Borderline bei Jugendlichen: Behandlungsmöglichkeiten

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD) ist eine psychische Erkrankung, die durch Probleme bei der Regulierung von Gefühlen und Impulsen gekennzeichnet ist. Diese Probleme zeigen sich z.B. darin, dass Hass und Liebe sich schnell abwechseln, es verstärkt zu Wutausbrüchen bzw. zu Angst, verlassen zu werden, kommt.

"Borderline" kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Grenzland/Grenzlinie. Jedes Jahr bekommen 1-2% der Menschen die Diagnose Borderline-Störung. Männer und Frauen sind zirka gleich häufig betroffen.

Manche Menschen tragen Genvarianten in sich, die das Auftreten der Borderline-Störung wahrscheinlicher machen. Dabei handelt es sich um Gene, die den Botenstoff Serotonin beeinflussen. Studien haben gezeigt, dass der Stoffwechsel dieses Neurotransmitters besonders bei impulsiven und aggressiven Verhaltensweisen gestört ist. Serotonin ist u.a.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung zeichnet sich vor allem durch Probleme in der Regulierung der eigenen Gefühle und Impulsivität aus.

Symptome der Borderline-Störung

  • Angst vor dem Verlassenwerden: Betroffene bemühen sich verzweifelt darum, ein tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden (z.B. von der Partner:in) zu vermeiden.
  • Instabile, intensive Beziehungen: Die Beziehungen von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeit zeichnen sich durch einen Wechsel zwischen Extremen aus: Liebe und Hass wechseln sich ab.
  • Impulsivität: Die impulsiven Handlungen können dem Betroffen:en Schaden zufügen und treten in zumindest zwei Bereichen auf.
  • Selbstverletzung und Suizid: Etwa 3/4 aller Borderline-Betroffenen fügen sich selbst Verletzungen zu (z.B. Ritzen oder Schneiden der Haut). Außerdem wird Selbstmord angedeutet oder versucht. Etwa jeder 10.
  • Instabile Gefühlslage: Innerhalb von wenigen Stunden kann die Stimmung von Borderline-Betroffenen stark schwanken.
  • Aussetzer des Realitätsempfindens: Vorübergehend, besonders wenn Belastungen auftreten, können Betroffene psychotische Symptome zeigen. Sie empfinden die Realität nicht mehr so wie sie ist, es können z.B.

Die Borderline-Störung bricht bei den meisten Menschen im frühen Erwachsenenalter aus. Bis zum 30. Lebensjahr sind die Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben am schlimmsten, danach stabilisiert sich der Verlauf meist. Da es aber zu Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen kommt und Betroffene Schwierigkeiten haben, Ausbildungen zu Ende zu bringen bzw.

Lesen Sie auch: Kurantrag Borderline: So geht's

Bei etwa 10 Prozent der Betroffenen kommt es zu Selbstmord, vor allem, wenn Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch stattfindet.

Zur Diagnose wird eine ausführliche Anamnese durchgeführt. Zumindest fünf der oben beschriebenen Symptome müssen vorliegen, bevor die Borderline-Störung diagnostiziert wird. Diese werden u.a. mit Selbstbeurteilungsfragebögen (wie z.B.

Bei der Diagnose wird auch darauf geachtet, die Borderline-Störung genau von anderen psychischen Störungen abzugrenzen.

Behandlungsmöglichkeiten

Bei der Therapie wird zumeist eine medikamentöse Therapie gemeinsam mit Psychotherapie eingesetzt. Für die medikamentöse Therapie können Psychopharmaka wie Antidepressiva, z.B.

Bei der Psychotherapie werden mit speziellen verhaltenstherapeutischen und psychoanalytischen Behandlungsverfahren gute Erfolge erzielt.

Lesen Sie auch: Borderline und sexuelle Identität

Für die Angehörigen von Betroffenen gibt es Einrichtungen, die ihnen im Umgang mit der psychischen Störung helfen, wie z.B.

Hilfe erhalten Betroffene am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums durch den Einsatz der sogenannten Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Diese Therapie ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Verfahren für die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Bei dieser Methode werden verhaltenstherapeutische Behandlungstechniken mit achtsamkeitsbasierten Ansätzen aus dem Zen kombiniert, um den Betroffenen Fertigkeiten an die Hand zu geben, z.B. mit hoher Anspannung, Selbstverletzungsdruck, Suizidalität oder emotionaler Überforderung umzugehen. Auf Grund der hohen Wirksamkeit werden DBT-basierte Skillsgruppen mittlerweile in unterschiedlichen Einrichtungen und vielen Kliniken angeboten.

