Autismus ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die oft schon in der Kindheit diagnostiziert wird. Allerdings kann Autismus auch bis ins Erwachsenenalter unerkannt bleiben. Insbesondere bei Frauen wird Autismus häufig erst spät erkannt. Dies kann zu verschiedenen Schwierigkeiten im persönlichen und beruflichen Leben führen.
Warum ist eine professionelle Diagnose wichtig?
Eine Diagnose von Autismus im Erwachsenenalter ist entscheidend, um Verständnis für die eigenen Verhaltensweisen und Schwierigkeiten zu erlangen. Autismus kann zu Problemen in sozialen Interaktionen, Schwierigkeiten bei der Kommunikation und Einschränkungen im Alltagsleben führen.
Viele Betroffene haben das Gefühl, anders zu sein und in der Welt nicht so gut zurechtzukommen, wie ihre Mitmenschen. Die Autismus-Diagnose wird häufig als Erleichterung wahrgenommen, weil sie die eigenen Gefühle und Schwierigkeiten erklärt.
Wie läuft die Autismus-Diagnostik ab?
Eine gründliche und evidenzbasierte Autismus-Diagnostik beinhaltet eine ausführliche Anamnese, standardisierte psychologische Testverfahren, Verhaltensbeobachtung und Differentialdiagnostik zum Ausschluss anderer Ursachen.
Ablauf der psychologischen Diagnostik
Die klinisch-psychologische Diagnostik nutzt eine Vielzahl von Methoden, um psychische Störungen, Persönlichkeitsstrukturen, kognitive Fähigkeiten, emotionale Prozesse und Verhaltensweisen zu analysieren. Ein integrativer Ansatz, der biologische, psychologische und soziale Faktoren berücksichtigt, ist dabei charakteristisch.
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- Terminvereinbarung: Vereinbaren Sie einen Termin für die diagnostische Abklärung.
- Erhebung relevanter Daten: Ausführliche psychologische (Online-)Fragebögen erfassen Informationen über Symptome, Verhaltensweisen und Lebensumstände.
- Anamnesegespräch: In einem persönlichen Gespräch werden biografische Informationen gesammelt, um ein vollständiges Bild der Entwicklung, familiären Situation und bisherigen Lebensgeschichte zu erhalten.
- Testpsychologische Verfahren: Durch den Einsatz standardisierter Testverfahren werden kognitive Funktionen, Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensmuster objektiv erfasst.
- Diagnostisches Gutachten: Auf Basis aller erhobenen Daten wird ein ausführliches klinisch-psychologisches Gutachten erstellt, das eine Einschätzung darüber gibt, ob eine Autismus-Diagnose zutrifft und welche spezifischen Bereiche betroffen sind.
Wichtige Aspekte der Diagnostik
- Informationen von Bezugspersonen: Für die Diagnose von Autismus sind Informationen über die Kindheit entscheidend. Insbesondere an die frühe Kindheit kann man sich oft nicht mehr genau erinnern, weshalb ein Gespräch mit Bezugspersonen aus der Kindheit wichtig ist.
- Differentialdiagnostik: Für eine gründliche Autismus-Diagnostik ist es wichtig, andere psychische Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder Angststörungen als Ursache auszuschließen.
Dauer der Diagnostik
Eine gründliche klinisch-psychologische Diagnostik bei Verdacht auf Autismus nimmt viel Zeit in Anspruch. Wenn Sie einen Termin vereinbaren, rechnen Sie mit einer Dauer von drei bis vier Stunden.
Befund und Befundbesprechung
Nach Abschluss der Diagnostik werden die Ergebnisse ausgewertet und ein schriftlicher Befund erstellt, der alle wichtigen Informationen und gegebenenfalls eine Diagnose enthält.
Nach Auswertung der gesammelten Daten werden Sie zu einem Abschlussgespräch eingeladen, bei welchem die Untersuchungsergebnisse und Empfehlungen für mögliche weitere Vorgehensweisen zur Förderung und Therapie besprochen werden.
Autismus-Spektrum-Störung
Autismus und Asperger-Syndrom zählen zu den sogenannten Störungen des Autismus-Spektrums. Dabei treten vor allem Probleme in der Kommunikation und im sozialen Miteinander auf. Der Beginn ist in der frühen Kindheit. Jedoch ist es möglich, dass sich stärkere Symptome auch manchmal erst im späteren Kindesalter oder im Erwachsenenalter bemerkbar machen. Die Beeinträchtigungen können sich im Lauf des Lebens verändern.
Symptome und Anzeichen von Autismus
Bei Störungen des Autismus-Spektrums kommt es zu Schwierigkeiten im sozialen Verhalten und in der Kommunikation. Auch sich immer wiederholende Verhaltensweisen oder Bewegungsmuster sowie eingeschränkte Interessen treten auf. Zudem kann sowohl eine Überempfindlichkeit als auch eine Unterempfindlichkeit der Sinne vorliegen.
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Autistische Menschen haben oft Schwierigkeiten, nonverbale Signale wie Mimik, Gestik oder Blickkontakt intuitiv zu deuten, was das Verstehen von Emotionen erschwert. Soziale Regeln und Small Talk wirken häufig unverständlich, wodurch Gespräche von Autisten als anstrengend empfunden werden oder ungewöhnlich direkt wirken. Außerdem wird Sprache oft wörtlich genommen, sodass Ironie oder Redewendungen nicht sofort erkannt werden.
