken (Lebenszeitprävalenz), zwischen 14 und 29 Prozent. Geht es konkret um die Generalisierte Angststörung, beträgt die Lebenszeitprävalenz in Europa vier bis sechs Prozent. Die Erkrankung tritt meist im Erwachsenenalter in Erscheinung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Die meisten Menschen mit einer Generalisierten Angststörung leiden zusätzlich an weiteren Störungen beziehungsweise Erkrankungen (Komorbiditäten). Das können zum Beispiel andere Angststörungen (wie Panikstörung, soziale Phobie), Depressionen, Suchterkrankungen oder körperlichen Beschwerden ohne organische Ursache (somatoforme Störungen) sein. Auch eine Persönlichkeitsstörung kann begleitend zur Generalisierten Angststörung auftreten.
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Bei Menschen mit Angsterkrankungen ist oftmals auch das Suizidrisiko erhöht.
Ursachen und Risikofaktoren
Wie bei vielen anderen psychischen Störungen wurden auch Angststörungen wie der Generalisierten Angststörung Hinweise auf eine genetische Grundlage gefunden. Dabei sind vermutlich mehrere Gene an der Entstehung der Störung beteiligt. Sie sind aber nicht allein verantwortlich, wenn jemand eine (Generalisierte) Angststörung entwickelt, glauben Experten. Vielmehr soll erst das Zusammenspiel aus genetischer "Anfälligkeit" und weiteren Faktoren beziehungsweise Mechanismen eine Angsterkrankung entstehen lassen.
Diskutiert werden folgende mögliche Einflüsse:
- Psychosoziale Faktoren: So beobachtet man zum Beispiel bei Menschen mit Traumata in der Kindheit (wie Trennung der Eltern, Tod des Vaters, Alkoholiker in der Familie, sexueller Missbrauch) häufiger Angsterkrankungen als bei Menschen mit unbelasteter Kindheit.
- Erziehungsstil: Beispielsweise zeigen Kinder von überbehütenden Eltern ein höheres Angstniveau.
- Sozioökonomische Faktoren: So finden sich mehr Betroffene in den unteren sozialen Schichten als in den oberen - ebenso wie unter Arbeitslosen als unter Vollbeschäftigen.
Es gibt auch lerntheoretische Modelle als mögliche Erklärung für die Entstehung von Angststörungen. Solche Modelle gehen davon aus, dass sich Angst als fehlerhafter Lernprozess entwickelt:
Im Anfang stehen Sorgen, die primär im Rahmen belastender Lebensereignisse (wie Scheidung, Tod des Partner, Arbeitsplatzverlust) auftreten. Bei entsprechender Veranlagung können diese Sorgen chronisch werden. Die Betroffenen nehmen innere und äußere Reize (wie körperliche Beschwerden) als bedrohlich wahr und schätzen die eigene Fähigkeit, Probleme zu lösen, als unzureichend ein - die Sorgen intensivieren sich. Dazu beitragen können noch weitere Mechanismen wie etwa der Versuch, die sorgenvollen Gedanken zu unterdrücken.
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Manche Experten gehen davon aus, dass früh im Leben entstandene Konflikte die Symptome einer Angsterkrankung verursachen, wenn sie zu unangemessenen (neurotischen) Lösungsversuchen führen.
Im Falle einer Generalisierten Angststörung sollen die Betroffenen sicherheitsgebende Beziehungserfahrungen unzureichend verinnerlicht haben. Der Grund sind oftmals verunsichernde Beziehungserfahrungen mit den Eltern (z.B. weil diese ebenfalls eine Angsterkrankung hatten).
Botenstoffe des Nervensystems (Neurotransmitter) sind offensichtlich ebenfalls in Angsterkrankungen involviert. Angstpatienten weisen diesbezüglich nämlich zahlreiche Unterschiede im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen auf, wie Untersuchungen belegen. Bislang ist aber noch unklar, wie Neurotransmitter und Angststörungen genau zusammenhängen. Auf alle Fälle scheint aber der Botenstoff Serotonin eine Rolle zu spielen: Bei Angststörungen sind nämlich Medikamente wirksam, welche die Kommunikation der Nervenzellen über diesen Botenstoff verbessern.
