In der Psychologie wird unter einem psychischen, seelischen oder mentalen Trauma (Plural Traumata, Traumen) eine seelische Verletzung bezeichnet. Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet allgemein Verletzung (Wunde, τραῦμα), ohne dabei eine Festlegung zu treffen, wodurch diese hervorgerufen wurde.
Definitionen des Traumas
Fischer und Riedesser definieren Trauma in ihrem Lehrbuch der Psychotraumatologie als:
...ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.
Das medizinische Klassifikationssystem ICD-10 und die zugehörigen diagnostischen Anleitungen beschreiben das Traumakriterium als:
...ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (ICD-10) (z. B. Naturkatastrophe oder menschlich verursachtes schweres Unheil - man-made disaster - Kampfeinsatz, schwerer Unfall, Beobachtung des gewaltsamen Todes Anderer oder Opfersein von Folter, Terrorismus, Vergewaltigung, Misshandlungen oder anderen Verbrechen).
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Traumatisierende Ereignisse
Traumatisierende Ereignisse können beispielsweise Naturkatastrophen, Kriege, Geiselnahmen, Vergewaltigungen oder Unfälle mit drohenden ernsthaften Verletzungen sein. Sowie außerdem zum Beispiel Kriegserlebnisse, Entführungen, Terroranschläge, Folter, Lagerhaft, politische Haft oder gewalttätige Angriffe auf die eigene Person. Diese Ereignisse können in einem Menschen extremen Stress auslösen und Gefühle der Hilflosigkeit oder des Entsetzens erzeugen.
Aber auch weniger dramatisch erscheinende Ereignisse können im ungünstigen Fall dazu führen, dass ein Mensch in den Zustand intensiver Hilflosigkeit gerät und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten hierdurch überschritten werden. Als Beispiele können hier schwere persönliche Angriffe und Schmähungen, lang andauernde Manipulation, Mobbing, emotionaler Missbrauch, Vernachlässigung, körperliche Züchtigung, Scheidung oder Trennung, Konfrontation mit Traumafolgen als Helfer oder traumatisierendes Geburtserleben genannt werden.
Ob eine Situation traumatisch wird, hängt nicht nur von den äußeren Umständen, sondern auch sehr stark vom inneren Erleben dieses Ereignisses ab. Ob ein Mensch aufgrund einer traumatischen Situation mit einer psychischen Störung reagiert und welches Krankheitsbild danach im Vordergrund steht, hängt meistens sehr von den persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten und vielen weiteren Faktoren ab.
Arten von Traumata
Traumatisierung wird anhand von Ereignisfaktoren klassifiziert. Dabei wird anhand der Dauer der Traumatisierung zwischen Typ-I- und Typ-II-Traumata unterschieden:
- Typ-I-Traumata: Sind durch ein plötzlich eintretendes Ereignis gekennzeichnet, das zeitlich klar begrenzt ist und bei dem entweder akute Lebensgefahr für die eigene oder andere Personen besteht oder diese subjektiv angenommen wird.
- Typ-II-Traumata: Bestehen entweder aus einer Reihe von Einzelereignissen oder aus einem langanhaltenden traumatischen Geschehen (so wie z. B. bei Traumatisierungen in der Kindheit durch die Familie).
Weiterhin wird zwischen akzidentellen und interpersonellen Traumata unterschieden.
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- Akzidentelle Traumata: Sind zufällig aufgetretene traumatische Ereignisse die außerhalb des Einflusses von Menschen stehen, wie beispielsweise Naturkatastrophen oder unbeabsichtigte Autounfälle.
- Interpersonelle Traumata: Sind solche, die vorsätzlich von einem oder mehreren anderen Menschen verursacht wurden.
Interpersonelle Traumata und Typ-II-Traumata haben für gewöhnlich schwerwiegendere Folgen als akzidentelle oder Typ-I-Traumata. Zusätzlich sind Typ-II-Traumata in deutlich höherem Maße mit dem Auftreten einer Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung assoziiert.
