ADHS Diagnose bei Erwachsenen in Heidelberg

ADHS ist die Abkürzung für den Begriff Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung und ist wohl die häufigste psychiatrische Störung im Kindes- und Jugendalter. Allerdings persistieren ADHS bei etwa der Hälfte der Betroffenen im Erwachsenenalter mit einer Prävalenz von 3-4% in der Bevölkerung.

Klassifikation und Symptomatik

Die Klassifikation von ADHS nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist in einem Manual verzeichnet (International Classification of Diseases, ICD-10 genannt). Laut ICD-10 ist die hyperkinetische Störung charakterisiert durch einen frühen Beginn, sowie durch die Kombination von hoher Ablenkbarkeit bzw. dem Mangel an Ausdauer bei Aufgabenstellungen, wenig angepasstem, überaktivem Verhalten, durch die mangelnde Fähigkeit Reaktionen zurückzuhalten sowie durch das häufige Wechseln von Tätigkeiten.

In der Diagnostik wird sie in drei Bereiche, die Beeinträchtigungen zeigen müssen, eingeteilt: Aufmerksamkeitsstörung, hyperaktives und impulsives Verhalten. Die Symptomatik muss vor dem siebten Lebensjahr auftreten und zum Zeitpunkt der Diagnose müssen die Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen, ein unangemessenes Ausmaß annehmen und sie dürfen mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht vereinbar sein. Weiter wird verlangt, dass die Symptome situationsübergreifend beobachtbar sind.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für ADHS sind vielfältig. Hier einige wichtige Faktoren:

  1. Pränatale Einflüsse: Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, erniedrigtes Geburtsgewicht, toxische Expositionen durch Nikotin oder Alkohol sowie ungünstige psychosoziale Bedingungen während der Schwangerschaft sind Risikofaktoren für die Entwicklung von ADHS.
  2. Ernährung: Untersucht wurden vor allem die Einflüsse von allergieauslösenden Nahrungsmitteln auf die ADHS-Symptomatik - von Zucker, Vitaminen, Spurenelementen, essentiellen Fettsäuren und Kräutern. Zuckeraufnahme scheint keine Auswirkungen auf die ADHS-Symptomatik zu haben.
  3. Psychosoziale Faktoren: Psychosoziale Faktoren, wie ungünstige familiäre Bedingungen und negative Interaktionsmuster, beeinflussen das Verhalten des hyperaktiven Kindes. Familiäre Faktoren haben einen Einfluss auf die Stärke, die Dauer und auf mögliche Sekundärfolgen von ADHS.
  4. Neurobiologie: Störungen im Dopaminsystem sowie des noradrenergen Systems und die damit verbundene Beeinträchtigung von neuronalen Strukturen werden als einer der grundlegenden Ursachen des ADHS-Syndroms gesehen.

Tabelle: Nahrungsmittel und Reaktionen bei ADHS-Kindern

Auf folgende Nahrungsmittel zeigten sich in Untersuchungen verstärkte Reaktionen (die angegebenen Prozentsätze beziehen sich jedoch nur auf 34 untersuchte Kinder):

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Nahrungsmittel Reaktion (%)
Farb- und Konservierungsstoffe 79%
Kuhmilch 64%
Schokolade 59%
Trauben 50%
Weizen 49%
Zitrusfrüchte 45%
Käse 40%
Ei 39%
Erdnüsse 32%
Mais 23%
Fisch 23%
Hafer 23%

Das ADHS-Modell von Barkley

Nach dem ADHS-Modell von Barkley (1997) sind die zentralen Einschränkungen durch ADHS die verzögerte Entwicklung der Verhaltenshemmung und die Beeinträchtigungen exekutiver Funktionen (Handlungsplanung und Überwachung der Handlungsdurchführung), woraus Schwierigkeiten bei der Selbststeuerung entstehen.

Das Arbeitsgedächtnis ist an der Speicherung, Bewertung sowie beim Abrufen aufgenommener Informationen beteiligt. Bei einer Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses, wie bei ADHS, werden Information nicht richtig gespeichert und abgerufen. Durch die zusätzliche Beeinträchtigung bei der Setzung von Prioritäten in der Reizaufnahme entstehen speziell in Situationen einer Reizüberflutung immer wieder Informationslücken im Arbeitsspeicher.