Untersuchungen und Diagnose
Sehr häufig wenden sich Menschen mit Generalisierter Angststörung an einen Allgemeinmediziner. Anlass ist aber meist nicht die belastende, dauerhafte Angst - vielmehr suchen die meisten Hilfe wegen körperlicher Beschwerden, die mit der Angststörung einhergehen (z.B. Schlafstörungen, Kopf- oder Bauchschmerzen). Da die Patienten selten auch von ihre Ängsten berichten, übersehen viele Hausärzte die psychischen Ursachen.
Ausführliches Gespräch
Wenn Sie Ihre Gedanken beachten und dabei feststellen, dass diese oft negativ und angstbeladen sind, Sie sehr viel grübeln und sich Sorgen machen, sollten Sie offen mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber sprechen. Nur so besteht die Chance, dass Sie letztlich die richtige Hilfe erhalten.
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Ihr Arzt oder Ihre Ärztin kann Sie an eine psychosomatische Klinik oder einen Psychotherapeuten vermitteln. Der Therapeut kann im Gespräch mit Ihnen Ihren belastenden Beschwerden genauer auf den Grund gehen. Dabei können spezielle Fragebögen hilfreich sein.
Der Therapeut kann Sie beispielsweise Folgendes fragen:
- Wie oft haben Sie sich in letzter Zeit nervös oder angespannt gefühlt?
- Fühlen Sie sich oft unruhig und unfähig, still sitzen zu bleiben?
- Haben Sie viele Sorgen in Ihrem Kopf, die Sie nicht kontrollieren können?
- Haben Sie oft Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte?
Diagnose nach ICD-10
Nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) liegt eine Generalisierte Angststörung vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Es bestehen seit mindestens sechs Monaten Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme
- vegetative Symptome wie erhöhte Herzfrequenz, Schwitzen, Zittern oder Mundtrockenheit
- Symptome im Bereich von Brustkorb oder Bauchraum (Atembeschwerden, Beklemmungsgefühle, Schmerzen im Brustkorb, Missempfindungen im Bauch)
- psychische Symptome (Schwindel, Gefühl von Unwirklichkeit, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben)
- Allgemeinsymptome (Hitzewallungen oder Kälteschauer, Missempfindungen auf der Haut = Parästhesien)
- Symptome der Anspannung (verspannte Muskeln, Ruhelosigkeit, Kloßgefühl im Hals)
- andere unspezifische Symptome (wie Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Einschlafstörungen)
Zudem machen sich die Betroffenen ständig Sorgen, etwa dass sie selbst oder nahestehende Personen einen Unfall erleiden oder erkranken könnten. Sie meiden möglichst Aktivitäten, die sie als gefährlich empfinden. Hinzu kommen - wie oben beschrieben - Sorgen über ihre ständige Sorgen ("Meta-Sorgen").
Ausschluss anderer Ursachen
Für die Diagnose einer Angsterkrankung wie der Generalisierten Angststörung ist es auch notwendig, dass vorher andere mögliche Ursachen für die belastenden Symptome und Beschwerden des Patienten ausgeschlossen werden.
Zu den häufigsten Differenzialdiagnosen einer Angsterkrankung zählen zum Beispiel:
- Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Brustenge (Angina pectoris), Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen
- neurologische Erkrankungen wie Migräne, Multiple Sklerose
- Störungen des Hormonhaushaltes wie Unterzucker (Hypoglykämie), Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose), Überschuss an Kalium oder Kalzium, akute intermittierende Porphyrie
- weitere Krankheitsbilder wie gutartiger Lagerungsschwindel (benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel)
Die organischen Differenzialdiagnosen lassen sich mithilfe verschiedener Untersuchungen ausschließen. Wichtig sind eine körperliche Untersuchung, Blutuntersuchungen (z.B. Messung von Blutzucker, Kalium und Kalzium, Blutbild) sowie eine Elektrokardiografie (EKG). Gegebenenfalls können noch weitere Untersuchungen sinnvoll sein, darunter etwa eine Prüfung der Lungenfunktion und/oder eine Bildgebung des Schädels (mittels Kernspintomografie oder Computertomografie).
