Der Begriff Depression leitet sich vom lateinischen Wort „depressio“ ab, was Niederdrücken bedeutet. Eine Depression ist gekennzeichnet durch eine anhaltende gedrückte Stimmungslage, Antriebs-, Interessens- und Freudlosigkeit. Bei Betroffenen kann es zu einem Rückgang des sexuellen Verlangens und zu Schlafstörungen kommen, sowie zu einer Steigerung oder Minderung des Appetits. Betroffene beschreiben auch eine reduzierte kognitive Leistungsfähigkeit, Gedankenkreisen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.
Sie leiden unter einem verminderten Selbstwertgefühl, einem Gefühl der inneren Leere und haben eine pessimistische Einstellung was ihre Zukunft betrifft. Depressive fühlen sich bei Alltagstätigkeiten überfordert - auch vormals leichte Aufgaben werden zur unüberwindlichen Hürde.
Die Wissenschaft ist sich uneinig was die Ursache der Entstehung einer Depression betrifft. Untersuchungen ergaben, dass eine Depression mit neurobiologischen Veränderungen im Gehirn einhergeht.
Depression ist eine der weltweit bedeutendsten Ursachen für psychische Behinderung. Laut Bericht der WHO führte Depression in den reicheren Ländern bereits 2004 die Burden-of-Disease-Statistik an. Trotz der Weiterentwicklung psychopharmakologischer und psychotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten bleiben viele Patienten chronisch depressiv oder erleben wiederkehrende depressive Episoden.
Psychodynamische Modelle
Das psychodynamische Modell versteht die Depression als eine gegen sich selbst gerichtete Aggression. Begünstigend an einer Depression zu erkranken sind auch bestimmte Beziehungsmuster, die meist bereits in der Kindheit erworben wurden.
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Die psychodynamische Theorie sieht die Depression als fehlgeschlagene Trauerarbeit aufgrund eines nach innen gekehrten negativen Affekts (z.B. lang anhaltende Wut und Hass) infolge des Verlusts eines Liebesobjekts, zu dem ein ambivalentes Verhältnis bestand. Es besteht häufig ein depressiver Grundkonflikt - insbesondere zwischen Nähewunsch und Autonomie sowie zwischen Trennungsangst und Enttäuschungswut -, der im Rahmen einer aufdeckenden Therapie verarbeitet und gelöst werden kann.
Die Depression stellt eine „regressive Bewegung“ dar, hat aber auch eine Schutzfunktion, die häufig übersehen wird. In einer Situation empfundener Hilflosigkeit angesichts scheinbar unlösbarer Konflikte, Angst oder auch Scham vermittelt die Bindung an eine schutz- und sicherheitsgewährende Instanz ein Gefühl von Sicherheit.
Psychosoziale Modelle
Das psychosoziale Modell versteht, wenn Kinder ihre Bezugspersonen als nicht verlässlich und wenig fürsorglich erleben, entwickeln sich Verlassensängste, dadurch richten die Kinder das eigene Verhalten auf die Bedürfnisse ihres sozialen Umfelds aus und eigene Bedürfnisse werden vernachlässigt. Zur Depression neigende Menschen hatten als Kinder oft Bezugspersonen, die selbst bedürftig waren.
Da Kinder deren Eltern selbst depressiv sind, in einem Umfeld groß werden wo wenig gelacht wird und die Stimmung eher getrübt ist haben sie kaum Möglichkeiten die eigenen Bedürfnisse auszuleben. Ebenfalls können Alkoholprobleme oder finanzielle Probleme in der Ursprungsfamilie eine spätere Depression begünstigen. Kinder in solchen Familien versuchen die Familie zu stabilisieren, indem sie das eigene Verhalten den Bedürfnissen der anderen anpassen.
