Bei Störungen des Autismus-Spektrums kommt es zu Schwierigkeiten im sozialen Verhalten und in der Kommunikation. Auch sich immer wiederholende Verhaltensweisen oder Bewegungsmuster sowie eingeschränkte Interessen treten auf. Zudem kann sowohl eine Überempfindlichkeit als auch eine Unterempfindlichkeit der Sinne vorliegen.
Störungen des Autismus-Spektrums entwickeln sich bereits ab der frühen Kindheit. Deutliche Symptome zeigen sich mitunter erst, wenn die Herausforderungen des sozialen Lebens die eigenen Fähigkeiten übersteigen.
Die Fachwelt geht jedoch davon aus, dass Vererbung eine wesentliche Rolle spielt. So haben Familien mit einem autistischen Kind ein deutlich erhöhtes Risiko, ein weiteres Kind mit Autismus zu bekommen. Sehr selten können Änderungen der Erbsubstanz auch ohne Vererbung auftreten. Dabei dürfte eine Kombination von verschiedenen spontanen Mutationen in Genen die Störung auslösen.
Laut der internationalen Klassifikation von Erkrankungen der WHO gehört Autismus zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und wird derzeit unter dem Oberbegriff „Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS) zusammengefasst. Der Begriff „Spektrum“ weist darauf hin, dass einzelne Personen in sehr unterschiedlichem Ausmaß und Schweregrad betroffen sein können.
Aktuelle Studien gehen von einer Häufigkeit von 1:100 Personen aus, d.h. 1% der Bevölkerung. Studienergebnisse weichen jedoch voneinander ab, da teils unterschiedliche Definitionskriterien herangezogen und Erfassungsmethoden verwendet werden.
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Erste Symptome, die auf eine autistische Entwicklung hinweisen, sind zumeist unscheinbar, weil das Kind bestimmte erwartbare Verhaltensmuster nicht oder vermindert zeigt. Verhaltensmuster, die in der Entwicklung ungewöhnlich sind, und deshalb stärker auffallen, treten häufig erst später - nach dem 2. Lebensjahr - auf.
Die Symptome bei Autismus, also der Autistischen-Spektrum-Störung, können in Erscheinung und Intensität sehr unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich liegen allerdings in drei wesentlichen Lebensbereichen Einschränkungen vor.
Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation
An Autismus Erkrankte zeigen sehr oft Auffälligkeiten in der sprachlichen Entwicklung. In einigen Fällen erlernen sie das Sprechen gar nicht oder mit zeitlicher Verzögerung. Die Sprache wird ferner nicht, wie bei gesunden Personen, interaktiv und dynamisch eingesetzt. Viel mehr sprechen Kinder mit Autismus oder autistische Erwachsene häufig monoton, wiederholen bestimmte Worte immer wieder oder kreieren ganz neue Vokabeln. Darüber hinaus haben sie Probleme, „zwischen den Zeilen“ zu verstehen.
Im sozialen Miteinander haben Autisten/-innen große Schwierigkeiten, da ihnen häufig die Fähigkeit fehlt, sich in Andere hineinzuversetzen. Empathie und das Verständnis für die Gedankengänge des Gegenübers fallen ihnen äußerst schwer. Das führt sehr oft dazu, dass sie sich nicht an gesellschaftliche Konventionen halten oder Schwierigkeiten dabei haben, enge Bindung zu anderen Menschen aufzubauen.
Frühkindlicher Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung und betrifft somit verschiedene Entwicklungsbereiche. Er tritt vor dem dritten Lebensjahr auf.
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Auffälligkeiten der sozialen Kommunikation:- Schwierigkeiten, einen Dialog zu führen
- Einschränkungen im Gesichtsausdruck bzw. des Blickkontakts während der Kommunikation und der Gestik
Oft können sich Autisten auch nicht von ihren Lieblingsdingen trennen und nehmen sie überall hin mit. Außerdem konzentriert sich bei vielen Autisten scheinbar das ganze Interesse auf bestimmte spezielle Details oder Dinge, die sie voll und ganz in Beschlag nehmen.
Viele Autisten weisen zusätzlich das Savant-Syndrom auf. Das heißt: Sie verfügen über eine spezielle Inselbegabung. Manche sind zum Beispiel wahre Rechengenies, andere haben ein fotografisches Gedächtnis oder erlernen Sprachen in Rekordzeit. Sie widmen sich ihrer besonderen Begabung mit großer Ausdauer, haben aber oft kaum andere Interessen.
