Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist eine Verhaltens- und emotionale Störung bzw. ADHS ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die im Kindes- und Jugendalter auftritt. Sowohl Kinder als auch Erwachsene können von ADHS betroffen sein (circa 5 % der Kinder und 2,5 % der Erwachsenen).
Wenn das Gehirn ein Orchester wäre, dann müsste jeder Teil davon perfekt zusammenarbeiten, um schöne Musik zu machen. Bei ADHS ist es, als ob der Dirigent - das Selbstmanagement-System - ein bisschen aus dem Takt gerät. Einige Instrumente spielen zu schnell, andere zu langsam, und das Ergebnis ist eine Musik, die mal wunderschön und voller Energie, mal chaotisch und schwer zu folgen ist.
Symptome und Anzeichen von ADHS
Typische Symptome für ADHS sind eine Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche, eine ausgeprägte Impulsivität und extreme Unruhe (Hyperaktivität). Die konkreten Ursachen für die Entwicklung einer ADHS-Erkrankung sind noch nicht ausreichend geklärt. Die genetische Veranlagung für ADHS kann nur schwer nachgewiesen werden. Zwillingsstudien haben jedoch gezeigt, dass die Erblichkeit der Störung zwischen 50 und 80 Prozent liegen kann. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, ADHS zu entwickeln, stark von den genetischen Faktoren abhängt.
Darüber hinaus wurden bestimmte Umweltfaktoren identifiziert, die das Risiko einer ADHS-Erkrankung erhöhen können. Zudem gibt es einige Risikofaktoren für die Entwicklung von ADHS vor der Geburt: Wenn die Mutter in der Schwangerschaft raucht, Alkohol trinkt oder virale Infektionen hat, kann das Zentralnervensystem geschädigt werden. Instabile familiäre Verhältnisse und negative Eltern-Kind-Beziehungen tragen zu einem schwerwiegenderen Verlauf von ADHS bei.
ADHS kann mit einer Reihe möglicher Begleit- und Folgesymptomen einhergehen, darunter Lernstörungen, Angst- oder depressive Störungen sowie Störungen des Sozialverhaltens.
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ADHS-Symptome bei Kindern
Kinder mit ADHS können Schwierigkeiten haben, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren und werden leicht von äußeren Reizen abgelenkt. Ein Schulkind mit ADHS könnte während des Unterrichts Schwierigkeiten haben, zuzuhören, da seine Aufmerksamkeit stattdessen auf den Straßenverkehr, die Mitschüler*innen oder andere reizerregende Objekte gerichtet ist.
Die körperliche Hyperaktivität kann sich in unkontrollierten, überschießenden motorischen Reaktionen, Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen, Zappeligkeit, Rastlosigkeit und übermäßiger körperlicher Aktivität (zum Beispiel Herumlaufen oder Herumklettern) äußern. Spontane und wenig überlegte Handlungen beziehungsweise das sofortige Ausführen von Handlungsimpulsen sind ebenso charakteristisch.
Weitere Symptome im Grundschulalter sind:
- geringe Frustrationstoleranz und Wutanfälle
- unpassende Mimik und Gestik
- Übermäßig vieles Sprechen und anderen ins Wort Fallen
- Ungeschicklichkeit und häufige Unfälle beim Spielen
- geringes Selbstbewusstsein
- langsames und unsystematisches Aufgabenlösen
- schnelle Ablenkbarkeit
- Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche
- oft schlecht leserliche Schrift und chaotisches Ordnungsverhalten
ADHS-Symptome bei Jugendlichen
Jugendliche mit ADHS sind weiterhin unaufmerksam und entwickeln oft eine „Null-Bock-Mentalität“. Sie verweigern erforderliche Leistungen und flüchten sich in eine aggressive Anti-Haltung. Bis zu einem gewissen Grad sind solche Verhaltensweisen in der Pubertät zwar ohnehin nicht unüblich, bei ADHS sind diese jedoch deutlich ausgeprägter.
