In psychosozialen Krisen hilft oft schon ein vertrauensvolles Gespräch mit einer verständnisvollen Person. Es kann jedoch auch notwendig sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Um Menschen in akuten psychosozialen Krisen zu helfen, haben Fachleute die Methode der Krisenintervention entwickelt.
Was ist Krisenintervention?
Krisenintervention ist eine Methode der Beratung bzw. A: Ansatz zur Problembewältigung bzw. die rasche Linderung bzw. Krisenintervention soll Hilfe zur Selbsthilfe bieten und orientiert sich in ihren Zielen stark an der Lebenssituation und den Bedürfnissen von Betroffenen.
Merkmale der Krisenintervention
- Krisenintervention kommt in einer akuten Phase einer psychosozialen Krise zum Einsatz.
- Im Mittelpunkt steht dabei, eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung aufzubauen.
- Eine Krisenintervention ist zeitlich begrenzt.
- In der Folge können bei Bedarf zum Beispiel auch eine weiterführende Psychotherapie oder eine psychiatrische Behandlung stattfinden.
Wie läuft eine Krisenintervention ab?
Bei der Krisenintervention führen geschulte Fachleute entlastende Gespräche. Manchmal leiten sie auch Übungen zur Entspannung und Bewältigung von schwierigen Situationen an. Ebenso kommt die sogenannte Psychoedukation zur Anwendung. Im Rahmen der Krisenintervention finden bei Bedarf auch ärztliche Untersuchungen und Behandlungen statt. Diese umfassen z.B. die Abklärung körperlicher Symptome oder die Anwendung von Medikamenten. In sehr akuten Fällen kann auch ein Spitalsaufenthalt notwendig sein. Begleitend kann zum Beispiel auch medizinische Hilfe - etwa durch Medikamente - oder die Organisation von Unterstützung im Alltag wichtig sein. Bei Bedarf und mit Einverständnis der Betroffenen können auch Angehörige bzw. Professionelle Helferinnen bzw. Helfer, die in der Krisenintervention tätig sind, haben entsprechende Weiterbildungen absolviert. Ärztinnen oder Ärzte mit Fortbildung in psychotherapeutischer Medizin bzw. Ambulanzen für Psychiatrie, Psychosomatik bzw.
Psychosoziale Krise vs. Psychiatrischer Notfall
Psychosoziale Krisen sind von einem psychiatrischen Notfall zu unterscheiden. Im Unterschied zur psychiatrischen Krise besteht bei einer psychosozialen Krise keine unmittelbare Gefährdung. Sie ist jedoch ebenso sehr belastend und kann zu einem Notfall werden. Eine psychosoziale Krise wird durch belastende Lebensereignisse und/oder veränderte Umstände ausgelöst. Betroffene können diese momentan nicht mit ihren üblichen Problemlösungsstrategien bewältigen. In der Folge haben sie Schwierigkeiten, ihr Berufsleben sowie ihr soziales Leben zu meistern. Durch rechtzeitiges Handeln können so manche Folgeerkrankungen (z.B.posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen) oder gefährliche Situationen (z.B. Suizid, Gewalthandlung) vermieden werden.
Bei einem psychiatrischen Notfall liegt meist eine akute psychische Erkrankung bzw. ein akutes körperliches Leiden vor, das zu psychiatrischen Symptomen führen kann. Bei einem psychiatrischen Notfall tritt eine psychiatrische Störung akut auf oder verschlimmert sich bis hin zu einem medizinischen Notfall. Auch ein akutes körperliches Leiden (z.B. Gehirnblutung, Stoffwechselstörung) kann zu psychiatrischen Symptomen führen. Dabei kommt es zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit der betroffenen Person (sowie ggf. auch seiner Umgebung). Bei einem psychiatrischen Notfall ist rasche medizinische Hilfe unumgänglich!
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Symptome eines psychiatrischen Notfalls
- Störungen des Bewusstseins (z.B. hochgradige Erregung (z.B. schwere Vergiftungen, die psychiatrische Symptome auslösen (z.B. „Nervenzusammenbruch“ (akute Belastungsreaktion) etc.
- Störung des Realitätsbezugs: Wahrnehmung, Denken und Handeln sind nicht realitätsnah und wirken „komisch“, z.B. überflutende Gefühle, z.B. Ankündigung von selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten (z.B.
