Eine bipolare affektive Störung ist eine schwere psychische Erkrankung. Menschen, die darunter leiden, erleben ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Zeitweise fühlen sich die Betroffenen sehr niedergeschlagen, dann wiederum sind sie euphorisch, aufgedreht, hyperaktiv und überschätzen sich.
Die Bipolare Störung gehört wie die Depression zu den sogenannten affektiven Störungen. Das bedeutet, dass sie sich auf die Gefühle der Betroffenen auswirkt. Die Patienten erleben starke Stimmungsschwankungen, für die es meist keinen äußeren Auslöser gibt. Manische Phasen mit großer Euphorie, Energie und Selbstüberschätzung oder aber Gereiztheit und Misstrauen wechseln sich mit depressiven Phasen ab, in denen die Betroffenen niedergeschlagen und antriebslos sind. Oft wird die Bipolare Störung daher heute noch umgangssprachlich als Manische Depression bezeichnet.
Verschiedene Formen der bipolaren Störung
Bei einer Bipolaren Störung wechseln sich in unregelmäßigen Abständen Phasen oder Episoden mit gedrückter (depressiver) Stimmung und solche mit auffälligem Stimmungshoch oder gereizter Stimmung (manische Phasen) ab. Nichtsdestotrotz handelt es sich nicht um ein einheitliches Krankheitsbild. Vielmehr gibt es verschiedene Erscheinungsformen einer Bipolaren Störung, darunter vor allem folgende:
- Bipolar-I-Störung: Depression und Manie wechseln einander ab. Eine depressive Episode dauert mindestens zwei Wochen an, eine manische Episode mindestens sieben Tage. Letztere ist stark ausgeprägt (Unterschied zu Bipolar-II-Störung).
- Bipolar-II-Störung: Hier kommt es zu depressiven Episoden und mindestens einer hypomanischen Episode. Letztere unterscheidet sich von manischen Episoden in der Mindestdauer (mindestens vier Tage) und im Vorliegen bestimmter Symptome (z.B. verstärkt Konzentrationsschwierigkeiten statt Gedankenrasen oder Ideenflucht; weniger Selbstüberschätzung und tollkühnes Verhalten etc.).
- Rapid Cycling: Diese Sonderform ist durch einen besonders schnellen Wechsel zwischen depressiven und manischen Episoden gekennzeichnet (innerhalb von zwölf Monaten mindestens vier voneinander abgrenzbare Episoden). Sie betrifft bis zu 20 Prozent aller Patienten mit Bipolarer Störung, und zwar vor allem Frauen.
- Zyklothymia: Hier besteht über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren eine instabile Stimmung. Sie ist aber nicht so stark ausgeprägt, dass die Kriterien einer Manie oder einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode erfüllt wären. Daher wird die Zyklothymia manchmal zu den anhaltenden affektiven Störungen statt zu den bipolaren affektiven Störungen gezählt.
Symptome der bipolaren Störung
Bei der bipolaren Störung können verschiedene Episoden auftreten wie depressive, manische, hypomanische und gemischte Phasen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass zwischen Episoden auch eine beschwerdefreie Phase liegt.
Depressive Episode
Die depressive Episode einer bipolaren Störung unterscheidet sich nicht von schweren Stadien einer unipolaren Depression. Zu den Hauptsymptomen gehören dann:
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- Gedrückte Stimmung
- Verlust von Interesse und Freude
- Antriebslosigkeit
- Schlafstörungen, vor allem Durchschlafstörungen in der zweiten Nachthälfte
- Konzentrations- und Denkstörungen
- Schuldgefühle
- Selbstzweifel
- Suizidgedanken
Die Gesichtsmimik ist während eines depressiven Schubs tendenziell starr und ausdruckslos. Die Betroffenen sprechen meist leise und ihre Antworten kommen verzögert.In der depressiven Phase können auch körperliche Symptome auftreten. Der Appetit nimmt ab, und viele Betroffene verlieren deutlich an Gewicht. Manche empfinden Schmerzen an unterschiedlichen Körperstellen. Häufige Beschwerden sind Atemnot, Herzbeschwerden, Magen- und Darmprobleme sowie Schwindel, Kopfschmerzen und Erektionsstörungen.
Manische Episode
Während manischer Episoden kann die Stimmung der Betroffenen von sorgloser Heiterkeit bis hin zu unkontrollierbarer Erregung gekennzeichnet sein. In Phasen der Manie ist alles übersteigert - emotionale Erregung, Denken, Sprechen, Handeln: Der Patient ist voller Energie (bei gleichzeitig geringem Schlafbedürfnis) und entweder auffällig gehobener Stimmung oder aber sehr gereizt. Er hat einen starken Rededrang, ist sprunghaft und unkonzentriert, außerdem sehr kontaktbedürftig, überaktiv und impulsiv.