Krankheitsverlauf und Prognose
Viele Betroffene interessiert vor allem eine Frage: Ist eine generalisierte Angststörung heilbar? Tatsache ist - nur selten verschwinden die Symptome von alleine. Bei vielen Patienten verfestigen sich die ständigen Ängste vielmehr und werden zum ständigen Begleiter.
Wenn aber Menschen mit generalisierter Angststörung eine Therapie machen, lassen sich Angstsymptome erkennen und reduzieren. Dadurch gewinnen die Betroffenen an Lebensqualität und sind oft auch wieder in der Lage, am Berufs- und Sozialleben teilzunehmen. Dabei gilt: Je früher die Erkrankung behandelt wird, desto besser die Aussicht auf Erfolg.
Insgesamt fällt die Prognose schlechter aus als bei anderen Angststörungen. Eine generalisierte Angststörung verläuft also oft chronisch. Außerdem wird eine generalisierte Angststörung nicht immer erkannt und daher auch nicht therapeutisch behandelt. Das liegt mitunter daran, dass sie selten alleine auftritt, sondern in der Regel durch andere Probleme verdeckt wird.
Die Rolle von Beziehungen und Partnerschaften
Sich mit der Beziehung und dem Partner bzw. der Partnerin zu beschäftigen und auf sich als Paar zu schauen, ist immer wertvolle Zeit - Beziehungen beschäftigen uns lebenslang. Die Belastungen des Alltags und das Management von beruflichen und privaten Zielen binden Paare oftmals so sehr ein, sodass persönliche und partnerschaftliche Interessen und Wünsche auf der Strecke bleiben. Manchmal geht der Prozess der „Entfremdung“ innerhalb der Partnerschaft auch schleichend voran. Paare haben sich nichts mehr zu sagen, der tägliche Kleinkrieg steht im Vordergrund.
Auch der Rat von guten Freunden, der Familie und Verwandten kann nur begrenzt helfen, da hier eine Tendenz zur wertenden, und damit für den einen oder anderen Partner verletzenden und subjektiven Betrachtungsweisen besteht. In der Paartherapie geht es um die Unterstützung des Paares in der Beantwortung der Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein weiteres Miteinander möglich ist. Die Therapie bietet die Möglichkeit zur Reflektion und erhöht die Chance zur Veränderung.
Therapieansätze und Behandlungsstrategien
Jeder Behandlung geht eine genaue Diagnostik voraus. Zudem wird ein individuelles Erklärungsmodell erstellt, welches Einsicht in die Entwicklung der Störung bietet. AngstpatientInnen benötigen häufig zu Beginn der Therapie Struktur und prozessorientiertes „Führen“ sowie psychoedukatives Erläutern des therapeutischen Vorgehens und des innerpsychischen Erlebens. Nach Klärung eines Therapiezieles und Etablierung einer therapeutischen Allianz erfolgt sukzessive die Aufdeckung der Defizite im Selbsterleben und die Kompensation der zugrundeliegenden Selbstpathologie.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Angststörung mit der Zeit besser in den Griff zu bekommen:
- psychologische und psychotherapeutische Behandlungen wie die kognitive Verhaltenstherapie.
- Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sowie Atemübungen können helfen, sich zu entspannen und mit Stress besser umzugehen.
- Medikamente: Bei einer Angststörung kommen vor allem bestimmte Antidepressiva infrage.
- Selbsthilfe: In Selbsthilfegruppen besteht die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen.
