ADHS und Hochsensibilität: Ein Überblick über Zusammenhänge und Unterschiede

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) und Hochsensibilität sind zwei verschiedene Phänomene, die jedoch oft miteinander in Verbindung gebracht werden. Viele Eltern sind unsicher, ob die Diagnose ADHS richtig ist und suchen nach alternativen Erklärungsansätzen, insbesondere im Hinblick auf Hochsensibilität.

Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität (auch Hochsensitivität oder Hypersensibilität genannt) bezeichnet ein psychologisches und neurophysiologisches Phänomen, bei dem Betroffene Sinnesreize viel eingehender wahrnehmen, diese tiefer verarbeiten und stärker darauf reagieren als der Bevölkerungsdurchschnitt. Als eine psychologische und neurophysiologische Ausprägung soll das Phänomen laut einiger Experten bei etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung auftreten.

Hochsensibilität wird nicht als einheitliches Merkmal verstanden, sondern dahingehend interpretiert, dass es verstärkt in unterschiedlichen Bereichen (sensorisch, emotional, kognitiv) und verschiedenen Ausprägungen auftritt. Viele hochsensible Menschen sind Mischtypen, bei denen eine erhöhte Sensibilität in mehr als einem Bereich auftritt.

Gemeinsamkeiten von ADHS und Hochsensibilität

Kinder und Jugendliche mit ADHS als auch jene mit Autismus nehmen Umweltreize sehr intensiv wahr. ADHS und Autismus wirken vielleicht auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, doch beide verbindet, dass Kinder und Jugendliche, die davon betroffen sind, Reize (z.B. Lärm) sehr intensiv wahrnehmen. Dies kann dazu führen, dass sie mit aggressivem Verhalten oder mit Rückzugsverhalten auf diese überfordernden Situationen reagieren.

Offenbar gibt es bei ADHS-Betroffenen häufig Merkmale, die auch auf hochsensible Menschen zutreffen. Reizüberflutung, Konzentrationsschwierigkeiten, Unruhe, Unaufmerksamkeit oder auch Hyperaktivität sind ähnlich. Jedoch kommt es - wenn auch sehr selten - vor, dass hochsensible Kinder ähnliche Symptome wie ADHS zeigen (Unruhe, leichte Ablenkbarkeit, Hyperaktivität). Dies besonders dann, wenn sich HSP-Kinder in akutem Stresssituationen befinden oder wenn sie traumatisiert sind.

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Auch können sich die Symptome zeigen, wenn sie unterfordert, gelangweilt oder desinteressiert sind.

Unterschiede zwischen ADHS und Hochsensibilität

Es gibt nämlich einen sehr großen Unterschied: ADS und ADHS sind ja dadurch charakterisiert, dass die Konzentration schwerfällt, und zwar sehr häufig oder immer. Ein ADS-oder ADHS-Kind kann sich auch in einem friedlichen Umfeld nur schwer oder kaum konzentrieren, auch dann nicht, wenn es sich wirklich konzentrieren möchte. HSP hingegen gelingt es oft sehr gut, sich zu konzentrieren, oft sogar überdurchschnittlich gut.

Hochsensible Menschen profitieren häufiger als Menschen mit ADHS von einer reizarmen Umgebung und leiden dann weniger unter Konzentrationsschwierigkeiten oder Aufmerksamkeitsdefiziten.

Ein Bereich, der bei ADHS und Autismus sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, ist das Erkennen von Gefühlen, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen Menschen. Betroffene mit ADHS haben oft sehr stark ausgeprägte Emotionen, zeigen diese sehr deutlich und haben ein besonderes Gespür für Gefühlszustände von anderen Personen. Autistische Kinder und Jugendliche hingegen erkennen Emotionen bei anderen Personen oft nur schwer oder, wenn doch, dann sind sie häufig überfordert und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nicht gut wahrnehmen und/oder unterscheiden bzw.

Ein Bereich, in dem sie sich jedoch stark unterscheiden, sind Gefühle: was bei Autismus zu wenig vorhanden ist (Einfühlungsvermögen in die Emotionen anderer Personen), ist bei ADHS oft sehr stark ausgeprägt.