- Bei einer psychiatrischen Krise kann oft nur schwer Kontakt zur betroffenen Person hergestellt werden. Im Gespräch wirken Betroffene meist abwesend und legen teils auch ungewöhnliches Verhalten an den Tag.
- Bei einem psychiatrischen Notfall droht Lebensgefahr (z.B. bei Gefahr der Selbstschädigung oder eskalierender Gewalt). Eine akute Verschlechterung eines Krankheitszustandes mit unter Umständen nicht rückgängig zu machenden Folgen ist möglich.
Was tun bei einem psychiatrischen Notfall?
- Betroffene in Notsituation ansprechen: Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und die Lage zu erfassen. Sprechen Sie die betroffene Person an. Betroffene sollten Raum bekommen, selbst zu erzählen, wie es Ihnen geht. In jedem Fall ist die Privatsphäre der Person zu akzeptieren.
- Rasch Hilfe holen: Rufen Sie die Rettung unter 144 oder die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung.
- In Kontakt bleiben bis die Rettung kommt: Versuchen Sie die Betroffene/den Betroffenen nicht alleine zu lassen! Bleiben Sie wenn möglich mit ihr/ihm in Kontakt, ermöglichen Sie jedoch auch einen Rückzugsraum. Vermeiden Sie Zurechtweisungen. Versuchen Sie diejenige/denjenigen zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen. Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst, stellen Sie diese nicht in Frage. Die Rettungsleitstelle kann Ihnen auch über das Telefon Anweisungen geben, die Sie befolgen sollten.
Es ist manchmal schwierig, selbst einen klaren Kopf in dieser Situation zu bewahren. Gefühle wie Ohnmacht und Verzweiflung können so stark mitempfunden werden, dass man selbst fast handlungsunfähig wird. Vor allem, wenn man zu der betreffenden Person ein nahes Verhältnis hat. Diskutieren Sie jedoch nicht lange - holen Sie Hilfe. Manchmal kann es sein, dass das Hilfsangebot abgewiesen wird. Das gilt in den wenigsten Fällen Ihnen persönlich. Holen Sie dennoch Hilfe! Einfühlsam zu sein und gleichzeitig konsequent Hilfe zu organisieren, muss kein Widerspruch sein. Versuchen Sie zudem, bei Menschen, die aggressiv sind, ruhig zu bleiben und sorgen Sie für Ihre Sicherheit, halten Sie Abstand. Zeigen Sie klar Ihre Grenzen.
Weitere Informationen finden Sie in der Broschüre von HPE (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter) „Psychiatrische Krisen. Erkennen. Handeln. Vorbeugen.
Wie Sie einen Notfallplan erstellen
Machen Sie sich zusätzlich einen Notfallplan: erstellen Sie eine Liste, an wen Sie sich in einer Krise wenden können um sich Hilfe zu holen (z.B. 1. Freundin oder Freund, 2. Therapeut:in, 3. Kriseninterventionsstelle…). Nicht nur bei Verletzungen, Vergiftungen etc. kann Erste Hilfe notwendig sein, sondern auch bei psychiatrischen Krisen. Es handelt sich dabei um teils lebensbedrohliche Zustände. Sofortige medizinische Hilfe ist notwendig.
Umgang mit Suizidgedanken
Im Rahmen einer psychosozialen Krise kann es auch zu Suizidgedanken kommen. Sie denken an Suizid, machen sich um jemanden Sorgen oder haben einen Menschen aufgrund eines Suizidtodesfalls verloren? Bleiben Sie mit Ihren Suizidgedanken nicht allein! Der erste Schritt zur Bewältigung von psychischem Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Suizidgedanken ist, sie mit einer anderen Person zu teilen. Auch wenn es Ihnen schwer fällt, wenden Sie sich an einen Menschen, dem Sie vertrauen, entweder im Familien- oder Freundeskreis oder in Ihrem Umfeld (etwa eine Ärztin oder ein Arzt oder Lehrkräfte in der Schule). Auch eine telefonische Hotline kann rasche Hilfe leisten. Professionelle Hilfe ermöglicht, einen Ausweg aus schwierigen Situationen zu finden. Gemeinsam können die Ursachen für die Suizidabsichten erkannt werden und Strategien für die Zukunft erarbeitet werden, um neuen Krisen gestärkt zu begegnen. Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Entfernen Sie mögliche Suizidmittel (z.B. Medikamente) aus Ihrer Umgebung!
