Depressionen bei Männern: Behandlungsmethoden und Therapieansätze

Depressionen sind eine weit verbreitete psychische Erkrankung, die erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt schon lange vor dieser neuen Volkskrankheit. In Österreich leiden geschätzte 800.000 Menschen an depressiven Erkrankungen, in Deutschland sind es vier Millionen.

Geschlechterunterschiede bei Depressionen

Das vorherrschende Bild, Frauen seien häufiger anfällig für psychische Störungen, ist durch Studien mittlerweile mehrfach widerlegt worden. Ein Grund für diese Fehlannahme waren unter anderem die bisher üblichen, geschlechtsübergreifenden Diagnosekriterien einer Depression - nach diesen Kriterien erkranken laut Statistiken etwa doppelt so viele Frauen (25%) an einer Depression als Männer (12%).

Wenn man sich aber einen anderen Hauptindikator der psychischen Gesundheit anschaut, nämlich die bei den Männern um das Dreifache erhöhte Suizidrate, wird es schnell klar - hier stimmt was nicht! Die männliche Suizidrate steigt mit dem Alter noch drastisch an. Ein entscheidender Grund für die dermaßen hohe Suizidrate bei Männern ist der, dass sie nur selten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und dadurch überdurchschnittlich oft einen Punkt erreichen, an dem sie keinen anderen Ausweg mehr sehen.

Ursachen von Depressionen bei Männern

Warum haben aber Männer ein so großes Problem damit, sich als (psychisch) krank zu sehen? Und warum haben Spezialisten wiederum ein so großes Problem, diese Tatsache im Rahmen ihrer Diagnostik und Behandlung zu berücksichtigen?

Hier kommen die männliche Sozialisation und sozial vermittelte Geschlechterrollen ins Spiel, die hauptverantwortlich für ein starres, stereotypes Männlichkeitsbild sind. Dieses Männerbild definiert sich bewusst oder unbewusst über die Unterdrückung, Abwehr und Überregulierung von Gefühlen, Abwertung und Geringschätzung von typisch „weiblichen“ Verhaltensweisen und Konkurrenzdenken gegenüber anderen Männern. Die Eckpfeiler: keinesfalls Schwäche zulassen, Überlegenheit, Dominanz, Leistungsorientierung.

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Dieses Männlichkeitsbild fordert von dem Mann auch das Hineinwachsen in die Rolle des Beschützers und des Alleinversorgers seiner Familie. Der Druck, diese Erwartungen aus ganz verschiedenen Gründen (vermehrte Arbeitslosigkeit oder Arbeit ohne Perspektive, Bildungsferne, schlechte Chancen am Arbeitsmarkt, Geldprobleme) nicht mehr erfüllen zu können, aber eben erfüllen zu müssen, ist ein zusätzlicher Risikofaktor. Es liegt also sehr nahe, dass betroffene Männer vor allem eines versuchen: die Erkrankung zu verdrängen und sich möglichst entgegengesetzt zu verhalten.

Symptome von Depressionen bei Männern

Es sind vor allem tiefe Niedergeschlagenheit, zunehmender Interessensverlust an Hobbys oder Aktivitäten und Antriebslosigkeit. Ständige innere Unruhe kommt oft dazu, obwohl Erkrankte nach außen hin wie erstarrt wirken. Sie kommen sich vor wie ein Fahrzeug, bei dem gleichzeitig die Handbremse angezogen und das Gaspedal durchgedrückt wird. Es folgt ein Verlust an Selbstvertrauen und eine massive Verschlechterung des Selbstwertgefühls.

Menschen mit Depressionen leiden oft unter starken und objektiv nicht nachzuvollziehenden Schuldgefühlen sowie Gefühlen der Wertlosigkeit und Unzulänglichkeit. Sie entwickeln mit der Zeit eine verzerrt-negative Sicht- und Denkweise in Bezug auf sich selbst, ihre Umwelt, ihre Zukunft und Vergangenheit aus. Eine Depression kann sich zusätzlich auch in vielfältigen körperlichen Beschwerden ausdrücken (Schmerzen werden z.B. verstärkt wahrgenommen).