Zusätzlich kann noch zwischen den folgenden Arten von Traumatisierung unterschieden werden:
- Medizinisches Trauma: bei schwerwiegenden, lebensbedrohlichen oder stark lebensverkürzenden Erkrankungen oder solchen, die eine chronische Invalidität zur Folge haben, sowie nach schweren, sehr belastenden medizinischen Eingriffen oder Behandlungsverläufen, oder bei schwerer bleibender Schädigung von Körper und Gesundheit nach ärztlichen Behandlungsfehlern.
- Berufsbedingtes Trauma: berufsbedingte Traumatisierung, z. B. bei Rettungskräften, Polizisten usw.
- Sekundäres Trauma: berufsbedingte Traumatisierung, z. B. bei Psychotherapeuten, die empathisch psychotherapeutisch mit Klienten arbeiten und dabei häufig mit emotionalisierenden Schilderungen hochbelastender Traumaereignisse konfrontiert sind.
- Zuschauer-Trauma: das traumatische Ereignis betrifft einen zwar nicht selbst, man erlebt es jedoch als Zeuge mit.
- Individuelles versus kollektives Trauma: Traumata die eine Person allein erlebt hat versus Traumata die mehrere Menschen gleichzeitig erlebt haben (Bsp.: Flugtagunglück von Ramstein, Unglück bei der Loveparade 2010).
Ausmaß der Traumatisierung
Das Risiko einer Traumafolgestörung und der Schweregrad der Erkrankung hängen von verschiedenen Faktoren ab.
Risiko- und Schutzfaktoren
Als Risikofaktoren stellten sich frühere Traumatisierungen (beispielsweise vorab erlebter Missbrauch in der Kindheit), ein junges Alter zum Zeitpunkt der Traumatisierung, Grad der Bildung oder Geschlecht heraus. Allerdings tragen diese Faktoren in weitaus geringerem Maße zu einer späteren Traumatisierung bei als die Ereignisfaktoren und die beeinflussenden Faktoren nach der eigentlichen Traumatisierung. Die Wirkung von Schutzfaktoren wird auch als Resilienz bezeichnet.
Ereignisfaktoren
Je schwerer die belastende Situation war (z. B. Schadensausmaß oder Anzahl der Toten), desto mehr vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit eine Traumafolgestörung zu entwickeln. Außerdem ist sie bei länger andauernden Traumata (zum Beispiel wiederholte sexuelle Angriffe innerhalb der Familie) größer als bei einmaligen Traumata (zum Beispiel Eisenbahnunfall).
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Reaktionen auf ein Trauma
Die meisten Menschen sind zunächst kaum in der Lage, solche Situationen „extremer“ Hilflosigkeit zu verarbeiten. Die Bewältigungsmechanismen reichen momentan nicht aus, um mit einer derartigen Situation umgehen zu können - wörtlich stürzt eine Welt zusammen. In großen Stresssituationen hat der Mensch instinktiv den Impuls, entweder zu fliehen oder zu kämpfen. Ist beides nicht möglich, erscheint die Situation ausweglos.
In akuten, massiven Belastungssituationen ist das stressverarbeitende System überfordert. Als Folge können die typischen sogenannten peritraumatischen Symptome auftreten. Dazu zählen etwa ständiges Wiedererleben des Traumas, Albträume, allgemeine Alarmiertheit, massive Angst oder Betäubung und Erstarrung.
Traumafolgestörungen
In vielen Fällen werden traumatische Erlebnisse nach und nach bewältigt und bleiben ohne schwerwiegende längerfristige Folgen. Es kann sich jedoch auch in der Folge eine sogenannte Traumafolgestörung entwickeln. Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) stellt eine verzögerte oder verlängerte Reaktion auf eine schwere Belastung bzw. Bedrohung dar. Zu weiteren Traumafolgestörungen zählen Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen sowie auch Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (meist als Folge schwerer Traumata in der Kindheit) und sexuelle Funktionsstörungen.
