Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Erkrankung, die häufig im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert wird, aber oft bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt. Eine Vielzahl von Studien weist darauf hin, dass ein Großteil der als Kind von ADHS Betroffenen auch noch als Erwachsene Symptome zeigen und dadurch Beeinträchtigungen in ihrer Lebensführung und ihrer Lebensgestaltung erfahren. Manchmal wird ADHS auch erst im Erwachsenenalter als Diagnose gestellt.
ADHS-Diagnostik bei Erwachsenen
Die Diagnose einer ADHS umfasst mehrere Tests und Untersuchungen, wenn sie so durchgeführt wird, wie die S3-Leitlinie 2018 das fordert. Bei Erwachsenen basiert die Beurteilung, wie bei anderen psychischen Störungen, überwiegend auf dem Ergebnis des diagnostischen Interviews sowie den Ergebnissen aus verschiedenen Fragebogenerhebungen. Aber auch Seh- und Hörtests können durchgeführt werden, um so andere Ursachen für das auffällige Verhalten bzw. Andere psychische Störungen müssen differenzialdiagnostisch abgegrenzt bzw.
Die Symptome der ADHS werden in zwei international anerkannten Diagnosemanualen beschrieben.
Um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen, werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Unter anderem klärt die Ärztin/der Arzt ab, ob andere psychische Erkrankungen (z.B. bipolare Störung) bzw. eine Persönlichkeitsstörung (vor allem dissoziale Persönlichkeitsstörung und emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) vorliegen oder ausgeschlossen werden können. Bildgebende Verfahren (CT, MRT) und EEG können zum Ausschluss neurologischer Erkrankungen zum Einsatz kommen. Ebenso kann klinisch-psychologische Diagnostik ergänzend hilfreich sein (z.B. mittels Selbst- und Fremdeinschätzungsfragebögen).
Kriterien für die Diagnose:
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- Die Verhaltensauffälligkeiten bestehen seit der Kindheit.
- Es gibt mindestens sechs Anzeichen dafür, dass Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder Hyperaktivität vorhanden sind.
- Es gibt in mehr als einem Lebensbereich Schwierigkeiten.
- Das soziale Leben und der berufliche Alltag sind stark beeinträchtigt.
Behandlung von ADHS bei Erwachsenen
Erwachsene mit der Diagnose ADHS müssen sich nicht unbedingt behandeln lassen. Ist die Störung allerdings ausgeprägt und beeinträchtigt sie mehrere Lebensbereiche (Beruf, Freizeit, Paarbeziehung), ist eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie oft sinnvoll.
Die Frage nach der „richtigen“ Therapie global zu beantworten, ist unmöglich. Außerdem hängt die Frage, welche Therapien für Erwachsene mit ADHS passen, u.a. davon ab, wo die größten Defizite bzw.
Psychotherapie
Nach heutigem Wissensstand lässt sich ADHS nicht heilen. Manchmal bilden sich die Beeinträchtigungen aber mit den Jahren teilweise zurück. Einige Betroffene entwickeln zudem Bewältigungsstrategien, mit denen sie Alltag und Beruf erfolgreich meistern. Vor allem Schwierigkeiten mit der Arbeitsorganisation sowie der beruflichen und privaten Kommunikation sind gut verhaltenstherapeutisch behandelbar.
Im Rahmen der Psychotherapie empfehlen die Leitlinien die kognitive Verhaltenstherapie. Durch ein sogenanntes Selbstinduktionstraining lernen ADHS-Patienten, wie sie ihre Impulsivität besser kontrollieren können. Einzeln und in der Gruppe werden Verhaltensweisen eingeübt, die den Alltag mit den Kollegen, der Familie oder dem Partner erleichtern.
Medikamente
Bei ausgeprägten Symptomen im Erwachsenenalter verordnen Ärzte mitunter Medikamente gegen ADHS. Wie bei Kindern stehen auch Erwachsenen zwei verschiedene Wirkstoffe (Methylphenidat und Atomoxetin) zur Verfügung. Sie heilen nicht die Erkrankung, tragen aber dazu bei, die Lebensqualität zu verbessern.
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Methylphenidat
Methylphenidat ist das am häufigsten verwendete Medikament zur Behandlung von ADHS. Es ist unter den Handelsnamen Ritalin und Medikinet bekannt. Methylphenidat ist kein Beruhigungsmittel, sondern ein Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine. Es fördert die Aktivität im Gehirn, insbesondere die Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin. Dopamin spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Bewegungen und der Konzentrationsfähigkeit.