Die oben genannten Symptome, die übrigens als Grundbeschwerden bei beiden Geschlechtern gleich häufig vorkommen, werden durch ein typisch „männliches“ Stressverarbeitungsverhalten abgewehrt. Das sind vor allem erhöhte Aggressivität und Hyperaktivität. Depressive Männer sind zornig und oft auch feindselig. Sie betreiben Selbstmedikation und konsumieren in diesen Phasen überdurchschnittlich oft Suchtmittel (Alkohol, Drogen, Medikamente).

Sie helfen kurzfristig und durchaus effektiv, die unerwünschten Emotionen zu regulieren, aufzulockern und innere Spannungen abzubauen. Die Traurigkeit wird vor allem durch eine gereizte Stimmung überdeckt, die von Gefühlen von Wut, Ärger und Unbehagen gekennzeichnet ist. Die ständige Gereiztheit ist auch hauptverantwortlich dafür, dass depressive Männer oft ihre Impulse nur schwer kontrollieren können.

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Sie treiben oft übermäßig viel Sport, um die Anspannung zu lindern und stürzen sich im Rahmen der Vermeidung vermehrt in die Arbeit, immer riskantere Abenteuer, neue Beziehungen oder diverse Onlineaktivitäten. Körperliche Symptome wie massive Schlafstörungen, Erschöpfung, Herzrasen, Magen-Darm Beschwerden, erhöhte Anfälligkeit für Infekte und Schmerzen kommen dazu. Depressionen können auch zu einem Mangel an sexuellem Verlangen und als dessen Folge oder auch direkt zu Erektionsproblemen führen.

Trotz all dieser Symptomatik haben es Männer schwer, sich die Krankheit zu „erlauben“. Sie führen es häufig auf akuten Stress und berufliche Belastungen zurück.

Der Weg zur Behandlung

Die Mehrheit der depressiven Männer kommt, wenn überhaupt, dann oft sehr spät und fremdmotiviert zu einer psychotherapeutischen Behandlung. Das geschieht in erster Linie durch mehrfache ärztliche Zuweisungen oder auf Drängen der Familie. Wenn hauptsächlich körperliche Beschwerden wie Erschöpfung und Schlaflosigkeit oder ein so genanntes „Burnout“-Gefühl beginnen, gravierende Auswirkungen auf den Lebensalltag zu haben, oder Betroffene die gesundheitlichen Spätfolgen von vermehrtem Alkohol- und Drogenkonsum verspüren, sind sie erst bereit etwas zu tun.

In der Regel gilt, dass Depressionen umso langwieriger behandelt werden müssen, je ausgeprägter sie sind und je länger sie bereits bestehen. Männer tun sich allerdings schwer mit klassischen Therapiesettings, sowohl in der Einzel- als auch in der Gruppentherapie (vor allem in themenoffenen Therapiegruppen). Aus bereits erwähnten Gründen fällt es ihnen oft schwer, sich selbst zum Thema zu machen, den Zugang zu ihren Gefühlen zu finden (oder sie überhaupt benennen zu können) oder sich die Probleme anderer anzuhören.

Da braucht es nicht nur fachliches Wissen um geschlechtsspezifische Zugänge, sondern viel Zeit, Unterstützung und Einfühlungsvermögen, um vor allem gegen frühe (und leider häufige) Behandlungsabbrüche präventiv zu wirken.

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Behandlungsmethoden und Therapieoptionen

Es existiert eine Reihe von evidenzbasierten und wirkungsvollen Behandlungsoptionen bei Depressionen. Nach anfänglicher diagnostischer Abklärung wird die geeignete multimodale Therapie abgeleitet und ein Behandlungsplan für die Patientin bzw. den Patienten erstellt.

Medikamentöse Behandlung

Die biologischen Behandlungsansätze fallen in den psychiatrischen Bereich und umfassen die Behandlung mit Psychopharmaka, insbesondere mit Antidepressiva. Zu nennen sind vor allem selektive Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, die die Verfügbarkeit von Serotonin und/oder Noradrenalin im synaptischen Spalt verlängern und als relativ gut verträglich mit günstigem Nebenwirkungsprofil gelten.