Es geht Ihnen psychisch sehr schlecht? Kontaktieren Sie umgehend die Rettung unter der Nummer 144. Wenn jemand für Sie Hilfe holt, haben Sie Vertrauen, dass man Ihnen helfen möchte. Sie sehen sich nicht mehr aus einer ausweglosen Situation hinaus, haben vielleicht auch Angst, sich etwas anzutun? Hilfsmöglichkeiten sowie rasche Ansprechstellen finden Sie unter Suizidgedanken? Holen Sie sich Hilfe. Es gibt sie.
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Das Forschungsprojekt „Krise mit Plan!“
Ob Pandemien, Cyberattacken, Blackouts oder Umweltkatastrophen - wenn IT-Systeme nicht mehr funktionieren und die Mobilität eingeschränkt ist, Produktions-, Liefer- und Personalengpässe eintreten, dann ist der hochsensible Gesundheitssektor ganz besonders gefordert. Schließlich muss die Versorgung vulnerabler Personengruppen, wie betreuungs- und pflegebedürftiger Menschen trotz Krise gewährleistet sein. Diese Frage steht im Mittelpunkt des FFG-geförderten Forschungsprojekts „Krise mit Plan!“, das im Oktober 2022 startete. Im Laufe des zweijährigen Projekts sollen die Organisationen im Pflege- und Sozialbereich auf ein effizientes Krisenmanagement vorbereitet werden. Dies beinhaltet Konzepte und Leitlinien zur Risikoanalyse zum Aufrechterhalten der Dienstleistung während einer Krise und dem Wiederaufbau danach.
Eine erste Bestandsaufnahme bestehender Krisenvorsorge erfolgt ab Februar in einer Online-Umfrage, zu der 50 Pflege- und Betreuungseinrichtungen aus Wien, Niederösterreich und Burgenland eingeladen werden. Zudem werden Kund:innen von Pflege- und Betreuungsorganisationen im Rahmen von Interviews befragt.Die Umfragen und Interviews sollen uns einen tieferen Einblick geben, um eine Risiko- und Bedarfsanalyse zu erstellen. Die ersten Ergebnisse erwarten wir bis Ende April“, erzählt Nadine Sturm von den Johannitern, die das Forschungsprojekt leitet.Um wichtige Aspekte und Abläufe für die Krisenvorbereitung zu filtern, erfolgt in einem nächsten Schritt gemeinsam mit der Pflegeorganisation Care Systems eine Prozessanalyse. Die Organisationen des Pflege- und Sozialbereichs werden angeregt, sich auf Krisen vorzubereiten und gemeinsam Krisenpläne zu entwickeln. Der Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen agiert als Projektpartner mit essenziellem Netzwerk. Die Organisationen werden in Form von Workshops eingebunden, in denen der Austausch mit Expert:innen und Stakeholdern forciert wird. Dabei liegt der Fokus auf dem Bereich der mobilen Dienste. Die unterschiedlichen beteiligten Personengruppen und deren Bedürfnisse werden besonders beachtet. Eine Expertin für Gender- und Diversitätsaspekte ist am Projekt beteiligt. Erarbeitet wird ein Test zur Selbsteinschätzung (Self-Assessment-Test) mit dem der aktuelle Stand der Krisenvorbereitung von den Organisationen selbst festgestellt werden kann. Best-Practice Beispiele sollen Ideen zur Vorbereitung auf Krisen liefern und die Organisation dabei unterstützen, präventive Maßnahmen zu setzen.
Als Ergebnis des Projektes erwarten wir uns Leitlinien zur Krisenvorbereitung um die Organisationen vor, während und nach der Krise dabei zu unterstützen, diese bestmöglich zu bewältigen und den Schaden zu minimieren.
Projektdauer: Oktober 2022 bis Oktober 2024
Projektleitung: Johanniter Österreich Ausbildung und Forschung gem. GmbH in Zusammenarbeit gemeinsam mit Care Systems Betreuung und Pflege gem.
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