Individuell und je nach Autismus-Form sind Art und Schweregrad der Symptome sehr unterschiedlich. So sind etwa beim Asperger-Syndrom die Symptome im Allgemeinen schwächer ausgeprägt als beim Frühkindlichen Autismus. Bei letzterer Form gibt es unter den Betroffenen ebenfalls große Unterschiede - die Palette reicht von nur leichter Beeinträchtigung bis hin zu schwer ausgeprägten Störungen.
Vielen Autisten fällt es schwer, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Das fällt oft schon im Säuglingsalter auf. So können viele autistische Kinder keine enge Bindung zu den Eltern aufbauen und nicht auf Reize aus der Umgebung reagieren.
Auch im späteren Kindesalter sowie im Jugend- und Erwachsenenalter haben Autisten oftmals Probleme, Blickkontakt aufzubauen und zu halten.
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Menschen mit Autismus tun sich oft schwer, die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen und sich in andere hineinzuversetzen. Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht oder gar nicht ausdrücken. So zeigen sie häufig kaum spontane Gefühlsregungen wie Freude oder Interesse an anderen Personen und an verschiedenen Tätigkeiten.
Autistische Kinder können Probleme damit haben den Standpunkt anderer Personen zu verstehen. Kinder mit Autismus fehlt dieses Verständnis.
Im Bereich der Kommunikation gehören zu den typischen Meilensteinen in der kindlichen Entwicklung u.a., dass Kinder bevor sie Wörter sprechen können, ihren Kopf drehen, wenn sie ihren Namen hören oder zeigen können, dass sei ein bestimmtes Spielzeug haben wollen. Wenn ihnen etwas angeboten wird, das sie nicht haben wollen, dann machen sie diese durch Worte, Gesten oder Gesichtsausdrücke deutlich. Kinder mit ASS erreichen diese Meilensteine nicht bzw. nur einzelne Wörter sprechen oder einzelne Phrasen wieder und wieder wiederholen. Selbst solche Kinder mit relativen guten Sprachfähigkeiten haben oft Probleme mit der Wechselseitigkeit von Kommunikation.
Interessen und Verhaltensmuster
Besonders auffällig ist bei vielen ASS-Patienten das Wiederholen von bestimmten Tätigkeiten. Betroffene können sich äußerst ausdauernd mit einer Sache beschäftigen. Dabei kann es sich zum Beispiel um schaukelnde Bewegungen, Fingerspiele oder das Beobachten von sich drehenden Dingen oder Wasser handeln. Darüber hinaus fällt es von Autismus betroffenen sehr schwer, mit Veränderungen umzugehen.
Autistische Kinder brauchen häufig lange, um windelfrei zu werden. Auch das Schmerzempfinden kann Besonderheiten aufweisen. Beispielsweise können Bagatellen zu übermäßig empfundenem Schmerz führen. Genauso gut ist aber auch das Gegenteil möglich. Es kommt vor, dass bei schweren Verletzungen kein Schmerz angegeben wird. Außerdem neigen ASS-Patienten/-innen zu Selbstverletzungen und sind motorisch oft sehr unruhig.
Beschäftigung mit sich immer wiederholenden Tätigkeiten: Diese können auch ungewöhnlich sein. Zum Beispiel das Drehen von Dingen oder Aufreihen von Gegenständen beim Spielen. Oder Wippen bzw.
Das dritte große Hauptsymptom bei Autismus ist das oft stereotype Verhalten. So führen viele Betroffene beharrlich bestimmte Handlungen, Rituale und Gewohnheiten aus. Werden sie dabei unterbrochen oder daran gehindert, reagieren Sie teilweise mit Schreianfällen und Panikattacken.
An einem Spielzeug suchen sie ein ganz bestimmtes Detail aus, mit dem sie sich beschäftigen. Selten binden sie den kompletten Gegenstand ins Spiel ein. Die Spiele betroffener Kinder sind eher fantasielos und stereotyp. Auch nachahmendes Spielverhalten bleibt aus.
Das Verhalten autistischer Kinder erscheint oft ungewöhnlich. Manche Kinder mit einer ASS zeigen jedoch nur schwach auffallend und diskrete Verhaltensweisen, indem diese z. B. Augen bewegen. Betroffene Kinder tendieren dazu, übermäßig fokussierte Interessen zu haben.
