Depression und Schwindelgefühle: Ursachen und Behandlung

Schwindel und Übelkeit sind von großer klinischer Bedeutung, da sie zu den häufigsten Beschwerden in der Notaufnahme gehören. Das Symptom Schwindel wird in der klinischen Praxis organisch meist regelrecht durch die zuständige Fachrichtung abgeklärt.

Unter ätiologischen Gesichtspunkten können 3 Gruppen unterschieden werden:

  1. neurologisch-otologische (vestibuläre) Störungen,
  2. medizinische (insbesondere kardiovaskuläre, metabolische) Störungen und
  3. psychiatrische Störungen.

Ein möglicher psychiatrischer Impact im Symptom Schwindel wird oft übersehen und somit vernachlässigt. Die Folge ist ein Persistieren und Chronifizieren einer Symptomatik, die unter dem Namen phobischer Schwindel bekannt ist.

Voraussetzung dafür ist ein interdisziplinäres Denken beim behandelnden Arzt. Sofern der phobische Schwindel richtig diagnostiziert wird, kann im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes unter Einbeziehen von Physiotherapie, dem Erlernen von Angstbewältigungsstrategien und adäquater Aufklärung und Information des Betroffenen konkret an Beschwerden gearbeitet werden.

Der diagnostische Ansatz in der Notaufnahme basiert auf einer systematischen Analyse der Anamnese (Art, zeitlicher Verlauf der Symptome, modulierende Faktoren, assoziierte Symptome), der klinischen Untersuchung des Vestibular‑, Augenmotoren- und Kleinhirnsystems (Kopfimpulstest, Nystagmus, Schrägstellungsabweichung, Positionierungsmanöver, Gang- und Standtest) sowie einer Basalüberwachung (Vitalparameter, 12-Kanal-EKG, Blutuntersuchung).

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In den letzten Jahren wird in Notfallambulanzen zur Unterscheidung peripherer und zentraler Ätiologie beim akuten vestibulären Syndrom vermehrt auf die HINTS-Prüfung zurückgegriffen. Die Abkürzung HINTS steht für Kopfimpulstest, Nystagmus und alternierenden Abdecktest (Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew). Der Untersucher kann mit diesem einfachen Test komplexe Verschaltungen zwischen dem visuellen und vestibulären System, wie zum Beispiel den vestibulookulären Reflex, beurteilen.

Ergänzend in der Abklärung von Schwindelsymptomen wird auch häufig auf Neuroimaging zurückgegriffen. Die kraniale Bildgebung sollte in folgenden Konstellationen erfolgen:

  1. Erkennung von fokalen neurologischen oder zentralen Augenmotorik- und Vestibularzeichen bei klinischer Untersuchung,
  2. akute Abasie mit nur geringfügigen Augenmotorikzeichen,
  3. Vorhandensein verschiedener kardiovaskulärer Risikofaktoren,
  4. Kopfschmerzen unbekannter Qualität als Begleitsymptom.

Neben der symptomatischen Therapie von Schwindel mit Antiemetika oder Analgetika ist eine weitere diagnostische Differenzierung dringend erforderlich, um eine ordnungsgemäße Behandlung zu gewährleisten. Entsprechend sind in die Abklärung der physischen und psychischen Schwindelsymptome Allgemeinmediziner, Neurologen, HNO-Fachärzte und Psychiater involviert. In der Abklärungskette bei Schwindelsymptomen steht der Psychiater meist an letzter Stelle.

In die Gruppe des Schwank- und Benommenheitsschwindels fällt der somatoforme/phobische Schwankschwindel. Voraussetzung für die Diagnose dieser psychogenen Schwindelform ist ein regelrechter klinischer Untersuchungsbefund, insbesondere mit unauffälligen Gleichgewichtstests und Okulomotorik (Tab. 1; [5]).

Tab. 1 Der Schwindel im psychiatrischen Feld (somatoforme, phobische Schwindel)

Der Begriff „somatoformer Schwindel“ wurde als Oberbegriff für somatoforme Schwindelsyndrome gebraucht, die durch unterschiedliche zugrunde liegende psychische Störungen verursacht werden können. Das heißt, dass der Begriff nicht automatisch als Ursache eine somatoforme Störung im eigentlichen Sinne (vgl. ICD-10 F45) einschließt. Bei einer Subgruppe des somatoformen Schwindels ist der Schwindel Ausdruck einer somatoformen Störung im eigentlichen Sinn.

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Eine körperliche Belastungsstörung ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein von körperlichen Symptomen (in diesem Fall Schwindel), die für den Einzelnen belastend sind, und einer übermäßigen Aufmerksamkeit, die auf die Symptome gerichtet ist und sich durch wiederholten Kontakt mit Gesundheitsdienstleistern manifestieren kann. Wenn ein anderer Gesundheitszustand die Symptome verursacht oder dazu beiträgt, ist der Grad der Aufmerksamkeit in Bezug auf seine Natur und sein Fortschreiten eindeutig zu hoch. Eine übermäßige Aufmerksamkeit wird durch geeignete klinische Untersuchungen und angemessene Bestätigung nicht gemildert. Die körperlichen Symptome sind anhaltend und an den meisten Tagen mindestens einige Monate lang vorhanden. In der Regel sind bei körperlichen Belastungsstörungen mehrere körperliche Symptome zu beobachten, die sich im Laufe der Zeit ändern können.