Methylphenidat wirkt schnell, oft schon innerhalb einer Stunde. Die Dosierung wird individuell angepasst, beginnend mit einer niedrigen Dosis, die nach Bedarf gesteigert wird. Methylphenidat unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und wird nur auf speziellen Rezepten verschrieben. Es hat keine körperlich süchtigmachende Wirkung bei sachgemäßer Anwendung. Missbrauch kann jedoch gesundheitsschädlich sein, etwa bei Verwendung als "Gehirn-Doping".
Atomoxetin
Ein neuerer Wirkstoff für ADHS ist Atomoxetin, das weniger stark wirkt als Methylphenidat, aber eine Alternative bietet. Atomoxetin erhöht den Noradrenalinspiegel im Gehirn, indem es dessen Abbau verlangsamt. Es fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und ist ab sechs Jahren zugelassen.
Weitere Medikamente
Weitere mögliche Medikamente bei ADHS sind Neuroleptika, Antidepressiva, Beruhigungsmittel und andere Amphetamine. Fenetyllin und Pemolin können ebenfalls verordnet werden, wenn Methylphenidat und Atomoxetin nicht ausreichend wirken.
Weitere Therapieansätze
- Psychoedukation
- Klinisch-psychologische Behandlung
- Erinnerungshilfen einsetzen
- Routinen festlegen
Für jede/jeden Betroffenen kann es unterschiedliche Strategien geben, die hilfreich sind. Mit der Zeit, können diese herausfinden, was wirklich guttut.
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ADHS und Partnerschaft
Eine Freundschaft zu oder Beziehung mit einem ADHS-Partner oder zwischen zwei Personen mit ADHS wird nie langweilig; der Weg zum Glück bzw. Vergesslichkeit, Ablenkbarkeit, mangelndes Zeitgefühl: Vereinbarungen werden daher oft nicht oder sehr verspätet eingehalten, Versprechen nicht gehalten. Desorganisation: Jeder Sonntagsauflug, jede geplante Unternehmung kann zum Drama werden, weil der Partner oder Freund nicht in die Gänge kommt, mit hoher Wahrscheinlichkeit dringend Benötigtes nicht einpackt und möglicherweise ganz plötzlich woanders hin will. Auch im (gemeinsamen) Haushalt läuft es selten nach Plan. Die besser organisierte Person in der Beziehung muss da ständig hinterher sein. Emotionale Überreaktion: Kritik, auch durchaus berechtigte, wird schnell als Angriff verstanden und wütend zurückgewiesen. Auf der positiven Seite sind aber Kreativität, Charme und Improvisationstalent anzumerken. Wenn das Organisatorische mal geklärt ist, wird die gemeinsame Zeit bunt und abwechslungsreich.
Unbedingt nötig: Beide Partner müssen Kenntnisse über ADHS erwerben, sei es durch Bücher, durch Kurse oder durch seriöse Anbieter im Internet und in den Sozialen Medien. Dem ADHS-Partner verhilft das zu mehr Selbsterkenntnis und ermöglicht das Erlernen von Strategien für ein gedeihlicheres Zusammenleben. Dem nicht betroffenen Partner hilft das neue Wissen, die Eigenheiten von ADHS nicht persönlich zu nehmen. Gemeinsam kann man dann Abmachungen treffen und ggf. auch Aufgaben neu verteilen. Für die Umsetzung gibt es viele hilfreiche Vorschläge im Netz, z.B. Ein häufiger Fehler ist, dass der nicht betroffene Partner quasi in eine Elternrolle rutscht und ständig mahnt und schimpft. Das ist nicht hilfreich und für der Partner kränkend. Er/sie will ja, ist oft hoch motiviert, aber schafft die Umsetzung nicht. Deshalb ist Kenntnis des Störungsbilds so wichtig. Dann lernen Beide mit der Zeit, den richtigen Ton zu treffen, in dem sogar Kritik akzeptabel wird.
Personen mit ADHS sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die ADHS nicht nur belastende Faktoren mit sich bringt, sondern Betroffene i.d.R. auch über eine ganze Reihe positiver Eigenschaften und Fähigkeiten verfügen.
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