Das Besondere einer zertifizierten DBT-Behandlungseinheit ist, dass hier ein umfassendes Behandlungsprogramm ermöglicht wird, das die Kriterien eines multimodularen Behandlungsangebots nach den Richtlinien des Dachverbandes DBT erfüllt. Neben einer ausreichenden Therapiedichte von DBT-basierter Einzel- und Gruppentherapie, einer regelgeleiteten Selbsthilfegruppe und regelmäßiger kollegialer Supervision beinhalten diese vor allem ein Behandlungsteam mit zertifizierten DBT-Therapeutinnen sowie zertifizierten DBT-Therapeuten für Sozial- und Pflegeberufe.

Durch die langjährige Erfahrung mit Borderline-Patientinnen und Borderline-Patienten sowie die hohe Bereitschaft im gesamten multiprofessionellen Behandlungsteam, sich in der DBT weiterzubilden ist es jetzt gelungen, das Gütesiegel vom Dachverband Dialektisch Behaviorale Therapie e.V.

Lesen Sie auch: Definition: Borderline und Freundschaft Plus

Die Erkrankung wird zudem in der Regel durch andere psychiatrische Komorbiditäten wie depressive Phasen, Suchterkrankungen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, ADHS, somatoforme Störungen und Essstörungen verkompliziert.

Aus diesem komplexen Krankheitsbild resultiert über die Zeit eine intensive Inanspruchnahme verschiedener Gesundheitsdienstleistungen wie akutpsychiatrische Dienste, kurzfristige Kriseninterventionen, stationäre Behandlung, intensive psychiatrische Pflege, teilstationäre Angebote, Sozialarbeit und insbesondere ambulante Psychotherapie.

Die BPD stellt eine hohe Belastung für Patient:innen und deren Angehörige dar, aber auch für die beteiligten medizinischen und psychotherapeutischen Fachkräfte.

Aufgrund einer besonderen Spezifität der Borderline-Persönlichkeitsstörung, vornehmlich der emotionalen Instabilität, die mit einer Neigung zu Beziehungsabbrüchen und Spaltungstendenzen einhergeht, ist das behandelnde Umfeld laufend damit konfrontiert, dass die Adhärenz in Bezug auf den Therapieplan, der ein Management von verschiedenen Gesundheitsberufen erfordert, durch die Erkrankung selbst erschwert wird.

In gewisser Weise kann dies als indirekter Ausdruck allgemeiner selbstschädigender Tendenzen verstanden werden, der die Inanspruchnahme von Behandlungen und somit den eigentlichen Nutzen der Behandlungsangebote schmälert.

Die ohnehin bestehenden Inkohärenzen im Behandlungssystem und ein häufig weiterhin fehlendes Schnittstellenmanagement zwischen stationärem und ambulantem Bereich tragen zur Brüchigkeit eines Behandlungsplans bei, der in der Regel eine konzertierte Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und anderen Berufen erfordert.

Die für eine erfolgreiche Behandlung nötigen Zeitressourcen für Gesprächsführung und Psychoedukation mit BPD-Patient:innen und deren Angehörigen, aber auch Vernetzung, Supervision und Fortbildung von Helfer:innen sind institutionell häufig nicht gegeben und werden von den Krankenkassen nicht erstattet oder in der Arbeitsplatzkultur auch nicht gewürdigt.

In Österreich besteht ein dringender Bedarf an einer koordinierten, gemeinschaftlichen Anstrengung, die Behandlungsbedürftigkeit und Komplexität der Borderline-Erkrankung anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen zu treffen, um die Behandlungspraxis von Patient:innen mit BPD zu verbessern, zu vereinheitlichen und die Behandler:innen mit Ressourcen auszustatten, um der herausfordernden Behandlung nach aktuellem Wissensstand gerecht werden zu können.

Von der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien wurde daher 2021 die Gründung eines Borderline-Netzwerks initiiert, die zur Zusammenkunft mit 35 verschiedenen, mit der BPD-Behandlung vertrauten Institutionen und Gesundheitsberufen geführt hat.