Darüber hinaus neigen Jugendliche mit ADHS zu risikoreichem Verhalten und fühlen sich häufig zu sozialen Randgruppen hingezogen. Oft spielen dabei Alkohol und Drogen eine Rolle. Viele leiden unter einem geringen Selbstbewusstsein, manche erleben starke Ängste und auch Depressionen.
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ADHS-Symptome bei Erwachsenen
Im Laufe der Entwicklung kann die Hyperaktivität bei ADHS oft in den Hintergrund treten, was die Diagnose im Erwachsenenalter erschweren kann. Dennoch können auch im Erwachsenenalter Symptome wie Impulskontrollstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Desorganisation, Stressintoleranz, Reizoffenheit und motorische Störungen auftreten.
Im Vordergrund stehen dann oftmals Desorganisation, Vergesslichkeit und Probleme mit Zeitmanagement und Disziplin, sowie auch emotionale Dysregulation und Affektlabilität. Hyperaktivität spielt bei ADHS im Erwachsenenalter also im Allgemeinen nur noch eine untergeordnete Rolle. Deshalb spricht man hier oft nur von ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Störung).
Wird die Störung aber nicht behandelt, kann das für die Betroffenen gravierende Auswirkungen auf soziale Kontakte, berufliche Laufbahn und die Lebenszufriedenheit haben. Durch ihre Impulsivität und unüberlegtes Handeln gehen sie oft unnötige Risiken ein und schaden sich selbst. Häufig entwickeln sich zusätzliche psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch oder Suchterkrankungen.
Diagnose von ADHS
Um eine adäquate Diagnose mit Verdacht auf ADHS zu stellen, ist ein umfangreiches Verfahren erforderlich, das verschiedene psychologische Testungen in mehreren Instanzen umfasst. Eine sorgfältige Diagnosestellung ist sehr wichtig, um unruhige, unterforderte oder traumatisierte Kinder von jenen mit ADHS zu unterscheiden. Zudem sollte abgeklärt werden, ob es vielleicht Schwierigkeiten in der Familie gibt. Je jünger ein Kind ist, desto eher ist unreifes und impulsives Verhalten altersgerecht und somit „normal“.
Die Diagnose einer ADHS sollte nicht vor dem Alter von drei bis vier Jahren erfolgen. Wenn seitens der Eltern, der Schule oder anderer Bezugspersonen der Verdacht auf ADHS besteht, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein erster Schritt wäre die Kontaktaufnahme mit einer*einem Ärztin*Arzt oder einer Beratungsstelle, die Erfahrung in der Diagnose und Behandlung von ADHS hat.
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Für die Diagnose ADHS müssen in Österreich bestimmte Kriterien vorliegen. Diese orientieren sich an den Kriterien der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD). Dort wird auch genau beschrieben, wie sich Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität äußern können.
Kriterien für die Diagnose ADHS:
- diese Anzeichen sind bereits vor dem siebten Geburtstag aufgetreten.
- das Verhalten wird in mehr als einer Umgebung beobachtet
- der Alltag ist durch das Verhalten stark beeinträchtigt
- andere psychische Erkrankungen sind keine Ursache für das auffällige Verhalten.
Die Diagnosestellung kann für die Betroffenen eine Entlastung sein, weil man nun weiß, was hinter dem auffälligen Verhalten steckt. Sie kann auch belasten oder anfangs auch von Betroffenen oder Angehörigen abgelehnt werden. Ein aufklärendes Gespräch über die Erkrankung kann helfen, damit umzugehen. Zudem kann die Ärztin/der Arzt über weitere Möglichkeiten der Unterstützung informieren, z.B. Selbsthilfegruppen.
