Viele Menschen, die unter Depressionen leiden, fühlen sich in ihrer Sexualität schwer beeinträchtigt. Depressionen können zu sexuellen Funktionsstörungen führen und eine Partnerschaft massiv belasten.
Der Einfluss von Depressionen auf die Sexualität
Eine erfüllende Sexualität setzt ein kompliziertes Zusammenspiel von Sinnesreizen, seelischen Empfindungen, Hormonen und körperlichen Funktionen voraus. So manche davon können bei Depressionen beeinträchtigt sein. Bei Depressionen sind Interesse, Sinnlichkeit, sexuelle Erotik, Begeisterungsfähigkeit und Lust fast immer negativ beeinträchtigt. Auch können Schmerzen beim Sex, Orgasmusstörungen, Errektionsstörungen oder eine vorzeitige Ejakulation auftreten.
Sowohl Depressionen als auch sexuelle Funktionsstörungen sind weit verbreitete Erkrankungen. Oft treten beide Störungen bei derselben Person auf. Dabei können sowohl Depressionen Auslöser der Sexualfunktionsstörung sein als auch umgekehrt.
Depressionen gehen häufig mit Antriebsmangel oder Angststörungen einher. Vor allem der Antriebsmangel kann sich auch auf die sexuelle Begierde erstrecken und diese zum Erliegen bringen. Schon allein dieser Libidomangel bewirkt oft eine sexuelle Funktionsbeeinträchtigung. Dies können bei Männern Störungen der Ejakulation und/oder der Erektionsfähigkeit sein, bei Frauen finden sich häufig Erregungs- oder Orgasmusstörungen.
Ursachen sexueller Unlust
Laut Studien hat jede dritte Frau gelegentlich oder häufig keine Lust auf Sex. Sexuelle Unlust kann sowohl körperliche, als auch psychische oder sozial bedingte Ursachen haben. Einige der möglichen Auslöser sind:
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- Hormonelles Ungleichgewicht
- Wechseljahre
- Stress
- Psychische Erkrankung (z. B. Depression)
- Kürzlich zurückliegende Geburt
- Beziehungstechnische Ursachen (z. B. mangelnde Kommunikation, übermäßige Vertrautheit, Streit)
- Diabetes
- Bluthochdruck
- Schilddrüsenunterfunktion
- Schmerzen beim Sex
- Urologische Erkrankungen (z. B. Impotenz)
- Gynäkologische Erkrankungen
In den meisten Fällen ist die Ursache im nichtorganischen Bereich zu finden. Beim Großteil der Frauen liegt die Ursache nicht im Körper, sondern an einer mangelnden Kommunikation mit der Sexualpartner:in. Viele haben nie gelernt, mit der Sexualpartner:in über sexuelle Bedürfnisse zu sprechen oder der Wunsch danach rückt durch den Alltag in den Hintergrund.
Hormone und ihre Bedeutung
Hormone haben einen großen Einfluss auf das weibliche Lustempfinden. Dafür müssen viele verschiedene Hormone zusammenspielen. So sind es nicht nur die Sexualhormone wie Testosteron und Östrogen, sondern auch die Hormone der Schilddrüse, die wesentlich zur Sexualität beisteuern.
Stress und psychische Belastungen
Job, Kinder, Partnerschaft und soziale Verpflichtungen - der Alltagsstress ist oft so groß, dass vielen im wahrsten Sinne des Wortes die Lust vergeht. Bei Frauen hat vor allem das Gehirn die Kontrolle über die Erregungsbildung. Stress und Sorgen sind deshalb gerade beim weiblichen Geschlecht ein sehr großer Lustkiller. Auch psychische Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen wirken sich häufig negativ auf die Sexualität aus. Depressionen gehören sogar zu den Hauptgründen, warum Frauen die Lust verlässt.
