Was ist ADHS?
ADHS ist ein relativ häufiges psychiatrisches Krankheitsbild. Bei ADHS besteht eine verminderte Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstkontrolle. Dadurch kommt es zu Beeinträchtigungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit sowie zu impulsivem und unüberlegtem Handeln.Ursachen von ADHS
Wie es zu ADHS kommt, ist noch nicht gänzlich geklärt. Man vermutet unter anderem eine Fehlregulation des Stoffwechsels der Botenstoffe Dopamin, Serotonin und Noradrenalin.Kernsymptome
Die Symptome sind individuell verschieden. Gemeinsam sind Probleme im Bereich der Aufmerksamkeit sowie das Auftreten von Hyperaktivität und Impulsivität.Unaufmerksamkeit
- Schwierigkeiten, längere Zeit aufmerksam zu sein
- Schwierigkeiten, Einzelheiten zu beachten; häufige Flüchtigkeitsfehler
- Schwierigkeiten, zuzuhören und Anweisungen zu befolgen
- Schwierigkeiten, Aufgaben/Aktivitäten zu beenden bzw. zu organisieren
- Schwierigkeiten bei längerer geistiger Anstrengung
- Gegenstände werden oftmals verlegt, erhöhte Vergesslichkeit
- Leichte Ablenkbarkeit durch äußere Reize
Hyperaktivität
- Ständige Unruhe in Händen und Füßen
- Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen bzw.
ADHS im Erwachsenenalter
Bei der Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, war man bis vor wenigen Jahren der Annahme, dass diese lediglich im Kindes- und Jugendalter auftritt und sich später „auswächst“. ADHS im Erwachsenenalter zeichnet sich auch durch das Auftreten von Symptomen aus den drei Kernbereichen aus, wobei sich diese oft modifiziert zeigen. So tritt die Unaufmerksamkeit in Form von Konzentrationsproblemen, vor allem im Beruf auf. Die Betroffenen sind oft desorganisiert, haben Schwierigkeiten, Dinge im Voraus zu planen, sind vergesslich oder verlieren häufig etwas. Sie haben Probleme damit, Projekte anzufangen und zu beenden, oft wechseln sie häufig zwischen verschiedenen Aktivitäten. Erwachsene mit ADHS haben meist eine geringere Schulbildung, haben häufiger Arbeitsplatzwechsel, mehr kriminelle Delikte und mehr Scheidungen.Die Symptome der ADHS sind eng mit der Funktionsweise der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin verbunden. Die hier beteiligten Hirnnetzwerke sind vor allem der präfrontale Cortex (v.a. Dopaminaktivität), der hintere parietale Cortex (v.a. Noradrenalinaktivität) sowie das Kleinhirn (Motorik) und der Bereich der Basalganglien („Timing“).Prävalenz von ADHS bei Erwachsenen
Über die ADHS im Erwachsenenalter gibt es erst seit Kurzem Schätzungen zur Prävalenz. Prävalenzraten liegen hier zwischen 7,1% und 12,8% im amerikanischen Raum sowie zwischen 3,9% und 10,9% in anderen Ländern (Faraone et al. 2003). Für Österreich werden Schätzungen von 420.000 erwachsenen Patienten mit ADHS angegeben (Barkley et al. 2008). Männer sind von ADHS häufiger betroffen als Frauen, wobei dieser Unterschied im Kindes- und Jungendalter noch deutlicher ausfällt.Differentialdiagnose
Da viele der Kernsymptome der ADHS auch bei anderen psychischen Störungen auftreten, ist hier eine Differenzialdiagnose oft erschwert. Unaufmerksamkeit kann auch bei affektiven Störungen, bei Angststörungen und bei psychotischen Störungen auftreten. Impulsivität finden wir ebenfalls bei der Manie bzw. Hypomanie, bei Substanzgebrauch oder bei bestimmten Persönlichkeitsstörungen.Die depressive Störung ist eine der häufigsten komorbiden psychischen Erkrankungen der ADHS im Erwachsenenalter. Es zeigt sich hier eine Korrelation zwischen dem Schweregrad der ADHS und dem Auftreten komorbider depressiver Episoden. Da sich manche Kernsymptome der ADHS sowie der Depression, wie vermindertes Interesse, Erschöpfungsgefühl oder Konzentrationsstörungen, bei beiden Krankheitsbildern finden, ist eine exakte Diagnose oft erschwert. Entscheidend für die Differenzierung ist hier der anamnestisch zu eruierende Verlauf. Uncharakteristisch für ADHS ist eine durchgehend niedergeschlagene Stimmung für einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen. Während bei der Depression Antidepressiva eine deutliche Besserung der Symptomatik bewirken, ist dies bei der ADHS als komorbider Störung meist nicht der Fall. Hier sollte eine kombinierte Behandlung mit spezifischen ADHS-Medikamenten erfolgen.Diagnose
