Borderline-Persönlichkeitsstörung und Freundschaft: Herausforderungen und Chancen

Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) handelt es sich um eine psychische Erkrankung. Das Vorkommen dieser Erkrankung wird bei Jugendlichen auf etwa 5 Prozent geschätzt.

Was ist Borderline?

Borderline ist eine schwere Persönlichkeitsstörung, die jedoch behandelt werden kann. Betroffene, Männer und Frauen, haben einen hohen Leidensdruck, eine instabile Gefühlswelt und hohe Impulsivität.

Das Borderline-Syndrom ist nicht zu verwechseln mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (Narzissmus), auch wenn es einige Gemeinsamkeiten gibt. Während ein Mensch mit Borderline vor allem nach Liebe sucht, verhält sich ein Narzisst häufig extrem selbstbewusst und hat ein hohes Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung. Es gibt auch Patienten, die an beiden psychischen Störungen gleichzeitig erkrankt sind.

Das DSM IV ist ein Diagnosebuch für Ärzte/Ärztinnen und Psychologen/Psychologinnen. Es beinhaltet Merkmale und Symptome der verschiedenen Krankheitsbilder. Um die Diagnose einer psychischen Erkrankung stellen zu können, reicht es aber noch lang nicht aus, wenn ein Krankheitssymptom alleine auftritt.

Symptome

  • Auffallende Impulsivität in mehreren selbstschädigenden Bereichen (z. B. selbstverletzendes Verhalten oder "Ritzen")
  • Durch Belastung ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome

Es ist auch nicht so, dass Ritzen zu einer Borderline-Störung führt. Wie bei den meisten psychischen Erkrankungen, geht man auch bei der Borderlinestörung davon aus, dass das Zusammenspiel verschiedener Faktoren zum Ausbruch der Erkrankung führt. Solche Faktoren können z. B. auch traumatische Erlebnisse sein.

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Wie du siehst, ist es ziemlich kompliziert eine Grenze zwischen dem zu ziehen, was man als noch "normal" und was man als "behandlungsbedürftig" bezeichnet. Die Diagnose psychischer Erkrankungen ist deshalb auch Ärzten/Ärztinnen (z. B. Hast du dich in den Beschreibungen wieder gefunden oder hast das Gefühl, dass das auf jemanden, den du kennst zutrifft, dann wende dich an Erwachsene, denen du vertraust oder an eine Beratungsstelle (Adressen und Telefonnummern in deinem Bundesland bekommst du auch bei uns am Telefon).

Borderline-Beziehungen

Borderline-Patienten, die in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt haben, haben große Schwierigkeiten, langfristige Bindungen einzugehen. Beziehungen auf Basis von Verständnis und Wertschätzung sind ihnen nicht vertraut. Gleichzeitig ist eine starke Sehnsucht nach Nähe typisch bei Borderline. Sexualität wird dann von vielen Patienten als Mittel eingesetzt, eine Beziehung aufzubauen.

Oft ist Borderlinern ihre sexuelle Orientierung unklar. Denn die Schwierigkeiten mit der eigenen Identität zeigen sich auch bezüglich der sexuellen Ausrichtung. Ihre sexuelle Offenheit in Kombination mit der Impulsivität wirkt auf andere Menschen teilweise sehr anziehend. Borderliner sind dadurch gefährdet, wieder in eine missbräuchliche Situation zu geraten, ohne dies sofort zu merken.

Es gibt Hinweise darauf, dass Borderliner Sex auch zur Reduktion von Spannungen und zur Unterdrückung von Ängsten einsetzen. Einige Borderline-Patienten suchen das Risiko, schaden sich damit selbst und fallen in eine noch tiefere Leere. Unter anderem ist dies manchmal der Grund, warum einige Borderliner fremdgehen.

Für Partner kann die Borderline-Beziehung sehr schwierig werden. Wird man von einer Person, die man sehr gerne hat, verletzt, schließt man manchmal mit sich selbst den Pakt, sich nie wieder auf jemanden so einzulassen. Sobald der Partner "zu nahe kommt", "hinter die Fassade sehen könne", die "Verletzlichkeit" oder Unzulänglichkeit" sehen könnte, erzwingt man durch verschiedene Arten (z. B. Streit provozieren, vorübergehender Kontaktabbruch) wieder Distanz.

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Merkmale einer Borderline-Beziehung

  • Ihre Stimmung ist instabil und impulsiv. Haben Partner schnelle, unvorhersehbare Wutanfälle mit hoher Intensität, Destruktivität wie Vorwürfen und Trennungsandrohungen, kann dahinter mehr stecken.
  • Dabei gibt es oft keine “Mitte” - die Stimmung wechselt von Aggression (z.B. “Ich hasse dich”) zu Depression.
  • On-Off-Beziehung und toxische Beziehungsmuster: Häufige Partnerwechsel und On-Off-Beziehungen prägen oft Beziehungen von Borderlinern.