Eigene Wünsche oder Bedürfnisse werden hintangestellt in dem Glauben so das Auseinanderbrechen der Familie verhindern zu können. Depressive Menschen wurden in der Kindheit oft mit Schuldzuweisungen manipuliert. Bezugspersonen nutzten das schlechte Gewissen im Zusammenhang mit Schuldzuweisungen um das Kind zu einem Verhalten zu bewegen, das ihnen selbst diente.
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Oder es wurde mit Liebesentzug gedroht, das Kind versucht hat eigene Bedürfnisse auszuleben, oder sich abzugrenzen. Wenn Zuwendung nur gewährt wird, wenn das Kind den Erwartungen und Vorstellungen der Eltern entspricht, es keine eigene Meinung haben darf und auch nicht einen eigenen Weg gehen kann, wird die eigene Entwicklung gebremst. Manche Eltern verweigern sich dem Kind als Gesprächspartner, wenn es sich nicht so verhält wie es von ihm erwartet wird.
Eine Depression begünstigen auch Erfahrungen von Abwertungen in der Kindheit, wenn Leistungen als selbstverständlich angesehen, oder als gering erachtet wurden. Ob sich eine Störung in späteren Jahren entwickelt oder nicht hängt noch von vielen anderen Faktoren ab. Es gibt keine linearen kausalen Zusammenhänge im Sinne von wenn… dann…, sondern in welchen Phasen der Kindheit ereignen sich welche Ereignisse.
Im weitesten Sinne lassen sich der erhöhte Anpassungsdruck, überfordernder beruflicher Leistungsdruck und das Auseinanderbrechen von Sozialstrukturen, Entfremdungen im Lichte der Digitalisierung aber auch die Tendenz zur „Versingelung“ der Gesellschaft unter die psychosozialen Ursachenfaktoren von depressiven Episoden subsumieren.
Gerade von Arbeitnehmern in international tätigen Branchen (sog. Expats) wird heute häufig auch internationale Mobilität verlangt, was es für Einige schwierig macht, soziale Netzwerke, Freundschaften und oftmals sogar Partnerbeziehungen auf Dauer aufrechtzuerhalten.
Kognitive Modelle
Die kognitive Theorie der dysfunktionalen Kognitionen und Schemata (Beck, 1970) sieht die Ursachen der Depression in verzerrten und dysfunktionalen kognitiven Prozessen. Nach Beck handelt es sich dabei um kognitive Verzerrungen, die aus dysfunktionalen Schemata resultieren und eine negativ-verzerrte Wahrnehmung der Realität bedingen.
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Die maladaptiven kognitiven Grundmuster umfassen negative und pessimistische Einstellungen depressiver Menschen zu sich selbst, zu ihrer Umwelt und ihrer Zukunft, was als „kognitive Triade“ bezeichnet wird. Ungünstige frühkindliche Erfahrungen und Lernprozesse begünstigen den Erwerb solcher negativen Schemata und Überzeugungen und korrespondierende negative automatische Gedanken können in der weiteren Lebensgeschichte dann aktiviert werden, wenn Situationen eintreten, die der Entstehungssituation ähneln.
Solch automatische Gedanken artikulieren sich insbesondere in verzerrten, unangemessenen und verallgemeinernden Fehlschlüssen. „Schwarz-Weiß-Sehen“, d.h. alle Erfahrungen werden in zwei sich gegenseitig ausschließende Kategorien eingeordnet (z.B. makellos versus mangelhaft, gut versus böse). Dazwischen liegende Nuancierungen werden kaum mehr wahrgenommen.
Im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie bekommen Patienten und Patientinnen mittels der kognitiven Umstrukturierung das Rüstzeug zum Überlernen der skizzierten negativen automatischen Gedanken und pessimistischen Schemata, was im Abschnitt „Behandlung und Therapie von Depressionen“ ein wenig beleuchtet wird.
