Wie lange dauert eine depressive Episode durchschnittlich?

Depressive Episoden gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. 10-25% der Frauen und 5-12% der Männer weisen zumindest einmal im Leben eine depressive Episode auf. Der Beginn kann in jedem Lebensalter sein, wobei durchschnittlich in den Mittzwanzigern die erste Phase auftritt.

Für die Diagnose einer depressiven Episode wird gewöhnlich eine Dauer von mindestens 2 Wochen verlangt. Kürzere Zeiträume können berücksichtigt werden, wenn die Symptome besonders stark ausgeprägt oder sehr schnell aufgetreten sind. Definitionsgemäß gilt diese zeitliche Einschränkung auch nicht bei der rezidivierenden kurzen depressiven Störung.

Der Verlauf kann individuell stark variieren; bei einigen Personen ist nur eine einzelne Phase vorhanden, bei anderen kommt es in bestimmten Abständen zu wiederholtem Auftreten der Beschwerden. Bei der rezidivierenden depressiven Störung kommt es zu wiederholten depressiven Episoden, wobei zwischen den Episoden längere Phasen ohne depressive Symptome vorhanden sind.

Allgemein kann man sagen, dass bei wiederholtem Auftreten einer Depression die Symptome immer stärker ausgeprägt sind.

Formen der Depression

Es gibt verschiedene Formen der Depression. Sie unterscheiden sich unter anderem durch die Art und Häufigkeit der Symptome, die Ursache sowie durch persönlichkeitsspezifische Merkmale:

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  • Unipolare Depression: Hierbei treten typische Depressionssymptome wie Traurigkeit und Antriebslosigkeit über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten auf.
  • Bipolare Depression: Bei einer bipolaren Depression oder bipolaren Störung wechseln sich depressive Episoden mit manischen Phasen ab.
  • Dysthymie: Unter Dysthymia wird eine anhaltende depressive Verstimmung über zumindest zwei Jahre verstanden, die nicht so stark ausgeprägt ist, dass die Kriterien einer depressiven Episode erfüllt sind.
  • Winterdepression: Hierbei handelt es sich um wiederholte depressive Episoden, die ausschließlich in der dunklen Jahreszeit, ca. von Oktober bis Februar/März vorhanden sind.

Symptome einer depressiven Episode

Generell sind die Manifestationsformen depressiver Episoden sehr vielfältig. Als zentrale Symptome einer depressiven Episode werden eine gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Antriebsverminderung angesehen.

Allerdings ist es nicht selten, dass Patienten eine solche typische schlechte und niedergeschlagene Stimmung nicht beschreiben können, sondern vielmehr über eine innere Leere, ein „Gefühl von Gefühllosigkeit“ klagen. Die Frage „Über was können Sie sich im Alltag freuen?“ (in der Exploration einer Ja/Nein-Entscheidungsfrage generell vorzuziehen) wird als eine der zentralen screening-Fragen für eine depressive Symptomatik angesehen.

Typischerweise klagen depressive Patienten über eine Verminderung des inneren Antriebs und Elans und die reduzierte Fähigkeit, morgens aufzustehen und die Tagesaktivitäten in Angriff zu nehmen. Überhaupt ist das Aktivitätsniveau depressiver Patienten im Vergleich zu gesunden Phasen meist deutlich eingeschränkt.

Im depressiven Zustand werden die eigenen Fähigkeiten und Lebensumstände meist negativ getönt wahrgenommen, positive und erfreuliche Dinge werden nicht wahrgenommen oder sogar ins Negative umgedeutet.

Weitere Symptome können sein:

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  • Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls
  • Unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
  • Wiederkehrende Gedanken an Tod oder Suizid, suizidales Verhalten
  • Klagen über oder Nachweis eines verminderten Denk- oder Konzentrationsvermögens, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit
  • Psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung („krankhafte Unruhe“ oder ausgeprägte Antriebslosigkeit)
  • Schlafstörungen jeder Art
  • Appetitverlust oder gesteigerter Appetit/ Heißhungerattacken mit entsprechender Gewichtsveränderung

Ursachen von Depressionen

Die Ursachen von Depressionen sind vielfältig. Heute geht man davon aus, dass das gemeinsame Auftreten verschiedene Faktoren zur Ausprägung einer Depression führt (multifaktoriell). Als wichtige Ursachen sind vor allem belastende Lebensereignisse, wie Arbeitswechsel, Arbeitsverlust, Tod von nahestehenden Personen, Stress, chronische Erkrankungen, etc.