Die Diagnose erfolgt infolge einer ausführlichen Anamnese, einer neurologischen Untersuchung sowie zahlreichen psychologischen Tests und Verhaltensbeobachtungen. Wichtig für die Diagnosestellung der ADHS ist ein früher Beginn der Erkrankung, nämlich vor dem sechsten Lebensjahr. Außerdem müssen sich Symptome aus den drei Bereichen „Unaufmerksamkeit“, „Überaktivität“ und „Impulsivität“ finden. Die Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter basiert im Wesentlichen auf Berichten funktioneller Beeinträchtigungen in der Kindheit. Naturgemäß sind diese retrospektiven Angaben dann oft ungenau und unvollständig. Erschwerend in der Diagnostik kommt hinzu, dass sich bei Erwachsenen häufig ein weites Spektrum an komorbiden psychischen Störungen findet. Sie können zudem an körperlichen Erkrankungen leiden, die ADHS-ähnliche Symptome hervorrufen, wie Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes.ADHS im Erwachsenenalter ist nicht immer leicht zu diagnostizieren, da es viele Überschneidungen mit anderen psychischen Störungen, wie depressive Erkrankungen, gibt. Hier gilt es den diagnostischen Blick zu schärfen und eventuell auch psychologische Testungen zur genaueren Abklärung einer ADHS zu verwenden.Behandlung von ADHS bei Erwachsenen
Da die Ursache der Erkrankung unklar ist, können nur die Verhaltensauffälligkeiten behandelt werden. Erwachsene mit der Diagnose ADHS müssen sich nicht unbedingt behandeln lassen. Ist die Störung allerdings ausgeprägt und beeinträchtigt sie mehrere Lebensbereiche (Beruf, Freizeit, Paarbeziehung), ist eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie oft sinnvoll.Psychotherapie
Nach heutigem Wissensstand lässt sich ADHS nicht heilen. Manchmal bilden sich die Beeinträchtigungen aber mit den Jahren teilweise zurück. Einige Betroffene entwickeln zudem Bewältigungsstrategien, mit denen sie Alltag und Beruf erfolgreich meistern. Vor allem Schwierigkeiten mit der Arbeitsorganisation sowie der beruflichen und privaten Kommunikation sind gut verhaltenstherapeutisch behandelbar.
Durch ein sogenanntes Selbstinduktionstraining lernen ADHS-Patienten, wie sie ihre Impulsivität besser kontrollieren können. Einzeln und in der Gruppe werden Verhaltensweisen eingeübt, die den Alltag mit den Kollegen, der Familie oder dem Partner erleichtern.
Medikamente
Zur Pharmakotherapie der ADHS stehen unterschiedliche Substanzgruppen zur Verfügung; zum einen Stimulanzien wie Methylphenidat (Concerta®, Ritalin®, Equasym®, Medikinet®) und Amphetamine mit einem vorwiegend dopaminergem Angriffspunkt und zum anderen Atomoxetin (Strattera®) mit vorwiegend noradrenergem Angriffspunkt. Bei ausgeprägten Symptomen im Erwachsenenalter verordnen Ärzte mitunter Medikamente gegen ADHS. Wie bei Kindern stehen auch Erwachsenen zwei verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung: Methylphenidat und Atomoxetin. Sie heilen nicht die Erkrankung, tragen aber dazu bei, die Lebensqualität zu verbessern.Methylphenidat
Methylphenidat ist das am häufigsten verwendete Medikament zur Behandlung von ADHS. Es ist unter den Handelsnamen Ritalin und Medikinet bekannt. Methylphenidat ist kein Beruhigungsmittel, sondern ein Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine. Es fördert die Aktivität im Gehirn, insbesondere die Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin. Dopamin spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Bewegungen und der Konzentrationsfähigkeit. Methylphenidat wirkt schnell, oft schon innerhalb einer Stunde. Die Dosierung wird individuell angepasst, beginnend mit einer niedrigen Dosis, die nach Bedarf gesteigert wird. Methylphenidat unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und wird nur auf speziellen Rezepten verschrieben. Es hat keine körperlich süchtigmachende Wirkung bei sachgemäßer Anwendung. Missbrauch kann jedoch gesundheitsschädlich sein, etwa bei Verwendung als "Gehirn-Doping".Atomoxetin