Typisch sind auch Selbstüberschätzung, vermehrtes Risikoverhalten und Leichtsinnigkeit. Manche Patienten geben etwa gedankenlos Geld aus und beginnen überdimensionale Projekte, die sie in finanzielle und rechtliche Probleme bringen können. Problematisch ist auch, dass die sozialen Hemmungen verloren gehen. Betroffene sprechen dann willkürlich fremde Leute an und neigen zu einem offeneren Flirt- und Sexualverhalten.
Bei mehr als zwei Drittel aller Patienten mit Manie treten zusätzlich psychotische Symptome auf. Dazu zählen zum Größenwahn gesteigerte Selbstüberschätzung, Halluzinationen, Verfolgsungswahn und Wahngedanken.
Hypomanische Episode
Die Vorstufe zur Manie wird - mit abgeschwächten Beschwerden - auch als Hypomanie bezeichnet. In manchen Fällen von Bipolarer Störung sind die manischen Symptome in abgeschwächter Form ausgeprägt. Dann spricht man von Hypomanie. Betroffene leiden beispielsweise eher an Konzentrationsschwierigkeiten als an Ideenflucht und Gedankenrasen. Auch besonders auffällige Manie-Symptome wie Verlust sozialer Hemmungen, starke Selbstüberschätzung und tollkühnes Verhalten sind nicht beziehungsweise kaum vorhanden.
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Gemischte Episode
Bei einer gemischten Episode treten manische und depressive Symptome gleichzeitig auf. Dies zeigt sich z.B. in gesteigertem Antrieb trotz depressiver Stimmung. Abgesehen von rein depressiven oder (hypo-)manischen Episoden treten bei Bipolarer Störung manchmal auch gemischte Phasen auf. Sie zeichnen sich durch eine Mischung oder einen raschen Wechsel (innerhalb weniger Stunden) von depressiven und (hypo-)manischen Symptomen aus. Von einer gemischte Episode spricht man aber erst, wenn depressive und (hypo-)manische Symptome gleichermaßen die meiste Zeit über mindestens zwei Wochen auftreten.
Tabelle: Übersicht über die verschiedenen Episodenarten bei bipolarer Störung
| Episodenart | Symptome |
|---|---|
| Depressive Episode | Gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Antriebslosigkeit |
| Manische Episode | Euphorie, erhöhte Energie, Rededrang, Risikoverhalten |
| Hypomanische Episode | Abgeschwächte Form der Manie |
| Gemischte Episode | Gleichzeitiges Auftreten von manischen und depressiven Symptomen |
Ursachen und Risikofaktoren
Mögliche Gründe für die Entstehung einer bipolaren Störung sind auf multifaktorielle Aspekte zurückzuführen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei biologisch-genetische Faktoren sowie zusätzlich soziale und psychische Faktoren. Außerdem können Umwelteinflüsse und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften die Entwicklung einer bipolaren Störung beeinflussen.
Bipolare Störungen sind multifaktoriell bedingt. Die relativ uniforme Prävalenzrate in unterschiedlichen Kulturkreisen, das familiär gehäufte Auftreten und das relativ niedrige Erstmanifestationsalter im Vergleich zur unipolaren Depression weisen auf eine starke genetische Disposition hin. Das Risiko an einer bipolaren Störung zu erkranken steigt direkt proportional zum Verwandtschaftsgrad. Das Risiko liegt für monozygote Zwillinge bei 40-70%, bei dizygoten Zwillingen und Verwandten 1. Grades bei 5-10%. Kinder eines erkrankten Elternteils tragen ein Risiko von etwa 25%. Sind beide Eltern betroffen, steigt es auf bis zu 65%. Die Heredität ist somit deutlich höher als bei rein unipolar depressiven Verlaufsformen.
Untersuchungen und Diagnose
Die Bipolare Störung ist nicht leicht zu diagnostizieren, weil sie mit anderen psychischen Störungen wie einer klassischen Depression oder Schizophrenie verwechselt werden kann. Da die manische Phase von den Angehörigen und Betroffenen oft als lediglich aufgedrehte Stimmung interpretiert wird, dauert es oft Jahre, bis eine richtige Diagnose gestellt wird.