Im DSM‑5 ist parallel dazu die somatische Symptomstörung (SSSt) neu aufgenommen worden. Die Prävalenzrate der SSSt in einer von Limburg et al. [7] untersuchten Gruppe von Patienten mit Schwindel und Benommenheit betrug zu Studienbeginn 36 % und nach 12 Monaten 62 %. Die Persistenzrate von SSSt betrug 82 %. Risikofaktoren für persistierende SSSt waren ein Selbstverständnis von Körperschwäche (OR: 1,52, 95 % CI: 1,30-1,78) und ein Anstieg der Depression während des Untersuchungszeitraums (OR: 1,11, 95 % CI: 1,02-1,22).

Schon länger bekannt ist, dass es bei etwa 30 % aller Patienten mit organischen Schwindelerkrankungen im weiteren Verlauf zur sekundären Entwicklung eines somatoformen Schwindels kommt. Hier gibt es häufige Fehldiagnosen und Fehlinterpretationen von Beschwerden, weil einige Autoren lange Zeit von „Restzuständen“ (d. h. vestibulären Defiziten) nach der organischen Läsion ausgehen. Die Patienten werden dann meist über Monate symptomatisch behandelt, z. B. mit Antivertiginosa, chiropraktischen Maßnahmen, Injektionen von Lokalanästhetika u. ä.

Die Prävalenz von psychiatrischen Symptomen beträgt bei Patienten mit Schwindel 68 %. Psychiatrische Differentialdiagnosen sollten das neuro-otologische Diagnoseverfahren bei Patienten mit einem chronischen Schwindelzustand und einer höheren Behinderung begleiten. Ein somatoformer Schwindel kann klinisch als Ausdruck einer psychischen Störung verstanden werden (Tab. 2).

Der genauen diagnostischen Zuordnung der Schwindelsymptomatik beim geschilderten Fallpatienten gehen mehrere stationäre Aufenthalte an der internen Abteilung voran, die 2‑malig bedingt waren durch einen Herzinfarkt, in den anderen 3 Fällen jedoch bedingt waren durch unspezifische Symptome wie körperliche Schwäche, Dyspnoe, Übelkeit, Schwindel und „Kollapsigkeit“.

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Eine kurzfristige Behandlung durch Physiotherapie bei einem dieser Aufenthalte erlebte der Patient als große Unterstützung. Diese Behandlung fand stets nur für wenige Minuten statt, ermöglichte dem Patienten jedoch konkret an Problemen beim Gehen, die verursacht waren durch Schwindel, Zittrigkeit und subjektive Schwäche, zu arbeiten.

Als Schwindelursache kommen bei diesem Patienten kardiovaskuläre und psychiatrische Störungen infrage. Erst als der Patient mit reaktiv depressiven Verarbeitungsmechanismen auf wiederholte stationäre Behandlungen ohne Besserung der von ihm als „Schwindel beim Gehen“ benannten Probleme reagiert, erfolgt eine Aufnahme an der Psychiatrie. Die genaue Diagnostik des phobischen Schwindels gelingt letztlich mit wenigen Mitteln und hätte im Krankheitsverlauf auch schon früher erfolgen können.

Eine primäre klinische Zuordnung der Schwindelsymptome des Patienten zur Gruppe der Schwank- und Benommenheitsschwindel liegt auf der Hand. Der Patient bietet psychiatrisch zwei Risikofaktoren für die Entwicklung einer somatischen Symptomstörung (SSSt) nach DSM‑5. Einerseits beschreibt er wiederholt Körperschwäche, andererseits ist seit vielen Jahren eine rezidivierende depressive Störung beim Patienten diagnostiziert, die ein wesentlicher Prädiktor einer somatischen Symptomstörung ist.

Im Therapieplan von Schwindelpatienten mit somatoformem bzw. phobischem Schwindel sollten regelmäßige Physiotherapieeinheiten eingeplant werden, die ausreichend Möglichkeit für Training und Exposition mit und ohne Physiotherapeut bieten. Das Erlernen von Angstbewältigungsstrategien kann das Therapieangebot sinnvoll ergänzen. Die Behandlung von Schwindelpatienten umfasst somit neben der Patientenaufklärung die vestibuläre Rehabilitation, falls angebracht, kognitive Verhaltenstherapien sowie die Anwendung von Psychopharmaka zur Behandlung von psychiatrischen Komorbiditäten.

Die korrekte und frühzeitige Diagnose des funktionellen bzw.

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