Namen, Nomen und Pronomen spielten im Mittelalter eine vielfältige Rolle. In der Problematik des Gottesnamens laufen zwei ganz verschiedene Traditionsstränge zusammen: Die griechische Philosophie entwickelt einen Gottesbegriff, der ausgehend von den Strukturen des Kosmos gewonnen wird und kategorialer Natur ist, während der biblische Glaube vom Namen Gottes spricht, was auf eine personale Verfasstheit schließen lässt.
Biblische Namen und ihre Bedeutung
Die Gottesnamen im Alten Testament („Elohim“, „El Schaddai“, „Adonai“ usw.) bringen unterschiedliche Bedeutungsaspekte zum Ausdruck und beziehen sich auf Gott, insofern er in einer Beziehung zur Schöpfung steht. Demgegenüber besitzt das Tetragramm (JHWH) eine Sonderstellung, da es sich auf Gott bezieht, wie er in sich selbst ist.
Die Scholastiker des 13. und 14. Jahrhunderts versuchen, das Verhältnis von Gottesbegriff und Gottesnamen zu klären, wobei aristotelisch geprägte Autoren den Akzent eher auf die Benennbarkeit Gottes legen, während neuplatonisch orientierte Autoren eine negative Theologie der radikalen „Namenlosigkeit“ Gottes vertreten.
Bei Meister Eckhart findet sich daneben aber noch ein dritter Ansatz, der „Gott“ weder als Begriff noch als Eigennamen versteht, sondern ihn vom Personalpronomen „ich“ (ego) her deutet, mit dem Gott sich selbst offenbart (vgl. Exodus 3,14: „Ich bin, der ich bin“).
Peter von Poitiers und die Visualisierung biblischer Geschichte
In the twelfth century Parisian scholar Peter of Poitiers (d. 1205) created a novel visualisation of biblical history in the form of a linear synopsis, the Compendium historiae in genealogia Christi. The sequence of generations from Adam to Christ forms the central chronological axis. The Compendium also presents the lines of biblical kings, judges, and priests, running parallel to the main axis, thus making visible both synchronous and diachronic relationships of persons and events.
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In Peter of Poiters’ work more than four hundred biblical and non-biblical individuals are named. This contribution will address how Peter of Poitiers’ Compendium historiae uses names as building blocks in visualisations of space and time. In principle, the Compendium constructs its chronology from a set of nodes, each bearing the name of an individual and connected bylines.
But the Compendium also makes use of other names, namely the names of tribes, dynasties, or offices (e.g., priests), to complexify the basic linear construct. This paper will discuss how some copies of the Compendium use such names to depart from a purely chronological structure, letting spatial dimensions also crystallise around name-nodes. In particular this contribution addresses a set of diagrams and pictures in selected copies of the Compendium that show the geographical orientation of the kingdoms after the deluge (descending from the sons of Noah).
At the time when Peter of Poitiers conceived the Compendium historiae, the increased interest in the historical sense of Scripture (sensus literalis or sensus historicus) resultet in a renewed interest in the biblical names, especially in works by Jerome, but also by Isidore of Seville. The paper will explore the choice of biblical names in the Compendium historiae from various perspectives: firstly, what names are selected, secondly, what kind of information is provided in the short biographical notes (e.g. biblical, historical, etymological, etc.), and, thirdly, on what sources this information is based (Jerome, Augustine, Isidore, Bede, or Peter Comestor, who in his Scolastica Historia condensed information given in the Bible and extra-biblical sources).
The third presentation in this section is concerned with questions of data modelling and digital identification of individuals in Peter of Poitier’s work. As part of the editing process the individuals mentioned or depicted in the Compendium historiae will be marked and identified in the edited text and manuscript images.
For the identification of people it is best practice in digital humanities to use authority files such as the VIAF (Virtual International Authority File) or the GND (dt. Gemeinsame Normdatei) of the German National Library as a kind of controlled vocabulary to identify individuals, places and concepts in the Semantic Web. This paper will discuss how Linked Open Data (LOD) and authority files can be used to express information about biblical and non-biblical persons, what issues arise (especially with biblical persons) and how the project tries to deal with them.
