Angststörung und Sport: Erfahrungen und Therapieansätze

Angst ist ein normales Gefühl, das vor gefährlichen Situationen schützt und hilft, diese zu vermeiden. Sie ist ein biologisch angelegtes Verhaltensmuster der Wahrnehmung von Gefahren, der Reaktion darauf sowie auch der Vermeidung von gefährlichen Situationen. Wenn die Angst jedoch übermäßig stark wird und den Alltag einschränkt, kann das auf eine Angststörung hinweisen.

Was ist eine Angststörung?

Als Angststörung werden intensive, lang anhaltende Angstzustände bezeichnet. Die Angst ist dabei so groß, dass sie für die meisten außenstehenden Personen nicht nachvollziehbar erscheint. Die Angststörung schränkt die psychische und soziale Funktionsfähigkeit ein. Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Spezifische Ängste - sogenannte Phobien (z.B. vor Höhe oder Spinnen) - treten am häufigsten auf. Angststörungen können sich stark auf das Alltagsleben auswirken.

Frauen sind häufiger als Männer von Angststörungen betroffen. Getrennt lebende, geschiedene oder verwitwete Personen leiden meist häufiger unter Angststörungen als verheiratete oder ledige. Traumatische Erlebnisse können ein Risikofaktor für eine Panikstörung mit Panikattacken sein.

Ursachen von Angststörungen

Es gibt derzeit noch kein allgemein anerkanntes und umfassend erklärendes Modell, wie Angststörungen entstehen. Allerdings existieren verschiedene Theorien. Zugrunde liegt das sogenannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Dieses geht davon aus, dass es Risikofaktoren gibt. Diese umfassen:

  • Änderungen im Gehirnstoffwechsel
  • Innere Konflikte
  • Bestimmte Denk- und Lernvorgänge
  • Integrative Modelle gehen davon aus, dass biologisch-körperliche, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken.

Auslösende Faktoren können die Angststörung „aktivieren“, während aufrechterhaltende Faktoren Vermeidungsverhalten und angstfördernde Denkmuster beinhalten.

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Arten von Angststörungen

Es gibt unterschiedliche Arten von Angststörungen:

  • Panikstörung
  • Sozialphobie
  • Generalisierte Angststörung
  • Spezifische Phobien
  • Trennungsangststörung

Im Rahmen von Angststörungen können auch körperliche Symptome auftreten, die medizinisch abgeklärt werden müssen.

Diagnose und Behandlung

Am Beginn der Diagnosestellung steht die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Bevor die Diagnose einer Angststörung möglich ist, muss eine Ärztin/ein Arzt körperliche Ursachen ausschließen. Die Behandlung einer Angststörung besteht meist aus Psychotherapie und Medikamenten. Je nach Ausprägung der Erkrankung kann zudem eine klinisch-psychologische Behandlung hilfreich sein.

Ein wesentlicher Aspekt der Therapie ist der Umgang mit der Erkrankung. Dabei lernt die Patientin/der Patient, mit Angst viel besser umzugehen.

Psychotherapie

Der Psychotherapie kommt in der Behandlung von Angststörungen ein großer Stellenwert zu. In vertrauensvollem Rahmen können Betroffene über ihre Ängste und Lebenssituation sprechen. Verhaltenstherapeutische Ansätze etwa haben sich in der Behandlung von Angststörungen sehr bewährt. Im Rahmen einer Psychotherapie können Betroffene auch Entspannungstechniken erlernen. Bei spezifischen Phobien ist zudem eine sogenannte Exposition hilfreich.

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Medikamente

Bei Angststörungen verschreibt die Ärztin/der Arzt unter anderem Medikamente, die auch zur Behandlung von Depressionen zur Anwendung kommen. Bei allen Angststörungen kann in begründeten Ausnahmefällen oder in einer Akutsituation die Anwendung eines Beruhigungsmittels (Benzodiazepine) kurzfristig hilfreich sein. Die Anwendung muss dabei engmaschig ärztlich begleitet werden, um Abhängigkeit von Benzodiazepinen zu verhindern.

Selbsthilfe

Was kann man selbst tun?

  • Sport im Sinne von Ausdauertraining.
  • Mögliche Verstärker der Angst beobachten und vermeiden (z.B. negativer Stress, Medikamentenmissbrauch, Koffein etc.).
  • Der Besuch einer Selbsthilfegruppe.

Sport und Bewegung als Therapie

Dass Sport nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische Wohlbefinden verbessern kann, ist wissenschaftlich vielfach belegt. Eine großangelegte Studie deutet nun aber sogar darauf hin, dass Sport bei Depressionen eine ähnliche Wirkung wie Medikamente und Psychotherapie haben kann. Sport wird zu selten psychotherapeutisch genutzt.

Durch körperliche Aktivität reduzierten sich depressive Symptome durchschnittlich um 43 Prozent, Ängste um 42 Prozent sowie allgemeine Stresssymptome um 66 Prozent. Die wichtigsten Erkenntnisse der Übersichtsstudie:

  • Auf welche Sportart man setzt, scheint unwesentlich zu sein: Alle untersuchten Arten körperlicher Betätigung waren wirksam - einschließlich Aerobic, Krafttraining und Yoga.
  • Als optimal erwiesen sich vier bis fünf Tage Sport pro Woche.
  • Allerdings brachte eine höhere Trainingsintensität eine stärkere Verbesserung der Symptome.

