Delinquentes Verhalten bei Kindern: Ursachen und Prävention

Nicht erst seit der Veröffentlichung der Anzeigenstatistik im April 2025 wird in Österreich intensiv über das Thema Jugendkriminalität diskutiert. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs legen ein Positionspapier zum aktuellen Diskurs der Kinderdelinquenz vor und adressieren mit einem konkreten Forderungskatalog die Bundesregierung.

Das Ziel des vorliegenden Dokuments ist, für die kleine Gruppe an deliquenten Kindern, nachhaltige Maßnahmen zu entwickeln, die evidenzbasiert an Eltern, Erziehungsberechtigte und Kinder konsequent herangetragen werden können. Aus unserer jahrzehntelangen Erfahrung in der Betreuung von Kindern wissen wir, was junge Menschen brauchen. Nämlich stabile Beziehungen und Sicherheit.

Der Ruf nach härteren Strafen zielt unserer Meinung nach an der Wurzel des Problems vorbei. Es braucht frühzeitige, unterstützende Maßnahmen und ein Zusammenarbeiten von allen Beteiligten, damit es gar nicht erst zu delinquentem Verhalten kommt.

Ursachen für delinquentes Verhalten

Die Ursachen für Jugendkriminalität sind vielfältig. Sie liegen oft in einer belasteten Kindheit, fehlender Unterstützung und mangelnder Koordination der gesellschaftlichen Systeme. Viele junge Menschen haben einen äußerst schweren Start ins Leben.

Risikofaktoren sind die Grundlage um präventive Maßnahmen zu entwickeln, die gerade diese besonders vulnerablen Kinder und ihre Familien erreichen. Gewalterfahrungen, Ausgrenzung, fehlende Beziehungsangebote, Mangel an ernsthaftem Interesse an einer gedeihlichen Entwicklung der betroffenen Kinder sowie Armut und andere erhöhte Belastungen und Instabilität, können das Risiko für psychische Störungen und delinquentes Verhalten erhöhen. Bindungsstörungen, Probleme bei der Moralentwicklung und der Identitätsbildung sind meist Folgen negativer familiärer Einflüsse wie fehlende Sturkturen, wechselnde Bezugspersonen oder elterlicher Psychopathologien, insbesondere Alkoholmissbrauch und antisoziales Verhalten.

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Einige der Hauptursachen sind:

  1. Fehlende Bindung und Zuwendung: Kinder, die keine stabile, liebevolle und unterstützende Umgebung erfahren, haben Schwierigkeiten, ein Sicherheits- und Vertrauensgefühl zu entwickeln.
  2. Mangelnde Zusammenarbeit: Gesellschaftliche Systeme wie Familie, Schule, Jugendhilfe, Medizin und Polizei arbeiten oft nicht gut zusammen.
  3. Überforderung: Im Begriff "Systemsprenger" zeigt sich, dass die bestehenden Systeme oft nicht ausreichend ausgestattet sind, um die Bedürfnisse von delinquent handelnden Jugendlichen adäquat zu adressieren.

Wandel: Unsere Welt ist einem immer schnelleren Wandel unterworfen. Arbeit, Familie, Identitätskonzepte, Bildung und Politik, alles verändert sich immer schneller weiter.

Formen von Jugendkriminalität

Jugendkriminalität umfasst jegliches strafrechtlich relevante Verhalten von Menschen, die zwischen 14 und 18 Jahren alt sind, von geringfügigen Vergehen bis hin zu schweren Straftaten.

Junge Menschen können unterschiedlichste Formen von auffälligem, herausforderndem Verhalten zeigen. Eine 14-Jährige wird wegen eines Ladendiebstahls angezeigt. Eine Gruppe von Jugendlichen beschädigt absichtlich Fahrzeuge in der Nachbarschaft. Ein 16-Jähriger verbreitet über einen Messenger-Dienst anstößige Fotos von Mitschüler*innen. Hinter jeder Handlung steht eine individuelle Geschichte.

Gleichzeitig gibt es neue Formen von Jugendkriminalität, etwa Straftaten im digitalen Raum, wie die Verbreitung pornografischer Inhalte über Messenger-Dienste.