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Berufsnamen als Familiennamen
Berufsnamen bilden den größten Fundus für heutige deutsche Familiennamen. Familiennamen wie Schneider oder Schmidt erscheinen als Spuren einer Zeit, in der der Beruf einen gesellschaftlichen Status markierte - insbesondere die Zugehörigkeit zum Handwerksstand. Die Zunahme von beruflichen Beinamen im Lauf des Spätmittelalters geht Hand in Hand mit der Entwicklung der Zünfte.
Dabei klingen die beruflichen Beinamen des Spätmittelalters, aus denen zahlreiche Familiennamen von Heute abgeleitet werden, häufig männlich, zünftig und gutbürgerlich. In der Sektion werden wir die berufsbezogenen Anthroponyme des Mittelalters, die nicht zu diesem klassischen Schema passen, in den Blick nehmen: Welche Formen und welche Rolle nahm die Berufsbezeichnung für Frauen, für Arme, für Juden ein?
In welchem rechtlichen und sozialen Kontext wurde der Beruf benannt? In welchem Kontext wurde der Beruf aber auch nicht benannt? Markiert das Erwähnen oder das Auslassen von Berufsnamen eine signifikante soziale Grenze, oder verfolgt die Entscheidung, den Beruf anzugeben oder nicht, eine situative, quellenimmanente Logik?
Werden Personen in der Stadt, in der Vorstadt oder auf dem Land anders benannt? Werden Personen, die ihren Wohnort öfter wechseln, anders beruflich gekennzeichnet als Sesshafte? Welche Rolle spielt Religionszugehörigkeit in der beruflichen Namensgebung? Wie werden insbesondere Juden beruflich markiert?
Die Trierer Vollleiste als Beispiel
Die Trierer Vollleiste aus dem Jahr 1363/64 ist das älteste überlieferte Steuerregister der Stadt. Das Dokument, eine pro Straße geordnete Namensliste mit dem entsprechenden Steuerbetrag, enthält neben Angaben zur Herkunft und zur Verwandtschaft eine große Anzahl von Berufsbezeichnungen (Clais Linke der smyt, Paze die cremerse). Manchmal wird die Arbeits- bzw. Dienststelle in der Bezeichnung beschrieben (Clais des grevin pijffer van Spainheym).
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Nur Haushaltsvorsteher werden gezählt, dabei ist ein Viertel der ca. 2500 Namen weiblich. Eine GIS-basierte Datenbank mit einer Kategorisierung nach Geschlecht, Wohngegend (Zentrum-Peripherie) und Vermögensklasse kann helfen, die Logik hinter der Namensgebung der jeweiligen Personen zu verstehen. Der Fokus liegt auf den Kategorien, die klassischerweise weniger mit Berufen assoziiert werden: Frauen, Arme, Einwohner der Vorstadt.
Knapp die Hälfte der männlichen und immerhin ein Viertel der weiblichen Namen enthalten eine Berufsangabe. Bei den Frauen der niedrigen Vermögensklassen ist die Quote sogar höher. Während die größte Dichte von Berufsnamen um den Markt anzutreffen ist, sind die Straßen mit einer überproportionalen Dichte von Frauen mit Berufsangaben vorwiegend Nebengassen, die zwischen zwei Hauptverkehrsachsen liegen.
Ein Drittel der Vermögenslosen wird mit einem Beruf genannt. Das ist umso bemerkenswerter, als das nicht nur Dienerberufe, sondern auch handwerkliche Berufe vertreten sind. Die Namen werden dann nach Benennungskategorien (Berufsbezeichnung, Herkunftsbezeichnung, Nennung des Familienverhältnisses) zerlegt, um die Namensgebung nach verschiedenen Parametern analysieren zu können. Entspricht die Zusammensetzung der Namensunterteile einer sozialen Logik?