Akute Belastungsreaktion
Die akute Belastungsreaktion (im Volksmund Nervenzusammenbruch genannt) ist eine stunden- bis tagelang anhaltende Reaktion auf außergewöhnliche körperliche und/oder seelische Belastungen bei ansonsten psychisch gesunden Personen. Dies kann z.B. nach einer Vergewaltigung, Katastrophe (wie Seuchenausbrüche, Erdbeben, Hochwasser) oder unerwarteten bedrohlichen Veränderungen der sozialen Beziehungen vorkommen (z.B. Tod einer nahestehenden Person). Die akute Belastungsreaktion beginnt meist unmittelbar innerhalb von Minuten nach einem belastenden Ereignis. Nach Stunden bzw. Tagen ist diese Störung bei passender Unterstützung weitestgehend verschwunden.
Neurobiologische Auswirkungen
So zeigen sich etwa nach Kriegserlebnissen, Unfällen, zivilen Katastrophen, Gewalttaten und kindlichen Traumata Veränderungen im Gehirnstoffwechsel manchmal sogar Strukturveränderungen des Hirns. Durch die übermäßige Ausschüttung von Stresshormonen und die stärkere Aktivierung des sympathischen Nervensystems (z.B. erhöhter Puls, hoher Stresshormonspiegel, Schlafschwierigkeiten) zu einer körperlichen Übererregtheit. Hält die extreme Stressreaktion an, kommt es zur negativen Auswirkung auf die Informationsverarbeitung.
Behandlung von Traumata
Ein frühzeitiges Hilfsangebot - unmittelbar nach dem Ereignis (möglichst noch vor Ort) - hilft bei der Bewältigung und setzt das Risiko für die Entwicklung späterer Traumafolgestörungen herab. Dieses Angebot sollte sich jedoch flexibel an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren. Ist das Trauma sehr schwerwiegend oder ist die/der Betroffene sehr beeinträchtigt, sollte anschließend an die Erstintervention eine Krisenintervention Anspruch genommen werden. Dabei wird durch Gespräche akut geholfen, die belastende Situation zu bewältigen.
In den folgenden Wochen sollte die/der Betroffene je nach Ihren/seinen Bedürfnissen begleitet werden, um verzögerte Traumafolgen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Psychotherapeutische Behandlungstechniken
- Imagery-Rehearsal-Therapie: Bei der Imagery-Rehearsal-Therapie wird zuerst der Albtraum von der betroffenen Person erzählt, gemalt oder aufgeschrieben. Danach wird der Inhalt bzw. Ablauf des Albtraums so verändert, dass sich dieser zum Positiven wendet. Er wird quasi „neu geschrieben“. Diese neue „Geschichte“ wird während der Psychotherapie verinnerlicht.
- Eye-movement-desensitization-reprocessing-Therapie (EMDR): Vor allem im Zusammenhang mit Posttraumatischer Belastungsstörung kommt diese Technik zum Einsatz. Dabei bewegt die Patientin/der Patient während des Erzählens des Albtraums oder des traumatischen Erlebnisses unter genauer Anleitung die Augen schnell von links nach rechts. Dies erleichtert die Verarbeitung der geschehenen Ereignisse bzw. der Albtrauminhalte im Gehirn.
- Gestalttherapie: In der Gestalttherapie werden - wie auch in manchen anderen Psychotherapiemethoden - Rollenspiele eingesetzt. Dabei wird in Bezug auf den Albtraum dieser zuerst in der Ich-Perspektive nacherzählt. Dies geschieht so lange, bis alle Gedanken, Gefühle und inneren Bilder, die mit dem Albtraum verbunden sind, aufgearbeitet wurden.
- Luzides Träumen (Klarträumen): Bei dieser Technik ist der träumenden Person bewusst, dass sie träumt. Sie kann gezielt noch während des Schlafs in den Traum eingreifen (z.B. die Traumhandlung verändern).
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