Online-Selbsttests zur psychischen Gesundheit: Eine kritische Betrachtung

In der heutigen Zeit, in der psychische Gesundheit immer mehr in den Fokus rückt, erfreuen sich Online-Selbsttests großer Beliebtheit. Sie versprechen eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit, das eigene psychische Befinden einzuschätzen. Doch wie zuverlässig sind diese Tests wirklich? Und welche Rolle spielen sie im Kontext professioneller psychologischer Betreuung?

Vielfalt der Online-Selbsttests

Das Internet bietet eine Vielzahl von Selbsttests zu unterschiedlichsten Themen der psychischen Gesundheit. Einige Beispiele sind:

  • Asperger-Syndrom Screening-Test
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung Screening-Test
  • Angst- und Panikstörungen Selbsttest
  • Depressionen Selbsttest
  • Alkoholismus (Alkoholsucht) Selbsttest
  • Psychopathie-Selbsttest ("Sind Sie ein Psychopath?")
  • Dissoziation / Dissoziative Identitätsstörung Screening
  • Test auf Symptome von Burnout / Burn-Out-Syndrom
  • "Satisfaction with Life Scale" - Test
  • Erektionsstörungen (Erektile Dysfunktion) Selbsttest
  • Testosteron-Mangel Selbsttest

Diese Tests sind in der Regel kostenlos und leicht zugänglich, was sie zu einer attraktiven Option für Menschen macht, die sich Sorgen um ihre psychische Gesundheit machen.

Die Grenzen von Online-Selbsttests

Es ist wichtig zu betonen, dass Online-Selbsttests keinen diagnostischen Wert haben und eine individuelle klinisch-psychologische Diagnostik nicht ersetzen können. Sie dienen lediglich als Screening und sollen bei der Entscheidung helfen, ob eine professionelle Diagnostik in Anspruch genommen werden sollte oder nicht.

Einige der Hauptprobleme bei Online-Selbsttests sind:

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  • Mangelnde Validität: Viele Tests sind nicht wissenschaftlich fundiert und messen möglicherweise nicht das, was sie zu messen vorgeben.
  • Subjektivität: Die Ergebnisse hängen stark von der Ehrlichkeit und Selbsteinschätzung des Teilnehmers ab.
  • Fehlinterpretation: Laien können die Ergebnisse falsch interpretieren und daraus falsche Schlüsse ziehen.

Besonders kritisch ist dies bei Tests, die auf Persönlichkeitsstörungen abzielen, da hier die Selbsteinschätzung oft verzerrt sein kann.

KI-basierte Therapieangebote: Chancen und Risiken

Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in den Bereich der psychischen Gesundheit. Chatbots wie ChatGPT können Gespräche simulieren, Ratschläge geben und bei der Suche nach Ressourcen helfen. Sie sind rund um die Uhr verfügbar, kostengünstig und bieten Anonymität.

Was KI gut kann:

  • Entlastungsgespräche führen
  • Verhaltenstherapeutische Interventionen bei spezifischen Phobien unterstützen
  • Symptome protokollieren und auswerten
  • Therapiepläne im Hintergrund erstellen

Was KI nicht kann:

  • Humor, Körper, Mimik und Gestik lesen
  • Anspannungen erkennen
  • Individuelle Perspektiven und Verständnis bieten
  • Methoden wie paradoxe Intervention oder Körperpsychotherapie vermitteln

KI-basierte Therapieangebote sind oft auf Gesprächstherapie mit Empfehlungen beschränkt. Sie können jedoch eine wertvolle Ergänzung zur traditionellen Therapie sein, insbesondere als Erstversorgung und zur Überbrückung von Wartezeiten.

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Wissenschaftliche vs. unwissenschaftliche Tests

Es ist wichtig, zwischen wissenschaftlich fundierten und unwissenschaftlichen Persönlichkeitstests zu unterscheiden. Viele Tests auf dem Markt sind reine Geldmacherei und liefern keine zuverlässigen Ergebnisse.

Merkmale wissenschaftlicher Tests:

  • Multidimensionalität (Messung verschiedener Persönlichkeitsmerkmale)
  • Skalenbasierung (Kontinuum statt starrer Typen)
  • Normierung (Vergleich mit einer Referenzgruppe)
  • Hohe Reliabilität und Validität (Messgenauigkeit und Aussagekraft)
  • Längere Durchführungszeit (umfassende Messung)

Unwissenschaftliche Tests hingegen arbeiten oft mit Persönlichkeitstypen, seltsamen Buchstabenkombinationen und dem sogenannten "Barnum-Effekt" (vage, allgemeingültige Aussagen, die auf fast jeden zutreffen).

Der Barnum-Effekt

Der Barnum-Effekt beschreibt die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Persönlichkeit als zutreffend zu akzeptieren. Dieser Effekt wird oft von unwissenschaftlichen Persönlichkeitstests und astrologischen Angeboten genutzt.

Ein Beispiel für eine solche Aussage ist: "Tief in Ihrem Inneren brauchen Sie schon die Zuneigung und Bewunderung von anderen. Sie neigen aber trotzdem zu Selbstkritik."

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Psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen

Psychosoziale Belastungen können in verschiedenen Ausprägungen auftreten und das seelische Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Die Psychosozialen Zentren bieten Beratung für Menschen ab 18 Jahren an und unterstützen sie bei ihren Herausforderungen. Die Beratung ist vertraulich, kompetent und kostenlos.

Fazit

Online-Selbsttests können eine erste Orientierungshilfe bieten, um das eigene psychische Befinden einzuschätzen. Sie ersetzen jedoch keine professionelle Diagnose und Therapie. KI-basierte Anwendungen können eine sinnvolle Ergänzung darstellen, insbesondere als Erstversorgung und zur Unterstützung im Alltag. Es ist wichtig, auf wissenschaftlich fundierte Tests und Angebote zu achten und bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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