Viele Menschen nehmen zur Behandlung von Depressionen Antidepressiva ein - oft über viele Monate oder sogar Jahre. Fachleute empfehlen, Antidepressiva am Ende der Behandlung langsam und schrittweise abzusetzen, um belastende Absetzsymptome möglichst gering zu halten. Es ist sinnvoll, wenn Betroffene dies mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen.
Warum das Absetzen von Antidepressiva problematisch sein kann
Wenn man Antidepressiva zu früh absetzt, kann eine Depression wieder zurückkommen. Beim Absetzen können außerdem belastende Probleme auftreten. Zu den bekannten Absetzsymptomen gehören etwa Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Schwindel, Benommenheit, Reizbarkeit oder Unruhe.
Manche Betroffene fühlen sich auch durch wiederkehrende Stromschlag-artige Empfindungen im Kopf beeinträchtigt. Sie treten oft wenige Tage nach dem Absetzen auf und können bis zu sechs Wochen anhalten.
Wie vermeidet man Absetzsymptome?
Einig sind sich Fachleute: Am besten ist es, mit dem Einnehmen von Antidepressiva nicht plötzlich aufzuhören, sondern die Dosis nach und nach zu verringern. Das wird auch „Ausschleichen“ genannt. Diese Empfehlung ist zwar nachvollziehbar, es ist jedoch unklar, wie gut sie Betroffenen wirklich hilft, da dies nicht ausreichend erforscht wurde.
Wie sich diese Absetzsymptome am besten vermeiden lassen, wird schon seit geraumer Zeit diskutiert.
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Wie Absetzsymptome entstehen
Wie Absetzsymptome entstehen, ist noch nicht geklärt. Häufig verwendete Antidepressiva erhöhen die Konzentration des Nerven-Botenstoffs Serotonin im Gehirn. Fachleute vermuten, dass sich die Nervenzellen daran gewöhnt haben und beim Absetzen zu wenig eigenes Serotonin produzieren. Das dürfte jedoch nicht die einzige Erklärung sein. Beispielsweise könnten auch negative Erwartungen eine Rolle spielen.
Behandlungsdauer und Erhaltungstherapie
In den ersten Monaten sollen Antidepressiva die Beschwerden lindern und schließlich verschwinden lassen. Danach schließt sich eine sogenannte Erhaltungstherapie an, die mindestens vier bis neun Monate dauert. Sie soll helfen, das Risiko für einen Rückfall zu senken. Ein höheres Risiko für einen Rückfall haben beispielsweise Menschen, die bereits mehrere Episoden einer Depression hinter sich haben, bei denen die erste Episode schon früh im Leben aufgetreten ist und bei denen trotz Behandlung weiter Anzeichen einer Depression bestehen bleiben.
Hat man das Mittel nur über kurze Zeit eingenommen, ist meistens kein langsames Reduzieren der Dosis nötig. Fachleute gehen davon aus, dass Absetzsymptome erst dann auftreten, wenn Betroffene das Mittel länger als acht Wochen eingenommen haben.
Alternative Behandlungen bei Depressionen
Bei einer Depression gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die wichtigsten sind Psychotherapie und Medikamente. Welche Therapie am besten geeignet ist, hängt von mehreren Dingen ab: etwa wie schwer die Depression ist, wie die persönlichen Lebensumstände sind und wie sich die Erkrankung entwickelt.
So gibt es verschiedene Formen von Depression, und die Beschwerden können sich unterscheiden: Bei manchen Betroffenen steht eine tiefe Traurigkeit und Niedergeschlagenheit im Vordergrund. Andere fühlen sich vor allem stark erschöpft und antriebslos. Oft verläuft die Krankheit in Wellen: Bei manchen klingen die Beschwerden nach einigen Wochen oder Monaten ab, sie können aber auch wiederkommen.
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Die Rolle von Studien beim Absetzen von Antidepressiva
Am besten ließe sich das in Studien untersuchen, die verschiedene Ausschleich-Geschwindigkeiten und -Strategien miteinander vergleichen. Beispielsweise würde eine Gruppe an Teilnehmenden ihre Antidepressiva schrittweise über 8 Wochen reduzieren, während eine andere Gruppe die Medikamente über 12 Wochen absetzt. Idealerweise würde eine dritte Gruppe die Antidepressiva weiter einnehmen. So ließe sich unterscheiden, welche Probleme durch das Absetzen entstehen, und welche Nebenwirkungen der Antidepressiva sind.
In solchen Studien sollten die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) auf die Behandlungsgruppen verteilt werden. Solche randomisierten kontrollierten Studien gelten als aussagekräftigste Methode, um die Auswirkungen von Behandlungen verlässlich abzuschätzen.
Bei unserer Recherche haben wir eine Übersichtsarbeit [1] gefunden, die alle bis Jänner 2020 veröffentlichten randomisiert-kontrollierten Studien zum Absetzen von Antidepressiva zusammenfasst. Davon war eine Studie prinzipiell relevant [2]. Sie hat das schrittweises Reduzieren der Dosis sowohl mit plötzlichem Aufhören der Einnahme als auch mit dem Weiternehmen der Antidepressiva verglichen. Das Ausschleichen dauerte allerdings nur eine Woche - in dieser Zeit nahmen die Teilnehmenden die halbe Dosis. Danach setzten sie die Antidepressiva ganz ab.