Beziehung und Sexualität
Auch der Beziehungsalltag verändert zweifellos die Sexualität. Eine übermäßige Vertrautheit kann die Lust, vor allem in einer längeren Beziehung, dämpfen. Schnell kann es passieren, dass sich beide Partner:innen etwas zu wohl fühlen, und der Alltag Einzug hält. Darunter leidet häufig die Lust.
Behandlungsmöglichkeiten
„Ein erfülltes Sexualleben zu haben, ist nicht nur wunderschön, es sorgt auch für eine gute Lebensqualität“, betont die Wiener Sexualmedizinerin Dr. Elia Bragagna. Das ist gerade auch dann wichtig, wenn eine chronische Krankheit die Lust am Leben - und am Sex trübt.
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Wie Bragagna und ihre Kollegen der Sexualmedizin diesen Patienten helfen können? „Im Wesentlichen besteht die Behandlung in drei Schritten“, sagt sie. Zuerst wird die Ursache für die sexuelle Beeinträchtigung gesucht. Begleiterscheinungen der eigentlichen Krankheit, aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten können schuld daran sein, dass es mit dem Sex nicht mehr klappt. Ist die Ursache gefunden, wird sie je nach der Problemlage bekämpft.
Veränderungen im Hormonstatus müssen meist behandelt werden. Dies ist zum Beispiel bei der Schilddrüse der Fall. Liegt die Ursache auf psychischer Ebene, kann hier gezielt mit Psychotherapie oder Familientherapie behandelt werden. Meist ist jedoch die sexuelle Unlust ein Begleitsymptom und kehrt von selbst wieder zurück, wenn die zugrundeliegende Ursache - wie etwa die Depression - behandelt wird.
„Trotz aller Hilfen funktioniert das Sexualleben aber nicht immer wieder genauso wie vor der Erkrankung“, sagt Bragagna. „Deswegen biete ich auch Gesprächstherapien an.“ Diese dienen dazu, die Betroffenen und gegebenenfalls ihre Partner in ein neues, anders gestaltetes Sexualleben zu begleiten. „Mit diesem Gesamtpaket kann ich meine Patienten erfahrungsgemäß zufriedenstellen“, weiß Elia Bragagna.
Antidepressiva und Sexualität
Unglücklicherweise verursacht aber gerade eine Vielzahl der Medikamente, die zur Behandlung der Depressionen eingesetzt werden, ihrerseits auch Sexualfunktionsstörungen. „Heute gibt es Antidepressiva, die nicht lustlos machen, und auf die kann man sich manchmal umstellen lassen“, sagt Bragagna. Antidepressiva können manchmal zu sexuellen Funktionsstörungen oder zu Unlust führen. Dies kann eine Nebenwirkung von Medikamenten sein.
In der letzten Zeit kommen immer häufiger pflanzliche Mittel zur Behandlung der Depression zur Anwendung. Extrakte aus dem Johanniskraut sind hier ebenso zu nennen, wie Lavendelöl. Ersteres ist in manchen Fällen nicht ganz harmlos, und es gibt sowohl Studien, die dessen Anwendung unterstützen als auch zu dessen mangelnder Wirksamkeit.
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Weitere Erkrankungen und ihre Auswirkungen
Nicht nur Erkrankungen der Schleimhaut im weiblichen Genitalbereich, die für Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sorgen, sondern vor allem die viel häufigeren chronischen Hautkrankheiten wie Neurodermitis, Psoriasis oder Akne können Liebestöter sein. „Wenn die Haut von Pusteln und Papeln übersät ist, sich schuppt oder entzündet ist, meinen viele, dass sich der Partner oder die Partnerin vor ihnen ekelt“, weiß Bragagna.
Bragagna: „Der wichtigste Bestandteil der Therapie ist die Behandlung der Hautkrankheiten, die heute meist so erfolgreich ist, dass die Betroffenen nach einiger Zeit ein schönes Hautbild bekommen und es auch behalten können.“ Dann wird meist auch wieder die Lust geweckt. Manchmal empfiehlt sich, zeitgleich mit der Hautbehandlung eine Gesprächstherapie mit dem Paar zu beginnen.
