Bipolare Störung Typ 2: Diagnose, Symptome und Behandlung

Die Bipolare Störung ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch wiederkehrende Phasen von Depression und Manie gekennzeichnet ist. Bis zur Diagnose und effektiven Pharmakotherapie ist es oft ein langer Weg.

Der eine oder andere hat sicher schon einmal an sich beobachten können, wie er sowohl die Höhen einer Ekstase als auch die Tiefen einer Melancholie durchlebt und vielleicht sogar „genossen“ hat. Solche Stimmungsschwankungen gehören zum Leben dazu und machen manchmal dessen den Reiz aus. Mit den Depressionen und Manien, die Menschen mit bipolarer Störung durchleben müssen, hat das jedoch nichts zu tun. Für sie ist dieser extreme Gegensatz mehr als Pathos.

Wiederkehrende Wechsel von (Hypo-)Manien und Depressionen zeichnen das Bild der bipolaren Störung. Haben Betroffene zumindest eine vollständige, d.h. die normale soziale und berufliche Funktion störende, manische Episode und zusätzliche depressive Episoden erlebt, wird die Diagnose der bipolaren Störung vom Typ 1 gestellt.

Dominiert hingegen die Depression und kommt es „nur“ zu hypomanen Phasen, handelt es sich um den Typ 2. Als Drittes nennen der Psychiater Prof. Dr. Andre­ F. Carvalho­ von der University of Toronto und Kollegen die Zyklothymia, bei der sich hypomane und depressive Perioden abwechseln. Im Gegensatz zu einer bipolaren affektiven Störung sind die Symptome deutlich schwächer ausgeprägt.

Die Weltgesundheitsorganisation gibt für die psychische Störung eine Lebenszeitprävalenz von 2,4% an. Beispielsweise liefert fast jeder zehnte New Yorker einen positiven Screeningtest ab. Schon aus diesem Grund ist es so wichtig, dass Hausärzte die Zeichen dieser Störung erkennen und eine Behandlung zügig einleiten, schreiben die Psychiater.

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Symptome der Bipolaren Störung

Eine Bipolare Störung ist gekennzeichnet durch manische sowie depressive Episoden. Bei diesen wechseln die Stimmungen zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“. Die Kennzeichen einer Bipolaren Störung können sehr vielschichtig sein.

In extremen Hochphasen (Manie) sind Menschen mit einer Bipolaren Störung unter anderem überschwänglich, extrem aktiv, reizbar, sprunghaft und unruhig. Diese Hochphasen wechseln sich mit extremen Tiefphasen ab (Depression). In diesen fühlen sich Betroffene unter anderem sehr niedergeschlagen, antriebslos und ihr Selbstwertgefühl nimmt stark ab. Die depressiven Phasen überwiegen gewöhnlich.

Es gibt auch Mischformen, bei denen depressive und manische Symptome gleichzeitig auftreten. Zudem kann es vorkommen, dass die Manie nicht so stark ausgeprägt ist. Man spricht dann von Hypomanie.

Die Symptome sind jenen der hypomanischen Episode sehr ähnlich. Sie sind allerdings stärker ausgeprägt. Dies führt unter anderem auch zu sozialen Schwierigkeiten sowie Problemen im Arbeitsleben und in Beziehungen. Es fällt zunehmend schwer, die Folgen des eigenen Verhaltens einzuschätzen, bis dies schließlich nicht mehr möglich ist. Das kann auch zu gefährlichen Situationen führen.

Der manischen Episode geht oft eine Phase voraus, in der sich die Manie ankündigt: Das Energielevel steigt, das Schlafbedürfnis sinkt und die/der Betroffene fühlt sich zunehmend aufgewühlt.

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Depressive Episoden einer Bipolaren Störung unterscheiden sich nicht von schweren Stadien einer reinen Depression. Jedoch ist die Behandlung unterschiedlich.

Bei einer gemischten Episode treten manische und depressive Symptome gleichzeitig auf. Das äußert sich z.B. Gefühl, durch nichts zu stoppen zu sein und alles zu können.

Diagnose der Bipolaren Störung

Die Bipolare Störung ist nicht leicht zu diagnostizieren, weil sie mit anderen psychischen Störungen wie einer klassischen Depression oder Schizophrenie verwechselt werden kann. Da die manische Phase von den Angehörigen und Betroffenen oft als lediglich aufgedrehte Stimmung interpretiert wird, dauert es oft Jahre, bis eine richtige Diagnose gestellt wird.