Bruderschaften und ihre Mitgliederlisten
Bruderschaften sind eines der bestimmenden sozialen Konstrukte des Mittelalters. Neben den bekannteren Handwerksbruderschaften existierten im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum und anderen Teilen Europas auch Vereinigungen innerhalb armer und marginalisierter Bevölkerungsgruppen. Von dieser Bruderschaft hat sich eine von 1437 bis 1465 geführte Mitgliederliste erhalten.
In ihr sind mehr als 2000 Eintragungen verzeichnet worden mit meist mehreren Personennennungen pro Eintragung. Die dort verzeichneten Personen sind bunt gemischt. Sie unterteilen sich jedoch in zwei große Gruppen: Einerseits in die der armen, meist bettelnden, weiblichen und männlichen Mitglieder der Bruderschaft; andererseits in die Gruppe der reicheren Unterstützer und Unterstützerinnen.
Ebenso unterschiedlich wie die Personen selbst sind deren Benennungen. In den meisten Fällen ist die Herkunft der Person angegeben. Andere Personen werden durch Berufsbezeichnungen, Standesbezeichnungen oder auch ihre Krankheiten und Behinderungen näher charakterisiert. Im Vortrag wird untersucht werden, welches Muster hinter diesen Bezeichnungen zu erkennen ist: Werden arme Menschen anders bezeichnet als reichere Mitglieder oder werden prominente Unterstützer und Unterstützerinnen besonders herausgehoben?
Sind Berufsbezeichnungen bestimmten Personen vorbehalten? Ein weiterer Fokus liegt auf den Herkunftsbezeichnungen, die Rückschlüsse auf die ausgedehnte Migration Armer und Marginalisierter im Spätmittelalter zulassen.
Berufsnamen von Juden im Frühmittelalter
Unter den wenigen namentlich bekannten Juden des Frühmittelalters ist die Namensbildung mit Vor- und Zunamen äußerst selten. Üblicherweise erfahren wir nur den Vornamen einer Person, in jüdischen Quellen gelegentlich ergänzt durch genealogische Informationen. Wird von Berufen gesprochen, ist in den christlichen Quellen der Zeit zumeist von Juden im Kollektiv die Rede oder die Tätigkeit wird unabhängig von einem (Vor-)Namen überliefert.
In den ersten jüdischen Responsen verbergen sich konkrete Personen hinter Decknamen und somit suchen wir im Frühmittelalter meist vergebens nach den Salzmanns, Singers und Steinschneiders späterer Jahrhunderte. Wo wir aber Berufe als Beinamen von Juden finden, offenbaren sich bestimmte Funktionen hinter dieser Namensgebung. So tauchen berufliche Beinamen in christlichen Quellen ausschließlich als rechtliches Distinktionsmerkmal auf, während es in jüdischen Quellen um Autorenschaft, die Sicherung von halachischer Autorität und die eindeutige Kennzeichnung von Grabstellen geht.
Macht und Benennung
Adam benennt die Tiere und ordnet damit die Welt der Lebewesen. Er erhält den göttlichen Auftrag, das Leben zu kategorisieren. An Adams Benennungspraxis zeigt sich, dass Name nicht allein eine Bezeichnung, sondern Ausdruck von Macht und unter Umständen auch von Besitz oder Kapital (im Sinne Bourdieus) ist. Denn diesem Auftrag (des zweiten Schöpfungsberichts) geht ein erster voraus, sich die Welt, mit allem was lebt, untertan zu machen (Gen 1, 28).
Benennung ist somit eine Form der Machtausübung und der Verfolgung spezifischer Ziele. Nach Donna Haraway hatte Adam leichtes Spiel, als er die Tiere mit Namen seiner eigenen Sprache versah, es nicht darum ging, eine speziesübergreifende Konversation aufzubauen. In diesem Panel wollen wir dem Zusammenhang von Macht und Benennung in der Literatur(produktion) des Mittelalters bzw. in den Anfängen der mediävistischen Forschung nachgehen.