Eine Krebserkrankung beeinträchtigt das Sexleben oftmals gleich aus mehreren Gründen. Bragagna: „Die Diagnose ist immer ein Schock, und allein um diesen Schock zu verarbeiten, braucht man so viel Kraft, dass das Bedürfnis nach Sex reduziert ist oder verloren geht.“ Oft verändert sich durch die Erkrankung auch die Persönlichkeit eines Menschen, er wird depressiv und damit generell lustlos. Dem Sex hinderlich sind auch oft Nebenwirkungen der Therapie: „Hormonblocker, die zum Beispiel gegen Brustkrebs genommen werden, reduzieren die Libido und machen den Sex daher schwierig.
„Diabetes Typ 2 führt oft zu Sexualstörungen“, weiß Bragagna. Der immer wieder im Übermaß vorhandene Zucker im Blut schädigt die Blutgefäße und erschwert die Durchblutung des gesamten Körpers, so auch jene der Geschlechtsorgane. Bragagna: „Bei Männern führt das zur erektilen Dysfunktion, also Erektionsstörungen, die den Geschlechtsverkehr häufig unmöglich machen.“ Durch die Durchblutungsstörung werden zudem Nerven geschädigt. Auch das verhindert oft, dass der Penis steif genug wird, um in die Scheide eingeführt werden zu können.
„Frauen empfinden durch die Nervenschädigungen und die Durchblutungsstörungen im Bereich der Geschlechtsorgane weniger genitale Erregung und Lust“, sagt Bragagna. „Wenn die Zuckerkrankheit selbst gut behandelt wird, ist das schon sehr hilfreich“, sagt Bragagna. „Frauen können zusätzlich mit speziellen Mitteln das Scheidenmilieu gesund halten und verhindern, dass die Scheide trocken wird.“ Männern können Potenzmittel in Form von Zäpfchen, Pillen etc.
„Erektionsstörungen können ein Vorbote für einen Herzinfarkt sein, denn sie sind wie Herz-Kreislauferkrankungen oft auch die Folge von Schäden an den Blutgefäßen“, erklärt Bragagna. Die Durchblutung der Blutgefäße und Nerven funktioniert bei den Erkrankten nicht mehr so gut wie bei Männern mit einem gesunden Herzen. Bragagna: „Daher funktioniert auch die Erektion nicht mehr gut.“ Männer und auch Frauen nach einem Herzinfarkt haben zudem oft Angst, ihr Herz beim Sex zu sehr zu belasten und einen zweiten Herzinfarkt zu erleiden.
„Eine Angst, die eher unbegründet ist, denn während oder nach dem Sex kommt es extrem selten zu Herzinfarkten“, so Bragagna. „Männer und Frauen nach einem Herzinfarkt, die Angst haben, ihr Sexualleben wieder aufzunehmen, sollten ihren Arzt danach fragen, ob diese Angst begründet“, rät Bragagna. Männern mit Erektionsstörungen kann mit Potenzmitteln geholfen werden.
Wichtige Hinweise
- Menschen, die unter Depressionen leiden und eine erfüllte sexuelle Beziehung haben, sollten sorgsam mit dieser umgehen.
- Depressionen lassen uns oftmals Dinge und Tätigkeiten vermeiden, welche uns eigentlich guttun.
- Informieren Sie Ihren Partner/ihre Partnerin, dass Sie unter einer Depression leiden und dass dies zu sexuellen Unlust oder zu Funktionsstörungen führen kann.
- Auch mit Ihrer Psychotherapeutin/Ihrem Psychotherapeuten sollten Sie über die therapeutische Behandlung und mögliche psychologische Interventionen bei sexuellen Problemen sprechen.
Fazit: In jedem Fall findet sich aber eine individuelle Situation, die eine gezielte Behandlung mit oder ohne Medikamente erforderlich macht.
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