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Anzeigenstatistik und ihre Interpretation

Die Anzeigenstatistik für 2024 zeigt, dass die Jugendkriminalität in Österreich seit 2015 beinahe jährlich gestiegen ist, von 2023 auf 2024 sogar deutlich. Die Zahl der Verurteilungen von Jugendlichen ist allerdings gesunken, was vermuten lässt, dass vor allem die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung zugenommen hat.

Steigende Anzeigenbereitschaft: Die Zahl der gemeldeten Straftaten von Minderjährigen hat sich in den letzten Jahren erhöht. In der Diskussion rund um Jugenddelinquenz und Kriminalität werden aktuell häufig härtere Strafen oder das Senken des Strafmündigkeitsalters gefordert. Das ist unserer Meinung nach nicht der richtige Weg, um für eine langfristige Besserung zu sorgen.

Präventive Maßnahmen

Unser erstes Ziel in der Prävention von Jugendkriminalität muss sein, Kinder und Jugendliche von klein auf so zu stärken und zu begleiten, dass es gar nicht erst so weit kommt. Risikofaktoren sind die Grundlage um präventive Maßnahmen zu entwickeln, die gerade diese besonders vulnerablen Kinder und ihre Familien erreichen.

Die Rolle der Eltern bzw. famliärer Strukturen betroffener Kind muss daher bei allen Maßnahmen zentral adressiert werden. „Innerfamiliärer Kinderschutz wird von der Kinder- und Jugendhilfe geleistet und gelingt immer nur gemeinsam“, so die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal. Umfangreiche Kooperationen von Bildungs-, Gesundheits-, Exekutiveeinrichtungen mit den Familien/Obsorgeberechtigten und Kindern sowie klare Kommunikationswege sind daher die grundlegenden Erfordernissen um besonders gefährdete Kinder und ihre Familien zu fördern.

Vielmehr sollen für diese Kinder besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um den Ursachen für das delinquente Verhalten und den Fehlentwicklungen wirksam zu begegnen. Die verantworungstragenden Erwachsenen sind hier jedenfalls in die Pflicht zu nehmen“, fordert die steirische Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer- Barac. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs legen daher einen Forderungskatalog vor, der Maßnahmen für betroffene Kinder, ihre Familien sowie Erziehungsberechtigten, Behörden und die Politik adressieren.

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Folgende Maßnahmen sind entscheidend:

  • Soziale Dienste und Bildungseinrichtungen sollten Risikofaktoren frühzeitig erkennen.
  • Familien benötigen Beratungs- und sozialpädagogische Unterstützungsangebote, um Herausforderungen zu bewältigen.
  • Jugendliche sollten verstärkt niederschwelligen Zugang zu Sportvereinen, kulturellen Aktivitäten und verschiedenen Freizeitangeboten erhalten.
  • Betroffene Kinder und Jugendliche benötigen pädagogische, psychologische und psychotherapeutische Angebote.
  • Straffällig gewordene Jugendliche sollten Angebote zur Resozialiserung erhalten.
  • Schulen, soziale Einrichtungen, Justiz und medizinische Dienste müssen interdisziplinär kooperieren.
  • Es ist ein ganzheitliches Betreuungssystem erforderlich, das die allgemeinen Lebensbedingungen der Betroffenen in den Blick nimmt.

„Dass Kinder, die vor dem Erreichen der Strafmündigkeit eine Straftat begangen haben, nicht förmlich angeklagt oder in einem strafrechtlichen Verfahren zur Verantwortung gezogen werden können, bedeutet nicht, dass ihr Verhalten keine Konsequenzen hat.

Bei SOS-Kinderdorf sehen wir diese Kinder und Jugendlichen nicht als "Probleme", sondern als junge Menschen, die in schwierigen Lebenslagen Unterstützung und Perspektiven brauchen. Jugendliche brauchen keine Strafen, sondern respektvolle Begrenzung und Chancen. Es liegt in unserer Verantwortung als Gesellschaft, jedem Kind und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich sicher und selbstbewusst zu entwickeln.

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