Weitere Therapieformen

  • Mentalisierungs-basierte Therapie (MBT): Sie hilft dem Patienten, besser mit sich und anderen Menschen zurechtzukommen. Borderliner haben Schwierigkeiten, das eigene Verhalten und das anderer Menschen einzuschätzen. In dieser Therapieform lernen Betroffene, die Hintergründe von Verhaltensweisen besser zu interpretieren und zu verstehen.
  • Schematherapie/Schema-fokussierte Therapie: Sie basiert darauf, dass jeder Mensch von Kindheit an Muster entwickelt, um mit Erlebnissen umzugehen. Wenn die Grundbedürfnisse eines Kindes nicht erfüllt werden, bildet es ungesunde Strategien und Denkmuster aus. Borderliner gehen zum Beispiel oft davon aus, verlassen zu werden und sind daher anderen gegenüber misstrauisch. Ziel der Schematherapie ist es, negative Gedanken- und Gefühlsmuster zu erkennen und zu bearbeiten.
  • Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (Transference-focused psychotherapy, TFP): Borderline Patienten haben oft ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß- oder Gut-Böse-Denken. Der Therapeut wird entweder idealisiert oder als bedrohlich empfunden. Alte Beziehungserfahrungen (beispielsweise mit den Eltern), überträgt der Patient auf den Therapeuten. So wird der Therapeut zum Beispiel als strenger Vater erlebt. Die Übertragungs-fokussierte-Therapie arbeitet mit dem Patienten daran, diese Übertragungen zu erkennen und zu verändern.

Medikamente

Manche Patienten erhalten zusätzlich zur Psychotherapie eine medikamentöse Therapie. Borderline ist jedoch nicht alleine durch Medikamente behandelbar - spezielle Borderline-Medikamente gibt es nicht. Stimmungs-Stabilisierer wie Lithium helfen einigen Patienten aber dabei, extreme Gefühlszustände in den Griff zu bekommen.

Patienten mit Borderline, die unter starken Angstzuständen leiden, verschreibt der Arzt oder Psychiater oft Benzodiazepine wie zum Beispiel Lorazepam. Diese Medikamente haben jedoch starken Sucht-Charakter und es wird empfohlen, sie nur kurze Zeit einzusetzen.

Haben Patienten zusätzlich eine Depression oder/und Angststörung, ergänzt der Arzt die Borderline-Therapie zum Beispiel durch Antidepressiva aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI).

Das können Sie selbst tun

Es gibt verschiedene Selbsthilfe-Strategien, die meist in der Psychotherapie erlernt werden. Die Betroffenen haben aber auch die Möglichkeit, sich in Gruppen- oder Einzel-Gesprächen mit Experten sowie durch Selbsthilfe-Literatur (Bücher, Ratgeber, Online-Plattformen) zu informieren. Es geht vor allem darum, Stress und Anspannung zu reduzieren, ohne sich selber zu schaden.

Folgende Strategien helfen beispielsweise vielen Borderline-Patienten:

  • Keine übertriebene Verausgabung in Beruf oder Freizeit, sondern mit den Kräften haushalten (z. B. Pausen fest einplanen)
  • Sich auch mal Fehler eingestehen und die hohen Ansprüche herunterschrauben
  • Gesunde Lebensweise mit genug Schlaf, regelmäßiger, gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung
  • Entspannungs-Training: z. B. Achtsamkeitsübungen, Massagen, warmes Bad
  • Mit vertrauten Personen über seine Gefühle reden oder Gedanken niederschreiben (Tagebuch)
  • Negative Gedanken stoppen, indem man sich ablenkt (etwa durch Sport, Musik hören, raus in die Natur)
  • Bei Aggressionen auf ein Kissen einschlagen, Sport machen, laut (in ein Kissen) schreien, etc.
  • "Notfallkoffer" zur Ablenkung und Beruhigung: mit Hilfekarten, Brief an sich selbst, Duftölen, Handgelenk-Gummis (zum Schnipsen), Igelball, Knetgummi, Lieblingsmusik (z. B. auf CD oder MP3-Player), etc.

Stationär oder ambulant

Für Patienten, die zu selbstverletzendem Verhalten (Automutilation) neigen oder gar suizidal sind, ist zunächst eine stationäre Behandlung wichtig. Vor allem jüngere Menschen mit Borderline profitieren dabei vom strukturierten Leben in einer Einrichtung.

Vorteil einer ambulanten Borderline-Therapie ist, dass die Patienten lernen, die Konflikte in ihrem gewohnten Umfeld zu bearbeiten. Allerdings ist das Angebot für ambulante Borderline-Therapien sehr begrenzt.

tags: #Borderline #Jugendliche #Behandlungsmöglichkeiten