Vor allem die Bipolar-II-Störung und die Zyklothymia sind schwer zu erkennen, da die Symptome hier schwächer ausgeprägt sind als bei der Bipolar-I-Störung. Es ist daher besonders wichtig, dem Arzt oder Therapeuten Erleben, Stimmungen und Gefühle detailliert zu beschreiben.

Bei Verdacht auf eine Bipolare Störung kann zuerst der Hausarzt kontaktiert werden. Aufgrund der schwierigen Diagnose und der erhöhten Suizidgefahr ist es aber ratsam, sofort den Kontakt zu einer Klinik aufzunehmen oder einen Facharzt für Psychiatrie aufzusuchen. Häufig sehen Betroffene allerdings keine Notwendigkeit für ärztliche Hilfe - vor allem während ihrer manischen Phase.

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Zur Abklärung einer möglichen Bipolaren Störung wird sich der Arzt zuerst ausführlich mit dem Patienten unterhalten, um die Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Sehr sinnvoll ist es, wenn neben dem Patient auch Angehörige vom Arzt befragt werden (und später in die Behandlung mit einbezogen werden). Besonders wenn der Betroffene keine Krankheitseinsicht hat, sind die Beobachtungen und Mithilfe von nahestehenden Personen extrem wichtig. Denn Angehörige können die verschiedenen Stimmungsphasen des Betroffenen oft gut einschätzen.

Zum Einsatz kommen bei der Diagnostik einer Bipolaren Störung auch klinische Fragebögen. Einige dienen der Beurteilung manischer Symptome, andere die der Einschätzung depressiver Symptome. Außerdem gibt es solche Fragebögen sowohl für die Selbstbeurteilung als auch für die Fremdbeurteilung (etwa durch den Partner).

Bei der Diagnosefindung muss der Arzt vor allem auf die Unterscheidung zwischen Manie und Schizophrenie achten, was nicht immer leicht ist. Auch andere psychische Erkrankungen können anstelle von Bipolarer Störung für die Symptome des Patienten verantwortlich sein. Ebenso muss der Arzt diverse organische Erkrankungen als mögliche Ursachen für manische bzw. depressive Symptome ausschließen, bevor er die Diagnose Bipolare Störung stellen kann.

Behandlung der Bipolaren Störung

Es besteht Konsens, dass eine bipolare Störung medikamentös behandelt wird. Jedoch erinnern die Autoren daran, dass jeder Patient ein individuelles Muster an Symp­tomen und Begleiterscheinungen zeigt. Der Medikationsplan sollte das widerspiegeln und unbedingt mit psychosozialen und psychotherapeutischen Interventionen kombiniert werden.

Die Behandlung einer Bipolaren Störung erfolgt in zwei Hauptphasen:

  • Akuttherapie: Im Vordergrund steht die Verminderung der depressiven bzw. (hypo-)manischen Symptome.
  • Phasenprophylaxe: Darunter versteht man eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden.

Die Akuttherapie erfolgt meist in einem Krankenhaus, ggf. auch in einer Tagesklinik. Je nach Episode kommen Medikamente zum Einsatz sowie begleitende Therapien (z.B. Psychotherapie). Die Therapieziele sollten gemeinsam von Patientin/Patient und Ärztin/Arzt festgelegt werden.

Welches Medikament bei einer Bipolaren Störung verschrieben wird, hängt vom jeweiligen Verlauf der Erkrankung ab. Vor einer medikamentösen Therapie sollten Laborwerte erhoben werden, die für die Verlaufsbeobachtung wichtig sind.

Zu den häufig eingesetzten Medikamenten gehören:

  • Stimmungsstabilisierer (auch Phasenprophylaktika genannt): Dazu zählen etwa Lithium sowie die Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin etc. und Antipsychotika.
  • Antidepressiva: Diese sollen bei einer Bipolaren Störung nur in Zusammenhang mit Stimmungsstabilisierern und nicht in einer gemischten Episode zur Anwendung kommen.

Die Einnahme von Medikamenten sollte immer mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Halten Sie sich an den verordneten Therapieplan - auch wenn eine längere Behandlung erforderlich ist. Damit können Sie Ihre Genesung maßgeblich unterstützen und Rückfällen vorbeugen.

Psychotherapie als Ergänzung

Psychotherapie ergänzt und unterstützt die medikamentöse Behandlung bei Bipolaren Störungen. Die Therapieziele werden gemeinsam mit der Patientin/dem Patienten festgelegt. Zum Beispiel: Symptome zu verstehen und zu mildern, die Lebensqualität zu steigern und Rückfälle zu verhindern.