Viele autistische Menschen haben tiefgehende Spezialinteressen, mit denen sie sich intensiv beschäftigen. Gleichzeitig gibt ihnen ein fester Tagesablauf Sicherheit, während unerwartete Veränderungen Stress auslösen können. Um sich zu beruhigen oder Reize zu regulieren, zeigen sie oft wiederholende Bewegungen wie Wippen oder Handflattern („Stimming“).
Sinnesreize werden oft intensiver oder schwächer wahrgenommen als bei neurotypischen Menschen. Geräusche, Licht oder Berührungen können überwältigend sein, während bestimmte sensorische Reize gezielt gesucht oder vermieden werden. Dies kann den Alltag erheblich beeinflussen und zu Stress in reizintensiven Umgebungen führen.
Asperger-Syndrom
Im Mittelpunkt des Asperger-Syndroms stehen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Anders als beim frühkindlichen Autismus verlaufen die intellektuelle und sprachliche Entwicklung in der Regel unauffällig. Wird das Asperger-Syndrom frühzeitig erkannt, kann durch Fördermaßnahmen und Behandlung die Entwicklung deutlich unterstützt werden. Mögliche Folgeprobleme wie soziale Isolation, Belastung durch Mobbing oder Verhaltensauffälligkeiten können so deutlich reduziert werden.
Menschen mit Asperger-Syndrom haben zudem oft ganz bestimmte Interessengebiete, für die sie viel Zeit aufwenden. Betroffene können unterschiedliche Begabungen haben. Zum Beispiel ein besonders gutes Gedächtnis oder Wahrnehmung von Details. Allerdings kann es zu Schwierigkeiten kommen, Probleme und Zusammenhänge zu verstehen und zu erklären.
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Es ist möglich, dass die Diagnose eines Asperger-Syndroms erst im Erwachsenenalter gestellt wird. Meist suchen Betroffene dann Hilfe auf, wenn sie Probleme im sozialen Umfeld bekommen. Erwachsene mit Asperger-Syndrom sind oft Einzelgänger und leben eher zurückgezogen. Es ist nicht leicht für sie, soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.
Behandlung und Unterstützung
Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Bei Therapieprogrammen speziell für Kinder mit Autismus werden möglichst früh gezielt Maßnahmen gesetzt. Die Fachwelt nennt diese auch programmbasierte Interventionsprogramme.
Zur Behandlung bzw. Logopädie sowie ggf. Psychotherapie: vor allem Verhaltenstherapie. Zudem sind soziale Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag eine wesentliche Säule für Kinder und Jugendliche bzw. Erwachsene mit Autismus. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste.
Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben. Diese wirken jedoch nicht direkt gegen Autismus. Bei Unruhe, Reizbarkeit oder Aggressivität kommt vor allem der Wirkstoff Risperidon zum Einsatz. Liegen Symptome vor, die einem ADHS ähnlich sind, können sogenannte Stimulantien hilfreich sein. Bei Schlafproblemen kommt etwa das Hormon Melatonin zum Einsatz.
Die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Bezugspersonen ist für den Behandlungserfolg wesentlich. Zum Beispiel, um erlernte Fähigkeiten im sozialen Umfeld einzusetzen. Familien bzw. Bezugspersonen können auch selbst Unterstützung in Anspruch nehmen, z.B.
Für betroffene Jugendliche und Erwachsene kann zudem der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein. Nahestehenden Personen stellen sich manchmal Fragen bei der Bewältigung des Alltags. Beratungsangebote wie z.B. Elternberatung oder auch Selbsthilfegruppen können hier unterstützen. Zudem können praktische Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene den gemeinsamen Alltag einfacher gestalten. Zum Beispiel persönliche Assistenz oder psychosoziale Dienste.
Kosten und Rückerstattung
Die psychologische Diagnostik wird von der Krankenkasse übernommen. Sie erhalten eine Rückerstattung von 350€ bis 400€.
Für die Rückerstattung ist eine ärztliche Überweisung erforderlich. Ihr Haus- oder Facharzt sollte eine Überweisung für eine klinisch-psychologische Diagnostik mit Verdacht auf Autismus ausstellen. Diese reichen Sie dann zusammen mit unserer Rechnung bei der Krankenkasse ein.
Anlaufstellen
Bezüglich Autismus bzw. Ambulatorien für Sozialpädiatrie bzw. Sie können auch zuerst ein Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt für Allgemeinmedizin oder Kinder- und Jugendheilkunde führen. Diese oder dieser leitet dann weitere Schritte ein (z.B. Überweisung an spezialisierte Stellen).
Weitere Gesundheitsberufe können zur Diagnose und Therapie hinzugezogen werden.
Zusammenfassung
Eine Autismus-Diagnose im Erwachsenenalter kann ein wichtiger Schritt sein, um sich selbst besser zu verstehen und die notwendige Unterstützung zu erhalten. Eine gründliche Diagnostik und eine individuell abgestimmte Behandlung können dazu beitragen, die Lebensqualität von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen deutlich zu verbessern.
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