Attributionstheorie
Die Attributionstheorie oder Theorie des pessimistischen Attributionsstils sieht einen depressiven Attributionsstil als signifikanten Verursacher der Depression. Sie basiert auf den Annahmen der neu formulierten Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Abramson, Seligman und Teasdale (1978). Danach ist das phänomenologische Erleben von Hilflosigkeit bei negativen Ereignissen von der Attribution oder Attribuierung, d.h. Zuschreibung auf den drei Dimensionen Person (internal-external), Stabilität (stabil-instabil) und Globalität (global-spezifisch) abhängig.
Das Muster des pessimistischen Attributionsstils wird durch die Tendenz charakterisiert, negative Ereignisse als internal, stabil und global zu interpretieren und zu erklären.
Beispiel: Ein attraktiver Mann, der von einer Frau als Partner abgelehnt wird, attribuiert dies zu seiner mangelnden Attraktivität (internal, d.h. in der eigen Person liegend), als stabil (überdauernd) und global (alle Frauen betreffend).
Weitere Faktoren
Wichtig erscheint, dass Depressionen - wie andere psychische Erkrankungen - bei vorliegender Vulnerabilität in aller Regel erst durch längeren und erhöhten Stress ausgelöst werden, was als Vulnerabilitäts-Stress-Modell bezeichnet wird. Ein über-protektiver und ängstlich-fürsorglicher Erziehungsstil kann zu einer „erlernten Hilflosigkeit“ führen und die Autonomieentwicklung sowie die gesunde Stressbewältigung unterminieren.
Auch der frühe Verlust eines Elternteils, eine Bindungsstörung der Mutter-Kind-Beziehung oder geringes Selbstwertgefühl seit frühester Kindheit können zu einer überhöhten Vulnerabilität oder Verletzlichkeit gegenüber Enttäuschungen und zu niedriger Frustrationstoleranz führen. Letztlich können Depressionen aus unverarbeiteten Verlusterlebnisse bzw. Traumata (z.B. sexueller Missbrauch, Gewalt und Erlebnis von Katastrophen) resultieren bzw. bei erneuten Krisensituationen (z.B. Trennung vom geliebten Partner) den Ausbruch einer depressiven Episode fördern.
Untersuchungen mit gemischten klinischen Samples ergaben, dass Mentalisierungsfähigkeit bei depressiven Patienten bisher in zwei Studien untersucht wurde. Fischer-Kern et al. konnten in einer Studie an stationären depressiven Patientinnen eine globale und schwere Beeinträchtigung der Mentalisierungsfähigkeit zeigen. Bei den Patientinnen wurde mehrheitlich eine schwere Major Depression diagnostiziert, und sie hatten einen chronischen bzw. „behandlungsresistenter“ Depression.
Mit einem mittleren RF-Gesamtscore von 2,4 lagen die depressiven Patientinnen deutlich unter dem in nichtklinischen Samples erhobenem Wert von 5 (durchschnittliche RF) und unter dem in verschiedenen Studien für Borderline-Patienten erhobenen Wert von 3 (fragwürdige oder geringe RF). Dieser Befund war homogen in allen im AAI abgefragten Themenbereichen und beschränkte sich nicht auf „depressionsspezifische“ Themen wie Verluste oder traumatische Erfahrungen.
Staun et al. kamen in ihrer Untersuchung zu einem abweichenden Ergebnis. Ihre chronisch depressiven Patienten, die für eine ambulante Psychotherapie vorgesehen waren, zeigten keine globale Beeinträchtigung der Mentalisierungsfähigkeit, waren aber in ihrer Reflexionsfähigkeit zu depressionsrelevanten Themen im Vergleich zum individuellen Gesamtwert eingeschränkt.
Zusammenhang zwischen Depression und Geschlecht
Fachleute gehen etwa davon aus, dass u.a. unterschiedliche Arten, mit Problemen umzugehen, sowie Rollenbilder der Gesellschaft mögliche Faktoren sind, bei denen das Geschlecht eine Rolle bei der Entwicklung einer Depression spielen könnte. Menschen, die eine andere Geschlechtsorientierung oder sexuelle Orientierung aufweisen, haben ein höheres Risiko für Depressionen.
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