Kinder mit ADHS sind zeitlich durch ihre Impulsivität vorwiegend auf die Gegenwart beschränkt. Menschen mit ADHS besitzen oft ein verblüffendes Gedächtnis für alle möglichen Kleinigkeiten und Einzelheiten aus der Vergangenheit, übersehen bzw. „Sie werden vom Augenblick beherrscht, streben nach unmittelbarer Befriedigung und berücksichtigen nur Ereignisse die sie direkt vor sich haben. Es zählt nur unmittelbare Bedürfnisbefriedung im Hier und Jetzt. Daraus ergibt sich auch die Unfähigkeit zeitlich nahe Ereignisse bzw. Konsequenzen auf Verhaltensweisen einzuschätzen oder auf Belohnungen warten zu können. Durch ihr schlechtes Zeitgefühl fällt es ihnen schwer sich die Zeit einzuteilen, Limits einzuhalten bzw. für die Zukunft zu planen“ (Barkley, 2005, S.

Eine wichtige Fähigkeit bei erfolgreichen sozialen Interaktionen ist, gegenwärtige emotionale Reaktionen unterdrücken bzw. verzögern zu können. Menschen mit dieser Fähigkeit können von Ereignissen Abstand nehmen und diese im Anschluss objektiver und mit mehr Vernunft und Logik betrachten.

Durch die eingeschränkten Hemm- und Filtermechanismen sind ADHS-Kinder in ihrer Impulsivität gefangen und ausgeliefert. Die sofortige Auslebung ihrer Emotionen im Hier und Jetzt führt in familiären und außerfamiliären Interaktionen oft zu erheblichen Problemen. Kinder mit ADHS sind oft nicht fähig bei ihrer Emotion zu bleiben, diese zu reflektieren und an die Gegebenheiten der Umgebung anzupassen. Deshalb reagieren diese Kinder oft mit heftigen Affektausbrüchen und der Situation unentsprechend.

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Ein positiver Nebeneffekt: ADHS-Kinder registrieren bereits geringe Schwankungen in Emotionen und reagieren auf emotionale Veränderungen ihrer Umgebung dementsprechend hypersensibel. Kinder mit ADHS werden häufig von Gefühlen regelrecht überschwemmt. Als Beispiel für diese Gefühlssensibilität steht der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn von ADHS-Kindern, der leicht zu Frustrationen bzw. Gefühlen der Verletztheit führt, die aber durch die Impulsivität schnell wieder „vergessen“ werden.

Durch die innere Unstrukturiertheit verweigern ADHS-Kinder oft eine intensive Auseinandersetzung mit Aufgaben und Reizen, die sie als zu komplex erleben. Um längere Zeit bei einer Tätigkeit verweilen zu können, brauchen diese Kinder eine enorme Begeisterung. Das Interesse kann von außen durch eine wenig komplexe und abwechslungsreiche Aufgabe aufrechterhalten werden und/oder durch permanente äußere Verstärkungen und Anreize.

Diagnostik

Die Diagnostik von ADHS hat vorrangig das Ziel, das Vorliegen sowie die Ausprägungen einer möglichen ADHS-Symptomatik anhand internationalen Kriterien (ICD-10 der WHO) auszuschließen oder zu bestätigen.

Bei einer ADHS-Diagnose handelt es sich nicht um eine rasche "Blickdiagnose", sondern um einen längeren Prozess, in dem klinisch und wissenschaftlich fundierte Untersuchungsmethoden anzuwenden sind. Aus dieser Diagnose ergeben sich im weiteren Verlauf direkte Konsequenzen bzw. Ansatzpunkte für den Behandlungsplan des Kindes. Da es verschiedene Typen und Ausprägungen des Syndroms gibt, bedeutet dies in der Praxis, dass auch PatientInnen ohne stark auffallendes hyperaktives Verhalten (wie z.B.

Aus der Exploration und Anamneseerhebung mit den Eltern, dem Kind und möglicherweise den Lehrer/innen ergeben sich Hypothesen zu Störungsbildern, die zur weiteren Planung der Diagnostik genutzt werden. Auch Erwartungshaltungen und Ziele der Beteiligten sind von Interesse.

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Testpsychologische Verfahren geben Aufschluss über verschiedene Leistungsbereiche des Kindes (z.B. Konzentration, Intelligenz, Wahrnehmung, Impulskontrolle) und decken individuelle Schwierigkeiten auf. Mit standardisierten Fragebögen werden wissenschaftlich gesichert Informationen und Symptome des Kindes erhoben, die den Eltern und nach Bedarf den Lehrer/innen zur Fremdeinschätzung sowie je nach Alter dem Kind zur Selbstbeurteilung vorgelegt werden.

Behandlungsmöglichkeiten

Kombinationen aus eltern- und kindzentrierten Interventionsformen, individuell an die Schwierigkeiten des Kindes bzw. der Familie angepasst, sind bei der Behandlung von ADHS laut bisheriger Studien wirksamer als die Anwendung von Einzelmethoden. Der Grund hierfür liegt in der Unterschiedlichkeit der Störungen: Oft gibt es zusätzliche Störungen zum ADHS, die familiären Belastungen sind unterschiedlich oder die verschiedenartigen Behandlungsmöglichkeiten werden unterschiedlich akzeptiert (Döpfner & Lehmkuhl, 2002).