Am Anfang idealisieren Betroffene ihre Partner und finden alles großartig, sie möchten so viel Zeit miteinander verbringen wie möglich. Entdecken sie dann, dass der Partner nicht “perfekt” ist, folgt schnell Entwertung und Verachtung. Menschen mit Borderline sehen oft nur schwarz oder weiß. Sie idealisieren ihr Gegenüber, wird es zu nah, haben sie Angst vor zu viel Nähe - es kommt zu Entwertung und Beziehungsabbruch. Nun folgt Angst vor dem Alleinsein, vor dem Verlassenwerden - so kommt es zur anschließenden Versöhnung.

Impulsivität und Instabilität führen immer wieder zu Verhaltensweisen, die Betroffenen mit BPD schaden. Dabei schlagen sie oft über die Stränge: Sie stehlen oder geben sehr viel Geld aus, haben Essanfälle, konsumieren Drogen etc. Selbstverletzungen sind in vielen Formen möglich, Suizidandrohungen sind ernst zu nehmen.

Beziehungen mit Menschen mit Borderline sind oftmals von kurzer Dauer bzw. schnell im on-off-Modus. Grund dafür ist, dass Betroffene oft große Angst vor dem Verlassen werden haben. Sie kämpfen mit einem sehr geringen Selbstwert bis hin zu Selbsthass. Es fällt ihnen schwer, Menschen zu vertrauen, zu glauben, dass sie liebenswert sind. Daraus resultieren kann eine krankhafte Eifersucht. Kleine Anlässe können deswegen schon zu starken Reaktionen, Gefühlsausbrüchen und Beziehungsabbrüchen führen.

Menschen mit Borderline zerstören lieber “kontrolliert”, was ihnen wichtig ist, als plötzlich und ohne Vorwarnung selbst verlassen zu werden. Das kommt immer darauf an, wie stark Borderline ausgeprägt ist bzw. wie gut man schon damit umgehen kann.

Freundschaft

Ob Liebesbeziehung oder Freundschaft - der Umgang mit Borderline-Erkrankten ist immer ein Drahtseilakt. Der ständige Wechsel zwischen Nähe und Distanz, die emotionalen Achterbahnfahrten und die Wutausbrüche sind auf Dauer schwer auszuhalten. Wenn Borderliner den Kontakt abbrechen, handelt es sich oft um eine Art Selbstschutz-Verhalten.

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Viele Menschen mit Borderline lügen zudem häufig. Entweder, weil Fehler in ihrem schwarz-weiß geprägten Weltbild keinen Platz haben oder aus Furcht, verlassen zu werden.

Für Menschen mit Borderline ist das extrem schwer, Beziehungen sind eine große Herausforderung. Mein Gegenüber verstand das teilweise absolut nicht - Vorwürfe und Unverständnis brachten mich jedoch in eine noch größere Not. Die Freunde bzw. den Partner, den ich jetzt habe, geben mir sehr viel Raum - ich darf unsicher, unschlüssig sein und mich manchmal verlieren. Sie helfen mir dann, mich wieder zu finden, in dem sie mir den Raum geben und mir erlauben, mir Zeit für mich zu nehmen.

Bin ich beziehungsunfähig?

Dies ist die vorherrschende Meinung, auch Menschen mit Borderline bezeichnen sich selbst so. Allerdings kann man diesen Vorwurf, dieses Stigma nicht verallgemeinern. Nein, wir sind nicht beziehungsunfähig. Wir haben Schwierigkeiten mit Vertrauen, Nähe und Stabilität. Wenn wir aber vertrauen, sind wir empathische, loyale, wichtige Freunde und auch Partner. Das kann ich von mir und von anderen Freunden mit dieser psychischen Erkrankung sagen.

Wie lange dauern Beziehungen mit Borderline-Persönlichkeiten?

Wie lange Beziehungen bei Borderline dauern, kann nicht explizit beantwortet werden. Das kommt immer darauf an, wie stark Borderline ausgeprägt ist bzw. wie gut man schon damit umgehen kann. Damals verfiel ich sehr früh in den ON-OFF-Modus.

Der Beginn einer Beziehung mit Borderline-Erkrankten ist beinahe magisch, als hätte man seinen Seelenpartner gefunden. Das resultiert daraus, dass Personen mit Borderline kein eigenständiges Ich haben. Irgendwann endet diese Phase jedoch und es kommt zu einer schnellen Entwertung, die sehr schmerzhaft ist.

Psychotherapeutin Suzana Pavic meint dazu, dass niemand zufällig in eine Beziehung komme. Borderline-Betroffene wechseln oft ihre Partner, der Fremde wird schnell zur großen Liebe, die ebenso schnell wieder verfliegt. Die anfängliche Idealisierung schmeichelt dem Gegenüber, Dramen vermitteln dem Gegenüber das Gefühl als Retter - es fühlt sich an wie ein Rausch.