Die sogenannte Psychoedukation ist ein wichtiger Baustein der Behandlung. Bei dieser soll das Verständnis für die Störung gefördert und der Bezug zum Alltag erläutert werden. Betroffene können so unter anderem auch lernen, ihr Verhalten, Fühlen und Denken besser zu verstehen und zu beobachten sowie bei nahenden Episoden so gut wie möglich gegenzusteuern.

Weitere Therapiemöglichkeiten umfassen Lichttherapie, Wachtherapie, Elektrokonvulsionstherapie (EKT), Sport/Bewegungstherapie, Entspannungsmethoden und Ergotherapie.

Unterstützung durch Angehörige

Eine Miteinbeziehung von nahen Angehörigen in die Therapie von Betroffenen mit Bipolarer Störung ist meist hilfreich. Voraussetzung dafür ist, dass die Patientin/der Patient damit einverstanden ist. Besonders bewährt hat sich ein trialogischer Zugang. Der „Trialog“ bezeichnet gemeinsame Gespräche zwischen Betroffenen, Angehörigen und professionellen Helferinnen/Helfern auf Augenhöhe.

Verlauf und Prognose

Die Dauer der Krankheitsepisoden bei einer Bipolaren Störung kann zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und in sehr seltenen Fällen einige Jahre betragen. Durchschnittlich dauert eine Krankheitsepisode unbehandelt zwischen vier und zwölf Monaten.

Auf mögliche Warnsignale zu achten und die Selbstwahrnehmung zu schulen, kann Betroffenen und Angehörigen helfen, Krankheitsepisoden früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern bzw. zu helfen.

Die Diagnose und Behandlung einer Bipolaren Störung erfolgt durch die Fachärztin/den Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Für Jugendliche unter 18 Jahren stehen auch spezialisierte Kinder- und Jugendpsychiaterinnen/Jugendpsychiater zur Verfügung. Bei einem psychiatrischen Notfall (z.B. Suizidgefahr) ist rasche medizinische Hilfe unumgänglich. Rufen Sie in diesen Fällen sofort die Rettung unter 144!

Kognitives Training bei Bipolarer Störung

Sowohl Personen mit einer Depression als auch Menschen mit einer bipolaren Störung in der depressiven Phase, weisen in der Regel psychischen Distress und kognitive Defizite auf, die vor allem die exekutiven Funktionen betreffen. Diese Symptome wirken sich negativ auf die Lebensqualität der Patienten aus.

Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: diejenigen, die das kognitive Training mit CogniFit über 8 Wochen, an 3 Tagen pro Woche, jeweils 20 Minuten pro Tag (Experimentelle Gruppe) absolvierten und diejenigen, die einfach nur eine gewöhnliche Behandlung erhielten (Kontrollgruppe). Die Teilnehmer erhielten eine Reihe von Fragebögen und neurokognitiven Testbatterien vor (pre) und nach dem Training (post).

Nach dem Vergleich der Unterschiede in den Ergebnissen zwischen der "pre" und "post" Bewertung in beiden Gruppen ("Vergleich zwischen den Gruppen"), wurde festgestellt, dass die Depressivität in der Experimentalgruppe signifikant gesunken war. Darüber hinaus verbesserte diese Gruppe auch einige ihrer kognitiven Fähigkeiten, wie beispielsweise die kognitive Flexibilität, die geteilte Aufmerksamkeit oder die kognitive Kontrolle.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das kognitive Training von CogniFit die Depressionssymptome und dysexekutive Symptome bei Menschen mit Depressionen oder bipolaren Störungen verbessern kann. Es können in der Behandlung dieser und weiterer affektiver Störungen wichtige Ergebnisse erzielt werden.

Ergebnisse der Studie

Das personalisierte kognitive Training von CogniFit hat Personen mit Depression und bipolarer Störung geholfen, durch eine achtwöchige Intervention, bei der an drei nicht aufeinanderfolgenden Tagen jeweils ein 20-minütiges Training absolviert wurde, Depressionen zu reduzieren und kognitive Funktionen zu verbessern.

Messung Vor dem Training Nach dem Training
Depressionsindex (BDI) 14.27 8.33
CFQ 60.87 53.33
DEX 39.53 34.20
EMQ 66.00 50.20
Exekutive Funktionen -0.46 0.17

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