Zusätzlich haben wir in Forschungsdatenbanken nach aktuelleren Studien gesucht und eine weitere gefunden [3]. Danach setzten die Teilnehmenden die Antidepressiva ganz ab. Symptome, die möglicherweise mit dem Absetzen des Medikaments zusammenhängen, haben die Forschenden insgesamt über ein Jahr abgefragt.
In den beiden Studien hatten die Teilnehmenden vor unterschiedliche Antidepressiva über unterschiedlich lange Zeiträume eingenommen: In der kürzeren [2] war es das Antidepressivum Desvenlafaxin, mit dem die Teilnehmenden sechs Monate lang behandelt wurden.
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Eindeutige Schlüsse lassen sich aus diesen beiden Untersuchungen allerdings nicht ziehen. Die Studien haben nicht verschiedene Absetz-Geschwindigkeiten miteinander verglichen. In beiden Studien passierte das Verringern der Dosis schneller, als es üblicherweise heute empfohlen wird [3,6].
Die beiden Untersuchungen kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen: In der einen [2] gab es beim Ausschleichen über eine Woche nicht mehr Beschwerden als bei weiterer Einnahme der Antidepressiva. In der anderen [3] traten beim Ausschleichen über zwei Monate mehr Beschwerden auf als beim Weiter-Einnehmen des Antidepressivums.
In einer der Studien [2] war unklar, ob die Zuteilung der Teilnehmenden auf die Gruppen wirklich zufällig erfolgte und ob diese wussten, zu welcher Gruppe sie gehörten. In beiden Studien wurde nur die Anzahl der Absetzsymptome gezählt, aber nicht abgefragt, wie stark die Absetzsymptome die Betroffenen belastet haben.
Weitere Nebenwirkungen von Medikamenten: Trockene Augen
Trockene Augen können als Nebenwirkung von unterschiedlichen Medikamenten ausgelöst werden. Trockene Augen, medizinisch Sicca Syndrom genannt, zeigen häufig Symptome, die unangenehm sind: Die Augen sind gerötet, jucken und brennen. Oft entsteht ein Fremdkörper- oder Sandkorngefühl im Auge. Bei jedem Blinzeln reibt das Augenlid schmerzhaft über die trockene Augenoberfläche.
Die Ursachen für trockene Augen sind unterschiedlich, unter anderem können Medikamente als Nebenwirkung trockene Augen hervorrufen.
Medikamente, die trockene Augen verursachen können:
- Anti-Baby-Pille: Das weibliche Geschlechtshormon Östrogen kann die Tränenproduktion beeinflussen und so zum Austrocknen der Augen führen.
- Betablocker: Betablocker können als Nebenwirkung die Funktion der Tränendrüsen unterdrücken, so dass eine ausreichende Augenbefeuchtung nicht mehr gewährleistet wird.
- Anticholinergika: Zusätzlich hemmen Anticholinergika die Funktion der Drüsen im Körper, indem sie die Weiterleitung von Signalen verhindern, welche die Drüsen benötigen, um Sekret abzugeben.
- Antihistaminika: Aber auch Antihistaminika können die Tränendrüsen hemmen, so dass nicht genug Tränenflüssigkeit für die Augenbefeuchtung vorhanden ist.
- Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva: Als Nebenwirkung vermindern die Antidepressiva die Absonderung von Tränen aus den Tränendrüsen, was zu Beschwerden am Auge führen kann.
- Ergotamin: Ergotamin verengt die Blutgefäße, was ebenfalls zu trockenen Augen führen kann.
- Neuroleptika: Auch die Augen können bei einer Anwendung von Neuroleptika austrocknen.
- Reserpin: Daraus können unerwünschte Wirkungen wie eine Pupillenverengung, hängende Augenlider oder trockene Augen entstehen.
- Diuretika: Da Thiazide in den Stoffwechsel des Körpers eingreifen, kann es unter anderem bei längerer Anwendung zu trockenen Augen kommen.
- Trihexyphenidyl: Unter anderem können die Speichel- und Tränendrüsen von Trihexyphenidyl in ihrer Sekretabgabe gehemmt werden, es kommt zu einem trockenen Mund und trockenen Augen.
Hinweis: Bei den genannten Medikamenten treten trockene Augen vor allem in Folge einer Langzeitanwendung auf. Trockene Augen sind belastend und können die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Suchen Sie daher einen Arzt auf, wenn Ihnen die Augen Probleme bereiten.
Referenzen
- Van Leeuwen et al. (2021) Approaches for discontinuation versus continuation of long‐term antidepressant use for depressive and anxiety disorders in adults.
- Khan et al. (2014) Abrupt discontinuation compared with a 1-week taper regimen in depressed outpatients treated for 24 weeks with desvenlafaxine 50 mg/d. Journal of Clinical Psychopharmacology, 34(3), 365-368.
- Antler et al. (2021) Lewis G et al. Maintenance or Discontinuation of Antidepressants in Primary Care. Duffy L et al. Antidepressant medication to prevent depression relapse in primary care: the ANTLER RCT.
- UpToDate (2023) Discontinuing antidepressant medications in adults.
- UpToDate (2023) Unipolar depression in adults: Continuation and maintenance treatment.
- IQWiG (2020) Depression.
- ÄZQ (2022) Antidepressiva: Was ist beim Absetzen zu beachten? 20. 11. 29. 12. 2016: erste Version.
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