Wenn ausgeprägte Schlafstörungen, Unruhe (Agitiertheit), akute Krisen oder Suizidalität gegeben sind, können zur kurzzeitigen (!) medikamentösen Intervention Benzodiazepine (Tranquilizer) indiziert sein - kurzzeitig deshalb, weil diese Medikamente ein großes Suchtpotenzial in sich tragen! Tranquilizer werden insbesondere zur kurzfristigen Behandlung bei akuter Angsterkrankung verordnet.

Von einer alleinigen Pharmakotherapie ist jedoch abzuraten - sie sollte stets durch psychologisch-therapeutische Behandlungen ergänzt werden.

Die Elektrokrampftherapie (EKT) sollte als generell wirksame - aber in ihren Wirkmechanismus bis heute unzureichend verstandene - Therapie nur bei äußerst schweren Depression eingesetzt werden.

Psychosoziale Interventionen

Psychosoziale Interventionen beinhalten die wichtige soziale Komponente, d.h. den zwischenmenschlichen Austausch mit der Möglichkeit, neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schließen. Bei jüngeren Menschen und Patientinnen und Patienten mittleren Alters haben sich Sport und Bewegung als sehr hilfreich erwiesen - bei älteren Patienten und Patientinnen sind Physiotherapie und Kuraufenthalte von Vorteil.

Da viele depressive Menschen häufig einen sozialen Rückzug an den Tag gelegt haben, ist die graduelle Wiederaufnahme sozialer Aktivitäten - auch unter Berücksichtigung der veränderten Belastbarkeit - anzuraten. Unter Umständen zeigt die Scheu vor zwischenmenschlichen Kontakten sogar Züge einer sozialen Phobie.

Psychotherapie

Es existiert eine Vielzahl von psychologischen und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen. Auf die - bei bestimmten Depressionsformen durchaus sinnvollen - psychoanalytischen und psychodynamischen Therapieformen wird hier nicht näher eingegangen. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) stellt eine sehr wirkungsvolle und belastungs-reduzierende Methode zur Behandlung von Depressionen dar.

Wie jede Therapie ist auch die KVT „Hilfe zur Selbsthilfe“ - Patienten und Patientinnen lernen diese Behandlungstools mit fortschreitender Therapie selbstständig zur adaptiven kognitiven, emotionalen und verhaltensmäßigen Selbstregulation anzuwenden.

Basiskomponenten der KVT umfassen das Training sozialer und emotionaler Kompetenzen, die Schulung von Wahrnehmungen, Identifikation und Korrektur negativer Selbstbeurteilungen sowie insbesondere auch den Abbau der kognitiven Denkverzerrungen und Fehlattribuierungen. Darüber hinaus wird es Betroffenen durch die KVT aber auch ermöglicht, ihre Stärken und Ressourcen (wieder) zu sehen und „einzusetzen“ - in depressiven Phasen ist der Blick auf die Stärken und Ressourcen stark eingeengt.

Weitere Therapieansätze

  • Bewegungstherapie und sporttherapeutische Maßnahmen
  • Musiktherapie
  • Lichttherapie
  • Schlafentzugstherapie

Selbsthilfestrategien

  • Hilfe suchen
  • Den Tag planen
  • Soziale Kontakte pflegen

Zusammenfassung

Depressionen sind eine ernstzunehmende Erkrankung, die bei Männern oft unerkannt bleibt. Eine frühzeitige Diagnose und eine individuell abgestimmte Therapie, die sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Ansätze umfasst, sind entscheidend, um das Leiden zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Tabelle: Überblick über Behandlungsmethoden

Behandlungsmethode Beschreibung Anwendung
Medikamentöse Therapie Einsatz von Antidepressiva zur Beeinflussung der Neurotransmitter Bei mittelgradigen bis schweren Depressionen
Psychotherapie Gesprächstherapie zur Aufarbeitung von Problemen und Entwicklung von Bewältigungsstrategien Bei leichten bis schweren Depressionen
Elektrokrampftherapie (EKT) Auslösung eines Krampfanfalls unter Narkose zur Beeinflussung der Hirnaktivität Bei schweren, therapieresistenten Depressionen
Lichttherapie Einsatz von hellem Licht zur Beeinflussung des Hormonhaushaltes Bei saisonalen Depressionen
Bewegungstherapie Körperliche Aktivität zur Verbesserung der Stimmung und Reduktion von Stresshormonen Ergänzend zu anderen Therapieformen

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