Dabei zeigen sich Macht-, Besitz- und Kapitalstrukturen nicht allein in der Benennung von Lebewesen, sondern auch in der Art und Weise, wie für ein Gegenüber Benanntes - seien es Lebewesen oder Objekte - definiert und erklärt werden (Stichwort Mansplaining). Im Rahmen des Panels werden vor diesem Hintergrund literarische und wissenschaftliche Texte aus dem oder über das Mittelalter diskutiert, die jeweils mit Benennung und Macht auf ganz unterschiedliche Art und Weise umgehen.
Weibliche Autorinnenschaft
Die Frage nach weiblicher Autorinnenschaft spielt in der Erforschung mittelalterlicher Literatur in vielfältiger Weise eine Rolle. Neben Überlieferungskonstellationen und Namensnennungen sind dabei vor allem auch Zuschreibungsrelationen zentral. Wem wird Autor:innen:schaft zugetraut und wem eher abgesprochen?
Welche Parameter sind für die Entscheidungsfindung ausschlaggebend? Was wird unter der Bezeichnung Autor:in im Mittelalter überhaupt verstanden? Gibt es zeitgenössisch strategische Überlegungen hinter der Zuschreibung von Texten an Autoren oder Autorinnen? Dieser Beitrag geht insbesondere der Frage nach den Funktionen hinter der namentlichen Nennung von Fürstinnen als Autorinnen nach und inwieweit diese Nennungen mit Macht in Zusammenhang gebracht werden können und müssen.
Als explizites Beispiel dafür dient Eleonore von Schottland (um 1433 - 1480), die 1483 posthum als Autorin bzw. Übersetzerin durch ihren Gemahl Sigmund von Tirol (1427-1496) in der gedruckten deutschen Fassung des ursprünglich französischen höfischen Romans Pontus und Sidonia genannt wird. Eleonores tatsächliche Autorinnenschaft der Übersetzung ist in der rezenten Forschung umstritten.
Naivität und sexuelle Unerfahrenheit
In der mittelhochdeutschen Kleinepik ist Naivität, die sexuelle Unerfahrenheit immer wieder Thema. So beispielsweise in den beiden Mären: Der Sperber und Das Gänslein. In beiden wird ein junger Mensch aufgrund seiner (sexuellen) Unerfahrenheit übervorteilt, indem ein Tier gegen die Minne einer Frau getauscht bzw. In beiden Mären zeigen sich die Wechselwirkungen von Macht und Benennung auf mehreren Ebenen.
Im Der Sperber wird die männliche Dominanz u. a. auch in der sprachlichen Be- bzw. Unfähigung der Figuren ersichtlich. Der Ritter ist durch begriffliche Differenzierung in der Lage, die Welt besser einzuordnen und zu verstehen. Für das Mädchen ist das gefiederte Lebewesen, das sie gerne besitzen würde, lediglich durch den Überbegriff vogelîn zuordenbar. Im Das Gänslein wiederum fragt ein naiver junger Mönch den Abt nach der Bezeichnung diverser Lebewesen. Dieser gibt ihm bereitwillig Auskunft, nur als ihm Frauen begegnen, stellt er diese als ‚Gänse‘ vor.
Mediävistik und weibliche Perspektiven
Die Mediävistik des 19. Jahrhunderts stellte für Wissenschafterinnen ein schwieriges Betätigungsfeld dar. Die englische Nonne Francis Raphael wurde in den 1850er Jahren Priorin des Klosters Stone in der Nähe von Staffordshire und widmete sich vor allem dem Verfassen populärwissenschaftlicher Geschichtswerke. Die Reaktion der akademischen Welt war ambivalent. Während katholische (männliche) Autoren in ihr ein Beispiel für die Kraft des Glaub...
| Aspekt | Beschreibung |
|---|---|
| Biblische Namen | Ausdruck persönlicher Verfasstheit und Beziehung zur Schöpfung. |
| Berufsnamen | Spiegeln gesellschaftlichen Status und Zugehörigkeit wider, insbesondere im Handwerk. |
| Soziale Unterschiede | Die Art der Namensgebung variierte je nach sozialer Schicht, Geschlecht und Religionszugehörigkeit. |
| Macht und Benennung | Namen sind Ausdruck von Macht und Kontrolle über die Welt. |