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Vor allem die Bipolar-II-Störung und die Zyklothymia sind schwer zu erkennen, da die Symptome hier schwächer ausgeprägt sind als bei der Bipolar-I-Störung. Es ist daher besonders wichtig, dem Arzt oder Therapeuten Erleben, Stimmungen und Gefühle detailliert zu beschreiben.
Zur Abklärung einer möglichen Bipolaren Störung wird sich der Arzt zuerst ausführlich mit dem Patienten unterhalten, um die Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Sehr sinnvoll ist es, wenn neben dem Patient auch Angehörige vom Arzt befragt werden (und später in die Behandlung mit einbezogen werden). Besonders wenn der Betroffene keine Krankheitseinsicht hat, sind die Beobachtungen und Mithilfe von nahestehenden Personen extrem wichtig. Denn Angehörige können die verschiedenen Stimmungsphasen des Betroffenen oft gut einschätzen.
Zum Einsatz kommen bei der Diagnostik einer Bipolaren Störung auch klinische Fragebögen. Einige dienen der Beurteilung manischer Symptome, andere die der Einschätzung depressiver Symptome. Außerdem gibt es solche Fragebögen sowohl für die Selbstbeurteilung als auch für die Fremdbeurteilung (etwa durch den Partner).
Bei der Diagnosefindung muss der Arzt vor allem auf die Unterscheidung zwischen Manie und Schizophrenie achten, was nicht immer leicht ist. Auch andere psychische Erkrankungen können anstelle von Bipolarer Störung für die Symptome des Patienten verantwortlich sein. Zu diesen Differenzialdiagnosen zählen etwa die Borderline-Persönlichkeitsstörung und ADHS.
Behandlung der bipolaren Störung
Der goldene Standard der Therapie bipolarer Störungen besteht aus der Kombination pharmakologischer, psychotherapeutischer und soziotherapeutischer Interventionen, die je nach Bedürfnis des Patienten und dem aktuellen Symptomatik individuell gewichtet werden. Die Therapie besteht wie bei der Depression aus den drei Phasen Akutbehandlung, Fortsetzungstherapie und Rezidivprophylaxe.
- Akuttherapie: Im Vordergrund steht die Verminderung der depressiven bzw. (hypo-)manischen Symptome. Die Akuttherapie erfolgt in der Regel in einem Krankenhaus oder in einer Tagesklinik.
- Fortsetzungstherapie: Ziel ist es den erreichten Zustand zu stabilisieren und für circa 6 Monate rückfallsfrei zu bleiben.
- Rezidivprophylaxe: Die Rückfallprophylaxe beschreibt die letzte Phase der Behandlung und dient dazu, den Patient:innen mithilfe präventiver Strategien mit ihrer Erkrankung besser umzugehen. Es geht um eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden.
Medikamentöse Behandlung
Welches Medikament bei einer Bipolaren Störung verschrieben wird, hängt vom jeweiligen Verlauf der Erkrankung ab. Vor einer medikamentösen Therapie sollten Laborwerte erhoben werden, die für die Verlaufsbeobachtung wichtig sind.
- Stimmungsstabilisierer (auch Phasenprophylaktika genannt): Dazu zählen etwa Lithium sowie die Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin etc.
- Atypische Antipsychotika: Diese Medikamentengruppe ist in den letzten beiden Jahrzehnten dazugekommen. Beginnend mit der Akutbehandlung der Manie (Olanzapin, Ziprasidon, Risperidon, Aripiprazol und Quetiapin) wurden sie erfolgreich in der Verlängerung bis zu einem Wiederauftreten einer Episode verabreicht.
- Antidepressiva: Bei der Behandlung von Depressionen im Verlauf bipolarer Störungen sollte sparsamer und vorsichtiger mit Antidepressiva umgegangen werden. Einige Antidepressiva zeigen ein so genanntes „Switch-Risiko“, das heißt, dass die Behandlung mit diesem Antidepressivum zur Auslösung einer hypomanen oder manischen Phase führen kann.
Psychotherapie
Betroffene können im Rahmen einer Psychotherapie neben der medikamentösen Behandlung Unterstützung bekommen. Gemeinsam mit der Patient:in werden Therapieziele festgelegt, wie zum Beispiel das Verständnis und Milderung der Symptome oder ein besserer Umgang mit Gefühlen und Alltagsprobleme.
Die sogenannte Psychoedukation ist ein wichtiger Baustein der Behandlung. Bei dieser soll das Verständnis für die Störung gefördert und der Bezug zum Alltag erläutert werden. Betroffene können so unter anderem auch lernen, ihr Verhalten, Fühlen und Denken besser zu verstehen und zu beobachten sowie bei nahenden Episoden so gut wie möglich gegenzusteuern.