Bestimmte negative Gedanken wie „Ich bin dem hilflos ausgeliefert.“ „Es wird alles immer schlimmer.“ „Ich bin eine Belastung für die Familie.“ „Ich bin schuld an . . .“ können ebenfalls eine Rolle spielen. Weiters spielen ungünstige Einflüsse bei der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter eine Rolle, wie z.B. Genetische Einflüsse sind teilweise ebenfalls vorhanden, wobei Geschwister nur in 15-20% ein gleichzeitiges Auftreten von Depression zeigen.

Diagnose von Depressionen

Eine Depression wird diagnostiziert, wenn mindestens zwei von drei Hauptsymptomen sowie mindestens zwei der Zusatzsymptome vorliegen und seit mindestens zwei Wochen bestehen. Je mehr Zusatzsymptome auftreten, umso ausgeprägter ist die depressive Episode.

Zum einen kann man eine Depression nach ihrem Schweregrad unterteilen in eine leichte, mittelgradige oder schwere depressive Phase:

  • Leichte depressive Phase: mindestens zwei Hauptsymptome und zwei Zusatzsymptome
  • Mittelgradig depressive Phase: zwei Hauptsymptome und mindestens drei, höchstens vier weitere Zusatzsymptome
  • Schwere depressive Phase: alle drei Hauptsymptome und mindestens vier Zusatzsymptome

Zum anderen können Depressionen auch unterschiedlichste Formen zeigen. Es kann sich um eine Depression im Rahmen einer Belastung, um eine sogenannte unipolare wiederkehrende Depression (ausschließlich depressive Episoden) oder eine bipolare Störung (Wechsel zwischen depressiven und manischen Episoden) handeln.

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Behandlung von Depressionen

Den meisten Menschen, die unter einer Depression leiden, hilft eine konsequente Behandlung gut. Die Therapie ermöglicht es, depressive Episoden zu durchbrechen oder vollkommen abklingen zu lassen. Eine Depression gilt als heilbar. Unbehandelt ist die Wahrscheinlichkeit allerdings hoch, dass eine Depression über Monate oder Jahre bestehen bleibt.

In den meisten Fällen wid eine Kombinationstherapie (Pharmakotherapie und Psychotherapie) angestrebt.

Psychotherapie

Bei Depression ist in jedem Fall, wenn vom Patienten gewünscht, eine Psychotherapie indiziert. Psychotherapeutische Behandlungsmethoden basieren auf der Wirkung von Gesprächen, dem Verhalten sowie der Beziehung zwischen Therapeut/Therapeutin und Patient/Patientin. Es kommen unterschiedliche Psychotherapieverfahren zum Einsatz: verhaltenstherapeutische, gesprächstherapeutische, psychodynamische, modifiziert analytische und systemische (familien-) therapeutische Verfahren sowie die Interpersonelle Psychotherapie.

Unter Kognitiver Verhaltenstherapie werden verschiedene kognitive und behaviorale Therapieansätze zusammengefasst, die insbesondere auf die Entwicklungsarbeiten der Arbeitsgruppen um Beck und Lewinsohn zurückgehen.

Die Verhaltenstherapie depressiver Erkrankungen beruht auf der Verstärkerverlusttheorie (Mangel an positiver Verstärkung) und der Theorie der gelernten Hilflosigkeit (Kontrollverlust in einer belastenden Situation).

Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie:

  • individuelle Problemanalyse
  • Förderung der Veränderung des Problemverhaltens mithilfe verbesserter Problemlösestrategien; Selbstmanagement
  • Förderung von Erfolgserlebnissen, Aktivitätenaufbau
  • Entspannungstechniken für Schlaf- Stress- und Angstmanagement
  • Verbesserung sozialer Fertigkeiten, Verbesserung von Selbstwert und Beziehungsfähigkeit
  • Bearbeiten der depressiven Kognitionen bezüglich des Selbst, der Umwelt und der Zukunft („kognitive Triade“), Aufzeigen von automatischen, sich wiederholenden negative Gedankenketten (negative Schemata), die in belastenden Situationen aktiviert und verstärkt werden.
  • Vermitteln von Fertigkeiten, um mit der Symptomatik besser umzugehen.

Medikamentöse Therapie

Wenn Menschen unter Depressionen leiden, ist, wie bereits beschrieben, die Chemie im Gehirn aus der Balance. Antidepressive Medikamente erhöhen die Konzentration bestimmter Botenstoffe (Neurotransmitter) und können so diese Defizite ausgleichen. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Ansätze, auf welche Weise diese Medikamente eine Depression lindern können.

Es sei kurz vorweggenommen, dass Antidepressiva nicht die Persönlichkeit verändern und auch nicht "süchtig" machen.

Die wichtigsten Arten von Antidepressiva:

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
  • Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer (SNRI)
  • Allosterische Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (ASRI)
  • Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI)
  • Noradrenaline-Wiederaufnahmehemmer (NARI)
  • Multimodale Antidepressiva
  • 5-HT2C-Antagonisten
  • Trizyklische Antidepressiva und tetrazyklische Antidepressiva (TZA)
  • MAO-Hemmer
  • Atypische Antipsychotika
  • Lithiumpräparate

Bis der stimmungsaufhellende Effekt eintritt, dauert es im Durchschnitt eine bis drei Wochen (hängt u.a. von der Wirkstoffgruppe ab). Nach Abklingen der Symptome sollte das Medikament mindestens noch sechs Monate eingenommen werden, um einem Rückfall vorzubeugen. Danach kann es langsam ausgeschlichen werden.

Weitere Therapieverfahren

Weitere Therapieverfahren, z. B. Mit speziellen Lichttherapie-Lampen wird ein helles Licht erzeugt (bis 10.000 lux), das dem Körper und der Psyche wieder auf die Sprünge hilft. Dazu ist es notwendig, dass man ca. 30-45 Minuten pro Tag vor dieser Lichttherapie-Lampe sitzt.

Regelmäßige Bewegung (spazieren gehen, walken, joggen, Rad fahren) verbessert nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern nach einer gewissen Zeit werden auch stimmungsaufhellende Botenstoffe wie Serotonin und Endorphine ausgeschüttet.

Umgang mit depressiven Menschen

Für den Umgang mit depressiven Menschen (vor allem auch durch die Umgebung) ist es wichtig, die Erkrankung, die bei Angehörigen und Arbeitskollegen oft als ein „Nicht-Wollen“ imponiert, als ein „Nicht-Können“ zu erkennen. Eine unterstützende, die Phasenhaftigkeit (und damit das zu erwartende Ende der Symptomatik) betonende Haltung, die den Patienten ermuntert, seine - vorübergehend limitierten - Resourcen (leichte Mithilfe im Haushalt, Spaziergänge) zu nützen, aber nicht überfordert, ist von eminenter Wichtigkeit.

Prognose

Etwa die Hälfte der Menschen, die einmal eine depressive Episode durchlebt haben, erleidet einen Rückfall. Bei Betroffenen mit einer schweren Depression sind es 75 Prozent. Mit jedem Rückfall steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weitere depressive Phasen auftreten. Besonders schwer zu heilen sind chronische Depressionen. Sie werden nicht selten zum lebenslangen Begleiter und bedürfen ständiger Behandlung.

Die Genesungsraten sind vermindert, je länger die depressive Episode andauert. In den ersten 6 Monaten verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer Remission um 50%. Vom 6. Bis zum 9. Monat verringert sich die Wahrscheinlichkeit nochmals um 15% um dann 1% pro Monat zu betragen.

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