Aus der Gesamtschau der Daten leiten die Forschenden ab, dass Sport um 53 Prozent wirksamer ist als die übrigen therapeutischen Maßnahmen. Singh betont ausdrücklich, dass Sport andere Behandlungsstrategien nicht ersetzen, sondern diese im Rahmen der Standardversorgung ergänzen solle.

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Bewegung wirkt sich unter anderem positiv auf die Stimmung aus, indem er Stresshormone im Körper abbaut. Einen weiteren Effekt entfaltet Sport auf Menschen mit psychischen Symptomen, weil er ein Gefühl der Selbstwirksamkeit vermittelt: Die Betroffenen können selbst etwas dafür tun, dass es ihnen besser geht. Dieser Aspekt wird beispielsweise auch in psychotherapeutischen Behandlungen gezielt gestärkt.

Therapeutisches Klettern

In der Kletterhalle hilft Carina Bichler Menschen, ihre Ängste zu überwinden - und erforscht zugleich diese neue Bewegungstherapie. Die Sportpsychologin nutzt Erfahrungsberichte wie diese für ihre qualitative Forschung an der Klinik für Pychiatrie II der Med-Uni Innsbruck. In Kombination mit physiologischen Messungen geht es darum zu zeigen, ob und wie Bewegungstherapie, insbesondere therapeutisches Klettern, gegen Angststörungen wirkt.

Die rote Zone bleibt tabu. Und wie laufen die Therapie-Einheiten ab? „Ich bin zum Beispiel mit der Person in der Wand und lasse sie überprüfen, wie es ihr geht“, berichtet Bichler. Dazu nutzt sie die „Ampel der Achtsamkeit“: „Bei der Lernzone sind wir im orangen Bereich, die Komfortzone ist grün. Wir gehen nie in die rote Zone.“ Bichler leitet an, den eigenen Körper genau zu beobachten. „Angst spürt man körperlich stark: Herzschlag und Atmung verändern sich, man beginnt zu schwitzen.“

Der therapeutische Ansatz funktioniert vor allem bei gerichteten Ängsten, also solchen die, anders als Panikstörungen, einen konkreten Auslöser haben: „Die Menschen fürchten sich vor Höhe, Wasser, Spinnen, Prüfungen oder sozialen Situationen, in denen sie bewertet und ausgegrenzt werden könnten.“

Erste Erkenntnisse sind vielversprechend: Sie zeigen, dass therapeutisches Klettern sehr gut gegen Ängste eingesetzt werden kann. Ebenfalls gut wirksam: Nordic Walking oder soziale Interaktionsgruppen.

Sportpsychiatrie

Bei der Sportpsychiatrie handelt es sich um ein relativ junges Teilgebiet der Sportmedizin. Die Sport-Psychotherapie wiederum setzt sich seinen Aussagen zufolge mit der Wirkung von Sport bei psychischen Erkrankungen auseinander - etwa bei Angststörungen, Depressionen, Panikattacken oder auch Sozialphobien.

Für gewisse psychiatrische Erkrankungen gibt es bei Sportlern jedoch eine erhöhte Prävalenz: So tritt beispielsweise ADHS im Sport bis zu dreimal häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Neben ADHS zählen auch Angststörungen, Suizidalität, Suchtprobleme, Übertraining, Trauma-Folgestörungen, Essstörungen, Doping, aber auch Sport-bedingte Schäden des Gehirns zu häufigen psychischen Störungen bei Sportlern.

Je nach Sportart und Geschlecht variiert das Risiko eines Athleten, eine Störung beim Essverhalten zu entwickeln. Besonders bei Sportlerinnen und Sportlern, deren Disziplin von einem hohen ästhetischen Charakter geprägt ist, besteht ein hohes Risiko, dafür.

Nachdem Sportler meist im Team trainieren oder den Sport im Team betreiben, befinden sie sich in einem hoch kompetitiven Umfeld. Durch permanente Stressfaktoren wie Wettkampfdruck, hohe Leistungsvorgaben und Kräfte zehrende Trainingseinheiten können Sportler in psychische Krisen geraten.

Während es die vorrangige Aufgabe der betreuenden Sportpsychologen ist, die Athleten psychisch bei der Leistungssteigerung und der Leistungsoptimierung zu unterstützen, ist der Teamarzt der erste Ansprechpartner bei medizinischen Problemen.

Umgang mit Angst in der Gesellschaft

Angst spielt eine wichtige Rolle in der Gesellschaft und kann von der Politik gezielt genutzt werden. Angst wirkt allerdings auch positiv. Angst, vor allem Angst vor Kontrollverlust, kann nukleare Abschreckung stabilisieren. Um überschießende Reaktionen der Politik zu verhindern, plädieren Martin Senn und Franz Eder für mehr Ehrlichkeit - und für zivilgesellschaftliches Engagement:

„Absolute Sicherheit gibt es nicht, kann es nicht geben und sie ist auch gar nicht wünschenswert. Am Ende stünde ein totalitärer Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger dauernd überwacht“, sagt Martin Senn.

Angst und Religion

Der systematische Theologe Jozef Niewiadomski sieht die Angst als ein menschliches Phänomen, das mithilfe von Glauben bewältigt werden kann - auch wenn der Umgang mit Angst in der Religionsgeschichte ambivalent war. Die fundamentalste und wichtigste Rolle der Religion ist für mich, Vertrauen zu stärken und Angst zu mindern. Ein gläubiger Mensch muss sich also nicht vor Gott fürchten.

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