Zwar ist durch keine Behandlungsmethode eine schnelle und einfache „Heilung“ zu erwarten - die verschiedenen Verfahren können aber dafür sorgen, dass Symptome gemildert werden und man mit der Angst besser umgehen kann. Das ist oft schon nach einigen Wochen spürbar.
Auswirkungen auf den Alltag und Beziehungen
Viele Menschen mit einer generalisierten Angststörung erleben, dass die Erkrankung ihren beruflichen und privaten Alltag und ihre persönlichen Beziehungen beeinflusst. Bei manchen führt die Angst zum Beispiel dazu, dass sie sich öfter krankmelden. Viele versuchen, ihre Angst zu verbergen, und ziehen sich deshalb von anderen Menschen zurück. Manche bleiben dann viel zu Hause, wo sie sich sicher fühlen.
Oft fällt es sehr schwer, mit einer Angsterkrankung offen umzugehen. Vielen gelingt das kaum - oder nur bei einer Vertrauensperson. Mit therapeutischer Unterstützung ist es aber oft möglich, sich zum Beispiel Familienmitgliedern zu öffnen und sie über die eigene Erkrankung aufzuklären. Sich professionelle Unterstützung, aber auch Hilfe im persönlichen Umfeld zu suchen, empfinden viele als einen wichtigen Schritt zur Bewältigung der Angst.
Systemische Therapie bei Angststörungen
Als systemische Psychotherapeutin weiß ich, wie belastend Angststörungen sein können. In der systemischen Therapie betrachten wir Angst nicht als ein isoliertes Problem einer einzelnen Person, sondern als Teil eines größeren Systems. Das bedeutet, dass Ihre Ängste oft in Zusammenhang mit Ihren Beziehungen, Ihrer Familie oder Ihrem sozialen Umfeld stehen.
Die systemische Therapie geht davon aus, dass es nicht darum geht, die Angst einfach zu „bekämpfen“, sondern vielmehr darum, die zugrundeliegenden Muster und Dynamiken zu verstehen und zu verändern. Wir konzentrieren uns auf Ihre Stärken und Ressourcen, um neue Wege im Umgang mit Ihren Ängsten zu finden. Im Therapieprozess lernen Sie, wie Sie Ihre Beziehung zur Angst gestalten können. Sie werden nicht mehr von ihr beherrscht, sondern gestalten Ihre Beziehung zu ihr.
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
Angststörungen sind behandelbar. Die systemische Psychotherapie bietet Ihnen einen Weg, die Ursachen Ihrer Ängste zu verstehen, neue Perspektiven zu entwickeln und Ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Es ist ein Prozess, der Mut und Geduld erfordert, aber sich lohnt.
Wichtiger Hinweis: Dieser Text dient der Information und ersetzt keine professionelle Beratung. Angststörungen sind psychische Erkrankungen, bei denen Angst als übermäßige und beeinträchtigende Reaktion auftritt.
Die Behandlung einer Angststörung besteht meist aus Psychotherapie und Medikamenten. Je nach Ausprägung der Erkrankung kann zudem eine klinisch-psychologische Behandlung hilfreich sein. Die Symptome können durch eine Behandlung gemildert werden bzw. auch komplett wegfallen. Es kann jedoch zu Rückfällen (Rezidiven) kommen. Ein wesentlicher Aspekt der Therapie ist der Umgang mit der Erkrankung. Dabei lernt die Patientin/der Patient, mit Angst viel besser umzugehen.
Tabelle: Medikamentöse Behandlung der verschiedenen Angststörungen
Angststörung | Medikamente (Beispiele) |
---|---|
Panikstörungen und Agoraphobie | Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin, Venlafaxin, Clomipramin |
Generalisierte Angststörung | Escitalopram, Paroxetin, Venlafaxin, Duloxitin, Buspiron, Pregabalin |
Sozialphobie | Paroxetin, Sertralin, Escitalopram, Venlafaxin, Betablocker |
Spezifische Phobien | Keine Medikamente empfohlen (Expositionstherapie) |
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