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Abgrenzung und Diagnose

Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass hochsensible Menschen automatisch an ADHS leiden. So kommt es mitunter zu Fehldiagnosen.

Leider geschieht es immer wieder, dass ein hochsensibles Kind mit der Diagnose AD(H)S durch’s Leben geht. Eine Verwechslung von HSP und AD(H)S kann aufgrund einer „erhöhten Reizoffenheit“ als zentralem Merkmal auf den ersten Blick geschehen.

Wenn Ihr Kind mit ADS oder ADHS diagnostiziert ist, und Sie sich nicht sicher sind, ob Ihr Kind hochsensibel ist, so empfehlen wir, all die Ratschläge, die sich für hochsensible Kinder bewährt haben, für Ihr Kind anzuwenden.

Tipps für den Umgang mit hochsensiblen Kindern

  • Regeln, Routine und Rituale
  • Förderung der Kompetenz, altersentsprechend

Auswirkungen auf das Alltagsleben

Hochsensible Menschen messen oft selbst scheinbar unwichtigen Sachen große Bedeutung bei. Der Hang zur Detailverliebtheit sowie die Wertschätzung sozialer Kommunikation erfordern Zeit, Sorgfalt und eine ruhige Atmosphäre, die nicht immer gegeben ist. Deshalb sehen sich Hochsensible zum Teil mit Appellen konfrontiert, sich an die Gegebenheiten anzupassen (z. B. „Stell dich nicht so an!“).

Gemessen am Ideal der Leistungsgesellschaft ist dies mitunter ein Nachteil, auch deshalb, weil hochsensible Menschen oft typische Querdenker sind und in ihren Problemlösungsstrategien nicht den gesellschaftlichen Standards entsprechen. Regeln sind somit für sie oft zu grob, undifferenziert oder ungerecht.

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Hochsensibilität und Partnerschaft

Zwar ermöglicht sie sehr enge zwischenmenschliche Beziehungen und mitunter größere Intimität, Harmonie und tieferes Verständnis, aber hochsensible Menschen stoßen bei Außenstehenden leicht auf Unverständnis, weil sie häufig verschiedene Wahrnehmungen oder differierende Bedürfnisse in bestimmten Situationen (z. B. Aktivitäts- oder Reizverminderung oder Zeiten des Alleinseins) haben.

Bisweilen neigen Hochsensible dazu, dem „gedankenlosen“ oder „unsensiblen“ Verhalten des Gegenübers eine höhere Bedeutung beizumessen und daraus mitunter weitreichendere Schlüsse zu ziehen, was zuweilen zu Kommunikationsproblemen zwischen Hochsensiblen und nicht-hochsensiblen Menschen führen kann.

Hochsensibilitäts-Test

Elaine Aron hat einen Hochsensibilitäts-Test ausgearbeitet, der heute in der Psychologie zur empirischen Erfassung der Hochsensibilität Verwendung findet. Spätere Forschung konnte die Validität des Testverfahrens bestätigen.

Allerdings umfasst dieser Test nicht, wie von Aron angenommen, nur eine einheitliche Dimension von Hochsensibilität, sondern drei verschiedene Komponenten:

  1. Die erste ist charakterisiert durch schnelles Überfordertsein von inneren und äußeren Anforderungen.
  2. Die zweite Komponente beschreibt Sensitivität gegenüber ästhetischen Reizen.
  3. Die dritte Komponente drückt sich aus in einer als unangenehm empfundenen sensorischen Erregung auf äußere Reize.

Zusammenfassende Tabelle: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von ADHS und Hochsensibilität

Merkmal ADHS Hochsensibilität
Reizwahrnehmung Intensiv Intensiv
Konzentration Schwierig, oft immer Oft sehr gut, besonders in reizarmer Umgebung
Emotionen Stark ausgeprägt, impulsiv Stark ausgeprägt, empathisch
Reizüberflutung Neigung zu Reizüberflutung Schnelle Reizüberflutung, Bedürfnis nach Rückzug
Umgang mit Reizen Verstärkte Ablenkbarkeit Profitieren von reizarmer Umgebung

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