Atomoxetin ist das erste Medikament, das gezielt zur Behandlung von ADHS entwickelt wurde. Ein neuerer Wirkstoff für ADHS ist Atomoxetin, das weniger stark wirkt als Methylphenidat, aber eine Alternative bietet. Atomoxetin erhöht den Noradrenalinspiegel im Gehirn, indem es dessen Abbau verlangsamt. In Österreich ist Atomoxetin seit 2013 zur Behandlung der ADHS bei Erwachsenen zugelassen. In Studien zeigt sich eine vergleichbare Wirkung gegenüber Methylphenidat. Es fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und ist ab sechs Jahren zugelassen.Weitere Medikamente
Weitere mögliche Medikamente bei ADHS sind Neuroleptika, Antidepressiva, Beruhigungsmittel und andere Amphetamine. Fenetyllin und Pemolin können ebenfalls verordnet werden, wenn Methylphenidat und Atomoxetin nicht ausreichend wirken.Ernährung
Aktuell gibt es für Ernährungsmaßnahmen keine eindeutig belegte Wirksamkeit. Einige Studien liefern jedoch Hinweise auf einen positiven Einfluss durch die Zufuhr von ungesättigten Fettsäuren, vor allem Omega- 3-Fettsäuren. Denn diese spielen eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Informationen zwischen den Nervenzellen. Das Thema Zucker und Hyperaktivität gilt heute noch als sehr umstritten. Zucker ist ein schneller Energielieferant und die persönlichen Erfahrungen vieler Eltern legen nahe, dass zu viel Zucker zu hyperaktiven und überdrehten Kindern führt. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen jahrzehntelangen Mythos bzw. eine "Halbwahrheit", denn wissenschaftliche Belege dazu fehlen.Bewältigungsstrategien im Alltag
Erwachsene suchen sich auch häufig eigene Bewältigungsstrategien, um mit ADHS umzugehen. Zudem kommt auch klinisch-psychologische Behandlung zum Einsatz (z.B. Erinnerungshilfen einsetzen (z.B. Routinen festlegen (z.B. Gegenstände immer am gleichen Ort hinlegen, feste Abläufe in der Früh oder am Abend). Für jede/jeden Betroffenen kann es unterschiedliche Strategien geben, die hilfreich sind. Mit der Zeit, können diese herausfinden, was wirklich guttut.ADHS-Medikation in Österreich
Die Indikation einer Pharmakotherapie von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom) mit Methylphenidat oder Atomoxetin wurde auf das Erwachsenenalter erweitert. Der Bewilligungsprozess wird seit 2005 fast ausschließlich direkt in der Kassenordination über das elektronische Gesundheitsnetz der Sozialversicherung abgewickelt (bis dahin musste das Rezept grundsätzlich zur Krankenkasse gebracht und dort vorgelegt und abgestempelt werden). Inzwischen sind größere wahlärztliche Ordinatinen ebenfalls verpflichtend an das Netz angeschlossen. Die Daten über die beabsichtigte Verordnung werden mit einer medizinischen Begründung an die Gegenstelle bei der Sozialversicherung übermittelt, wo deren Ärzt*innen dann die meisten Verordnungen genehmigen oder zunächst Rückfragen stellen.Methylphenidat in Tablettenform und verzögert freigesetzt (Ritalin®/Ritalin-LA®, Medikinet®/Medikinet retard® (entspricht Medikinet adult® in D), Concerta® u. Rezepte für jegliche Form von Methylphenidat und Amphetaminsulfat sind Suchtgiftrezepte. Sie mussten und müssen zum Teil auch weiterhin mit einer nummerierten Suchtgiftvignette versehen werden ("grünes Pickerl"). Die elektronische Verschreibung mit ihren Sicherheitsmerkmalen wird der Vignette inzwischen gleich gehalten. Rezepte für abgepackte Präparate aus dem Heilmittelverzeichnis können seit 1. Juli 2023 elektronisch ausgestellt werden. Diese Rezepte können mit Ihrer e-Card in jeder Apotheke im Inland abgerufen und ausgefolgt werden. Rezepte für magistraliter anzufertigende Mittel (z. B. Kapseln mit Amphetaminsulfat) können allerdings derzeit nicht elektronisch verschrieben werden.Tabelle: ADHS-Medikation in Österreich - Verschriebene Tagesdosen
Altersgruppe | Anteil der Patienten | Verhältnis DDD zu PDD |
---|---|---|
Unter 6 Jahren | 1% | N/A |
6-13 Jahre | 47% | 86% erhalten weniger als eine DDD pro Tag |
14-17 Jahre | 22% | N/A |
Erwachsene (18+) | 30% | Erhöhte Streuung, Hinweis auf Überversorgung oder Missbrauch möglich |
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