Behandlung von ADHS
In der Behandlung von ADHS empfiehlt sich eine ganzheitliche Vorgehensweise. Zu den möglichen Therapien zählen vor allem die Aufklärung über die Erkrankung, Elternschulung/Elterncoachings, intensive Zusammenarbeit mit der Schule, Medikamente und Psychotherapie.
Eine wichtige Maßnahme ist die Aufklärung über ADHS von Eltern, Familie und Betreuungspersonen aus dem sozialen Umfeld (etwa Kindergarten oder Schule). Die Aufklärung über die Erkrankung wird Psychoedukation genannt und erfolgt z.B. in Form von Elternschulungen. Bei einer Elternschulung erfahren die Eltern mehr über ADHS (was es ist, wie es auf den Körper wirkt etc.) und den Umgang damit. Zum Beispiel welche Verhaltensweisen man beeinflussen kann, welche das Kind ändern kann und welche nicht.
ADHS hat meist Auswirkungen auf den Alltag im Kindergarten oder der Schule. Daher ist eine Zusammenarbeit zwischen Eltern, Kindern, den behandelnden Personen und dem Kindergarten bzw. der Schule hilfreich. So können zum Beispiel Lernbedingungen angepasst werden (z.B. Übungen im Unterricht). Klare Botschaften und Regeln, eine gut geplante Tagesstruktur, das Vermeiden von Überforderung oder immer wieder mal ein gerechtfertigtes Lob sind zudem hilfreich.
Bei der psychotherapeutischen Behandlung von Schulkindern mit ADHS wird unter anderem mittels verhaltenstherapeutischen Maßnahmen gelernt, die Gefühle besser zu regulieren oder Probleme zu lösen. Das schulische sowie soziale Umfeld wird mit einbezogen. Mittels Psychoedukation soll das Verständnis für die Störung gefördert werden. In einer Gruppentherapie können Jugendliche z.B. auch ihre sozialen Fähigkeiten in Kontakt mit Gleichaltrigen verbessern.
Medikamente kommen bei ADHS ab dem Alter von sechs Jahren zum Einsatz. Das am häufigsten verwendete Medikament bei ADHS ist der Wirkstoff Methylphenidat. Tritt keine erwünschte Wirkung ein, kann auch eine Behandlung mit den Wirkstoffen Atomoxetin, Guanfacin oder Lisdexamfetamin eine Alternative sein. Dexamphetamin und Lisdexamfetamin sind nur für Kinder und Jugendliche zugelassen, wenn vorher eine Behandlung mit Methylphenidat versucht wurde. Guanfacin verschreibt die Ärztin/der Arzt erst, wenn andere Mittel unverträglich oder wirkungslos waren. Die medikamentöse Therapie wird von regelmäßigen Kontrolluntersuchungen begleitet.
Ist der Alltag nur noch schwer zu bewältigen und ein Kind sehr hyperaktiv und impulsiv, kann ein Aufenthalt in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. Kinder- und Jugendpsychosomatik sinnvoll sein.
Der Alltag mit ADHS kann sehr herausfordernd für die ganze Familie sein. Oft kommt es zu Konflikten in der Schule, zu Streit mit anderen Kindern oder Angehörigen. Für Geschwister ist es auch nicht leicht. Und natürlich leiden die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst an ihrem Verhalten und den Folgen im sozialen Umfeld. Sie finden zum Beispiel schwieriger Freundinnen und Freunde. Im Familienalltag helfen meist klare Regeln und Routinen. Ein Austausch in einer Selbsthilfegruppe für Eltern ist oft hilfreich. Sich immer wieder bewusst zu machen, dass das Kind nicht mit Absicht so handelt, ist ebenso unterstützend.
Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind an ADHS leidet, wenden Sie sich an eine Kinderpsychiaterin/einen Kinderpsychiater bzw. eine Kinderärztin/einen Kinderarzt mit Spezialisierung auf Psychosomatik oder eine der spezialisierten ADHS-Ambulanzen. Diese/dieser leitet dann weitere notwendige Untersuchungen bzw.
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