Störungen des Autismus-Spektrums bleiben teilweise im Kindesalter unerkannt und führen auch im Erwachsenenalter zu psychosozialen Beeinträchtigungen.
Grundlagen des Autismus
Autismus als Begriff wurde im psychiatrischen Kontext zuerst maßgeblich geprägt durch den Schweizer Psychiater Eugen Bleuler (1857-1939), der diesen im Sinne des Verlustes des Bezugs zur Realität neben Assoziationsstörungen, Affektivitätsstörungen und Ambivalenz als eines der 4 Grundsymptome der Schizophrenie definierte.
Kanner und Asperger erweiterten in den frühen 1940er-Jahren Autismus auf einen Symptomkomplex, der gehäuft mit verzögerter sprachlicher Entwicklung einhergeht.
In der rezenten 5. Auflage des „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM) der American Psychiatric Association (APA) wurden frühkindlicher Autismus, hochfunktionaler Autismus und Asperger-Syndrom (AS) unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zusammengefasst.
Dies geschah unter Betonung des Verständnisses dieser Störungen entlang eines Kontinuums unterschiedlicher Ausprägung und variablen psychosozialen Funktionsniveaus.
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Es vereint entsprechend den Diagnosekriterien des DSM-5 Beeinträchtigungen der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie restriktive und repetitive Verhaltensweisen, Interessen oder Aktivitäten.
Autismus-Symptome: Soziale Interaktion
Vielen Autisten fällt es schwer, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen.
Das fällt oft schon im Säuglingsalter auf.
So können viele autistische Kinder keine enge Bindung zu den Eltern aufbauen und nicht auf Reize aus der Umgebung reagieren.
Beispielsweise suchen Babys normalerweise den Blick der Mutter und körperlichen Kontakt, um Nähe aufzubauen.
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Autistische Babys hingegen weichen meist einem Blickkontakt aktiv aus.
Viele ahmen auch das Lächeln ihres Gegenübers nicht nach.
Das lässt sie oft teilnahmslos oder starr erscheinen.
Manche Eltern vermuten anfangs sogar, ihr Kind sei taub oder blind, weil es kaum Reaktionen auf die Umwelt zeigt.
Auch im späteren Kindesalter sowie im Jugend- und Erwachsenenalter haben Autisten oftmals Probleme, Blickkontakt aufzubauen und zu halten.
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Bei einer ausgeprägten autistischen Störung können Betroffene zudem kaum freundschaftliche Beziehungen eingehen.
So spielen betroffene Kinder am liebsten allein.
Ihre Mitmenschen nehmen sie oft nur wahr, wenn diese ihre Bedürfnisse erfüllen sollen (z. B. bei Hunger).
Menschen mit Autismus tun sich oft schwer, die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen und sich in andere hineinzuversetzen.
Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht oder gar nicht ausdrücken.
So zeigen sie häufig kaum spontane Gefühlsregungen wie Freude oder Interesse an anderen Personen und an verschiedenen Tätigkeiten.
Außerdem können Autisten ihre Reaktion oftmals nicht der allgemeinen Stimmungslage anpassen.
So kann es etwa passieren, dass sie scheinbar grundlos einen Lachanfall bekommen.
Autismus-Symptome: Kommunikation
Die Sprache von Autisten ist ebenfalls häufig gestört.
So können viele Kinder mit frühkindlichem Autismus keine normale Sprache erlernen.
Sprechen sie doch, wiederholen sie oft gleiche Sätze.
Auch die Sprachmelodie fehlt.
Dadurch entsteht manchmal ein roboterhafter Eindruck.
Bei Patienten mit Asperger-Syndrom hingegen ist die Sprache oft sehr hoch entwickelt.
Sie wirkt aber manchmal seltsam monoton und gestelzt.
Auch für die Sprache haben Experten wichtige allgemeine Autismus-Symptome definiert:
- Die Sprachentwicklung hinkt hinterher.
- Die Kinder versuchen nicht, sich durch ihre Gestik oder Körpersprache auszudrücken.
- Die Kinder haben Probleme, eine Unterhaltung zu beginnen oder aufrechtzuerhalten.
- Der Umfang der Sprache ist sehr begrenzt und einseitig.
- Oft werden Sätze oder Fragen nachgesprochen.
Autismus-Symptome: Interessen und Verhaltensmuster
Das dritte große Hauptsymptom bei Autismus ist das oft stereotype Verhalten.
So führen viele Betroffene beharrlich bestimmte Handlungen, Rituale und Gewohnheiten aus.
Werden sie dabei unterbrochen oder daran gehindert, reagieren Sie teilweise mit Schreianfällen und Panikattacken.
Oft können sich Autisten auch nicht von ihren Lieblingsdingen trennen und nehmen sie überall hin mit.
Außerdem konzentriert sich bei vielen Autisten scheinbar das ganze Interesse auf bestimmte spezielle Details oder Dinge, die sie voll und ganz in Beschlag nehmen.
Zusammengefasst sind bei diesem Symptomkomplex folgende Auffälligkeiten charakteristisch für Autisten:
- Die Betroffenen befassen sich vornehmlich mit einem ungewöhnlichen Detail oder haben ein ungewöhnliches Interesse.
- Bestimmte Handlungen oder Rituale können sie nicht aufgeben.
- Die Handlungen sind oft stereotyp und monoton.
- An einem Spielzeug suchen sie ein ganz bestimmtes Detail aus, mit dem sie sich beschäftigen. Selten binden sie den kompletten Gegenstand ins Spiel ein.
- Die Spiele betroffener Kinder sind eher fantasielos und stereotyp. Auch nachahmendes Spielverhalten bleibt aus.
Begleiterscheinung: Inselbegabung
Viele Autisten weisen zusätzlich das Savant-Syndrom auf.
Das heißt: Sie verfügen über eine spezielle Inselbegabung.
Manche sind zum Beispiel wahre Rechengenies, andere haben ein fotografisches Gedächtnis oder erlernen Sprachen in Rekordzeit.
Sie widmen sich ihrer besonderen Begabung mit großer Ausdauer, haben aber oft kaum andere Interessen.
Manche Savants weisen in Bereichen außerhalb ihres Spezialgebiets eine verminderte Intelligenz auf.
Es gibt jedoch auch sowohl insgesamt normal intelligente als auch hochbegabte Savants.
Art und Schweregrad der Symptome individuell unterschiedlich
Individuell und je nach Autismus-Form sind Art und Schweregrad der Symptome sehr unterschiedlich.
So sind etwa beim Asperger-Syndrom die Symptome im Allgemeinen schwächer ausgeprägt als beim Frühkindlichen Autismus.
Bei letzterer Form gibt es unter den Betroffenen ebenfalls große Unterschiede - die Palette reicht von nur leichter Beeinträchtigung bis hin zu schwer ausgeprägten Störungen.
Autismus im höheren Alter
Autismus besteht ein Leben lang.
Die Beeinträchtigungen können sich im Lauf des Lebens verändern.
Deutliche Symptome zeigen sich mitunter erst, wenn die Herausforderungen des sozialen Lebens die eigenen Fähigkeiten übersteigen.
Es ist möglich, dass die Diagnose eines Asperger-Syndroms erst im Erwachsenenalter gestellt wird.
Meist suchen Betroffene dann Hilfe auf, wenn sie Probleme im sozialen Umfeld bekommen.