Borderline heilbar oder nicht: Eine umfassende Betrachtung

Die Frage, ob Borderline heilbar ist, beschäftigt viele Betroffene und Angehörige. Lange Zeit galt die Borderline-Therapie als besonders problematisch, doch dank spezieller therapeutischer Konzepte ist die Prognose heute deutlich besser. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Behandlung.

Was ist das Borderline-Syndrom?

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein Subtyp der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung. Menschen mit dieser Störung haben Schwierigkeiten, ihre Handlungen und Gefühle zu kontrollieren, was für sie selbst und ihr Umfeld sehr belastend sein kann. Betroffene erleben Emotionen besonders intensiv und sind häufig starken Stimmungsschwankungen ausgesetzt. Oft geht die Erkrankung mit Störungen der frühkindlichen Bindung einher, die im späteren Alter zu Verlassensängsten und einer hohen Empfindlichkeit für Kritik führen.

Symptome des Borderline-Syndroms:

  • Heftige Bemühungen, reales oder vermutetes Verlassenwerden zu verhindern
  • Muster an instabilen Beziehungen, insbesondere der Wechsel zwischen Entwertung und Idealisierung
  • Instabiles Selbstbild oder gestörte Selbstwahrnehmung
  • Impulsives Verhalten, das mit negativen Folgen oder hohem Risiko verbunden ist
  • Selbstverletzendes Verhalten, Selbstmorddrohungen oder -versuche
  • Emotionale Instabilität in Form starker Stimmungsschwankungen
  • Chronisches Gefühl innerer Leere
  • Heftige Wut oder Aggressionen, Probleme bei der Selbstbeherrschung
  • Vorübergehende Paranoia oder Dissoziation infolge von Belastungen

Ursachen des Borderline-Syndroms

Die genauen Ursachen dieser Persönlichkeitsstörung sind noch nicht vollständig bekannt. Unter anderem dürften genetische Faktoren als Auslöser beteiligt sein. Ein Risikofaktor, der sich in der Forschung jedoch klar als Ursache für Borderline herauskristallisiert hat, sind frühkindliche Traumata bzw. gestörte Bindungserfahrungen. Negative Bindungserfahrungen in der Kindheit sind ein häufiger Auslöser für Borderline. Die Ursachen können hier vielfältig sein: Trennungserfahrungen, unstete Bezugspersonen oder traumatische Erlebnisse wie Gewalt und Missbrauch.

Borderline: Diagnose

Die Diagnose psychischer Krankheiten sollte grundsätzlich nur auf Basis einer psychologischen Testung durch einen Experten erfolgen. Patienten befinden sich häufig schon seit einem längeren Zeitraum in Behandlung, bis die genaue Diagnose gestellt wird. Beim Verdacht auf Borderline kann man sich an den bisherigen Behandler wenden, um eine genaue Testung in die Wege zu leiten. Falls du bei dir erstmals Anzeichen für eine psychische Krankheit bemerkst, ist in der Regel der Hausarzt die erste Anlaufstelle, um eine Überweisung für die Diagnostik zu bekommen.

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Therapieansätze bei Borderline

Bei der Behandlung einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung kommt vor allem Psychotherapie zum Einsatz. Gegebenenfalls verschreibt die Ärztin oder der Arzt auch Medikamente. In akuten psychiatrischen Krisen oder bei sehr starken Symptomen kann eine Behandlung in einem Krankenhaus notwendig sein.

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

Den Durchbruch in der Borderline-Behandlung schaffte die US-amerikanische Therapeutin Marsha M. Linehan mit der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT). Diese Therapie kombiniert verhaltenstherapeutische Behandlungstechniken mit achtsamkeitsbasierten Ansätzen. Im Mittelpunkt stehen Strategien, die verhindern, dass der Patient sich weiter selbst schädigt oder die Therapie vorzeitig abbricht. Ziele sind:

  • Die Wahrnehmung der eigenen Person und die anderer Menschen zu verbessern
  • Maßnahmen zur Selbstkontrolle und zum Umgang mit Krisen einzuüben
  • Extremes Schwarz-Weiß-Denken abzubauen
  • Den Umgang mit Stress und die Steuerung der eigenen Gefühle zu erlernen

Kürzlich wurde das Department für Psychosomatik am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums vom Dachverband Dialektisch Behaviorale Therapie e.V. zertifiziert. Das Besondere einer zertifizierten DBT-Behandlungseinheit ist, dass hier ein umfassendes Behandlungsprogramm ermöglicht wird, das die Kriterien eines multimodularen Behandlungsangebots nach den Richtlinien des Dachverbandes DBT erfüllt. Neben einer ausreichenden Therapiedichte von DBT-basierter Einzel- und Gruppentherapie, einer regelgeleiteten Selbsthilfegruppe und regelmäßiger kollegialer Supervision beinhalten diese vor allem ein Behandlungsteam mit zertifizierten DBT-Therapeutinnen sowie zertifizierten DBT-Therapeuten für Sozial- und Pflegeberufe.