Tipps zum Umgang mit Borderlinern

Vor allem nahestehende Personen wie die Familie leiden oft unter den extremen Symptomen von Borderline und fragen sich, wie sie sich gegenüber Menschen mit Borderline verhalten sollen. Angehörigen sowie Partnern von Betroffenen empfiehlt man, sich an Beratungsstellen zu wenden, um Informationen und Kontakte zu Therapeuten zu erhalten.

Eine therapeutische Behandlung - ambulant oder stationär - ist für Borderline-Patienten in jedem Fall zu empfehlen. Wenn möglich, bezieht der Therapeut Familienmitglieder oder Partner mit ein. Der Therapeut klärt die Angehörigen zunächst ausführlich über die psychische Störung auf. Das Wissen über das Borderline-Syndrom ist ein erster wichtiger Schritt, um den Betroffenen besser zu verstehen.

In der Therapie erhalten die Angehörigen Empfehlungen für "Regeln" im Umgang mit Borderline Patienten und haben somit die Möglichkeit, zur Verbesserung der Krankheitssymptome beizutragen. Nicht nur viel Verständnis und Wohlwollen, sondern auch sinnvolle Grenzen zu setzen, hilft im Umgang mit Borderline Patienten. Im nächsten Schritt bearbeitet man Themen, die in der Familie oder Partnerschaft zu Problemen führen.

Die therapeutische Behandlung dauert häufig viele Jahre, da Borderline eine sehr tiefgreifende Störung ist. Sowohl für die Betroffenen als auch die Familie, Partner oder Freunde ist der Umgang mit der psychischen Störung ein fordernder Lernprozess. Die Unterstützung von nahestehenden Personen ist für Menschen mit Borderline aber sehr wichtig und begünstigt eine positive Entwicklung.

Nehmen Sie als Angehöriger die Androhung eines Selbstmordversuches immer ernst! Über die Hälfte der Borderline Patienten durchlebt mindestens einen Suizidversuch.

Zudem ist es wichtig, dass Angehörige von Betroffenen auch auf ihr eigenes Wohl achten. Es ist ratsam, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen und sich immer wieder eine Auszeit von dem herausfordernden Umgang mit dem Borderliner zu gönnen, um Kraft zu tanken.

Der Kontakt mit Angehörigen anderer Borderline-Patienten trägt meist ebenfalls zur eigenen Entlastung bei. In Angehörigen-Gruppen profitiert man häufig vom Wissen und von den Erfahrungen anderer Angehöriger.

Viele Menschen in einer Borderline-Beziehung fragen sich, wie sie sich verhalten sollten, um ein idealer Partner zu sein. Diese Frage ist schwer zu beantworten. Es hilft in jedem Fall, sich umfangreich über die Krankheit zu informieren. Dann ist es eventuell möglich, das krankheitsbedingte Verhalten von der eigentlichen Persönlichkeit des Partners zu unterscheiden. Wenn ein Borderliner zum Beispiel weint, schreit und Türen knallt, ist das Ausdruck seiner Impulsivität und nicht persönlich zu nehmen.

Außerdem ist es sinnvoll, den erkrankten Partner zu einer Therapie zu ermutigen und ihn dabei zu unterstützen.

Und bei allen Schwierigkeiten nicht vergessen: Eine Borderline-Beziehung ist oft auch bereichernd, wenn man sich gemeinsam den Herausforderungen stellt. Eine professionelle Unterstützung auf diesem Weg ist sehr zu empfehlen und in vielen Fällen auch notwendig.

Zusammenfassung

Eine Beziehung mit einer Borderline-Erkrankten ist sehr herausfordernd und benötigt viel Arbeit. Betroffene sind jedoch, sieht man hinter ihren destruktiven Mantel, besonders liebenswürdige, kreative, humorvolle, sensible Persönlichkeiten. Mit einer geeigneten Psychotherapie und eventuell Paartherapie ist eine Beziehung möglich.

Viele von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung haben so traumatische Erlebnisse in der Kindheit erfahren müssen, dass diese Abwehrmechanismen ihr Überleben sicherten. Schreien und entwerten, um das Gegenüber auf Distanz zu bekommen, half und hilft gegen das schlimme Ohnmachtsgefühl - entstanden durch viele verletzende Grenzüberschreitungen.

Ja, eine Beziehung mit Menschen mit Borderline ist nicht einfach, aber meiner Meinung wert. Hinter den Schutzmauern sah ich verletzte Kinder, die, wenn sie dir vertrauen, loyal, voller Liebe, lustig und wahnsinnig tolle Menschen sind. Sie müssen lernen, diese Muster abzulegen, zu verändern, indem sie verstehen, dass sie sich nun anders wehren können und nicht mehr in der Situation von damals sind.

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