Während autistische Kinder in ihren täglichen Aktivitäten sehr routiniert sind, ist ihre Inflexibilität teilweise sehr extrem und oft Grund für ernsthafte Schwierigkeiten. Manche Kinder reagieren besonders dann mit emotionalen Ausbrüchen, wenn sie wütend, frustriert oder mit einer neuen Umgebung konfrontiert werden.
Sensorische Wahrnehmung
Damit wir uns in der Umwelt zurechtfinden und uns orientieren können, sind wir auf unsere Sinne angewiesen. Bei Menschen mit einer Autimus-Spektrum-Störung ist diese Wahrnehmung von Sinnesreizen gestört und deshalb reagieren sie in manchen Situationen auf ungewöhnliche Art und Weise.
Viele Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung nehmen bestimmte Reize viel intensiver wahr als andere Menschen das tun. Zum Beispiel können sie sehr empfindlich gegenüber bestimmten Geräuschen und Stimmen sein und müssen sich die Ohren zuhalten, oder sie halten das Gefühl, das ein bestimmtes Kleidungsstück auf der Haut erzeugt, nicht aus, oder sie können den Geschmack einer bestimmten Speise nicht ertragen. Diese Reize werden als sehr unangenehm und manchmal sogar als schmerzhaft empfunden.
Manchmal nehmen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung bestimmte Reize auch weniger intensiv wahr. Zum Beispiel kommt es vor, dass körperliche Schmerzen oder Kälte nicht so stark gespürt werden. Die Betroffenen brauchen dann oft besonders starke Reize, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen und suchen auch gezielt nach diesen.
Diagnose von Autismus
Die Diagnose von Autismus erfolgt meist multidisziplinär durch Ärztinnen und Ärzte und weitere Gesundheitsberufe. Zum Beispiel aus dem Bereich der Klinischen Psychologie oder Logopädie. Bei einer Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) ist unter anderem wesentlich, seit wann Symptome bestehen und ob sonstige Krankheiten bzw. Entwicklungsverzögerungen aufgetreten sind. Zudem findet eine körperliche Untersuchung statt.
Ebenso erfolgen eine neurologische Untersuchung, die Abklärung des Entwicklungsstandes und der Kompetenzen in Bezug auf Sprache bzw. Auch standardisierte Testverfahren finden Anwendung. Zum Beispiel das Diagnostische Interview für Autismus oder die Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen.
Die Ärztin oder der Arzt schlägt meist auch ein EEG sowie eine Prüfung von Hören und Sehen vor. Die Ärztin oder der Arzt schließt zudem mögliche andere Erkrankungen aus. Eine Diagnose von frühkindlichem Autismus ist zumeist bereits im Alter von zwei Jahren möglich.
Die unterschiedliche Ausprägung der Symptome kann bei der Einschätzung Schwierigkeiten bereiten. So können die charakteristischen Anzeichen des Autismus so schwach in Erscheinung treten, dass sie bei guter familiärer Unterstützung und Integration kaum auffallen. So wird der Autismus oft erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Untersuchungen beim Kinderarzt:- Neurologische, laborchemische und bildgebende Verfahren
- Hörprüfungen und Sehtests
- Messung der Hirnströme (EEG)
Mithilfe von Fragebögen werden in speziellen Autismus-Tests gezielte Symptome beurteilt. Im Mittelpunkt stehen die Symptomkomplexe, die für Autismus-Spektrum-Störungen charakteristisch sind. Bei Kleinkindern beantworten Eltern die Fragen und schätzen die Symptome ein.
Häufig setzen spezialisierte Fachärzte die „Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen“ (ADOS) und das „Diagnostische Interview für Autismus“ (ADI-R) ein. Diese Methoden können bei Betroffenen ab dem zweiten Lebensjahr angewendet werden.
Vor allem der frühkindliche Autismus geht zu 70 Prozent mit einer geistigen Behinderung einher. Bei Verdacht auf Autismus ermittelt man daher unter anderem auch den Intelligenzquotienten (IQ).
Ein sogenannter Autismus-Spektrum-Quotient (AQ) dient als Maßstab für den Schweregrad einer Autismus-Spektrum-Störung. Der von Simon Baron-Cohen entwickelte AQ-Test versucht, in 50 Fragen eine erste Einschätzung zu liefern.