Psychodynamisch-konfliktorientierte Psychotherapie

Neben der Verhaltenstherapie sind auch Psychodynamische Therapieverfahren eine Möglichkeit für Borderline-Patienten. Wie alle Therapien, die ihre Wurzeln in der Psychoanalyse haben, steht auch hier die Einsicht in Zusammenhänge zwischen den biografischen Erfahrungen und aktuellen problematischen Beziehungen und Verhaltensweisen im Vordergrund.

Im Rahmen der Psychodynamisch-konfliktorientierten Psychotherapie werden gezielt:

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  • Traumata bewältigt
  • Das Selbstbild des Patienten gestärkt oder überhaupt aufgebaut
  • Die Beziehungsfähigkeit verbessert
  • Das typische Schwarz-Weiß-Denken abgebaut
  • Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Impulse zu kontrollieren, gestärkt (Affekt-Regulation)

Familientherapie

Besonders bei der Borderline-Therapie von Jugendlichen ist es entscheidend, die Familie mit einzubeziehen. Vor allem, weil eine Zusammenarbeit mit der Familie eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass der Jugendliche sein Denk- und Verhaltensmuster erfolgreich verändert. Besonders wichtig ist das Einbeziehen der Familie, wenn die Störung ihre Wurzeln zumindest teilweise in der Familie hat.

Weitere Therapieformen

Weitere Therapieverfahren, die bei Borderline-Störungen eingesetzt werden, sind:

  • Mentalisierungs-basierte Therapie (MBT)
  • Schematherapie/Schema-fokussierte Therapie
  • Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (Transference-focused psychotherapy, TFP)

Medikamente

Manche Patienten erhalten zusätzlich zur Psychotherapie eine medikamentöse Therapie. Borderline ist jedoch nicht alleine durch Medikamente behandelbar - spezielle Borderline-Medikamente gibt es nicht. Stimmungs-Stabilisierer wie Lithium helfen einigen Patienten aber dabei, extreme Gefühlszustände in den Griff zu bekommen. Patienten mit Borderline, die unter starken Angstzuständen leiden, verschreibt der Arzt oder Psychiater oft Benzodiazepine. Haben Patienten zusätzlich eine Depression oder/und Angststörung, ergänzt der Arzt die Borderline-Therapie zum Beispiel durch Antidepressiva.

Was kann man selbst tun?

Es gibt verschiedene Selbsthilfe-Strategien, die meist in der Psychotherapie erlernt werden. Folgende Strategien helfen beispielsweise vielen Borderline-Patienten:

  • Keine übertriebene Verausgabung in Beruf oder Freizeit, sondern mit den Kräften haushalten
  • Sich auch mal Fehler eingestehen und die hohen Ansprüche herunterschrauben
  • Gesunde Lebensweise mit genug Schlaf, regelmäßiger, gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung
  • Entspannungs-Training: z. B. Achtsamkeitsübungen, Massagen, warmes Bad
  • Mit vertrauten Personen über seine Gefühle reden oder Gedanken niederschreiben (Tagebuch)
  • Negative Gedanken stoppen, indem man sich ablenkt (etwa durch Sport, Musik hören, raus in die Natur)
  • Bei Aggressionen auf ein Kissen einschlagen, Sport machen, laut (in ein Kissen) schreien, etc.

Ist das Borderline-Syndrom heilbar?

Das Borderline-Syndrom gilt als chronische Erkrankung, die nicht vollständig heilbar ist, aber effektiv behandelt werden kann. Problematisch sehen viele Experten aber, dass nur ein kleiner Teil der Patienten tatsächlich eine leitliniengerechte Therapie erhält. Auf eine Therapie spricht etwa die Hälfte der Patienten beim ersten Behandlungsversuch an. Viele Borderliner haben auch langfristig Probleme, ihre Gefühle zu kontrollieren oder sich sozial zu integrieren.

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Schlechtere Chancen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen, haben vor allem Patienten mit Drogen- oder Alkohol-Missbrauch. Ein kleiner Teil der Borderline-Patienten verstirbt durch Suizid oder risikoreiches Verhalten. Mit dem Alter nimmt aber das impulsive Verhalten ab, das für das Borderline-Syndrom typisch ist. An dessen Stelle treten jedoch oft depressive Stimmungen.

Es ist wichtig, die Frühwarnzeichen einer Borderline-Erkrankung zu erkennen, um dann möglichst schnell eine Therapie einzuleiten. Damit ist es möglich, die Prognose positiv zu beeinflussen.

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