Interventionen in denen mit dem ADHS-Kind gearbeitet wird, umfassen Spiel-, Konzentrations-, Selbstinstruktions- und Entspannungstrainings, Trainings zur Verringerung der Impulsivität und zur Kontrolle des Ärgers, die Vermittlung von Selbstmanagement- und Problemlösestrategien sowie die Erhöhung der sozialen Kompetenz. Damit soll das Lern- und Sozialverhalten der ADHS-Kinder verbessert werden. Wichtig in der Behandlung sind die alltagsnahe Gestaltung und die individuelle Anpassung des Trainingsprogramms an die Fähigkeiten und Schwierigkeiten der Kinder.

Psychologische Hausübungen sollen die Generalisierung auf andere Situationen bzw. Aufgaben gewährleisteten.

Medikamentöse Behandlung

Bei ausgeprägter Symptomatik kann eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, um die Entwicklung des Kindes zu fördern bzw. um dem Kind zu helfen. Diese Entscheidung trifft nach Absprache mit den Eltern der zuständige Facharzt (Psychiater, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder für Kinder- und Jugendheilkunde). Die Wirksamkeit der medikamentösen Behandlung von ADHS ist prinzipiell gut belegt und fundiert.

Eingesetzt werden vor allem zentralnervös aktivierende Psychopharmaka mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Handelsname: Ritalin® oder Concerta®) und Antidepressiva mit dem Wirkstoff Atomoxetin (Handelsname: Strattera®), aber auch zentralnervös dämpfende Substanzen wie Neuroleptika (Handelsname: Rispatal®) werden gelegentlich verabreicht (wenn das Kind starke Aggressionen zeigt).

Neurofeedback als alternative Behandlungsmethode

Neurofeedback ist eine spezialisierte Form des Biofeedbacks, bei der Gehirnwellen in Echtzeit gemessen und analysiert werden. Das Ziel ist es, das Gehirn dabei zu unterstützen, seine Aktivität selbst zu regulieren. Die Patient:innen lernen, bestimmte Gehirnwellenmuster zu verstärken oder zu reduzieren, was zu einer Verbesserung der Konzentration und emotionalen Kontrolle führen kann.

Bei Menschen mit ADHS zeigen sich häufig Ungleichgewichte in bestimmten Gehirnwellenmustern. Beispielsweise sind die Theta-Wellen, die mit Tagträumen und entspanntem Wachzustand assoziiert werden, oft überaktiv, während die Beta-Wellen, die mit Fokus und Aufmerksamkeit verbunden sind, unteraktiv sein können.

Während einer Neurofeedback-Sitzung wird der/die Patient:in mit Elektroden verbunden, die die Gehirnaktivität messen. Diese wird dann auf einem Bildschirm in Form eines Spiels oder einer anderen visuellen Darstellung wiedergegeben. Wenn das Gehirn die gewünschten Wellenmuster produziert, wird der/die Patient:in durch positive Rückmeldung belohnt.

Vorteile von Neurofeedback

  • Verbesserte Aufmerksamkeit und Konzentration: Studien zeigen, dass Neurofeedback zu einer signifikanten Verbesserung der Aufmerksamkeit und Konzentration bei ADHS-Patienten führen kann.
  • Individuell anpassbar: Neurofeedback bietet den Vorteil, dass es individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden kann.
  • Nebenwirkungsfrei: Im Gegensatz zu medikamentösen Behandlungen sind beim Neurofeedback keine unerwünschten Nebenwirkungen bekannt.

Neurofeedback wird nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen mit ADHS erfolgreich eingesetzt. Die Therapie erfordert in der Regel mehrere Sitzungen, um nachhaltige Erfolge zu erzielen. Studien zeigen, dass Neurofeedback in Kombination mit anderen Therapieformen, wie Verhaltenstherapie oder Ergotherapie, besonders effektiv sein kann.

Neurofeedback bietet eine spannende und wirkungsvolle Methode zur Behandlung von ADHS, die sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignet ist. Durch das gezielte Training der Gehirnwellen können Betroffene lernen, ihre Symptome besser zu kontrollieren und ihren Alltag deutlich zu verbessern. Für Psycholo:innen, Psychotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen und Ärzt:innen stellt Neurofeedback eine wertvolle Ergänzung im Behandlungsspektrum dar, die ohne Nebenwirkungen auskommt und individuell auf die Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt werden kann.

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