Achtung: Autismus-Selbsttests ersetzen nicht den Besuch beim Arzt. Sie können aber einen ersten Verdacht erhärten. Die Betroffenen sollten dann einen Spezialisten aufsuchen, um weitere Untersuchungen durchführen zu lassen.
Behandlung und Therapie
Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Bei Therapieprogrammen speziell für Kinder mit Autismus werden möglichst früh gezielt Maßnahmen gesetzt. Die Fachwelt nennt diese auch programmbasierte Interventionsprogramme. Zur Behandlung bzw. Logopädie sowie ggf. Psychotherapie: vor allem Verhaltenstherapie.
Zudem sind soziale Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag eine wesentliche Säule für Kinder und Jugendliche bzw. Erwachsene mit Autismus. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste. Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben. Diese wirken jedoch nicht direkt gegen Autismus.
Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben, wenn begleitende Erkrankungen vorliegen.
Die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Bezugspersonen ist für den Behandlungserfolg wesentlich. Zum Beispiel, um erlernte Fähigkeiten im sozialen Umfeld einzusetzen. Familien bzw. Bezugspersonen können auch selbst Unterstützung in Anspruch nehmen.
Wird das Asperger-Syndrom frühzeitig erkannt, kann durch Fördermaßnahmen und Behandlung die Entwicklung deutlich unterstützt werden. Mögliche Folgeprobleme wie soziale Isolation, Belastung durch Mobbing oder Verhaltensauffälligkeiten können so deutlich reduziert werden.
Nicht jede Person mit Asperger-Syndrom leidet unter den vorhandenen Symptomen oder benötigt Behandlung. Eine möglichst früh beginnende Behandlung ist jedoch meist von Vorteil.
Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Psychotherapie: In erster Linie Verhaltenstherapie bzw. verhaltenstherapeutische Ansätze. Dies ist auch in der Gruppe möglich. Ein geregelter Tagesablauf und stabile soziale Kontakte sind wichtig.
Die Ärztin oder der Arzt kann zudem Medikamente verschreiben, wenn begleitende Erkrankungen vorliegen.
Soziale Unterstützungsmöglichkeiten können eine wesentliche Säule für Kinder bzw. Menschen mit Asperger-Syndrom sein. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste. Für betroffene Jugendliche und Erwachsene kann zudem der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.
Nahestehenden Personen stellen sich manchmal Fragen bei der Bewältigung des Alltags. Beratungsangebote wie z.B. Elternberatung oder auch Selbsthilfegruppen können hier unterstützen. Zudem können praktische Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene den gemeinsamen Alltag einfacher gestalten. Zum Beispiel persönliche Assistenz oder psychosoziale Dienste.
Bezüglich Autismus bzw. Ambulatorien für Sozialpädiatrie bzw. Sie können auch zuerst ein Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt für Allgemeinmedizin oder Kinder- und Jugendheilkunde führen. Diese oder dieser leitet dann weitere Schritte ein (z.B. Überweisung an spezialisierte Stellen). Weitere Gesundheitsberufe können zur Diagnose und Therapie hinzugezogen werden.
Therapeutische Unterstützung erfahren Autismus-Spektrum-Störung-Patienten/-innen oft schon sehr früh. Diese zielt auf das Erlernen von “normalen” Verhaltensweisen und Regeln ab. Kommunikative und interaktive Kompetenzen stehen dabei im Mittelpunkt. Auch Problemlösungsstrategien, Hilfe bei der sozialen Wahrnehmung oder der Regulation von Gefühlen werden angeboten.
Menschen im Kindesalter im Bereich des Autismus-Spektrums (etwa frühkindlicher Autismus) zeigen oft stark von dem Verhalten Gleichaltriger abweichende Eigenschaften. Um mit der Erkrankung umgehen zu können, begleiten Fachärzte/-innen den Entwicklungsprozess therapeutisch langfristig. Im Fokus steht hierbei die Verhaltenstherapie und das Entwickeln sozialer und kommunikativer Kompetenzen.
Patienten/-innen mit Sprachstörungen, wie sie ASS-Patienten/-innen oft aufweisen, finden Unterstützung bei einem/-r Logopäden/-in. Logopäden/-innen führen beispielsweise Wahrnehmungsübungen, Lautbildungsübungen oder Atem- und Stimmtrainings durch. Dabei kommen Computer, Gebärden oder Sprechtafeln zum Einsatz.